TE Bvwg Beschluss 2020/3/4 W131 2164739-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2020
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Entscheidungsdatum

04.03.2020

Norm

BVergG 2006 §1 Abs1
BVergG 2006 §141
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2
BVergG 2006 §312 Abs3 Z3
BVergG 2006 §312 Abs3 Z4
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §323
BVergG 2006 §331 Abs1 Z2
BVergG 2006 §332 Abs5
BVergG 2006 §334
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W131 2164739-2/96E

W131 2164740-2/96E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden und die beiden fachkundigen Laienrichter XXXX (als Beisitzer der Auftraggeberseite) und Ing Wilhelm WEINMEIER als Beisitzer der Auftragnehmerseite) betreffend die am (datiert) 16.02.2016 und 19.02.2016 vorgetragenen Rechtsschutzbegehren der XXXX (ASt) jeweils wegen der vorgebrachten Unzulässigkeit einer Direktvergabe von Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen für den Fahrplan 2016 durch den Auftraggeber SCHIG (Schieneninfrastruktur- Dienstleistungsgesellschaft mbH = AG) im Auftrag des BMVIT (Bund) an die XXXX (= MB) nach Ergehen des VwGH - Erkenntnisses zu Ro 2017/04/0024 und Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Ersatzentscheidungsverfahren beschlossen:

A)

I. Die Feststellungsbegehren zu den Geschäftszahlen W131 2164739-2 und W131 2164740-2 in den formulierten Eventualanträgen gemäß der jeweiligen Ziffern 1. und 2. der jeweiligen Seite 35 der Eingaben der Antragstellerin vom (datiert) 16.02.2016 und 19.02.2016,

nämlich erstens das seit Juli 2017 neu zu W131 2164739-2 protokollierte Begehren vom 16.02.2016,

1. nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung festzustellen, dass das Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde

und

2. nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung festzustellen, dass die Durchführung einer Vergabe ohne Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung wegen Verstoß gegen das BVergG, die hierzu ergangenen Verordnungen und des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts rechtswidrig war,

und zweitens das seit Juli 2017 neu zu W131 2164740-2 protokollierte Begehren vom 19.02.2016

1. nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung festzustellen, dass das Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde

und

2. nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung festzustellen, dass die Durchführung einer Vergabe ohne Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung wegen Verstoß gegen das BVergG, die hierzu ergangenen Verordnungen und des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts rechtswidrig war,

werden jeweils zurückgewiesen.

II. Der Gegenfeststellungsantrag der Schieneninfrastruktur- Dienstleistungsgesellschaft mbH iSv § 331 Abs 1 BVergG 2006, wie insbesondere am 15.01.2020 in der Verhandlung eindeutig dem Sinn nach und am 20.01.2020 schriftlich vorgetragen, dass die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, wird zurückgewiesen

B)

I. Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II. Die Revision gegen Spruchpunkt A) II. ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die ASt stellte im Februar 2016 ua die oben zurückgewiesenen Feststellungsbegehren.

2. Nach Vorzuständigkeit einer anderen Gerichtsabteilung wurden die im Februar 2016 vorgetragenen Rechtsschutzbegehren im Juli 2017 an die hier erkennende Gerichtsabteilung neu zugewiesen, woraufhin die hier erkennende Gerichtsabteilung diese Rechtsschutzbegehren wegen der vorgebrachten Direktvergabe, soweit in der Senatsentscheidungskompetenz liegend, mündlich verkündet am 01.08.2017 und schriftlich ausgefertigt im September 2017 einer Erledigung zuführte.

3. Die ASt erhob gegen die zurückweislichen Senatsentscheidungen Revisionen.

4. Während der VwGH im Herbst 2019 weitere Teilentscheidungen des BVwG (betreffend Zurückweisung etlicher weiterer Rechtsschutzbegehren auf insb Nichtigerklärung) durch Nichtaufhebung bestätigte, hob der VwGH mit Erkenntnis vom 16.10.2019, zugstellt an das BVwG am 17.11.2019 die Zurückweisungsaussprüche betreffend die im Spruch dieses Beschlusses ersichtlichen Feststellungsbegehren auf:

4.1. Das BVwG wies im ersten Verfahrensgang mit der nachstehend ersichtlichen tragenden Begründung zurück, wie im kassatorischen VwGH - Erkennts zitiert:

[...]

5. In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die im Fahrplan 2016 abgebildeten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen am 15. Februar 2016 zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei schriftlich fixiert worden seien und daher unstrittig von einer Zuschlagserteilung spätestens am 15. Februar 2016 auszugehen sei.

Die Auftraggeberin und die zweitmitbeteiligte Partei würden die Auffassung vertreten, dass auf Basis des im Jahr 2011 unterfertigten Verkehrsdienstevertrages die Fixierung der Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen für den Fahrplan 2016 erfolgt sei, ohne das insoweit eine Neuvergabe im Sinn des Vergabeverfahrensbegriffes gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 stattgefunden habe. Die Revisionswerberin kenne - von einigen Anlagen abgesehen - den im Jahr 2011 abgeschlossenen Verkehrsdienstevertrag. Sie habe im Rahmen der Bekämpfung des Vertrages nicht erreichen können, dass dieser mit den darin enthaltenen Vertragsänderungsbestimmungen (zB in § 5) aus dem Rechtsbestand beseitigt worden wäre.

6. Auch wenn man entgegen dem Standpunkt der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei als wahr unterstelle, dass der Zuschlag am 15. Februar 2016 erteilt worden wäre, sei der Revisionswerberin dennoch durch die von ihr behauptete Direktvergabe kein Schaden entstanden bzw. drohe ihr keiner zu entstehen. Die Auftraggeberin durfte nämlich gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 eine Vergabe ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens durchführen. Da die Revisionswerberin kein subjektives Recht auf Teilnahme an einem diesbezüglichen Vergabeverfahren habe, könne ihr kein Schaden - im Sinn einer Beeinträchtigung der Chancen zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren - entstanden sein bzw. entstehen..

[...]

4.1.1. Im BVwG - Beschluss war betreffend die Zurückweisung der Feststellungsbegehren war aber insb auch nachstehende Begründungspassage enthalten:

[...]

Insoweit verbleibt es noch, ergänzend auf Art 7 Abs 2 der PSO - VO einzugehen.

Aus dieser oben bereits zitierten Bestimmung über eine Vorinformation sei hier nochmals insb folgende Passage wiedergegeben:

... Sollten sich diese Informationen nach ihrer Veröffentlichung ändern, so hat die zuständige Behörde so rasch wie möglich eine Berichtigung zu veröffentlichen. Diese Berichtigung erfolgt unbeschadet des Zeitpunkts der Einleitung der Direktvergabe oder des wettbewerblichen Vergabeverfahrens. ...

Wenn der Unionsgesetzgeber mit dieser Bestimmung klargestellt hat, dass die Berichtigung einer Vorinformation unbeschadet des Zeitpunkts der Einleitung der Direktvergabe "erfolgt", also zu erfolgen hat, kann die Vorinformation rechtlich nicht Rechtsbedingung, sprich Zulässigkeitsvoraussetzung, einer Direktvergabe iSv Art 5 Abs 6 PSO-VO sein. Eine Berichtigung erfolgt eben nach dem klaren Wortlaut der PSO-VO gerade unbeschadet der Direktvergabe. Damit ist die Unterlassung einer Vorabinformation auch bei Wahrunterstellung einer Zuschlagserteilung am 15.02.2016 individualschutzrechtlich gemäß Art 5 Abs 7 PSO - VO iVm § 141 BVergG ausweislich dieser unionsrechtlichen Verordnungsbestimmung nicht sanktioniert, zumal der Unionsgesetzgeber in Art 5 Abs 6 PSO - VO die Direktvergabezulässigkeit mit keinem einzigen Wort von der Vorabinformation gemäß Art 7 Abs 2 PSO - VO abhängig gemacht hat.

Hätte der Unionsgesetzgeber dies individualschutzrechtlich sanktioniert gewollt, wäre von ihm insoweit eine ausdrückliche Formulierung einer derartigen Direktvergabe - Zulässigkeitsbedingung zu erwarten gewesen, zumal nach Art 5 Abs 7 PSO - VO nur die Einhaltung der Vorschriften des Art 5 Abs 2 bis 6 PSO - VO der individualschutzrechtlichen Überprüfung zugeführt können werden müssen; der Unionsgesetzgeber hat insoweit gerade keine weitergehende Pflicht zum Individualrechtsschutz zB gemäß Art 5 Abs 6 iVm Art 7 Abs 2 PSO - VO normiert.

[...]

4.1.2. Das BVwG konnte sich mit dieser Zurückweisung wohl in Wertungseinheit mit zB Linke in Linke, VO (EG) 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste2 (C H Beck, 2019) Art 5, Rz 222 sehen, wonach die Direktvergabemöglichkeit gemäß Art 5 Abs 6 PSO-VO zumindest im Jahr 2016 bedingungsfrei - und sohin auch ohne die Kautelen einer vorangehenden Vorinformation zulässig gesehen wird. Siehe dazu weiters auch Zuck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht3 (C H Beck 2018)Art 5 PSO-VO Rzz 113 bis 116.

4.2. Der VwGH hob diesen Zurückweisungsbeschluss jedoch insb mit folgenen tragenden Gründen auf:

[...]

36 Die Antragslegitimation des potentiellen Betreibers eines öffentlichen Dienstes kann damit auch nicht mit dem Argument verneint werden, ihm sei kein Schaden - im Sinn einer Beeinträchtigung der Chancen zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren - entstanden bzw. ihm drohe kein solcher zu entstehen.

Grundsätzlich gilt, dass ein zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrages führender eingetretener Schaden bereits dann vorliegt, wenn die Möglichkeit des Antragstellers beeinträchtigt wurde, am Vergabeverfahren teilzunehmen und er im Rahmen dieser Teilnahme in der Lage gewesen wäre, ein für den Zuschlag in Betracht kommendes Angebot zu legen (vgl. VwGH 24.2.2010, 2009/04/0209).

Im Fall einer im Zuge einer Direktvergabe entgegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 unterlassenen Veröffentlichung einer Vorinformation droht insofern ein Schaden, als dem potentiellen Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Möglichkeit genommen wird, auf die Bekanntgabe bzw. die Absicht des Auftraggebers, solche Aufträge zu vergeben, zu reagieren und sich - nach entsprechender Auseinandersetzung mit den veröffentlichten Informationen - an den Auftraggeber zu wenden, aber auch die aus dem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 resultierende Unzulässigkeit der Direktvergabe vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen.

37 Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte und die Feststellungsanträge der Revisionswerberin mangels Antragslegitimation zurückwies, hat es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

[...]

41 Ausgehend von dieser Rechtsprechung des EuGH hat es der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. März 2017, Ra 2016/04/0064, in dem es um die Zulässigkeit einer - ohne einer eigenen Vorinformation erfolgten - Änderung bestehender Verkehrsdiensteverträge ging, für maßgeblich erachtet, ob die Auftragsunterlagen (die Bedingungen des bereits geschlossenen Vertrages) die Befugnis des öffentlichen Auftraggebers vorsehen, bestimmte Bedingungen nach der Auftragsvergabe anzupassen, und auch die Modalitäten regeln, nach denen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht wird. Der EuGH spricht bei der Umschreibung dieser Befugnis von "bestimmten Bedingungen" ("certaines conditions" bzw. "certain conditions"). Daraus ist zu schließen, dass eine Vertragsklausel, die eine Befugnis zur nachträglichen Anpassung des abgeschlossenen Vertrages beinhaltet, die anzupassenden Bedingungen des Vertrages entsprechend zu konkretisieren hat und in diesem Sinn eine Bestimmtheit aufweisen muss. Es kann nämlich nichtunterstellt werden, dass der öffentliche Auftraggeber sich mit einer allgemein gehaltenen Vertragsklausel völlig unbeschränkt die Möglichkeit nachträglicher Änderungen vorbehalten kann. Dies würde zunächst den aus dem AEUV hervorgehenden Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie der sich daraus ergebenden Transparenzpflicht widersprechen, auf die der EuGH im Urteil "Finn Frogne" hinweist.

42 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit diesen Aspekten (aus den dargestellten Gründen) nicht näher auseinandergesetzt. Es erwähnt zwar Vertragsänderungsbestimmungen, die im Verkehrsdienstevertrag aus dem Jahr 2011 enthalten seien, und geht offenbar davon aus, dass die für den Fahrplan 2016 fixierten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen keine Neuvergabe darstellen würden. Auch die Auftraggeberin vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Auffassung, es habe kein vergaberechtlich relevanter Vorgang stattgefunden, sondern lediglich eine im ursprünglichen Verkehrsdienstevertrag vorgesehene Vertragsanpassung.

43 Der angefochtene Beschluss enthält allerdings keine Feststellungen zum Inhalt der genannten Änderungsbestimmungen im Verkehrsdienstevertrag. Ohne diese Feststellungen jedoch kann nicht beurteilt werden, ob es sich im vorliegenden Fall um eine zulässige Vertragsanpassung im Rahmen des bestehenden Verkehrsdienstevertrages handelt, die der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Finn Frogne" entspricht, oder ob die erfolgte Festlegung der Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen für den Fahrplan 2016 als Neuvergabe und somit als Beschaffungsvorgang im Sinn der vergaberechtlichen Bestimmungen, insbesondere jener der Verordnung (EG) 1370/2007, zu qualifizieren ist.

44 Da die entsprechenden Feststellungen zur Änderungsklausel im angefochtenen Beschluss fehlen und das Bundesverwaltungsgericht dabei die Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Finn Frogne" nicht berücksichtigt hat, liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor.

[...]

Aus dem VwGH Erk, dort insb Rz 41, ergibt sich daher, dass der VDV selbst die anzupassenden Bedingungen des Vertrages entsprechend zu konkretisieren hatte und in diesem Sinn eine Bestimmtheit aufweisen musste.

4.3. Der EuGH entschied am 24.10.2019 in der Rs C- 515/18 mit folgenden tragenden Gründen:

[...]

36 Der Unionsgesetzgeber hat sich jedoch für eine Fassung von Art. 7 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 1370/2007 entschieden, die in keiner Weise eine wie auch immer geartete Verpflichtung erwähnt, die möglicherweise nach der Veröffentlichung gemäß Art. 7 Abs. 2 eingegangenen Angebote vergleichend zu bewerten.

37 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass die zuständigen nationalen Behörden, die beabsichtigen, einen Auftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste auf der Schiene direkt zu vergeben, zum einen nicht verpflichtet sind, alle erforderlichen Informationen zu veröffentlichen oder den möglicherweise interessierten Wirtschaftsteilnehmern zu übermitteln, damit sie ein Angebot erstellen können, das hinreichend detailliert ist und Gegenstand einer vergleichenden Bewertung sein kann, und zum anderen nicht verpflichtet sind, eine solche vergleichende Bewertung aller nach der Veröffentlichung dieser Informationen möglicherweise eingegangenen Angebote vorzunehmen.

[...]

4.4. Insoweit ist verfahrensgangsmäßig noch auf das insb von der MB angezogene Urteil des EuGH in den Rs C-350 ud 351/17 zu verweisen, wo der EuGH in den Rzz 39f formuliert hat:

39 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 sieht diese Bestimmung - wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge festgestellt hat - eine Übergangszeit von zehn Jahren vor, die mit dem Inkrafttreten der Verordnung beginnt und am 2. Dezember 2019 endet und während der sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten noch nicht nach Art. 5 der Verordnung richten müssen, wenn [...].

40 Demnach kann eine zuständige Behörde während der Übergangszeit eine endgültige Vergabeentscheidung erlassen, ohne die Vorschriften nach Art. 5 der Verordnung Nr. 1370/2007 einhalten zu müssen.

4.5. Weder die AG noch die MB stellten beim VwGH binnen 14 Tagen ab Zustellung des kassatorischen Erkenntnisses des VwGH einen Antrag auf Wiederaufnahme wegen anderweitiger Lösung der Vorfrage rücksichtlich des Erkenntnisdatums des VwGH am 16.10.2019 und der vorzitierten EuGH Entscheidung am 24.10.2019, was unbeschadet der Entscheidungszustellung im November 2019 zumindest denkmöglich erschienen wäre.

4.5.1. Siehe dazu VwGH 2008/05/0129 mit folgenden Ausführungen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann jedoch die von einer hiezu vorgesehenen Behörde (Gericht) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragestellung eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG bilden, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2001, Zl. 2001/04/0034, VwSlg. 15.560/A).

Eine förmliche Aussetzung gemäß § 38 AVG ist ein im Instanzenzug bekämpfbarer Bescheid (vgl das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2003/05/0061) und kann - sofern die Voraussetzungen des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG vorliegen - mit Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden.

4.5.2. Insoweit daher ein Vorabentscheidungsurteil eine Vorfragenentscheidung ist, war das Ersatzentscheidungsverfahren auch unter Bedachtnahme auf § 45 Abs 1 Z 4 VwGG sowie auf § 69 Abs 1 Z 3 AVG bzw §32 Abs 1 Z 3 VwGVG iVm der Bindungswirkung gemäß § 63 Abs 1 VwGG durchzuführen.

5. Die AG stellte am 15.01.2020 mündlich und am 20.01.2020 schriftlich den Gegenfeststellungsantrag, wie im Spruch dieses Beschlusses gleichfalls zurückgewiesen.

6. Das BVwG führte nach Zustellung der teilkassatorischen VwGH - Entscheidung in diesem Ersatzentscheidungsverfahren im Herbst 2019 vorerst eine schriftliche Erörterung mit den Verfahrensparteien und danach eine (fortgesetzte) mündliche Verhandlung an vier Terminen (- 15.01., 22.01, 05,02 und 25.02. 2020) durch und erörterte darin etliche im Raum stehende Zurückweisungsgründe mit den Verfahrensparteien bzw nahm diverse Beweise auf, dies vor dem Hintergrund, dass in diesem Verfahrensgang möglichst umfassend die weiteren Antragsvoraussetzungen (abseits des im ersten Verfahrensgang herangezogenen Zurückweisungsgrunds) einer Beurteilung zugeführt werden.

Die ASt ordnet ihre im Spruch ersichtlichen Feststellungsbegehren vom 16.02.2016 und vom 19.02.2016 dem gesetzlich vorgesehenen Feststellungsbegehren gemäß § 331 Abs 1 Z 2 BVergG [2006] zu und hat dies bereits im ersten Verfahrensgang klargestellt. Auch der VwGH gibt in seinem im ersten Verfahrensgang ergangenen kassatorischen Erkenntnis (nur") den Feststellungstatbestand des § 331 Abs 1 Z 2 BVergG wieder.

7. Am 25.02.2020 konnten schlussendlich mangels weiterer erheblicher Beweisanträge das Ermittlungsverfahren und die Verhandlung geschlossen werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Am 12. Dezember 2009 veröffentlichte die Republik Österreich (Bund) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (zitiert in VwGH 2011/04/0134) nachstehende öffentliche Vorinformation:

"AT-Wien: Direktvergabe Linienbündel Bundesgebiet

Österreich

2009/S 240-343648

Öffentliche Vorinformation gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße

Die Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Radetzkystr. 2, 1030 Wien, beabsichtigt, unmittelbar oder im Wege einer vergebenden Stelle als Aufgabenträger des ÖPNRV zur Erfüllung des Grundangebots im öffentlichen Schienenpersonennah- und Regionalverkehr (§ 7 ÖPNRV-G 1999 idgF) voraussichtlich im ersten Halbjahr 2010 mehrere Dienstleistungsaufträge gemäß Art. 5 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 direkt zu vergeben, unter der Voraussetzung, dass dies nach Inkrafttreten der Bundesvergabegesetznovelle 2009 zulässig sein wird. Der Leistungsumfang erfasst Schienenpersonennah- und Regionalverkehrsleistungen (CPV 60210000) auf den von der [MB] bedienten Strecken im Gesamtnetz des Bundesgebietes sowie auf den von einzelnen anderen Bahnen jeweils bedienten Strecken der Republik Österreich (NUTS-Code AT), Dienstleistungskategorie Anhang II Teil B, Nr. 18, Richtlinie 2004/18/EG. Kontaktstelle:

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Verkehr, Abteilung V/Infra 6 Öffentlicher Personennah- und -regionalverkehr (ÖPNRV), z. Hd. ..."

1.2. Am 3. Februar 2011 (Datum gemäß VwGH Zl 2011/04/0134) schloss die AG mit der MB einen Vertrag betreffend die Erbringung von Verkehrsleistungen im Schienenpersonenverkehr (Verkehrsdienstevertrag = VDV) ab. Gegenstand des Vertrages ist die Beauftragung von gemeinwirtschaftlichen Schienenpersonenverkehrsleistungen gemäß Art 5 Abs. 6 der VO 1370/2007 für den Bund sowie die dafür im Gegenzug zu entrichtenden Zahlungen. Der Verkehrsdienstevertrag trat rückwirkend mit 1. April 2010 in Kraft und ist bis zum 31. Dezember 2019 befristet, womit die Fahrplananpassung 2016 in den zeitlichen Geltungsbereich dieses VDV fällt.

1.2.1. Der Vertrag lautet insoweit in den hier interessierenden Teilen:

"Verkehrsdienstevertrag

abgeschlossen zwischen der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH

XXXX , vertreten durch den Geschäftsführer, als Auftraggeber

und der

XXXX , vertreten durch den Vorstand,

als beauftragtes Eisenbahnverkehrsunternehmen

betreffend die Erbringung von Verkehrsleistungen im Schienenpersonenverkehr

[...]

Inhaltsverzeichnis

Präambel

1. Abschnitt: Vertragsgegenstand und Begriffsbestimmungen

§ 1 Vertragsgegenstand

§ 2 Begriffsbestimmungen

§ 3 Verzeichnis der Anlagen

2. Abschnitt: Vom EVU zu erbringende Schienenpersonenverkehrsleistungen

§ 4 Leistungsbeschreibung

§ 5 Änderungen der Verkehrsleistungen während aufrechter Vertragsdauer

§ 6 Zusammenfassung von Leistungseinheiten zu Teilleistungen

3. Abschnitt: Kommerzielle Bedingungen

§ 7 Abgeltungsbetrag

§ 8 Vom EVU anzuwendende Tarife

§ 9 Berechnung des Abgeltungsbetrags

§ 10 Über- bzw. Unterkompensation

§ 11 Abrechnung und Auszahlung des Abgeltungsbetrags

4. Abschnitt: Verpflichtungen des EVU

§ 12 Einhaltung gesetzlicher und behördlicher Vorschriften

§ 13 Versicherung

§ 14 Unterbeauftragung

§ 15 Zugausfälle und ausgelassene Zughalte

§ 16 Abweichungen vom vereinbarten Fahrzeugeinsatz

§ 17 Schienenersatzverkehr

§ 18 Fahrausweisverkauf

§ 19 Fahrgastzählung

§ 20 Zugpersonal

§ 21 Sicherheit

§ 22 Grundlagen der Fahrgastinformation

§ 23 Information und Kommunikation in den Fahrzeugen

§ 24 Printmedien und elektronische Medien

§ 25 Stationen

§ 26 Beschwerdemanagement

§ 27 Statusbericht

§ 28 Arbeitsgruppe Qualität

§ 29 Qualitätscontrolling

5. Abschnitt: Vertragsdauer und Beendigung des Vertrags

§ 30 Dauer der Beauftragung

§ 31 Kündigung einzelner Teilleistungen

§ 32 Außerordentliche Vertragsauflösung

6. Abschnitt: Sonstige Vertragsbestimmungen

§ 33 Vertraulichkeit

§ 34 Tragung von Steuern, Gebühren und Abgaben

§ 35 Einsichtsrecht des Bundes

§ 36 Rechtsnachfolge

§ 37 Schriftform

§ 38 Salvatorische Klausel

§ 39 Änderungsklausel

§ 40 Anzuwendendes Recht und Gerichtsstand

§ 41 Ausfertigungen

Anlagen:

Anlage 1a: Teilleistungsverzeichnis für Leistungen im SPNV

Anlage 1b: Teilleistungsverzeichnis für Leistungen im SPFV

Anlage 2a: Fahrzeugverzeichnis SPNV

Anlage 2b: Fahrzeugverzeichnis SPFV

Anlage 3a: Leistungsverzeichnis SPNV

Anlage 3b: Anzahl der zu leistenden Zugbegleiterfahrstunden im SPNV

Anlage 3c: Leistungsverzeichnis SPFV

Anlage 4a: Abgeltungsverzeichnis SPNV

Anlage 4b: Abgeltungsbetrag Zugbegleitpersonal

Anlage 4c: Abgeltungsverzeichnis SPFV

Anlage 4d: Abgeltungsverzeichnis für Fahrzeugneubeschaffung und Fahrzeugübergabe im SPNV

Anlage 5: Berechnungsmodell des Abgeltungsbetrags

Anlage 6: Definition der Kapitalrendite

Anlage 7: Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers über die Prüfung der ex-ante-Kalkulation gemäß Anlage 5

Anlage 8a: Minderung des Abgeltungsbetrags bei abweichender Zugbildung im SPNV

Anlage 8b: Minderung des Abgeltungsbetrags bei abweichender Zugbildung im SPFV

Anlage 9a: Bestimmung des Mischsatzes zur Wertsicherung des IBE

Anlage 9b: Maximale bzw. minimale Indexentwicklung der Energie

Anlage 9c: Bestimmung des Mischsatzes zur Wertsicherung des Abgeltungsbetrags

Anlage 10: Übersicht sonstiger Dienstleistungsverträge

Anlage 11: Beschreibung der Erlöszuscheidung

Anlage 12: Qualitätscontrolling

Anlage 13: Qualitätshandbuch

Anlage 14: Fahrplandaten/Zughalteverzeichnis

Anlage 15a: Option für die Fahrzeugneubeschaffung im SPNV

Anlage 15b: Fahrzeugneubeschaffung im SPFV

Anlage 16: Übergangsbestimmungen

Präambel

Die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH, XXXX , im Folgenden SCHIG mbH genannt, ist ein Unternehmen, das zu 100% im Eigentum der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), steht.

Zur Sicherstellung eines leistungsfähigen und transparenten öffentlichen Schienenpersonenverkehrs gemäß § 7 ÖPNRV-G 1999 wurde die SCHIG mbH von der Republik Österreich, vertreten durch das BMVIT, beauftragt, für den Bund bedarfsgerechte, sichere, effiziente und qualitativ hochwertige Schienenpersonenverkehrsdienste nach den Bestimmungen des Bundesbahngesetzes, des Privatbahngesetzes 2004 und unter Berücksichtigung der sonstigen geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen bei dazu geeigneten Eisenbahnverkehrsunternehmen zu bestellen und abzugelten.

Die XXXX , im Folgenden EVU genannt, ist die größte Anbieterin von Schienenpersonenverkehrsleistungen in Österreich.

Mit nachfolgendem Verkehrsdienstevertrag beauftragt die SCHIG mbH auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 das EVU mit der Erbringung von gemeinwirtschaftlichen Schienenpersonenverkehrsleistungen. Darin werden sowohl die vom EVU zu erbringenden Leistungen und die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung für das EVU bestehenden Verpflichtungen, als auch die von der SCHIG mbH im Gegenzug dafür zu leistende Abgeltung vereinbart.

Die SCHIG mbH schafft durch die mit diesem Vertrag erfolgte Umstellung des bisherigen Abrechnungssystems auf ein System unmittelbar leistungsbezogener Abrechnung die Voraussetzungen dafür, dass künftig die Leistungen des Schienenpersonenverkehrs in Österreich in reguliertem Wettbewerb im Wege wettbewerblicher Vergaben beauftragt werden. Durch die in diesem Vertrag vorgesehene Kündigungsmöglichkeit von Teilleistungen soll eine schrittweise und kontrollierte Marktöffnung auf Österreichs Schienenpersonenverkehrsmarkt herbeigeführt werden.

1. Abschnitt:

Vertragsgegenstand und Begriffsbestimmungen

§ 1 Vertragsgegenstand

(1) Gegenstand dieses Vertrags ist die Beauftragung von gemeinwirtschaftlichen Schienenpersonenverkehrsleistungen gemäß Art. 5 Abs 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 für den Bund durch die SCHIG mbH und deren Erbringung durch das EVU sowie die hiefür im Gegenzug durch die SCHIG mbH an das EVU zu entrichtenden Zahlungen und Schaffung eines Anreizes zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung einer objektiv nachprüfbaren wirtschaftlichen Geschäftsführung des EVU.

(2) Zur Sicherstellung eines möglichst hohen Qualitätsniveaus ist auch die Festlegung von vom EVU bei der Erbringung der beauftragten Schienenpersonenverkehrsleistungen zu erreichenden Qualitätszielen sowie ein Anreizsystem, die zu erreichenden Qualitätsziele zu übertreffen, Gegenstand dieses Vertrags.

(3) Beide Vertragsteile sichern zu, alles in ihren Kräften Stehende zu unternehmen, um eine ordnungsgemäße und den Zielen dieser Vereinbarung entsprechende Vertrags-abwicklung zu ermöglichen und dahingehend vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

§ 2 Begriffsbestimmungen

Fernverkehrslinie:

Durch einen Anfangs- und Endbahnhof definierte Strecke, auf der die Zugfahrten des überregionalen Verkehrs ein Gesamtangebot im Fahrplan darstellen.

Jahresnetzfahrplanperiode:

Die vom Infrastrukturbetreiber vorgegebene Periode über die Dauer eines Jahres, für die Fahrplantrassen gemäß den Bestimmungen der Schienennetznutzungsbedingungen vom Infrastrukturbetreiber vergeben werden.

Kursbuchstrecke:

Durch einen Anfangs- und Endbahnhof definierte Strecke, auf der die Zugfahrten zur Erfüllung der Verkehrsbedürfnisse des Nah- und Regionalverkehrs ein Gesamtangebot im Fahrplan darstellen.

Personal am Zug:

Unter Zugbegleitpersonal sind der Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter mit betrieblichen oder ohne betriebliche Aufgaben zu verstehen.

Servicepersonal umfasst all jene MitarbeiterInnen - auch von Fremdfirmen -, die Aufgaben der Aufrechterhaltung der Sicherheit im Zug oder der Fahrgeldsicherung oder der Unterwegsreinigung oder Fahrgasterhebungen wahrnehmen.

Unter Cateringpersonal sind jene MitarbeiterInnen - auch von Fremdfirmen - zu verstehen, die die Bordgastronomie betreuen.

Region:

Die Regionen im Sinne dieses Vertrags entsprechen geographisch den Bundesländern, ausgenommen die Region Ost, diese umfasst die Bundesländer Burgenland, Niederösterreich und Wien.

Schienenersatzverkehr:

Eine vom EVU bereitzustellende Verkehrsdienstleistung, die die vom EVU nach den Bestimmungen dieses Vertrags zu erbringende Schienenpersonenverkehrsleistung vorübergehend ersetzt und zu den für diese Schienenpersonenverkehrsleistung gültigen Tarifbestimmungen in Anspruch genommen werden kann.

Schienenpersonennahverkehr (SPNV):

Verkehrsdienste, die den Verkehrsbedarf eines Siedlungsgebiets und dessen Vororte sowie einer Region bzw. des ländlichen Raums befriedigen und vor allem dazu bestimmt sind, der Erledigung der täglichen Lebensanforderungen (Arbeitsplatz, Schule und Ausbildung, Besorgungen des täglichen Bedarfs) der Bevölkerung zu dienen. Dies sind jene Züge, die vom EVU in den zu veröffentlichenden Fahrplanunterlagen als Regionalzug, Regionalexpress, Regio-S-Bahn und S-Bahn bezeichnet werden.

Schienenpersonenfernverkehr (SPFV):

Verkehrsdienste, die dazu bestimmt sind, überregionale Verkehrsanforderungen zu befriedigen, wobei diese den Schienenpersonennahverkehr ergänzen und auch zur Erledigung der täglichen Lebensanforderungen benützt werden können. Dies sind jene Züge, die vom EVU in den zu veröffentlichenden Fahrplanunterlagen als InterCityExpress, InterCity, EuroCity, EuroNight, Schnellzug und railjet bezeichnet werden. Es bleibt dem EVU allerdings unbenommen, für die Benützung von bestimmten SPFV-Zügen Zuschläge auf die Nah- und Regionalverkehrstarife vorzuschreiben.

Tarif:

Vom EVU zu veröffentlichende Beförderungsbedingungen, bei deren Annahme durch den Fahrgast der jeweilige Beförderungsvertrag zustande kommt.

Verkehrsverbünde:

Kooperationsformen von Verkehrsunternehmen zur Optimierung des Gesamtangebots des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs im Interesse der Sicherstellung der Benützung unterschiedlicher öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund eines Gemeinschaftstarifs innerhalb eines bestimmten geographischen Geltungsbereichs (= Verkehrsverbundraum).

Verkehrsverbundorganisation:

Organisation zur Umsetzung der im Zusammenhang mit Verkehrsverbünden wahrzunehmenden Aufgaben der Gebietskörperschaften für einen bestimmten Verkehrsverbundraum.

3 Verzeichnis der Anlagen:

Folgende im Vertrag enthaltene Anlagen sind integraler Bestandteil dieses Vertrags:

Anlage 1a: Teilleistungsverzeichnis für Leistungen im SPNV

Anlage 1b: Teilleistungsverzeichnis für Leistungen im SPFV

Anlage 2a: Fahrzeugverzeichnis SPNV

Anlage 2b: Fahrzeugverzeichnis SPFV

Anlage 3a: Leistungsverzeichnis SPNV

Anlage 3b: Anzahl der zu leistenden Zugbegleiterfahrstunden im SPNV

Anlage 3c: Leistungsverzeichnis SPFV

Anlage 4a: Abgeltungsverzeichnis SPNV

Anlage 4b: Abgeltungsbetrag Zugbegleitpersonal

Anlage 4c: Abgeltungsverzeichnis SPFV

Anlage 4d: Abgeltungsverzeichnis für Fahrzeugneubeschaffung und Fahrzeugübergabe im SPNV

Anlage 5: Berechnungsmodell des Abgeltungsbetrags

Anlage 6: Definition der Kapitalrendite

Anlage 7: Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers über die Prüfung der ex-ante-Kalkulation gemäß Anlage 5

Anlage 8a: Minderung des Abgeltungsbetrags bei abweichender Zugbildung im SPNV

Anlage 8b: Minderung des Abgeltungsbetrags bei abweichender Zugbildung im SPFV

Anlage 9a: Bestimmung des Mischsatzes zur Wertsicherung des IBE

Anlage 9b: Maximale bzw. minimale Indexentwicklung der Energie

Anlage 9c: Bestimmung des Mischsatzes zur Wertsicherung des Abgeltungsbetrags

Anlage 10: Übersicht sonstiger Dienstleistungsverträge

Anlage 11: Beschreibung der Erlöszuscheidung

Anlage 12: Qualitätscontrolling

Anlage 13: Qualitätshandbuch

Anlage 14: Fahrplandaten/Zughalteverzeichnis

Anlage 15a: Option für die Fahrzeugneubeschaffung im SPNV

Anlage 15b: Fahrzeugneubeschaffung im SPFV

Anlage 16: Übergangsbestimmungen

2. Abschnitt

Vom EVU zu erbringende Schienenpersonenverkehrsleistungen

§ 4 Leistungsbeschreibung

(1) Die vertragsgegenständlichen Leistungen sind die vom EVU für eine Jahresnetz-fahrplanperiode zu erbringenden gemeinwirtschaftlichen Schienenpersonenverkehrs-leistungen, wobei diese sowohl das gemäß § 7 ÖPNRV-G 1999 vom Bund bereitzustellende Grundangebot im SPNV als auch SPFV-Leistungen beinhalten, welche das Grundangebot gemäß § 7 ÖPNRV-G 1999 ergänzen.

(2) Die vom EVU für eine Jahresnetzfahrplanperiode im Rahmen des § 7 ÖPNRV-G 1999 zu erbringenden gemeinwirtschaftlichen SPNV-Leistungen werden wie folgt definiert:

1. Die Definition der zu befahrenden Strecken erfolgt

in Teilleistungen für den SPNV in Anlage 1a.

2. Definition der einzusetzenden Fahrzeuge hinsichtlich deren Ausstattung mit

a) Sitzplatzkapazität,

b) Stehplatzkapazität,

c) Anzahl der vorhandenen Toiletten je Fahrzeug,

d) Heizung des Fahrgastraums,

e) Temperaturabsenkung des Fahrgastraums,

f) Einstiegshöhe,

g) vorhandener Abstellraum im Mehrzweckabteil für die sichere Beförderung von Gepäck/Fahrrädern/Kinderwagen in m² je Fahrzeug,

h) Rollstuhlgerechtigkeit (hinsichtlich Einstiegsbreite und Zugang zum Aufenthaltsbereich),

i) Fahrgastwechselsprecheinrichtung,

j) akustische Fahrgastinformation (Lautsprecher),

k) akustische Fahrgastinformation mit Sprachspeicheranlage,

l) optische Fahrgastinformation,

m) Videoüberwachungsanlage

gemäß Anlage 2a (Fahrzeugverzeichnis SPNV).

3. Definition der zu erbringenden Betriebsleistung unter Angabe der Zugnummern je Region je Teilleistung und je Fahrzeugkomposition (= Zugbildung) in Zugkilometern gemäß Anlage 3a (Leistungsverzeichnis SPNV), die dafür zu leistenden Abgeltungsbeträge sind in Anlage 4a (Abgeltungsverzeichnis SPNV) festgelegt.

4. Angabe der Zughalte je Zug (bzw. Zugnummer) des jeweilig gültigen Fahrplans gemäß Anlage 14 (= jeweils gültige Fahrplandaten = Zughalteverzeichnis).

5. Angabe der zu leistenden Fahrstunden des Zugbegleitpersonals gemäß Anlage 3b.

(3) Die vom EVU für eine Jahresnetzfahrplanperiode in Ergänzung des § 7 ÖPNRV-G 1999 zu erbringenden gemeinwirtschaftlichen SPFV-Leistungen werden wie folgt definiert:

1. Die Definition der zu befahrenden Strecken erfolgt in Teilleistungen für den SPFV in Anlage 1b.

2. Definition der einzusetzenden Fahrzeuge hinsichtlich deren Ausstattung mit

a) Sitzplatzkapazität,

b) Stehplatzkapazität,

c) Anzahl der vorhandenen Toiletten je Fahrzeug,

d) Heizung des Fahrgastraums,

e) Temperaturabsenkung des Fahrgastraums,

f) Einstiegshöhe,

g) vorhandener Abstellraum im Mehrzweckabteil für die sichere Beförderung von Gepäck/Fahrrädern/Kinderwagen in m² je Fahrzeug,

h) Rollstuhlgerechtigkeit (hinsichtlich Einstiegsbreite und Zugang zum Aufenthaltsbereich),

i) Fahrgastwechselsprecheinrichtung,

j) akustische Fahrgastinformation (Lautsprecher),

k) optische Fahrgastinformation,

l) Ausstattung mit Steckdosenanschlüssen mit 230 V Spannung,

m) Ausrüstung als Wagen 1. Klasse (zumindest partiell),

n) Ausrüstung für den Nachtreiseverkehr mit Liegeabteilen,

o) Ausrüstung für den Nachtreiseverkehr mit Schlafabteilen,

p) Ausrüstung als Speisewagen,

q) Ausrüstung als Autotransportwagen,

r) Ausstattung als "railjet"-Garnitur

gemäß Anlage 2b (Fahrzeugverzeichnis SPFV).

3. Definition der zu erbringenden Betriebsleistung unter Angabe der Zugnummern je Teilleistung und je Fahrzeugkomposition (= Zugbildung) in Zugkilometern gemäß Anlage 3c (Leistungsverzeichnis SPFV), die dafür zu leistenden Abgeltungsbeträge sind in Anlage 4c (Abgeltungsverzeichnis SPFV) festgelegt.

4. Das EVU ist bestrebt, im SPFV kurzfristig prognostizierte Nachfragespitzen nach Möglichkeit durch die Verstärkung der Kapazitäten der Züge abzudecken. Diese disponiblen Verstärkungsleistungen werden dem EVU durch die SCHIG mbH für die beauftragten Teilleistungen im Wege des vereinbarten Abgeltungsbetrags je Zugkm abgegolten. Das vereinbarte Volumen dieser Verstärkerleistungen für die jeweilige Teilleistung ist in Anlage 3c enthalten.

Die tatsächlich zusätzlich geleisteten Wagenkmleistungen sind dem Auftraggeber nachzuweisen. Werden die tatsächlich vereinbarten Verstärkerleistungen nicht oder nicht vollumfänglich auf den bestellten Teilleistungen erbracht, so wird jeder feh-lende Wagenkm mit dem in Anlage 4c festgelegten Betrag vom Abgeltungsbetrag abgezogen.

5. Angabe der Zughalte je Zug (bzw. Zugnummer) des jeweilig gültigen Fahrplans gemäß Anlage 14 (= jeweils gültige Fahrplandaten = Zughalteverzeichnis).

§ 5 Änderungen der Verkehrsleistungen während aufrechter Vertragsdauer

(1) Alle Änderungen der in § 4 beschriebenen vereinbarten Verkehrsleistungen, sowohl für die nächstfolgenden Jahresnetzfahrplanperioden als auch Änderungen während der laufenden Jahresnetzfahrplanperiode, sind einvernehmlich und schriftlich zwischen den Vertragspartnern festzulegen. Die Erhöhung oder Verminderung des Abgeltungs-betrags richtet sich nach § 9 und Anlage 5 und 15a sowie 4d dieses Vertrags.

(2) Der SCHIG mbH wird während des gesamten Vertragszeitraums das Recht eingeräumt, aber nicht die Verpflichtung überbunden, das EVU zu verpflichten, neues Schienenrollmaterial zur Qualitätsverbesserung für einzelne Teilleistungen oder den gesamten Leistungsumfang einzusetzen. Wird von der SCHIG mbH der Einsatz von neuen Schienenfahrzeugbaureihen im SPNV zum Ersatz der vorhandenen Baureihen 4020 und/oder CRD-Reisezugwagen gefordert, so verpflichtet sie sich zur Bestellung eines Zugkilometervolumens mit dem Einsatz neuer Fahrzeuge gemäß den Bestimmungen der Anlage 15a. Die neuen Fahrzeuge sind ausschließlich für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen einzusetzen. Der überwiegende Einsatz hat dabei für die von der SCHIG mbH beauftragten Leistungen gemäß § 4 Abs 2 und 3 zu erfolgen.

(3) Im SPFV wird zum Ersatz von Fahrzeugen aus den Fahrzeugreihen wie in Anlage 15b aufgeführt dem EVU die Verpflichtung überbunden, beginnend ab Dezember 2011 bis Juni 2013 schrittweise railjet-Garnituren im Umfang von mindestens 3,0 Mio. Zugkm pro Jahr ab spätestens Juni 2013 für den von der SCHIG mbH beauftragten Verkehr der Teilleistungen der Lose "FV-A" und "FV-B" (dies sind die Linien 5 und 6) laut Anlage 3c einzusetzen.

(4) Die zu beschaffenden Fahrzeuge, deren Einsatz sowie die aus deren Einsatz resultierenden Erhöhungen der Abgeltungsbeträge sind in Anlage 15a und 4d für den SPNV festgelegt. In Anlage 15b sind die zu ersetzenden Fahrzeuge für den SPFV festgelegt. Für den Einsatz von railjet-Garnituren auf den Teilleistungen der Lose

"FV-A" und "FV-B" (dies sind die Linien 5 und 6) steht dem EVU kein zusätzlicher Abgeltungsbetrag zu.

(5) Die in Abs 2 der SCHIG mbH eingeräumte Option gilt vorbehaltlich der erforderlichen Organbeschlüsse des EVU, welche binnen 6 Monate nach Vertragsabschluss der SCHIG mbH vorgelegt werden müssen.

[...]

[...]

5. Abschnitt

Vertragsdauer und Beendigung des Vertrags

§ 30 Dauer der Beauftragung

Der Vertrag tritt rückwirkend mit 01. April 2010 in Kraft, so dass insbesondere auch die bereits im Jahr 2010 ab dem 01. April 2010 erbrachten Leistungen nach diesem Vertrag abzurechnen sind.

Der Vertrag ist befristet mit Ablauf des 31. Dezember 2019.

Diese Laufzeit des Vertrags steht jedoch unter der Bedingung, dass spätestens bis zum Ende des Jahres 2011 eine bundesgesetzliche Regelung in Kraft tritt, mit welcher der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie die Begründung einer Vorbelastung in Höhe der sich aus diesem Vertrag für seine restliche Laufzeit ergebenden finanziellen Verpflichtungen genehmigt wird.

Tritt die vorgenannte Bedingung nicht im Laufe des Jahres 2011 ein, so endet dieser Vertrag mit Ablauf des 31. Dezember 2011.

Wird die finanzielle Ermächtigung nicht für die gesamte Laufzeit des Vertrags erteilt, sondern nur für einen Teil seiner Laufzeit, so endet dieser Vertrag - abweichend von der vorstehenden Regelung - mit dem Ende jenes Kalenderjahres, bis zu dessen Ablauf die vorgenannte Vorbelastungsermächtigung erteilt wurde.

§ 31 Kündigung einzelner Teilleistungen

(1) Vor der in § 30 festgelegten Beendigung kann der Vertrag von der SCHIG mbH im Einvernehmen mit dem BMVIT für einzelne Teilleistungen gekündigt werden. In diesem Fall ist eine Kündigungsfrist von mindestens 24 Monaten zum Fahrplanwechsel einzuhalten.

(2) Da die in Abs 1 eingeräumte Kündigungsmöglichkeit trotz Befristung dieses Vertrags in erster Linie dafür verwendet werden soll, die schrittweise Öffnung des Schienen-personenverkehrsmarktes im regulierten Wettbewerb durch Vergabe von Leistungen des Schienenpersonenverkehrs in wettbewerblichen Verfahren durchzuführen, gelten für diesen Anwendungsfall der ordentlichen Kündigung nachstehende ergänzende Regelungen:

1. Wird der Kündigung die Begründung angefügt, dass sie deshalb erfolgt sei, weil die von der Kündigung betroffenen Leistungen im Wege eines wettbewerblichen Verfahrens vergeben werden sollen, so ist der in der Kündigung genannte Termin der Wirksamkeit zunächst nur vorläufig. Endgültig wirksam wird die Kündigung mit dem Fahrplanwechsel, der zumindest 18 Monate (im Einvernehmen der Vertragspartner auch mit kürzerer Frist) nach dem Zeitpunkt liegt, zu welchem die Erklärung der SCHIG mbH beim EVU eingegangen ist, dass diese Kündigung nunmehr endgültig wirksam sei.

2. Für diesen Fall der vorläufigen Kündigung wird dem EVU das Recht eingeräumt, aber nicht die Pflicht überbunden, die auf den jeweilig gekündigten Teilleistungen eingesetzten Schienenfahrzeuge der Fahrzeugbaureihen 4023, 4024, 4124, 5022, 2633, 8033, 8633, 8090, 8590, 2290, 1990 sowie 7694 oder die in der Anlage 15a und 15b zur Fahrzeugneubeschaffung beschriebenen Fahrzeugbaureihen rechtzeitig jenem Auftragnehmer, der diese Leistungen übernehmen soll zur Verfügung zu stellen, sei es durch Verkauf oder durch einen Bestandvertrag.

Die Rechtsfolgen dieser Option des EVU sind an die endgültig wirksame Kündigung durch die SCHIG mbH für die gekündigte Teilleistung gebunden.

3. Wird dieses Recht der Übertragung der Schienenfahrzeuge vom EVU ausgeübt, so verpflichtet sich die SCHIG mbH die Übernahme der Schienenfahrzeuge zu den Bedingungen, auf welche sich das EVU und die SCHIG mbH als angemessen geeinigt haben, im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens verpflichtend vorzusehen. Die Angemessenheit orientiert sich an den diesbezüglichen Ermittlungsgrundsätzen der Abgeltungsbeträge der Anlage 5 und 4d. Mangels Einigung über die Angemessenheit dieser Bedingungen entfällt das vorgenannte Übertragungsrecht des EVU.

4. Diesbezüglich hat die SCHIG mbH mindestens 2 Monate vor Bekanntgabe der Ausschreibung oder Neuvergabe von Teilleistungen - je nach dem, was der frühere Zeitpunkt ist - das EVU zu informieren. Das EVU muss sein Recht der Übertragung von Schienenfahrzeugen binnen eines Monats ab Eingang der vorgenannten Information beim EVU - bei sonstigem Verlust dieses Übertragungsrechts - ausüben.

(3) Wird von der in Abs 2 genannten Option durch das EVU kein Gebrauch gemacht, so gilt hinsichtlich des durch die Vertragspartner zu veinbarenden Fahrzeugeinsatzes der durch die (Teil-)Kündigung betroffenen Fahrzeuge Folgendes: Beabsichtigt das EVU die durch Ziehung der Option gemäß § 5 Abs 2 neu angeschafften Fahrzeuge auf anderen Teilleistungen einzusetzen, so ist unter Berücksichtigung des § 5 Abs 1 Einvernehmen mit der SCHIG mbH darüber herzustellen, ob und unter welchen Bedingungen dies geschieht. Der Einsatz aller anderen durch (Teil-)Kündigung freigewordener Fahrzeuge richtet sich nach den Bestimmungen des § 5 Abs 1 und § 7 Abs 6 dieses Vertrags.

[...]"

1.2.2. Die ASt begehrte mit Rechtsschutzantrag vom 02.03.2011 vergabespezifischen Rechtsschutz nach Zuschlagserteilung gegen diesen Vertrag und wurde das diesbezügliche Rechtsschutzbegehren vom Bundesvergabeamt insb auch mangels zeitlich hinreichender Leistungsfähigkeit der ASt zurückgewiesen und diese Zurückweisung vom VwGH zu Zl 2011/04/0134 im Jahr 2014 insb mit folgenden tragenden Gründen bestätigt:

"...Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, dass die Beschwerdeführerin nach eigenen Aussagen ihren Betrieb erst im Dezember 2011 aufnehmen werde. Sie begründete weiters in nicht zu beanstandender Weise, warum die erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochene Möglichkeit, Kooperationen mit anderen Bahnunternehmen einzugehen (und somit eventuell bereits zu einem früheren Zeitpunkt Verkehrsleistungen anbieten zu können), nicht als verbindliche Leistungszusage anzusehen sei, die eine frühere Aufnahme von Tätigkeiten gewährleistet hätte. Die Beschwerdeführerin hat im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren - den insoweit unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde zufolge - vorgebracht, "beinahe" im gesamten Leistungszeitraum leistungsbereit zu sein. In der Beschwerde wird diesbezüglich unsubstantiiert vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe die Antragsvoraussetzungen ausführlich "dargelegt (und bewiesen)".

Die Möglichkeit, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen bzw. den Zuschlag zu erhalten, kann durch eine behauptete Rechtswidrigkeit aber dann nicht beeinträchtigt werden, wenn nach den unbestrittenen Sachverhaltsannahmen davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin die auftragsgegenständliche Leistung - jedenfalls in zeitlicher Hinsicht - nicht vollständig erbringen kann, weil sie erst zu einem (hier: mehrere Monate) nach Vertragsabschluss liegenden Zeitpunkt ihren Betrieb aufnimmt. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass der Umstand des Eintritts der Leistungsbereitschaft der Beschwerdeführerin mit Dezember 2011 entgegen ihrer Auffassung nicht dazu führt, dass die Vergabe spätestens im Dezember 2011 "invalidieren" werde. Der im vorliegenden Fall zu beurteilende Leistungsgegenstand besteht nämlich in Dienstleistungen, die bereits ab 1. April 2010 (und nicht erst ab Dezember 2011) zu erbringen waren. Die Auffassung der belangten Behörde, es fehle der Beschwerdeführerin an der Antragslegitimation, ist somit nicht zu beanstanden. ..."

1.2.3 Die ASt kannte den VDV und etliche Anlagen bereits im Juli 2011 und war damit in Kenntnis, dass jedes Jahr im Wege des VDV und dort gemäß § 5 VDV jährliche Fahrplananpassungen durchzuführen sein werden, wobei der VDV im Jahr 2011 bis 31.12.2019 abschlossen wurde und Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen für ganz Österreich vertraglich regelte.

1.2.4. Entsprechend der Beilage ./4 der verfahrenseinleitenden Eingabe der ASt vom 16.02.2016 informierte ein bei der AG tätiger Jurist den Geschäftsführer der ASt am 10.02.2016 um 17.38 Uhr davon, dass die Zugverzeichnisse des Fahrplanjahres 2016 bereits mit der MB endabgestimmt wären und die formale Unterfertigung im Laufe der nächsten Woche vorgesehen wäre.

Der GF der ASt bedankte sich mit Retourmail vom gleichen Tage von 18.05. Uhr für die Informationen und ersuchte um weitere Information "unmittelbar nach erfolgter Unterfertigung der Zugbestellung Fahrplan 2016".

Mit mail vom 11.02.2016, 17.06 Uhr leitete der Geschäftsführer der ASt den gerade beschriebenen Mailverkehr an die damalige Rechtsvertretung weiter und ersuchte um Vorbereitung des Nachprüfungsantrags, "weil wir somit davon ausgehen müssen, dass die Frist mit gestrigem Tag zu laufen begonnen hat."

1.2.5. Die Unterfertigung der [in der Diktion der ASt] " Zugbestellung Fahrplan 2016" erfolgte am 15.02.2016 und wurden daher die Nachprüfungsanträge der ASt mit dem insoweit im ersten Verfahrensgang vom VwGH zu Ra 2017/04/0123 insoweit teilbestätigten Beschluss des BVwG zu den Entscheidungszahlen W131 2121539-2/111E, W131 2121539-3/91E, W131 2164739-1/30E, und W131 2164740-1/30E zurückgewiesen.

Zur Zuordnung der Rechtsschutzbegehren ist darauf hinzuweisen, dass das Nichtigerklärungsbegehren gegen die Wahl des Vergabeverfahrens vom 16.2.2016 weiter zur Zl 2121539-2 abgehandelt wurde; das Nichtigerklärungsbegehren gegen die Wahl des Vergabeverfahrens vom 19.2.2016 zur Zl 2121539-3 abgehandelt wurde, das Nichtigerklärungsbegehren gegen die Wahl des Zuschlagsempfängers vom 16.2.2016 neu zur Zl 2164739-1 abgehandelt wurde und das Nichtigerklärungsbegehren gegen die Wahl des Zuschlagsempfängers vom 19.2.2016 zur Zl 2164740-1 abgehandelt wurde.

Die ASt begehrte trotz ihres spätestens seit 10.02.2016 bestehenden Wissens um die - ihr mitgeteilte - bevorstehende Unterfertigung im Februar 2016 gemäß der vorerwähnten Beilage ./4 zum Nachprüfungsantrag vom 16.02.216 keine einstweilige Verfügung zur Untersagung der Zuschlagserteilung, um damit - wie bis 15.02.2016 möglich - gemäß §§ 328 f BVergG 2006 eine Zuschlagserteilung und damit eine Unzulässigkeit ihrer Nachprüfungsanträge zu verhindern.

1.2.6. Die ASt hatte gemäß den Verfahrensangaben ihres Geschäftsführers und auch eines am 22.01.2020 vernommenen Zeugen aus dem Stand ihrer leitenden Mitarbeiter kein Interesse an der Erbringung der gesamten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen, wie in dem am 15.02.2016 unterfertigten "Fahrplan 2016 abgebildet, sondern nur an Teilleistungen insb in der Ostregion Österreichs.

(So einerseits die Angaben des Zeugen XXXX am 22.01.2020 [aus der Niederschrift] R: Haben Sie Tatsachenwahrnehmungen, dass Ihr Unternehmen in den Jahren 2014, 2015 oder 2016 gesamten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen im Jahr 2016 erbringen wollte, die danach die ÖBB-PV AG gem. dem hier ggst. Verkehrsdienstevertrag im Jahr 2016 erbracht hat? Z: Geht es hier um den gesamten VDV? R: Ja, die Frage ist, ob die ASt alle jene Leistungen erbringen wollte, die die ÖBB im Jahr 2016 gem. VDV erbracht hat? Z: Nein, nicht in ihrer Gesamtheit.)

und Angaben des Geschäftsführers der ASt am 25.02.2020: Grundsätzlich war die Aussage auch, wenn kein Betriebsübergang stattgefunden hätte, was aus unserer Sicht jedoch der einzig richtige Vorgang ist, wären wir bei Einhaltung der Vorinformationsfrist, die die PSO-VO vorschreibt auch ohne Betriebsübergang in der Lage gewesen, die vergaberelevanten Verkehre fahrzeugtechnisch und personell zu bedienen, zumal wir auch gezeigt haben, dass wir 2017 kurzfristig in der Lage waren, von rund 3,5 Mio. Zugkilometer auf über 7 Mio. Zugkilometer zu erweitern. Unter vergaberelevanten Verkehren verstehe ich, was neu zu vergeben gewesen wäre, wenn nach der PSO-VO vorgegangen worden wäre. Das sind sämtliche Verkehre auf der Weststrecke zwischen Wien und St. Pölten sowie Amstetten und St. Valentin. ...)

1.2.7. Der Umfang der Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen der MB an die AG änderte sich beim Fahrplan 2016 umfangmäßig um 0,06% und daher nicht einmal um ein Prozent; was sich insb aus dem Vorbringen der AG im Schriftsatz vom 29.11.2019 und dem nachfolgenden Verfahrensgeschehen ergibt, insoweit das Vorbringen der AG:

... C. Zur Fahrplananpassung 2016 im konkreten Fall

Im konkreten Fall ergab die auf Basis des VDV vorgenommene Fahrplananpassung 2016 im Vergleich zum Fahrplanjahr 2015 eine Abweichung des beauftragten Verkehrsvolumens (Zugkilometer) um 0,06 %. Dabei ergibt sich für das valorisierungsbereinigte Vertragsjahr 2016 gegenüber dem Vorjahr sogar eine Verminderung des Gesamtabgeltungsbetrags. ...

Die ASt hat diese Angabe betreffend den Gesamtfahrplan 2016 nicht substantiiert bestritten und stellt in ihrem Vorbringen vielmehr nur auf jene Teilleistungen ab, bei denen sie für das Fahrplanjahr 2016 ein Interesse am Vertragsabschluss substantiiert vorgebracht hat und ihr Geschäftsführer mit "vergaberelevanten Verkehren" bezeichnete.

1.2.8. Die ASt hatte im Jahr 2015 und auch nicht bis Ende Februar 2016 noch nicht das entsprechende Personal und auch nicht das entsprechende Rollmaterial derart gesichert in ihrer Dispositions- bzw Verfügungsmacht, um damit sämtliche Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen erbringen zu können, wie im Fahrplan 2016 abgebildet. Die ASt bringt dazu vielmehr vor, dass die das Material bzw Personal bei aus ihrer Sicht entsprechender Vorinformation sicherstellen hätte können bzw dass Kontrahierungszwang der MB betreffend das Rollmaterial bestanden hätte bzw das Personal durch Betriebsübergang sichergestellt hätte werden können.

Eine Sicherheit qua entsprechende Verträge bzw rechtskräftige Entscheidungen für die Erbringung der Gesamtleistung gemäß Fahrplan 2016 wird insoweit von der ASt nicht substantiiert vorgebracht und ist auch sonst nicht bekannt geworden, zumal insb die MB die Leistungsfähigkeitsbehauptungen der ASt insoweit bestreitet.

1.2.9. Die ASt hat bis Februar 2016 und auch danach keine Zivilprozesse gestützt auf UWG eingeleitet und diese mit einem Sicherungsbegehren verbunden, um damit das Teilkündigungsrecht der AG gemäß VDV ersatzweise ausüben zu können; bzw die AG und die MB gemeinsam auf Abgabe der Vertragsauflösungserklärungen iSv § 367 EO denkbar, um damit schadenersatzrechtlich naturalrestitutiv iSv § 1323 ABGB (iVm insb UWG) jenes Rechtsschutzziel zu erreichen, das sie offenbar auch mit diesem Verfahrensgeschehen vor dem BVwG angestrebt hat, nämlich Teile der Schienenpersonenenverkehrsdienstleistungen gemäß Fahrplan 2016 statt der MB zu erbringen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die sonstigen Tatachenfeststellungen ergben sich aus dem Aktenstand des BVwG samt vorgelgten Vergabeunterlagen samt kenntis des vwGH - Erk zu 2011/04/0134; und insb aus den vier Verhandlungsterminen im Ersartzentscheidungsverfahren.

Insb die Aussagen des XXXX und des XXXX (bei diesem insb vom 25.02.2020) belegen die fehlende Leistungsfähigkeit der ASt für den Gesamtauftrag gemäß Fahrplan 2016; bzw auch das fehlende Interesse an der Erbringung des gesamten Verkehrsvolumens gemäß Fahrplan 2016. Die ASt hat niemals substantiiert behauptet und ist auch sonst nicht bekannt, dass sie für die Gesamtleistungen gemäß Fahrplan 2016 die Ressourcen und das Rollmaterial jeweils mit einer Sicherheit zur Verfügung hatte, wie in den ziterten SA von Kokott als erforderlich ersichtlich.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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