Entscheidungsdatum
12.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W272 2227617-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX , Zahl XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I bis VI wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde wird der Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.05.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).
2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er in Afghanistan, geboren sei und XXXX heiße. Er sei am XXXX geboren, spreche Dari und seine Muttersprache sei Paschtu. Er habe 8 Jahre lang die Grundschule besucht und sei Paschtune. Sein Vater sei vor 8 Monaten getötet worden und seine Mutter heiße XXXX . In seinem Herkunftsstaat habe er neben seiner Mutter noch zwei Brüder im Alter von ca. vier und zwei Jahren. Er habe vor drei Monate den Entschluss gefasst seinen Herkunftsstaat zu verlassen und sei von Kabul aus mit dem PKW über Nimroz geflüchtet. Er sei nach Österreich gegangen, da er gehört habe, dass es hier sicher sei und Flüchtlinge aufgenommen werden. Er habe über verschiedene Länder Österreich nach ca. drei Monaten erreicht. In anderen Ländern habe er keinen Asylantrag gestellt. Die Flucht sei durch seinen Onkel XXXX organisiert und bezahlt worden. Sie seien zu viert ausgereist, der Schlepper habe mit einem der Mitreisenden Kontakt aufgenommen, mehr könne er dazu nicht sagen. Als Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass Taliban-Kämpfer ihn jedes Mal, wenn er zur Schule oder in die Moschee gegangen sei aufgehalten und auf ihn eingeredet hätten, dass er in den heiligen Krieg ziehen solle. Er habe davon seiner Mutter erzählt, daraufhin sei die gesamte Familie nach Jalalabad gegangen und sie haben dort drei bis vier Monate gelebt. Die Taliban-Kämpfer seien skeptisch gewesen und haben ihnen unterstellt Spionage zu betreiben. An einem Tag als sein Vater von der Arbeit zurückgewollt habe, sei sein Auto in Brand gesetzt und getötet worden. Seine Mutter habe mit dem Onkel gesprochen und ihn um Hilfe gebeten, damit er das Land verlassen könne. Der BF habe nun Angst vor den Taliban.
Nach Vorbringen der Sicherheitsbehörde, dass zwei EURODAC-Treffer vorliegen, gab der BF an, dass dies nun seine zweite Ausreise in Richtung Europa sei und er schon einmal von Bulgarien nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Er sei bei der zweiten Reise ca. sechs Monate in Saloniki in einem geschlossenen Camp in Griechenland gewesen. Danach sei er noch weitere acht Monate in Griechenland gewesen und habe Ende 2018 weiterreisen können. Er wisse nicht mehr wie lange er dann, wo gewesen sei. Der Asylbescheid sei negativ gewesen und er sei dann weitergereist.
Seitens der Behörde wurde er aufmerksam gemacht, dass er bezüglich dem Asylantrag in anderen Ländern Falschaussagen gemacht hätte und befragte ihn weshalb. Er antwortete darauf: "Ich machte Falschaussagen weil ich Angst habe abgeschoben zu werden." (AS 25)
3. Am 16.05.2019 erfolgte durch den Verein Menschenrechte ein Beratungsgespräch. In welche er angegeben habe:
Er sei telefonisch nicht erreichbar, habe kein Handy, keine E-Mail-Adresse. Sein Facebook-Profil laute XXXX . Sein Vater sei vor acht Monaten von den Taliban getötet worden und die Mutter noch am Leben. Der BF habe zwei Brüder mit vier und zwei Jahren. Alle würden in Afghanistan leben. Er habe häufig Kontakt mit Ihnen gehabt, nämlich einmal wöchentlich. Zuletzt habe er seine Familie vor zehn Tagen kontaktiert. Der BF kontaktiere seine Familie über das Facebook-Profil seines Onkel ms: XXXX . Er habe die Hauptschule " XXXX " besucht und die Heimatadresse laute Afghanistan-Stadt Kabul-Distrikt Charasia-Dorf XXXX .
Durch ein medizinisches Sachverständigengutachten, eingelangt beim BFA am 18.06.2019, wurde als spätestmögliches "fiktives" Geburtsdatum der 10.12.2001 festgestellt. Der BF brachte gegen dieses Gutachten keine Einwände ein.
4. Seitens der griechischen Behörden wurde mit Schreiben vom 28.06.2019 mitgeteilt, dass der BF als XXXX , geb. XXXX , afghanischer Staatsbürger einen Asylantrag am 15.06.2017 gestellt hat. Am 11.02.2019 wurde sein Antrag abgewiesen. Am 19.03.2019 brachte der BF Beschwerde ein. Diese Beschwerde wurde nicht untersucht.
5. Seitens der bulgarischen Behörden wurde mit Schreiben mitgeteilt, dass der BF als XXXX , geb. XXXX afghanischer Staatsbürger am 30.09.2016 einen Asylantrag eingebracht hat. Sein Antrag wurde am 25.05.2017 abgewiesen. Der BF brachte keine Beschwerde ein. Er verschwand jedoch unmittelbar nach dem 25.05.2017.
6. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10.10.2019, wobei der BF seinem ersten Ladungstermin nicht nachkam (AS 71), gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er Dari und Paschtu spreche. Er legte eine Kopie seiner Tazkira vor, ein Original könne er nicht vorlegen, da er seit fünf Monaten keinen Kontakt zu seiner Familie habe. Er gab nun an, dass die Erstbefragung durch eine iranische Dolmetscherin erfolgte und sie sich nicht verstanden haben. So habe er angegeben, dass er seit drei Jahren von zuhause weg sei und sein Vater nicht vor acht Monaten, sondern schon während seines Aufenthaltes in Afghanistan verloren habe. Er spreche auch nur ein bisschen Dari. Die Altersangaben seiner Brüder würden sich auf den Zeitpunkt seiner Ausreise beziehen. Sonst sei alles korrekt. In Jalalabad würden seine Mutter mit seinen Brüdern, sein Onkel mit seiner Familie und seine Großmutter leben. In Griechenland und Bulgarien sei er gezwungen worden einen Asylantrag zu stellen. In Griechenland sei er festgenommen worden und anschließend sei er im Flüchtlingslager für ca. 20 Tage gewesen. Er sei in Griechenland ca. 2 - 2,5 Monate gewesen und nach der Freilassung ca. 8 - 9 Monate in verschiedenen Städten in Griechenland. In Serbien sei er neun Monate gewesen. In Griechenland habe er einen negativen Bescheid erhalten und sei deshalb dort nicht geblieben. Sein Heimatland habe er vor ca. drei Jahren im Sommer verlassen. Dies sei ca. 1 Monat nach dem Zuckerfest gewesen. In Afghanistan sei er nicht mehr gewesen, die Angaben vor der Sicherheitsbehörde, sei aufgrund der falschen Übersetzung der iranischen Dolmetscherin gewesen. Die Ausreise habe sein Onkel organisiert. Sein Vater habe Grundstücke gehabt und sei Dorfältester gewesen. Der Vater habe wahrscheinlich diese Grundstücke verkauft oder Geld gehabt. Sein Onkel lebe in Jalalabad und habe auch einen eigenen Laden. Vor fünf Monaten habe er zuletzt Kontakt mit Ihnen über Messenger gehabt. Die Kommunikation sei über einen Jungen, welcher im Dorf des Onkels lebe, erfolgt. Die Facebook-Accounts des Onkels und des Jungen seien XXXX und XXXX . Ansonsten hatte der BF unregelmäßig alle zwei Monate Kontakt zu seiner Familie aber auch sechs Monate keinen Kontakt. Er habe seinem Onkel häufiger kontaktiert, aber seit es nicht mehr funktioniert nur mehr ab und zu Kontakt. Auch ein zweiter Onkel mütterlicherseits lebe in Jalalabad. Als Fluchtgrund gab er in Wesentlichen an, dass er zweimal bedroht worden sei. Eines Tages sei er von den Taliban auf den Weg zur Schule angehalten worden und habe man ihn aufgefordert ein Selbstmordattentäter zu werden. Er sei jedoch nicht stehengeblieben, sondern weggegangen. An einem anderen Tag sei er unterwegs zur Moschee gewesen und er sei wieder angehalten worden und aufgefordert worden für den Dschihad zu kämpfen. Er habe dies seiner Mutter erzählt und diese am Abend seinem Vater. Daraufhin seien sie nach Jalalabad gegangen und seien dort 20-30 Tage gewesen. Sein Vater sei mit seinem Onkel zum Markt nach Jalalabad gefahren. Auf dem Weg nach Hause, sei der Vater von den Taliban im Auto verbrannt worden. Er sei daraufhin einige Tage später im Krankenhaus gestorben. Erst als die Leiche des Vaters ins Dorf gebracht worden sei, haben er und seine Mutter dies erfahren. Nach dem Tod des Vaters, sei der BF noch 10-20 Tage im Dorf in Jalalabad geblieben und danach hätten ihn seine Mutter und dessen Bruder nach Europa geschickt. Bei Rückkehr befürchte er den Tod, da er in Europa war und man glauben würde, dass er seine Religion gewechselt habe. Seine Onkel und seine Brüder würden nicht bedroht werden. Der BF brachte ein Video vor und wollte als Beweis die Tazkira und Fotos der anwesenden Personen vorlegen. Ihm wurde eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Der BF konnte keine entsprechenden Unterlagen vorlegen.
Mitvorgelegt wurde:
* A1/1 Deutschkurs vom 16.09.2019 bis einschließlich 06.11.2019
* Teilnahme Deutschkurs vom 27.05.2019 bis 10.09.2019
Im Rahmen der Stellungnahme eingelangt am 24.10.2019 zur Einvernahme bzw. Länderinformationsblatt (LIB) zu Afghanistan wurde vorgebracht:
Der BF sei bei der Einvernahme glaubwürdig gewesen und habe dargelegt, dass er von den Taliban verfolgt werde, da er sich geweigert habe sich den Taliban anzuschließen, weiters kann ihm eine pro-westliche politische Gesinnung unterstellt werden. Der BF befinde sich in einem wehrfähige Alter und sei daher einem Rekrutierungsversuch durch die Taliban ausgesetzt. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass der BF Jugendlicher bzw. Minderjährig ist. Auch sei der BF durch die Stellung des Vaters als Dorfältester gefährdet, zumal nicht nur die Primärzielgruppe, sondern auch deren Familienmitglieder besonders gefährdet seien. Es sei aus dem LIB ersichtlich, dass die Provinz Kabul volatil ist und die Präsenz der Taliban gegeben sei, wodurch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. Auch die Provinz Nangarhar sei volatil. Aber auch in Mazar-e Sharif und Herat habe sich die Situation verschärft. Die Stellungnahme brachte einzelne Berichte vor. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der BF als Kind einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sei, dies ist auch aus den UNHCR-Berichten ableitbar. Weiters sei aus dem Bericht von Frederike Stahlmann ableitbar, dass 90% der Befragten seit ihrer Rückkehr Gewalterfahrungen gemacht haben. Keinem der Befragten sei gelungen sich eine Existenz aufzubauen. Daher sei ableitbar, dass eine Existenzgründung für den Rückkehrer, insbesondere wie der BF aus Europa, unmöglich sei. Der mj. BF sei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt und es sei ihm internationaler Schutz zu gewähren.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Sowie unter Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. In Spruchpunkt V wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Gem. Spruchpunkt VII wurde der BF verpflichtet gem. § 56 Abs. 1 und 2 Z 2 FPG für den Zeitraum der mit diesem Bescheid festgelegten Frist für die die freiwillige Ausreise aus Österreich, beginnend mit der Frist, täglich in der Zeit zwischen 09.00 und 12.00 Uhr bei der Polizeiinspektion Gallneukirchen zu melden.
In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde fest, dass keine individuelle Verfolgung durch seinen Herkunftsstaat, noch durch Drittpersonen erfolgt sei und daher die Flüchtlingseigenschaft nicht feststellbar war. Es konnten keine Verfolgungsgründe aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zur einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung festgestellt werden. Der BF verfüge über eine Mutter, zwei Brüder, zwei Onkel in Afghanistan. Der Familie gehe es finanziell gut und so verfügen sie über Häuser und Grundstücke. Der BF habe regelmäßig Kontakt zur Mutter und zum Onkel. Die Sicherheitslage in Kabul sei ausreichend und durch den internationalen Flughafen erreichbar. Es bestehe der Verdacht, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkomme und den weiteren Maßnahmen der Behörden entziehen werden. Beweiswürdigend brachte die Behörde vor, dass die Aussage des BF, die Dolmetsch bei der Einvernahme vor den Sicherheitsbehörden sei Iranerin gewesen nicht den Tatsachen entspricht, zumal sie afghanische Wurzel habe und Dari und Farsi spreche, auch der BF spreche Dari. Weiters habe der BF immer wieder falsche Angaben gemacht, sowie widersprüchliche. So gab er bei der Ersteinvernahme und beim Gespräch mit den Verein Menschenrechte an, dass sein Vater acht Monate zuvor getötet worden sei und daher nicht schon bei der Ausreise. Auch gab er an, dass er jedes Mal auf dem Weg zur Schule und zur Moschee von den Taliban angesprochen wurde, bei der Einvernahme vor dem BFA jedoch nur je einmal. Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass der BF mit seiner Familie von Kabul nach Nangarhar gezogen sei, wenn gerade dort die Taliban aktiv sind, es wäre möglich gewesen sich in einer sicheren Provinz Unterkunft zu suchen. Auch das Video bringe keine weiteren Erkenntnisse, zumal hier eine Person von Kopf bis Fuß in Bandagen gewickelt ist und sonst vier Personen zu sehen sind, es ist nicht möglich diese Identitäten festzustellen. Es ist daher kaum zum Beweis für die Tötung des Vaters geeignet. Auch, dass der BF wenig bis nichts über die Tätigkeit des Vaters weiß, ist nicht nachvollziehbar, zumal der BF bereits 15 Jahre alt war. Der BF ist nicht vorbestraft oder Mitglieder einer politischen Partei auch wurden keine Probleme hinsichtlich der Religionszugehörigkeit vorgebracht. Der BF könne sich in Kabul, welches als sicher einzustufen ist, niederlassen. Die finanzielle Situation der Familie ist gut, diese könnte sie auch unterstützen. Der BF sei auch noch nicht so stark in Österreich integriert, sodass aufgrund der Achtung des Privatinteresses eine Rückkehrentscheidung unzulässig wäre. Eine Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Die Anordnung einer Meldeverpflichtung sei aufgrund der Interesse auf Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung unter Würdigung des Privatinteresses zulässig.
8. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner gesetzlichen Rechtsberatung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Der BF brachte vor, dass er verfolgt wird, da die Taliban ihn zwangsrekrutieren wollten. Diese Gefahr sei aus den Länderberichten ableitbar, womit sich die Behörde nicht ausreichend beschäftigt habe. Auch sei der Tod des Vaters durch das Video belegt. Kabul sei nicht sicher und eine Versorgung sei nicht möglich. Auch ein Gutachten von Frederike Stahlmann zeige, dass für abgeschobene Afghanen eine Gefahr der Verfolgung bzw. Gewalt besteht. So zeigt sich, dass der BF bei Rückkehr einer Gewalt ausgesetzt ist und als Rückkehrer von Europa ein zusätzlicher Gefährdungsmoment gegeben ist. Der BF habe versucht sich zu integrieren und die Deutschkurse regelmäßig besucht und er helfe in der Unterkunft mit. Die erteilte Auflage sei mit einem Mandatsbescheid zu erteilen und daher rechtswidrig. So richtet sich die Beschwerde gegen alle Spruchpunkte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer wurde spätestens am 10.12.2001 geboren. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan, in der Provinz Kabul, im Distrikt Charasia im Dorf XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ging sieben Jahre lang in die Schule. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Paschtu und Dari. Der BF spricht nur wenig Deutsch. In seinem Herkunftsland verfügt der Beschwerdeführer über mehrere Verwandte. So leben seine Mutter, zwei Brüder und zwei Onkel mütterlicherseits in Afghanistan in Jalalabad. Der Beschwerdeführer hat Kontakt mit den Angehörigen. Der BF kennt und lebte die afghanische Kultur. Die Familie des Beschwerdeführers gehört zu der Volksgruppe der Kutchi. Vor der Ausreise verbrachte der BF sein Leben in Jalaabad.
Der BF ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt, gesund und arbeitsfähig.
Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, er hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.
Der unbescholtene BF hat in Österreich keine Familienangehörigen und wenig Kontakte mit anderen Österreichern. Er hat in Österreich einzelne Kurse darunter Deutschkurse besucht und besucht zurzeit einen Deutschkurs. Er ging in Österreich keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Ansonsten geht der BF keinen kulturellen oder sozialen Aktivitäten nach. Er lebt von der Grundversorgung und hat keine strafrechtliche Verurteilung.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 15.05.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer stellte in Griechenland und Bulgarien bereits Asylanträge.
Der Beschwerdeführer ist unglaubwürdig.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF wird nicht wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt.
1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland:
Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wird der BF aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.
Die Gefahr der Zwangsrekrutierung ist nicht gegeben.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat bzw., dass er als afghanischer Staatsangehöriger, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre.
Bezüglich der Rückkehr nach Afghanistan in die Provinz Kabul, Distrikt Charasia wird festgestellt, dass der Distrikt relativ sicher ist und er sich dort ohne Gefahr einen ernstlichen Schaden zu erleiden ansiedeln kann.
Der Distrikt Jalalabad zählt zu den unsicheren Distrikten. Dem BF ist es daher mit der dementsprechenden Wahrscheinlichkeit nicht möglich ohne Gefahr einen ernstlichen Schaden zu erleiden dort anzusiedeln.
Es ist es ihm möglich in anderen Städten wie Mazar-e Sharif oder Herat zurückzukehren bzw. als innerstaatliche Fluchtalternative wahrzunehmen.
Dem BF steht eine Rückkehr in diese beiden Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zur Verfügung, obwohl in diesen beiden Städten eine angespannte Situation vorherrschen. Es ist ihm möglich ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in eine dieser Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif oder Herat unterstützen. Die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines persönlichen Ausweises/Dokumentes ist nicht gegeben. Der BF besitzt jedoch eine Kopie seiner Tazkira und hat die Möglichkeit sich von seiner Familie zumindest finanziell unterstützen zu lassen.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Der BF könnte auch die Unterstützung anderen Hazara in Anspruch nehmen. Weiters werden ihn auch die Hilfen durch die afghanische Regierung und internationale Organisationen bei der Ansiedelung unterstützen.
Kabul ist sicher über den internationalen Flughafen zu erreichen. Die Städte Mazar-e-Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen. Die Städte sind über die jeweiligen Flughäfen sicher zu erreichen. Die Rückführung nach Afghanistan wird von Österreich organisiert
1.4. Zum Herkunftsstaat:
Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt (Stand 13.11.2019).
Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))
Bild kann nicht dargestellt werden
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:
Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
2016
2017
2018
2019
Jänner
2111
2203
2588
2118
Februar
2225
2062
2377
1809
März
2157
2533
2626
2168
April
2310
2441
2894
2326
Mai
2734
2508
2802
2394
Juni
2345
2245
2164
2386
Juli
2398
2804
2554
2794
August
2829
2850
2234
2443
September
2493
2548
2389
-
Oktober
2607
2725
2682
-
November
2348
2488
2086
-
Dezember
2281
2459
2097
-
insgesamt
28.838
29.866
29.493
18.438
Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):
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Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 4.11.2019)
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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).
Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).
Zivile Opfer
Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).
Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).
Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 1.1.2009-30.9.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.2.2019; UNAMA 17.10.2019))
Jahr
Tote
Verletzte
Insgesamt
2009
2.412
3.557
5.969
2010
2.794
4.368
7.162
2011
3.133
4.709
7.842
2012
2.769
4.821
7.590
2013
2.969
5.669
8.638
2014
3.701
6.834
10.535
2015
3.565
7.470
11.035
2016
3.527
7.925
11.452
2017
3.440
7.019
10.459
2018
3.804
7.189
10.993
2019*
2.563*
5.676*
8.239*
Insgesamt
32114
59561
91675
* 2019: Erste drei Quartale 2019 (1.1.-30.9.2019)
High-Profile Angriffe (HPAs)
Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten
Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):
Taliban
Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).
Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).
Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).
Kabul
Die Provinz Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (CSO 2019; vgl. IEC 2018).
Laut dem UNODC Opium Survey 2018 verzeichnete die Provinz Kabul 2018 eine Zunahme der Schlafmohnanbaufläche um 11% gegenüber 2017. Der Schlafmohnanbau beschränkte sich auf das Uzbin-Tal im Distrikt Surubi (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).
Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afgha