Entscheidungsdatum
17.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2217277-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Kamerun und Frankreich, gesetzlich vertreten durch XXXX, geb. XXXX, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2019, Zl. XXXX zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin wurde als Tochter einer kamerunischen Asylwerberin in Österreich geboren; am XXXX wurde für sie ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Eigene Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15.03.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel "Besonderer Schutz" wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Gegen den Bescheid wurde fristgerecht am 04.04.2019 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für den XXXX vorgelegt. Es wurde erklärt, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Asylgründe habe, dass ihr aber aufgrund der familiären Umstände und der Lebensumstände in Kamerun eine Rückkehr nicht zumutbar sei.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2019 vorgelegt. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin am 03.07.2019 zugewiesen.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 wurde die Mutter und gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin aufgefordert, bekanntzugeben, wer der Vater ihrer Tochter sei und ob sie mit der Durchführung einer DNA-Analyse einverstanden sei. Mit Schreiben vom 09.07.2019 erklärte die Mutter der Beschwerdeführerin, dass der französische Staatsbürger A.M. der Vater ihrer Tochter sei und dass sie keine DNA-Analyse wünsche.
Am 04.12.2019 wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, in der neben der Mutter der Beschwerdeführerin auch der kamerunische Staatsbürger Y.N. als Zeuge aussagte. Beide bestätigten seine Vaterschaft in Bezug auf die Beschwerdeführerin, deren Mutter verweigerte aber weiterhin die Durchführung einer DNA-Analyse. Der ebenfalls als Zeuge geladene französische Staatsbürger A.M., der in der Geburtsurkunde als Vater angeführt wird, erschien nicht zur Verhandlung.
Das Bundesverwaltungsgericht informierte die französische Botschaft und die Staatsanwaltschaft vom Verdacht, dass die französische Staatsanwaltschaft der Beschwerdeführerin erschlichen sei; die Staatsanwaltschaft informierte das Gericht von der Einstellung des Verfahrens, die französische Botschaft teilte auf Nachfrage mit, dass noch keine Schritte gesetzt worden seien.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX Zl. XXXXwurde der Antrag auf internationalen Schutz der Mutter der Beschwerdeführerin abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Kamerun für zulässig erklärt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Mutter der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist die eineinhalbjährige Tochter einer Staatsangehörigen Kameruns, deren Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 25.02.2018 abgewiesen wurde, was mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX bestätigt wurde.
Die Mutter der Beschwerdeführerin stammt aus XXXX und damit aus dem französischsprachigen Teil Kameruns. Sie lebte vor ihrer Ausreise im Oktober 2015 in XXXX. Sie absolvierte nach der Schule eine Ausbildung zur Sekretärin, arbeitete in diesem Bereich und dann als Händlerin. In Kamerun leben Verwandte der Mutter der Beschwerdeführerin, unter anderem deren Mutter, Geschwister, aber auch deren Ehemann und ältere Tochter. Zu ihnen besteht Kontakt.
1.2. Zum Vater und zur Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin:
Die Vaterschaft für die Beschwerdeführerin wurde am 31.07.2018 von dem französischen Staatsbürger XXXX, geboren am XXXX in XXXX, Algerien und wohnhaft in XXXX, Paris, XXXX, anerkannt. Dies wurde am 19.02.2019 durch die französische Botschaft durch Ausstellung einer "Copie d¿acte de naissance", unterschrieben von XXXX, bestätigt.
Die französische Staatsbürgerschaft ergibt sich damit daraus, dass der französische Staatsbürger A.M. noch vor der Geburt seine Vaterschaft am 31.07.2018 anerkannt hatte. Er ist auch in der Geburtsurkunde als Vater genannt. Diese Vaterschaft wurde allerdings von der Mutter der Beschwerdeführerin vorgetäuscht, um die französische Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin zu erschleichen und somit die Möglichkeiten zur Erlangung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet zu verbessern.
Es ist davon auszugehen, dass der kamerunische Staatsbürger Y.N., mit dem die Mutter der Beschwerdeführerin eine Beziehung führte und dessen Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, Zl. XXXX abgewiesen wurde, der leibliche Vater der Beschwerdeführerin ist, doch wurde die Durchführung eines DNA-Tests verweigert, so dass eine abschließende Feststellung nicht möglich ist.
Die Tochter besitzt zudem, durch die Abstammung von ihrer Mutter, auch die kamerunische Staatsbürgerschaft.
1.3. Zum Fluchtvorbringen und zu einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführerin:
Für die Beschwerdeführerin wurden keine Fluchtgründe vorgebracht. Sie wird weder in Frankreich noch in Kamerun verfolgt. Die Mutter der Beschwerdeführerin wird in Kamerun ebenfalls nicht verfolgt.
Es besteht auch keine reale Gefahr, dass die gesunde Beschwerdeführerin im Falle eines Umzuges nach Frankreich oder nach Kamerun in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, da sie sich in Begleitung ihrer gesunden und arbeitsfähigen Mutter befinden würde, die zudem in Kamerun über Verwandte (u.a. einen Ehemann) verfügt.
1.4. Zur allgemeinen Situation in Kamerun:
BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kamerun (odt.), 13. Februar 2020, abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/file/local/2024591/KAME_LIB_2019_05_17_KE.odt (Zugriff am 13. März 2020)
Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sind folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zu entnehmen:
1.4.1. Sicherheitslage und Menschenrechtsverletzungen
Es gibt keine Bürgerkriegsgebiete. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West (AA 15.1.2019). Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft (FH 4.2.2019). Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten, allerdings wird zu verstärkter Wachsamkeit aufgerufen (FD 6.5.2019). Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch (EDA 6.5.2019). Abgeraten wird von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord (FD 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; AA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Reisen in die Provinzen Nord und Adamaoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind; hier ist das Terrorismusrisiko geringer als in der Provinz Extrême-Nord (FD 6.5.2019; vgl. AA 6.5.2019). Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (AA 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda (EDA 6.5.2019). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an (AA 6.5.2019; vgl. EDA 6.5.2019). Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 6.5.2019). Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung. Von Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird abgeraten.
Im Kamerun fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag, den 9.2.2020 Parlamentsund Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020; JA 9.2.2020). Das Land wird von gewaltsamen Konflikten geplagt - im englischsprachigen Westen von Separatisten und im Norden durch Dschihadisten. Aufgrund der Unruhen war die zunächst für 2018 angesetzte Abstimmung zwei Mal verschoben worden (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020). Im November 2019 setzte Präsident Paul Biya ein Datum für die Wahlen fest, was zu beispielloser Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen führte - die von den Separatisten gemeinsam als Südkamerun oder Republik Ambazonien bezeichnet werden. Die Separatisten haben die sonntäglichen Wahlen für illegal erklärt und ihre Operationen intensiviert (THN 6.2.2020).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 6.5.2019
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 25.3.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.5.2019): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 6.5.2019
- DF - Deutschlandfunk.de (9.2.2020): Gewalt behindert laut epd Parlaments- und Kommunalwahlen, https://www.deutschlandfunk.de/kamerun-gewalt-behindert-laut-epdparlaments-und.1939.de.html?drn:news_id=1099400, Zugriff 10.2.2020
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.5.2019): Kamerun - Reisehinweise, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/ reisehinweise-kamerun.html, Zugriff 6.5.2019
- FD - France Diplomatie (6.5.2019): Cameroun - Conseils aux voyageurs - Sécurité,https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-paysdestination/cameroun/#securite, Zugriff 6.5.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/ de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019
- JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d'élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/cameroun-journee-delections-legislativeset-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020
- TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophoneseparatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019
1.4.2. Frauen und Kinder
Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) und es besteht weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen bestehenden Gleichstellungsrechten (GIZ 4.2019c). Beispiele sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen, die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau. Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle (AA 15.1.2019). Auch in familiären Angelegenheiten gilt der Mann als Chef, was durch traditionelles und modernes Familien- und Eherecht bestätigt wird. Auf dem Social Institutions and Gender Index der OECD (Familienrecht, körperliche Unversehrtheit, bürgerliche Freiheiten, Bevorzugung von Söhnen und Eigentumsrechte) belegt Kamerun Platz 71 von 86 (GIZ 4.2019c). Das kodifizierte Recht ist teilweise diskriminierend und menschenunwürdig. Nach kamerunischem Strafrecht gibt es zum Beispiel keine Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigungen werden auch nur selten zur Anzeige gebracht und von den Behörden nachlässig verfolgt (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), obwohl sie mit einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren belegt sind (USDOS 13.3.2019). Bei der im Parlament diskutierten Reform des Familienrechts sollen viele dieser diskriminierenden Bestimmungen aufgehoben werden. Voraussichtlich wird der Gesetzesentwurf über mehrere Jahre verhandelt werden. Ein Termin zur Vorlage im Parlament ist nicht bekannt (AA 15.1.2019).
In politischen Entscheidungspositionen sind Frauen unterrepräsentiert (GIZ 4.2019c) bzw. wenig präsent. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Abhängigkeit, der Erziehung sowie darin, dass höhere Schulbildung Mädchen noch immer in geringerem Maße zugänglich ist. Die genannten Missstände werden gesellschaftlich akzeptiert und den meisten Frauen sind ihre Rechte nicht bekannt. Nur wenigen Frauen gelingt es, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten (AA 15.1.2019). Die Regierung hat sich aber verpflichtet, die Vertretung von Frauen im Parlament zu erhöhen (FH 4.2.2019). Im Zuge der Parlamentswahlen 2013 erhöhte sich der Anteil von Frauen in der Nationalversammlung deutlich auf 33 % (AA 15.1.2019). In der Nationalversammlung sind 31 % der Abgeordneten Frauen, im Senat sind es 26 %. Allerdings waren 2018 nur 30 % der registrierten Wähler Frauen (FH 4.2.2019). Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Die Menschenrechtslage von Frauen variiert ebenso wie ihre gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten je nach Wohnort und ist grundsätzlich in ländlichen Gebieten schlechter als in den Städten. Die vor allem in den ländlichen Gebieten praktizierte Rechtsprechung durch traditionelle Autoritäten benachteiligt systematisch Frauen und Kinder. Darüber hinaus variiert die Rolle der Frau auch von Ethnie zu Ethnie. Der Norden Kameruns gilt hinsichtlich der Frauenrechte als besonders rückständig: Zahlreiche junge Mädchen (zwischen 10 und 15 Jahren), meist aus ärmeren Verhältnissen, werden zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Danach sind sie für Haushalt und Kinder zuständig, sodass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch. Die sozialen Unterschiede und der regional unterschiedlich große Einfluss des Gewohnheitsrechts in Familienangelegenheiten sind weitere wesentliche Faktoren, die zu erheblichen Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Behandlung von Frauen führen (AA 15.1.2019). Die Verstümmlung weiblicher Genitalien (FGM) ist in Artikel 277-1 des neuen Strafgesetzes (2016) verboten (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Diese ist kein Massenphänomen, wird aber in einigen wenigen Regionen Kameruns praktiziert: im äußersten Norden (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) und den ländlichen Gebieten entlang der Grenze zu Nigeria (AA 15.1.2019); im Osten sowie im Südwesten bei den Ethnien der Choa und Ejagham. FGM bleibt weiterhin ein Problem, die Prävalenz ist aber gering (USDOS 13.3.2019). Im landesweiten Durchschnitt sind etwa 1 % der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten (GIZ 4.2019c; vgl. AA 15.1.2019), wobei diese Praxis deutlich an Regionen bzw. Ethnien, weniger an Religion, gekoppelt ist: so gibt es bei einigen Volksgruppen gesicherte Prävalenzen von 13 % (GIZ 4.2019c). Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Immigrantinnen aus dem Tschad, Nigeria, Sudan und Mali führen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Fällen in den großen Städten Douala und XXXX durch. Im äußersten Norden werden Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr beschnitten. Im Südwesten wird die Beschneidung weiblicher Genitalien von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes (AA 15.1.2019). Weit verbreitet (rund 12 %) ist ebenfalls die Verstümmelung der Brüste: dabei reiben die Mütter adoleszenter Mädchen heiße Steine über die Brüste ihrer Töchter, um ihr Wachstum aufzuhalten und sie damit vor zu frühen sexuellen Erfahrungen zu schützen ("Brustbügeln"). Dadurch entstehen Verwachsungen, die lebenslang zu starken Schmerzen und Traumata führen können (AA 15.1.2019).
Kinder unter 14 Jahren sind schulpflichtig, was jedoch vielfach missachtet wird. Das Arbeitsrecht sieht Sanktionen für die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren vor. Im informellen Sektor ist Kinderarbeit jedoch gängige Praxis (AA 15.1.2019). Seit Dezember 2005 ist ein so genanntes Anti-Kinderhandel-Gesetz in Kraft. Genaue Aussagen über Entwicklungen in diesem Bereich liegen nicht vor. Die kamerunischen Behörden beobachten seit der Einführung des Gesetzes Adoptionsaktivitäten wesentlich aufmerksamer. In Kamerun gibt es trotz des Gesetzes Kinderhandel zum Zwecke der Feld- oder Hausarbeit. Die Regierung Kameruns arbeitet mit NGOs zusammen um Kinderarbeit und Menschenhandel zu bekämpfen (AA 15.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 11.4.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 11.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft/, Zugriff 6.5.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 11.4.2019 18.2. Kinder
1.4.3. Grundversorgung
Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt (GIZ 4.2019b). Trotzdem kann die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln als gesichert angesehen werden. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. Nach Angaben vom September 2018 waren über 3,26 Mio. Kameruner, davon 1,81 Mio. Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (AA 15.1.2019). Die Idee, die soziale Absicherung der Bevölkerung hinsichtlich Gesundheits-, Altersversorgung etc. als staatliche Grundaufgabe aufzufassen, hat sich in Kamerun noch nicht wirklich eingebürgert. Zwar existiert eine Caisse Nationale de la Prévoyance Sociale (CNPS), die ihre Leistungen wie Rentenzahlung, Verletztengeld, Invalidenrente etc. aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen finanziert, aber die Mehrheit der Kameruner hat zu dieser öffentlichen Sozialversicherung keinen Zugang, weil viele entweder ohne Arbeitsvertrag, auf selbstständiger Basis und im informellen Sektors arbeiten oder aber arbeitslos sind. Zudem herrscht allgemein großes Misstrauen, ob man, trotz regelmäßiger Beitragszahlung, wirklich im Alter oder in einer Notlage von einer Leistung profitieren wird. Außerdem ist die Einrichtung immer wieder von größeren und kleineren Skandalen betroffen, was das Vertrauen ins System auch nicht fördert. Arbeitslosen- und Krankenversicherungsleistungen sowie Krankengeld werden von der CNPS nicht übernommen. Staatsbeamte dagegen sind über ihren Arbeitgeber versichert. Für sie existiert sogar eine staatliche Krankenversicherung; allerdings gibt es auch hier Probleme, sobald Gelder ausgezahlt werden sollen (GIZ 4.2019c). Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2015 geschätzte 38,4 Milliarden US-Dollar, pro Kopf ca. 1.545 US-Dollar (AA 21.3.2019b). Dennoch müssen 25 % der Kameruner mit weniger als 1,90 US-Dollar auskommen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (12,2), die Lebenserwartung (58,6) oder die Müttersterblichkeit (569 Sterbefälle auf 100.000 Geburten), dürfen die großen regionalen Unterschiede nicht vergessen werden. Bei der aktuellen (2018) statistischen Fortschreibung der Human Development Indizes und Indikatoren erreicht Kamerun beim Gender Inequality Index Rang 141 von 160, beim HDIRanking 151 von 189 (GIZ 4.2019b). Zwar ist Kamerun nicht so stark vom Erdöl abhängig wie andere afrikanische Ölexporteure, trotzdem wirkt sich der Ölpreiseinbruch auch auf die Wirtschaft Kameruns aus. Aufgrund der Außenfinanzierung staatlicher Infrastrukturgroßprojekte steigt die Außenverschuldung stark an und beträgt (2017) ca. 30 % des BIP (GIZ 4.2019b). Kamerun will bis 2035 den Status eines demokratischen und in seiner Diversität geeinten Schwellenlandes erreichen. Dieses langfristige Entwicklungskonzept "Vision 2035" beinhaltet eine Erhöhung des Wirtschaftswachstums, die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, Förderung von Investitionen und eine Senkung des Bevölkerungswachstums auf 2 %. Laut der Strategie für Wachstum und Beschäftigung soll die Wirtschaft zwischen 2010 und 2020 um durchschnittlich mindestens 5,5 % im Jahr wachsen, um Arbeitslosigkeit und Armut zu reduzieren. Weiterer Schwerpunkt ist die Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Kommunikation. Außerdem haben die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besondere Bedeutung. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: Kamerun erreichte 2017 ein Wirtschaftswachstum von ca. 3,2 % 2018 lag das Wachstum bei 4 %. Neben der Öl- und Gasförderung und den Infrastrukturinvestitionen ist der tertiäre Sektor eine treibende Kraft. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von circa 30 % nachhaltig zu senken (AA 21.3.2019b). Insbesondere der primäre und tertiäre Sektor tragen derzeit zum Wachstum bei. Rohöl, Holz und landwirtschaftliche Produkte sind die wichtigsten Exportprodukte. Einnahmen aus der Ölförderung konnte Kamerun zuletzt wieder steigern. In der Landwirtschaft wurde die Produktion von Schlüsselprodukten (Kakao, Kaffee, Bananen, Rohkautschuk) durch erleichterten Zugang zu Finanzierung, Ausbildung und Forschung gesteigert. In der Folge erwartet die Regierung künftig weitere Produktionssteigerungen. Weitere Impulse für das Wirtschaftswachstum kommen aus dem sekundären Sektor und basieren auf der beginnenden Umsetzung der Investitionsprogramme zur Verbesserung der Infrastruktur (AA 21.3.2019b). Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50 %) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 75 % der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (GIZ 4.2019b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019b): Kamerun - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/wirtschaft/208876, Zugriff 15.4.2019 - AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 15.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Kamerun - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.5.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft / , Zugriff 7.5.2019
1.4.4. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist in XXXX und Douala im Vergleich zum Landesinneren besser, entspricht jedoch bei weitem nicht dem europäischen Standard. In den Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderem medizinischen Verbrauchsmaterialien, die generell vom Patienten selbst beschafft werden müssen. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus wird ausnahmslos Barzahlung im Voraus verlangt (AA 7.5.2019). In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. Für HIV-Infizierte gibt es seit 1997 ein von ausländischen Gebern (WHO/Weltbank, Frankreich, Deutschland) unterstütztes kostenloses staatliches Programm der Heilfürsorge (AA 15.1.2019). Seit den 90er Jahren befindet sich das staatliche Gesundheitssystem Kameruns in der Umstrukturierung. Ziele sind Dezentralisierung, Qualitätskontrolle und die Einbindung der Bevölkerung in Verwaltung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen. Allerdings lassen die Ergebnisse der staatlichen Gesundheitspolitik weiterhin zu wünschen übrig. Es herrscht Ärztemangel, und die wenigen verfügbaren Ärzte lassen sich vorwiegend in den städtischen Zentren nieder. Auch unzulängliche Infrastruktur und knappe Arzneimittel sind Missstände, welche die medizinische Versorgungslage Kameruns kennzeichnen. Verschärft wird die Situation durch die Abwanderung von Gesundheitspersonal ins Ausland (GIZ 4.2019c). Nur wenige Kameruner sind krankenversichert, nichtsdestotrotz gibt es Bewegung auf dem Gebiet der Krankenversicherung; es existieren die unterschiedlichsten Modelle (GIZ 4.2019c; vgl. AA 15.1.2019). Für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten (AA 15.1.2019). Gesundheitsindikatoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit oder Müttersterblichkeit liegen leicht unterhalb des afrikanischen Durchschnitts, auffällig sind aber die starken regionalen Unterschiede, in denen sich das Süd-Nord- bzw. das Stadt-Land-Gefälle widerspiegelt. HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose zählen zu den wichtigsten Krankheiten. Insbesondere HIV-Kranke sind nach wie vor Opfer von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung. Seit einem großen Cholera-Ausbruch im Mai 2010 scheint sich die Cholera in Kamerun erst einmal festgesetzt zu haben. Hauptursache dieser Krankheit ist Wassermangel, insbesondere der Mangel an sauberem Wasser, und dieser betrifft sowohl Nord- wie Südkamerun, ländliche Gegenden ebenso wie die Städte (GIZ 4.2019c). Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Nigeria; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt. Die gezielte Einfuhr von Medikamenten ist insofern problematisch, da Medikamente ohne französischen und englischen Beipackzettel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (AA 15.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 7.5.2019
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 16.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft/ , Zugriff 7.5.2019
1.4.5. Rückkehr
Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Die Regierung geht zwar verstärkt strafrechtlich gegen Oppositionelle in den anglophonen Regionen vor. Es sind bislang jedoch keine Fälle bekannt geworden, dass eine politische Betätigung im Ausland zu einer Strafverfolgung in Kamerun geführt hätte. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht. In Kamerun ist es möglich, sich einer Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden zu entziehen. Jedoch könnte nach Personen auch landesweit gefahndet werden, was im Regelfall aber nicht geschieht. Bürger, die auf Veranlassung lokaler Behörden hin verfolgt werden, können dem durch Umzug in die Hauptstadt oder in die Stadt eines entfernten Landesteils Kameruns entgehen (AA 15.1.2019).
Quelle:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 16.4.2019
1.5. Zur Situation in Frankreich
Es wird festgestellt, dass die Republik Frankreich ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist und somit als sicherer Herkunftsstaat anzusehen ist.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person und Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund des vorgelegten französischen Reisepasses fest. Dieser dokumentiert ihre französische Staatsbürgerschaft. Nach Art 18 des Code Civil erwirbt ein Kind die französische Staatsbürgerschaft, wenn einer der beiden Elternteile französischer Staatsbürger ist. Nachdem aktuell A.M. als Vater der Beschwerdeführerin gilt, ist sie ebenfalls französische Staatsbürgerin. Frankreich erlaubt Doppelstaatsbürgerschaften.
Ihre kamerunische Staatsbürgerschaft ergibt sich aus ihrer Abstammung von ihrer Mutter, einer kamerunischen Staatsbürgerin und aus Art. 7 des Gesetzes über die kamerunische Nationalität. Dies wurde von der Mutter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten.
Die Feststellungen zu ihrer Mutter ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX. Dass die Beschwerdeführerin in Österreich eine Beziehung mit dem kamerunischen Asylwerber Y. N. führte und teilweise mit ihm zusammenlebte, ergibt sich aus ihren Angaben und den Abfragen im ZMR.
Die Mutter der Beschwerdeführerin brachte als gesetzliche Vertreterin zu keinem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens gesundheitliche Einschränkungen vor. Es gibt daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinen Grund, an ihrer Erwerbsfähigkeit zu zweifeln. Auch für die Beschwerdeführerin selbst wurden keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht.
2.3. Zum Vater der Beschwerdeführerin:
Die Vaterschaft des französischen Staatsbürgers A.M. ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Allerdings geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei A.M. nicht um den biologischen Vater handelt. A.M. hatte bereits am 31.07.2018 vor dem Gemeindeamt Paris die Vaterschaft des ungeborenen Kindes anerkannt. In der ersten Einvernahme nach der Geburt ihrer Tochter gab die Mutter der Beschwerdeführerin am 04.03.2019 an, dass A.M. der leibliche Vater der Beschwerdeführerin sei und dass sie ihn kennengelernt habe, als er zwischen Jänner und Februar 2018 in Salzburg gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Einvernahme befand sich die Mutter der Beschwerdeführerin in einer Beziehung mit dem kamerunischen Staatsbürger Y.N., wie sie zugab. Im weiteren Verlauf der Einvernahme meinte die Mutter der Beschwerdeführerin dann, dass sie tatsächlich davon ausgehe, dass Y.N. der Vater der Beschwerdeführerin sei, da das Kind ihm sehr ähnle, auch aufgrund seiner dunklen Hautfarbe, dass sie aber keine Änderung der Geburtsurkunde wolle. A. M. habe seine Vaterschaft aber akzeptiert, weil sie ihm nichts von Y. N. erzählt habe, es mache ihm auch nichts aus, als Vater aufzuscheinen. Die Erklärung der Mutter der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde, warum sie sich über die Vaterschaft zunächst nicht im Klaren gewesen sei, entbehrt aber jeglicher Logik: So meinte sie in dieser Einvernahme, dass ihr gesagt worden sei, dass der Geburtstermin der XXXX sei und sie deswegen davon ausgegangen sei, dass A.M. der Vater sei; tatsächlich sei ihre Tochter aber bereits einen Monat früher zur Welt gekommen. Wenn sich A.M. aber tatsächlich, wie von der Mutter der Beschwerdeführerin angegeben, im Jänner und Februar 2018 im Bundesgebiet aufgehalten hatte, wäre gerade ein Geburtstermin Ende Dezember nicht geeignet, seine Vaterschaft annehmen zu lassen (zumal auch nicht davon auszugehen ist, dass Ende Juli 2018, als A.M. die Vaterschaft anerkannt, von den Ärzten ein um einen Monat falscher Geburtstermin angegeben worden war).
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin aufgefordert, bekanntzugeben, wer der Vater ihrer Tochter sei und ob sie mit der Durchführung einer DNA-Analyse zur Feststellung der Vaterschaft einverstanden sei. In ihrer Stellungnahme vom 08.07.2019 erklärte die Mutter der Beschwerdeführerin, dass der französische Staatsbürger A.M. der Vater sei und dass sie keine DNA-Analyse wünsche.
In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 gab die Mutter der Beschwerdeführerin dann allerdings an, dass der kamerunische Staatsbürger Y.N. der Vater ihrer Tochter sei. Sie erklärte, ihn schon aus Kamerun zu kennen. Er sei in Österreich ihr Mitbewohner gewesen und sie habe eine Beziehung mit ihm geführt; danach habe sie sich dreimal mit dem französischen Staatsbürger A.M. getroffen. Später habe sie dann wieder die Beziehung mit Y.N. aufgenommen. Die Mutter der Beschwerdeführerin gab an, A.M. nicht darüber informiert zu haben, dass sie davon ausgeht, dass er nicht der Vater ihrer Tochter sei. Die Zustimmung zu einem DNA-Test verweigerte sie in der mündlichen Verhandlung.
Y.N. bestätigte im Übrigen, der Vater der Beschwerdeführerin zu sein. In der Verhandlung zu seinem eigenen Asylverfahren, welche ebenfalls am 04.12.2019 durchgeführt wurde, gab er zudem an, dass die Mutter der Beschwerdeführerin versuche, mithilfe der französischen Staatsbürgerschaft ihrer Tochter ihren Ehemann aus Kamerun nachzuholen. Er erklärte sich nur unter der Bedingung, dass er einen Aufenthaltstitel garantiert bekomme, bereit, einen DNA-Test zu machen. Er gab an, dass er sich bislang einem solchen Test verweigert habe, da dies der Beschwerdeführerin erlaube, in Österreich zu bleiben.
A.M. erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung. Die Mutter der Beschwerdeführerin gab auf Nachfrage an, mit ihm in Kontakt zu stehen; er habe nicht kommen können, weil er Probleme mit der Prostata habe. Er habe ihre Tochter noch nie gesehen und zahle auch keinen Unterhalt. Sie habe A. M. nie darüber informiert, dass er nicht der Vater ihrer Tochter sei, sie gehe aber davon aus, dass er dies aufgrund der dunklen Hautfarbe ihrer Tochter, die er auf Fotos gesehen habe, annehme und dass es ihm nichts ausmache, weiter als Vater aufzuscheinen.
Eine Vaterschaft von Y.N. kann nicht abschließend festgestellt werden, da sich aus der Vaterschaftsanerkennung die Vaterschaft von A.M. ergibt und kein DNA-Test absolviert wurde. Die erkennende Richterin geht aber jedenfalls davon aus, dass die Mutter der Beschwerdeführerin entweder in bewusstem Zusammenwirken mit A.M. oder unter dessen Täuschung die Anerkennung der Vaterschaft durch A.M. und dessen Eintragung in der Geburtsurkunde vornehmen ließ, obwohl sie wusste, dass er nicht der Vater der Beschwerdeführerin ist.
Die erkennende Richterin übermittelte am 18.12.2019 sowohl der französischen Botschaft wie auch der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung, aus welcher hervorgeht, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Aussagen der Mutter der Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass A.M. nicht der leibliche Vater ihrer Tochter ist, wodurch dieser die französische Staatsbürgerschaft nicht zustünde. Die Staatsanwaltschaft Salzburg teilte mit Schreiben vom 14.02.2020 mit, dass das Verfahren eingestellt sei, weil die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist. Eine telefonische Rückfrage bei der französischen Botschaft am 17.02.2020 ergab, dass bislang noch keine Schritte zur Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft unternommen wurden, dass man den Sachverhalt aber an ein französisches Gericht weiterleiten werde, wobei eine Aberkennung wahrscheinlich nur bei Antragstellung durch A.M. möglich sei.
2.4. Zum Vorbringen und zu einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführerin:
Für die Beschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Der Mutter der Beschwerdeführerin ist es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie Kamerun wegen einer Furcht vor Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung verlassen hat. Daher wurde der Antrag der Mutter der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten abgewiesen.
Die belangte Behörde hatte auch den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, unter Hinweis darauf, dass für die Beschwerdeführerin keine besondere Gefährdungssituation bestehe und nicht davon auszugehen sei, dass sie in eine ausweglose Situation geraten würde. Dem schließt sich das Bundesverwaltungsgericht an: Die Mutter der Beschwerdeführerin verfügt in Kamerun über Familie und hat eine abgeschlossene Ausbildung zur Sekretärin und bereits erste Berufserfahrungen gesammelt. Auch wenn sie mit ihrer Tochter nach Kamerun zurückkehren würde, ist nicht davon auszugehen, dass sie in eine Notsituation geraten würde. Nach den Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin war ihre finanzielle Situation in Kamerun gut, obwohl sie vor ihrer Ausreise auch alleinerziehende Mutter war. Die Mutter der Beschwerdeführerin ist darüber hinaus gesund und nicht in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt.
Zudem wurde auch gegen den (laut den Angaben der Mutter biologischen) Vater Y.N. eine Rückkehrentscheidung erlassen und könnte dieser die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Kamerun auch unterstützen. Eine konkrete Bedrohung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den allgemeinen Feststellungen zu Kamerun nicht. Die Beschwerdeführerin ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts, insbesondere auch nicht durch den Konflikt im anglophonen Teil des Landes, bedroht. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin und ihre Mutter im Falle einer Rückkehr nach Kamerun in eine existenzbedrohende Lage geraten würden.
Auch wenn sich die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter in Frankreich niederlassen würde, ist nicht davon auszugehen, dass sie in eine die Existenz bedrohende Notlage gerät.
2.5. Zu den Länderfeststellungen
Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Kamerun wurden auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation getroffen. Die Beschwerdeführerin trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Die Beschwerdeführerin brachte keine eigenen Fluchtgründe vor. Der Antrag ihrer Mutter wurde ebenfalls hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, da ihr keine Verfolgung in Kamerun droht. Die Beschwerdeführerin konnte somit nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht.
Zudem liegen auch die Voraussetzungen des einzigen Artikels des nunmehr geltenden Protokolls Nr. 24 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Abl. C 326/305 vom 26.10.2012, nicht vor.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin weder im Herkunftsstaat Kamerun noch im Herkunftsstaat Frankreich eine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen ist.
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Eine extreme Gefährdungslage, aufgrund welcher jeder Rückkehrende einer menschenrechtlich relevanten Gefährdung ausgesetzt wäre, besteht in der Republik Frankreich schon aufgrund des Status als Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht.
In Kamerun wiederum herrscht keine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse), weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Die Unruhen im Süden des Landes wirken sich auf die Beschwerdeführerin nicht aus, da ihre Mutter aus dem Norden des Landes stammt.
Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.
Es wird nicht verkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation aber nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174) und ist die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Wie bereits ausgeführt, könnte sich die Mutter der Beschwerdeführerin in Kamerun wieder in den Schutz ihrer Familie begeben und wäre dadurch auch für die Beschwerdeführerin gesorgt.
Es ist letztlich davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle eines Umzugs nach Frankreich aufgrund des dort bestehenden Sozialsystems bzw. nach Kamerun aufgrund des familiären Netzwerkes ihrer Mutter ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Es besteht daher durch eine Ansiedelung der Beschwerdeführerin in Frankreich bzw. Kamerun keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. bringt diese für sie auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist.
Die Beschwerdeführerin ist aber keine Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b, da sie französische Staatsbürgerin ist.
Daher war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gegen EWR-Bürger kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden. Vielmehr wären die Bestimmungen des vierten Abschnitts des achten Hauptstücks des FPG, die in § 66 und in § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen EWR-Bürger regeln, einschlägig.
Nach dem Inhalt des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl war im gegenständlichen Fall die Verwaltungssache durch die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz und die damit von der Behörde nach § 10 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 FPG verbundenen Aussprüche begrenzt. Dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darüber hinaus mit dem angefochtenen Bescheid ein weiteres behördliches Verfahren, das zur Aufenthaltsbeendigung führen könnte, - etwa ein solches, das aufgrund der Mitteilung der Niederlassungsbehörde nach § 55 Abs. 3 NAG eingeleitet worden wäre - zum Abschluss gebracht hätte, ist diesem Bescheid nicht zu entnehmen.
Somit würde mit einer Entscheidung über eine Ausweisung nach § 66 FPG die durch den behördlichen Bescheid festgelegte Verwaltungssache überschritten werden (VwGH, 14.11.2017, Ra 2017/20/0274).
Entsprechend waren die mit Spruchpunkt IV. erlassene Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Spruchpunkte V. (Zulässigkeit der Abschiebung) und VI. (Frist für die freiwillige Ausreise) ersatzlos zu beheben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2217277.1.00Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020