Entscheidungsdatum
02.04.2020Norm
BBG §40Spruch
W141 2229431-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,geboren am XXXX , VN XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 21.01.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin hat am 24.07.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.09.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 30 vH bewertet wurde.
1.2. Mit Schreiben vom 13.11.2019 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 AVG das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
1.3. Mit Schreiben eingelangt bei der belangten Behörde am 29.11.2019 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Unter neuerlicher Vorlage medizinischer Beweismittel bringt die Beschwerdeführerin lediglich vor, dass sie hoffe, den Behindertenausweis zu bekommen, da sie einen solchen sehr brauche.
1.4. Zur Überprüfung der Einwendungen der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde eine ärztliche Stellungnahme derselben Fachärztin mit dem Ergebnis eingeholt, dass die neuerlich vorgelegten Beweismittel keine ausreichend relevanten Sachverhalte beinhalten, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden.
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin am 04.03.2020 Beschwerde erhoben. Unter Vorlage der bereits zuvor vorgelegten Befunde bringt sie im Wesentlichen vor, dass im Vergleich zu dem Vorgutachten vom 11.06.2018 die Leiden geringer eingestuft werden und es zu gänzlicher geänderter Einschätzung komme. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien ihre Funktionseinschränkungen nicht den Tatsachen entsprechend abgebildet.
3. Mit Schreiben vom 10.03.2019 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 (dreißig) vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand adipös.
Größe 163 cm Gewicht 105 kg Blutdruck: 140/90
Klinischer Status - Fachstatus:
HNAP frei, es werden jedoch Schmerzen angegeben, keine Lippenzyanose Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel Thorax: symmetrisch, Pulmo: VA, SKS Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent
Abdomen: BD über dem TN, Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gangbild: im Raum frei, leicht hinkend, keine Hilfsmittel
Status Psychicus:
allseits orientiert, Ductus kohärent
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Lungenfibrose Unterer Rahmensatz, da unter Bedarfsmedikation stabilisiert
06.06.02
30 vH
02
Arterielle Hypertonie
05.01.02
20 vH
03
Polyarthrosen Oberer Rahmensatz, da insgesamt geringfügige funktionelle Beeinträchtigung unter niedrig dosierter Therapie
02.02.01
20 vH
04
Polyneuropathien der Fingerspitzen nach Chemotherapie Unterer Rahmensatz, da keine wesentlichen motorischen Defizite
04.06.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
30 vH
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH. Das führende Leiden 1 wird von den weiteren Leiden 2, 3 und 4 nicht weiter erhöht, da kein relevantes ungünstiges Zusammenwirken besteht.
Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Das vormalige Leiden 1 ist seit 2016 in Remission, entfällt daher, die Folgeerscheinungen sind unter Leiden 4 berücksichtigt.
Das nunmehrige Leiden 1 ist ohne fortlaufenden fachärztlichen Befundbericht unter Bedarfsmedikation offenbar stabilisiert.
Die vormaligen Leiden 3, 5 und 6 werden im nunmehrigen Leiden 2 zusammengefasst.
Das vormalige Leiden 8 ist ausgeheilt und entfällt daher.
1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 24.07.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Zu 1.1) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Die von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Diese stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigenbeweise, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Die befasste Sachverständige fasst die vorgelegten Beweismittel nachvollziehbar wie folgt zusammen:
- Arztbrief XXXX 29.08.-19.09.2018: Hodgkin Lymphom, PNP der Fingerspitzen, Polyarthrose:
Die Ziele wurden teilweise erreicht: Kraft und Ausdauer konnten gebessert werden. Die Belastungsdyspnoe konnte deutlich gebessert werden. Die Knieschmerzen rechts konnten tw. gebessert werden. Die PNP mit Kribbeln in den Fingern bds konnte tw gebessert werden. Die Patientin kann bei Wohlbefinden entlassen werden.
- Sonografie der Lymphknoten vom 15.03.2019: reaktiv,
- Labor vom 23.10.2019: CRP erhöht,
- Befundbericht WrGKK vom 21.10.2019: respiratorischer Infekt,
- 07.11.2019: protrahierter respiratorischer Infekt
- Ein Befundbericht Dr. XXXX vom 26.11.2019: orthopädische Infiltrationen
- Befundbericht Dr. XXXX vom 26.11.2019: respiratorischer Infekt.
Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Die medizinische Sachverständige setzt in ihrem Gutachten das führende Leiden 1, chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Lungenfibrose, unter der Positionsnummer 06.06.02 fest und bewertet dieses mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH. Die Wahl dieser Position entspricht dem unteren Rahmensatz und wird diese von der Fachärztin für Innere Medizin dahingehend begründet, dass das Leiden durch Bedarfsmedikation stabilisiert ist.
Als weiteres Leiden führt die Sachverständige das Leiden 2, arterielle Hypertonie, richtigerweise unter der Positionsnummer 05.01.02 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH an. Dies entspricht dem fixen Rahmensatz dieser Positionsnummer.
Das Leiden 3, Polyarthrosen, wird unter der Positionsnummer 02.02.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 von Hundert festgesetzt. Die Wahl entspricht dem oberen Rahmensatz dieser Position und begründet die Sachverständige dieses schlüssig damit, dass insgesamt eine geringfügige funktionelle Beeinträchtigung von ihr unter niedrig dosierter Therapie objektiviert wurde.
Letztlich führt die Fachärztin das Leiden 4, Polyneuropathien der Fingerspitzen nach Chemotherapie, unter der Positionsnummer 04.06.01 an und stuft sie den Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH ein. Dies entspricht dem unteren Rahmensatz dieser Position und begründet wird dies von der Sachverständigen dadurch, dass keine wesentlichen motorischen Defizite bei der Beschwerdeführerin vorliegen.
Die Höhe des Gesamtgrades der Behinderung beurteilt die Gutachtenserstellerin mit 30 vH. Dazu erläutert sie plausibel, dass das führende Leiden 1 von den weiteren Leiden 2, 3 und 4 nicht weiter erhöht wird, da kein relevantes ungünstiges Zusammenwirken besteht.
Im Vergleich zum Vorgutachten beschreibt die Fachärztin für Innere Medizin nachvollziehbar, dass das vormalige Leiden 1, Morbus Hodgkin, seit 2016 in Remission ist und daher entfällt. Die Folgeerscheinungen werden von ihr unter dem Leiden 4, Polyneuropathien der Fingerspitzen nach Chemotherapie, ausreichend berücksichtigt.
Weiters wird im Gutachten unmissverständlich erläutert, dass das nunmehrige Leiden 1, chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Lungenfibrose, ohne fortlaufenden fachärztlichen Befundbericht unter Bedarfsmedikation offenbar stabilisiert ist.
Die vormaligen Leiden "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule", "Funktionseinschränkung des rechten Hüftgelenks" und "Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks" werden klar und nachvollziehbar im aktuellen Sachverständigengutachten unter dem Leiden 2, arterielle Hypertonie, zusammengefasst.
Zu dem vormaligen Leiden "Zustand nach Herpes Zoster-Infektion 4/2016" erläutert die Sachverständige plausibel, dass diese nunmehr ausgeheilt ist und daher entfällt.
Die sachverständige Gutachtenserstellerin erläutert auch in ihrer ärztlichen Stellungnahme zu den nachgereichten Befunden nachvollziehbar, dass die vorgelegten Befunde nicht im Widerspruch zur getroffenen Einstufung stehen. Der respiratorische Infekt bei COPD wird durch das Leiden 1, chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Lungenfibrose, berücksichtigt. Die orthopädische Behandlung bei Polyarthrosen entspricht dem Leiden 3, Polyarthrosen.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
Zu 1.3.) Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 24.07.2019 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Da bei der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung von 30 vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher im erstinstanzlichen Verfahren ein ärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und eine ärztliche Stellungnahme, basierend auf der Aktenlage, eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass die eingeholten Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen. Die erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W141.2229431.1.00Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020