TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W264 2214111-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W264 2214111-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Niederösterreich vom 27.12.2018, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: "BF") beantragte im Oktober 2018 bei der belangten Behörde (nachfolgend: "SMS") die Ausstellung eines Behindertenpasses und wurde dieser Antrag nach Einholung eines auf persönlicher Untersuchung basierenden Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin vom 20.11.2018 abgewiesen, da der Gesamtgrad der Behinderung 30 vH beträgt.

2. Der BF wurde von der medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Allgemeinmedizinerin, bereits vor dem verfahrensgegenständlichen Antrag im Feber 2017 objektiviert und befundet. Sowohl Allgemeinzustand als auch Ernährungszustand wurden im Sachverständigengutachten vom 1.3.2017 als "zufriedenstellend" (174 cm Größe, 91 kg Gewicht) befundet und ergab die Begutachtung folgendes Ergebnis als "Dauerzustand":

Bild kann nicht dargestellt werden

3. Der BF wurde von der medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Allgemeinmedizinerin, am 19.11.2018 persönlich objektiviert und befundet. Sowohl Allgemeinzustand als auch Ernährungszustand wurden im Sachverständigengutachten vom 20.11.2018 als "zufriedenstellend" (174 cm Größe, 91 kg Gewicht) befundet und ergab die Begutachtung folgendes Ergebnis als "Dauerzustand":

Bild kann nicht dargestellt werden

4. Gegen den Bescheid vom 27.12.2018 erhob der BF vertreten durch den KOBV mit Schreiben vom 31.1.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus wie folgt:

"Dieses Gutachten ist jedoch nicht ausreichend zur Beurteilung des orthopädischen Beschwerdebildes. Der Beschwerdeführer leidet an ausgeprägten Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule. Trotz der durchgeführten mikrochirurgischen Dekompression leidet der Beschwerdeführer nach wie vor an Sensibilitätsstörungen und Ausfallserscheinungen. Das linke Bein lässt trotz Operation immer wieder nach. Ferner bestehen weiterhin starke Schmerzen, welche eine Dauermedikation notwendig machen. Es bestehen Bewegungseinschränkungen, sodass für diese Gesundheitsschädigung jedenfalls ein höherer Grad der Behinderung gerechtfertigt wäre. Erschwerend kommt die Knieschädigung beidseits mit Zustand nach Quadrizepsruptur rechts hinzu. Da das linke Bein aufgrund der Schädigung der Lendenwirbelsäule immer wieder nachlässt und auch eine Einschränkung durch die Knietotalendoprothese besteht sowie ein Zustand nach Quadrizepsruptur rechts vorliegt, kann sehr wohl von einer wechselseitigen Leidensbeeinflussung ausgegangen werden, da diese Schädigungen allesamt den Bewegungsapparat betreffen.

Ferner liegt eine ausgeprägte Rhizarthrose beidseits, Heberden'schen- und Bouchard-Arthrosen beidseits sowie Radiocarpalgelenksarthrosen beidseits vor. Die dadurch bedingten Schmerzen führen sehr wohl zu einer eingeschränkten Beweglichkeit. Auch ist die Greiffunktion dadurch eingeschränkt. Es besteht eine Kraftlosigkeit, sodass das Öffnen von Flaschen nicht möglich ist. Auch die Feinmotorik fehlt, sodass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage ist, Knöpfe oder Reißverschlüsse zu öffnen bzw. zu schließen.

Beweis:

* beiliegender Befund vom 25.06.2018

* bereits aufliegende Befunde

* einzuholendes Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie

Die begutachtende Allgemeinmedizinerin beschreibt in ihrem Gutachten lediglich die relevanten Befunde. Es ist jedoch keine qualifizierte Beurteilung und eine ausreichende Auseinandersetzung mit den vorgelegten Befunden erfolgt. Dieses Gutachten stellt daher keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar. Es wäre daher in jedem Fall ein orthopädisches

Sachverständigengutachten einzuholen gewesen.

Beweis:

* w.o.

* Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Aus genannten Gründen stellt der Beschwerdeführer die

ANTRÄGE

1. Das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgeben.

2. In eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen."

5. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Beschwerdevorlageschreiben vom 6.2.2019 den bezughabenden Akt zur Entscheidung vor und langte dieser noch am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Das Bundesverwaltungsgericht befasste unter Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung des § 46 Abs 3 Bundesbehindertengesetz (BBG) eine medizinische Sachverständige aus dem Fachgebiet der Orthopädie.

Auszug aus dem Gutachtensauftrag:

"Im og. Beschwerdeverfahren ergeht mit dem Hinweis auf das Beschwerdeschreiben und aller im Akt einliegenden Befunde gemäß § 14 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) ein Gutachtensauftrag. Es wird ersucht zu erstellen ein

Gutachten

basierend auf persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers

binnen 12 Wochen

betreffend den Grad der Behinderung des Beschwerdeführers.

Dabei sind sämtliche Funktionsbeeinträchtigungen zu beurteilen und der daraus resultierende Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 unter Berücksichtigung aller vom Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren vorgelegten Befunde (im Akt einliegend) einzuschätzen. Die jeweils gewählte Positionsnummer, der innerhalb der Positionsnummer gewählte Rahmensatz sowie die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung sind ausführlich zu begründen.

Sollte im Vergleich zum bereits vorliegenden Gutachten Dris. XXXX vom 19.11.2018 ein abweichendes Ergebnis (Gesamtgrad der Behinderung bisher: 30 vH) zu Tage treten, wird um entsprechende Begründung für die Abweichung ersucht.

Sollte aus gutachterlicher Sicht die Beiziehung weiterer Sachverständiger aus anderen Teilbereichen der Medizin für erforderlich erachtet werden, so wird ersucht, dies dem Bundesverwaltungsgericht umgehend mitzuteilen.

Der Beschwerdeführer wurde vom Gericht [Anm: in der Ladung] aufgefordert, den Befund des Krankenhauses XXXX vom 6.10.2018 - welchen er bei der letzten Untersuchung vorgelegt hatte, welcher aber von der belangten Behörde dem Akt nicht angeschlossen wurde - zur nächsten Untersuchung mitzubringen und Ihnen vorzulegen."

7. Am 20.9.2019 langte das medizinische Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Allgemeinmedizinerin und Fachärztin für Unfallchirurgie und MSc. Orthopädie in Personalunion, ein. Dieses Gutachten vom 14.9.2019 basiert auf der Untersuchung des BF am 30.8.2019.

Auszug aus dem Gutachten vom 14.9.2019:

"Befunde:

Röntgen beide Hände 25.6.2018 (beg. degen. Arthrosen, ausgeprägtere Rhizarthrose)

Bericht Bad XXXX 28.6.2017 (Rhizarthrose bds, KTEP rechts 2013, links 2014)

Sozialanamnese: verheiratet, 1 Kind, lebt in EFH

Berufsanamnese: Pensionist

Medikamente: Candesartan, Xefo bei Bedarf

Allergien: 0

Nikotin: 5 Zigarren am Tag

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , XXXX

Derzeitige Beschwerden:

Die Beweglichkeit ist schlecht, daher sind die Leiden höher einzustufen, vor allem im

Bereich von Wirbelsäule und Kniegelenk. Schmerzen habe ich auch im Bereich beider Daumensattelgelenke, eine Operation ist geplant, habe noch keinen Termin. Im Bereich der Wirbelsäule habe ich Schmerzen in der Früh, etwa eine Viertelstunde, die Schmerzen strahlen seitlich aus. Gefühlsstörungen habe ich seitlich von der Lendenwirbelsäule ausstrahlend. Lähmungen habe ich nicht. Kniegelenksschmerzen habe ich nicht dauernd, aber bei Belastung, eher am Abend. Schwellungen oder Erguss habe ich in den Kniegelenken nicht."

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 174 cm, Gewicht 88 kg, RR 140/75, 70 Jahre Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein

Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Daumensattelgelenke bds: Druckschmerzen, sonst unauffällig

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung), Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die, grobe Kraft in etwa seitengleich, Greifformen sind erhalten und kraftvoll möglich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird von der Lendenwirbelsäule ausstrahlend seitlich als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk bds: Narbe nach KTEP bds, mäßige Umfangsvermeherung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften bds endlagig eingeschränkt, Knie bds 0/0/120, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.

Kniestrecken rechts KG 4, sonst KG 5

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, Streckhaltung der LWS sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, deutlich Hartspann, Klopfschmerz über der LWS. Narbe LWS median 5 cm.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 15 cm, R und F je 20 0

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild ist verlangsamt, geringgradig rechts hinkend, insgesamt sicher, Richtungswechsel ohne

Anhalten sicher möglich.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig;

Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

Einschätzung des Grades der Behinderunq

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,

Zustand nach Dekompression 1.3 bis 1.5 02.01.02 30%

Unterer Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen bei mäßiger Einschränkung der Beweglichkeit ohne objektivierbares neurologisches Defizit und ohne Wurzelreizzeichen.

2) Knietotalendoprothese beidseits, Z. n. Quadrizepsruptur rechts 02.05.19 20 %

Unterer Rahmensatz, da geringe Einschränkung der Beugefähigkeit beidseits, berücksichtigt geringgradige Schwäche beim Kniestrecken rechts.

3) Zustand nach Prostatakarzinom 2012 08.01.06 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Entleerungsstörung leichten Grades.

4) Bluthochdruck 05.01.01 10%

Fixer Richtsatzwert.

5) Rhizarthrose beidseits 02.06.26 10%

Unterer Rahmensatz, da ohne objektivierbare funktionelle Einschränkung.

Gesamtgrad der Behinderung: 30%

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 5 nicht erhöht, da Leiden 2 und 5 jeweils geringgradig ausgeprägt sind und daher kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt. Leiden 1 wird durch Leiden 3 und 4 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht.

Es ergibt sich keine abweichende Beurteilung zu VG [Anm: Vorgutachten] vom 19.11.2018.

Das Wirbelsäulenleiden wird in korrekter Höhe eingestuft. Eine höhergradige Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule konnte nicht festgestellt werden. Neurologische Ausfallserscheinungen sind nicht objektivierbar.

Insbesondere konnte keine Schwäche im linken Bein festgestellt werden. Angegebene Sensibilitätsstörungen führen zu keiner höheren Einstufung.

Vorgebracht wird, dass er starke Schmerzen habe und eine Dauermedikation benötige.

Dem wird entgegengehalten, dass als derzeitige analgetische Therapie Xefo bei Bedarf (NSAR) eingesetzt wird, diesbezüglich sind bei Anhatten von Schmerzen Therapieoptionen gegeben. Eine Dauertherapie ist nicht dokumentiert.

Das Kniegelenksleiden wird in korrekter Höhe eingestuft, da beidseits - unter Berücksichtigung des Zustands nach Quadricepsruptur rechts - geringgradige Funktionseinschränkungen vorliegen.

Eine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung liegt nicht vor, siehe oben, Begründung des Gesamtgrades der Behinderung.

Der BF bringt vor, dass er eine Rhizarthrose beidseits, Heberdenarthrosen und Bouchardatthrosen und Handgelenksarthrosen habe.

Die geringgradige Arthrose mit Beschwerden in den Daumensattelgelenken wird in korrekter

Höhe eingestuft, es zeigt sich ein nahezu unauffälliger klinischer Befund. Auch röntgenologisch (Befund vom 25. 6. 2018) konnte keine höhergradige Arthrose festgestellt werden.

Ein weiteres einschätzungsrelevantes Leiden im Bereich der Hand- und Fingergelenke konnte nicht festgestellt werden.

Eine Kraftlosigkeit und Einschränkung der Feinmotorik konnte nicht objektiviert werden.

Die bei der Begutachtung festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO, unter Beachtung sämtlicher vorliegender Befunde, in vollem Umfang berücksichtigt.

Die vorgebrachten Argumente beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass keine Änderung zum Vorgutachten vom

19. 11. 2018 vorgenommen wird.

Stellungnahme zu im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichtem Befund:

Befund Neurochirurgie 6.10.2018 (Dekompression L3/L4 und 1.4/1.5 links, Z.n. Prostata CA, KTEP bds, WPW Syndrom Z.n.Ablation, Hypertonie) - keine neuen Informationen."

8. Das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten vom 14.9.2019 wurde dem BF mit Erledigung vom 14.9.2019 zu Zwecke der Abgabe einer allfälligen Stellungnahme in das Parteigehör übermittelt und wurde ihm hierfür eine Frist von vier Wochen ab Zustellung eingeräumt. Die Zustellung ist laut unbedenklichem Rückschein RSb am Donnerstag 26.9.2019 durch Übernahme eines RSb-Bevollmächtigten in den Räumlichkeiten des KOBV ausgewiesen, sodass die Frist mit Ablauf des Donnerstag 24.10.2019 beendet war. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der BF mit der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht einverstanden erklärt hat, war die Beschwerde dahingehend zu prüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der BF begehrt die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Bei dem BF wurden basierend auf einem Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie vom 14.9.2019 folgende Funktionseinschränkungen festgestellt, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (30%)

2. Knietotalendoprothese bedies, Zustand nach Quadrizepsruptur rechts (20%)

3. Zustand nach Prostatakarzinom 2012 (10%)

4. Bluthochdruck (10%)

5. Rhizarthrose beidseits (10%)

1.3. Leiden 1 wird durch Leiden 2 und Leiden 5 nicht erhöht, da Leiden 2 und 5 jeweils geringgradig ausgeprägt sind und daher kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt. Leiden 1 wird durch Leiden 3 und 4 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht.

1.4. Beim Beschwerdeführer liegt aktuell ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. (30%) vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die unter II.1.1. getroffene Feststellung beruht auf dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

2.2. Die unter II.1.2. getroffenen Feststellungen zu den aktuell beim BF vorliegenden Funktionseinschränkungen beruhen - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf dem gerichtlich eingeholten und im Rahmen des Parteigehörs unbestritten gebliebenen Beweismittel "Sachverständigengutachten von DDr. XXXX vom 14.9.2019":

Dieses Sachverständigengutachten stammt aus der Feder einer Sachverständigen, welche Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin in Personalunion ist und basiert dieses auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 30.8.2019. Dieses Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Die Sachverständige stellte beim BF aufgrund persönlicher Untersuchung in Zusammenschau mit den im vorgelegten Fremdakt einliegenden und mit dem bei Untersuchung vorgelegten Beweismittel die unter II.1.2. unter 1. bis 5. gelisteten Funktionsbeeinträchtigungen fest. Die vom BF über das gesamte Verfahren vorgelegten Beweismittel sind die folgenden:

- Ärztlicher Entlassungsbericht des Kurzentrum Bad XXXX vom 26.6.2017

- Bericht über den stationären Aufenthalt vom 22.9.-5.10.2018 im Krankenhaus XXXX , Neurochirurg. Abteilung, vom 6.10.2018

- Röntgenbefund über beide Hände in zwei Ebenen wegen Rhizarthrose bds., Dris. XXXX , Fachärztin für Radiologie, vom 25.6.2018

Die gerichtlich befasste Sachverständige geht in ihrem Gutachten auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei unter Berücksichtigung der Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz und der Angaben des BF am Tag der Untersuchung, welche sie unter "Sacherhalt" und darin unter dem Punkt "derzeitige Beschwerden" wiedergibt, ein.

Die Sachverständige nimmt auch auf das behördlich eingeholte Vorgutachten (VG) Dris. XXXX vom 20.11.2018 Bezug.

Die herangezogenen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 und die gewählten Rahmensätze stimmen mit den diesbezüglichen Kriterien der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie mit dem basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF erhobenen Untersuchungsbefund überein und sind schlüssig und nachvollziehbar.

Die Sachverständige schätzte die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen jeweils im Rahmen der Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung ein und begründete das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes pro Funktionsbeeinträchtigung.

In dem eingeholten Sachverständigenbeweis wurde umfassend und ausreichend auf die Art der Leiden und deren Ausmaß eingegangen:

Zu Leiden 1 wurde aus fachlicher Sicht von der Sachverständigen festgestellt, dass im behördlich eingeholten Vorgutachten Dris. XXXX das Wirbelsäulenleiden korrekt eingestuft ist und eine höhergradige Bewegungseinschränkung nicht objektivierbar ist. Neurologische Ausfallserscheinungen sind nicht objektivierbar, ebenso nicht eine Schwäche im linken Bein. Sensibilitätsstörungen führen nicht zu höherer Einstufung und ist zu den vorgebrachten "starken Schmerzen" und "Bedarf einer Dauermedikation" wurde aus fachlicher Sicht von der Sachverständigen festgestellt, dass eine Dauertherapie nicht dokumentiert ist und bei der derzeitigen analgetischen Therapie XEFO bei Bedarf (NSAR) zum Einsatz kommt.

Die bei der Begutachtung durch DDr. XXXX festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates wurden nach DDr. XXXX in der Beurteilung unter Beachtung sämtlicher vorliegender Befunde vollumfänglich berücksichtigt.

Zu Leiden 2 wurde aus fachlicher Sicht von der Sachverständigen festgestellt, dass das Kniegelenksleiden im behördlich eingeholten Vorgutachten Dris. XXXX korrekt eingestuft ist, da bloß Funktionseinschränkungen geringer Auswirkung vorliegen.

Zu den vom BF vorgebrachten "Rhizarthorse bds.", "Heberdenarthosen" und "Bouchardarthorsen" und "Handgelenksarthosen" wurde aus fachlicher Sicht von der Sachverständigen festgestellt, die geringgradige Arthrose mit Beschwerden in den Daumensattelgelenken im behördlich eingeholten Vorgutachten Dris. XXXX in korrekter Höhe eingestuft sind und es sich ein nahezu unauffälliger klinischer Befund zeigt und ein weiteres einschätzungsrelevantes Leiden im Bereich der Hand- und Fingergelenke ebenso wenig festgestellt werden konnte wie eine Kraftlosigkeit und Einschränkung der Feinmotorik.

Die Sachverständige DDr. XXXX , welche Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin in Personalunion ist, stellte nach Untersuchung des BF unter Berücksichtigung der Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz und der Angaben des BF am Tag der Untersuchung in Zusammenschau mit den vom BF vorgelegten Beweismitteln fest, dass keine neuen Erkenntnisse vorliegen, welche das Begutachtungsergebnis entkräften würden, sodass nicht eine Änderung gegenüber dem behördlich eingeholten Vorgutachten Dris. XXXX bewirkt wird.

2.3. Die unter II.1.3. getroffene Feststellung fußt auf der nach Befundaufnahme am 30.8.2019 in Zusammenschau mit den über das gesamte Verfahren vorgelegten Beweismitteln aus der Feder von den BF behandelnden Krankenanstalten und von von ihm aufgesuchten niedergelassenen Ärzten vorgenommenen fachlichen Beurteilung der Sachverständigen DDr. XXXX :

2.3.1. Demnach wird das Leiden 1 wegen jeweils geringgradiger Ausprägung von Leiden 2 und Leiden 5 durch diese beiden Leiden nicht erhöht. Infolgedessen liegt zwischen Leiden 1 und den beiden Leiden 2 und Leiden 5 kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vor.

2.3.2. Auch kommt es nicht zu einer Erhöhung von Leiden 1 durch die beiden Leiden 3 und Leiden 4, da es an einem ungünstigen Zusammenwirken zwischen diesen drei Leiden mangelt.

2.3.3. Das unter II.2.3.1. und II.2.3.2. Dargetane wurde entsprechend der Einschätzungsverordnung beurteilt, indem die Sachverständige die wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, welche geeignet sind, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, beurteilte und dies damit begründete, ob sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder ob zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung einer anderen Funktionsbeeinträchtigung führen.

2.4. Die unter II.1.4. getroffene Feststellung gründet auf der Vornahme einer Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung. Ein Gesamtgrad der Behinderung war zu ermitteln, da beim BF mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Diese unter II.1.3. gelisteten einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen wurden in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der unter II.2.3.3. beweisgewürdigten Auswirkungen zueinander zum Zwecke der Ermittlung des Gesamtgrads der Behinderung beurteilt.

2.5. Der BF vermochte weder mit seinen Argumenten im Beschwerdeschriftsatz und während der persönlichen Untersuchung am 30.8.2019, noch mit den von ihm vorgelegten Beweismitteln aus der Feder von ihn behandelnden Krankenanstalten und von von ihm aufgesuchten niedergelassenen Ärzten den Gesamtgrad von 30vH zu entkräften.

Es steht es einem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Verfahren eingeholte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.6.2000, 2000/11/0093) und ist dazu darauf hinzuweisen, dass der BF im Rahmen des Parteigehörs dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten der DDr. XXXX infolge unterbliebener Stellungnahme nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentrat.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens der DDr. XXXX , welches auf persönlicher Untersuchung des BF beruht und die von ihm vorgelegten Beweismittel sowie seine Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz und seine subjektiven Angaben über die Wahrnehmung seiner Beschwerden am Tag der Untersuchung berücksichtigt.

Der Sachverständigenbeweis Sachverständigengutachten der DDr. XXXX erhebt durch persönliche Untersuchung des BF in Zusammenschau mit den vom BF zur Verfügung gestellten Beweismitteln den Sachverhalt, weist keine Widersprüche auf und wird daher im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung verwertet. Dieses Sachverständigengutachten erfüllt auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen: es enthält nach Untersuchung des BF einen Befund, nämlich die unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden vorgenommene Tatsachenfeststellung. Zur Gewinnung der Schlussfolgerungen aus dem Befund griff DDr. XXXX auf ihre besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen zurück.

Die Sachverständigengutachten DDr. XXXX enthält jeweils das eigentliche Gutachten im engeren Sinn (sachverständige Äußerung im Sinne von der Abgabe eines Urteiles) und lässt dieses Gutachten sowohl die Tatsachen, auf die sich die sachverständige Äußerung gründet als auch die Art und wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen. Die gerichtlich beigezogene Sachverständige legt in dem Gutachten auch dar, auf welchem Weg es zu den Schlussfolgerungen in ihrem Gutachten vom 14.9.2019 gekommen war und weshalb aus sachverständiger Sicht den Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz und seine subjektiven Angaben über die Wahrnehmung seiner Beschwerden am Tag der Untersuchung in Zusammenschau mit den vom BF über das gesamte Verfahren vorgelegten Beweismitteln nicht gefolgt wird.

Der Sachverständigenbeweis Sachverständigengutachten der DDr. XXXX wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach stRsp des VwGH nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist.

Der Sachverständigenbeweis und der vorgelegte Fremdakt der belangten Behörde - in welchem die Vorgutachten aus der Feder von Dr. XXXX einliegen - sowie die vom BF vorgelegten Beweismittel, ermöglichen dem erkennenden Gericht, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.9.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Die Würdigung der Beweise ist zufolge § 45 Abs. 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 17.2.2004, GZ 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - ist das oben zitierte Sachverständigengutachten

der DDr. XXXX vom 14.9.2019 schlüssig, nachvollziehbar und ohne Widersprüche und erfüllt dieses - die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung bildende eingeholte Gutachten - die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt somit das Sachverständigengutachten

der DDr. XXXX vom 14.9.2019 die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen formalrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) und jene des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs. 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor, sodass entsprechend dem § 45 Abs. 4 BBG ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen war.

Zu Spruchpunkt A) - Entscheidung in der Sache:

Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetzes (BBG).

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter "Behinderung" iSd BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, welche geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, welche nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sieht vor, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit

(Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen sind. Eine solche zuständige Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967,

BGBl 376.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im gegenständlichen Fall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einzuschätzen war und blieb dies in der Beschwerde auch unbestritten.

Betreffend das beim BF sachverständig festgestellte vorliegende Leiden 1 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

02.01. Wirbelsäule:

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Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 30% bis 40% vor. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer mit 30% unter Begründung nach § 2 Abs 3 der Einschätzungsverordnung aus.

Betreffend das beim BF sachverständig festgestellte vorliegende Leiden 2 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

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Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 20% bis 30% vor. Die medizinische Sachverständige wandte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den unteren Rahmensatz der Positionsnummer an und begründete dies gemäß § 2 Abs 3 der Einschätzungsverordnung.

Betreffend das beim BF sachverständig festgestellte vorliegende Leiden 3 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

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Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 10% bis 40% vor. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den Rahmensatz aus und begründete dies nach § 2 Abs 3 der Einschätzungsverordnung.

Betreffend das beim BF sachverständig festgestellte vorliegende Leiden 4 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

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Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Fixsatz von 10% vor und gelangte dieser durch die medizinische Sachverständige zur Anwendung.

Betreffend das beim BF sachverständig festgestellte vorliegende Leiden 5 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

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Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 10% bis 30% vor. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den unteren Rahmensatz aus und begründete dies gemäß § 2 Abs 3 der Einschätzungsverordnung.

Bei der Beurteilung hat sich die entscheidende Stelle eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.4.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014,

Ro 2014/11/0023).

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in der Höhe von weniger als 50 v.H. festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des BF entspräche. Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde der BF am 30.8.2019 von der gerichtlich befassten Sachverständigen aus dem Fachbereich der Orthopädie untersucht und handelt es sich bei dieser Sachverständigen überdies um eine solche, welche auch in der Allgemeinmedizin praktiziert. Der am 30.8.2018 aufgenommene Untersuchungsbefund fand in den Sachverständigenbeweis Sachverständigengutachten der DDr. XXXX vom 14.9.2019 Eingang.

Wie in der Beweiswürdigung dargetan erfüllt der Sachverständigenbeweis Sachverständigengutachten der DDr. XXXX vom 14.9.2019 die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung und bilden die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung des BF.

Unbeschadet dessen, dass das erkennende Gericht sich zur Überprüfung des Beschwerdegegenstands einer Sachverständigen aus dem Fachgebiet Orthopädie bediente, ist der Vollständigkeit halber zu der in der Beschwerde geforderten Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Orthopädie auf die entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinweisen, wonach das Gesetz keine Regelung enthält, aus der ein Anspruch des Antragstellers auf Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes geschlossen werden kann. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (VwGH 24.6.1997, 96/08/0114).

Das aus dem Fachbereich der Orthopädie gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten der Sachverständigen DDr. XXXX - welche auch auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin tätig ist - befundet die Funktionsbeeinträchtigungen des BF und beurteilt entsprechend § 2 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung deren Auswirkungen als Grad der Behinderung und begründet, weshalb den Einwendungen des BF nach Vornahme der persönlichen Untersuchung am 30.8.2019 nicht nachzukommen ist. Im Sachverständigengutachten der DDr. XXXX wird die Einschätzung des Grades der Behinderung iSd § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung vorgenommen und gelangt DDr. XXXX zu dem Ergebnis eines bei dem BF vorliegenden Gesamtgrades der Behinderung von 30 v.H.

Unter Beachtung der oben dargetanen Positionen aus der Einschätzungsverordnung samt deren Rahmensätzen und den Vorgaben der Einschätzungsverordnung in den §§ 2 und 3 wurde der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin in den fachärztlichen Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung der Einschätzungsverordnung mit 40 v.H. korrekt eingeschätzt. Demnach liegt beim BF zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor und ist ihm in Ermangelung des Grades der Behinderung von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass nicht auszustellen.

Im Übrigen ist aber darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen.

3.2. Gemäß § 11 des Artikel 21 "Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz" im 2. COVID-19-Gesetz ordnete die Vorsitzende Richterin die Beratung und Abstimmung im Umlaufwege an.

3.3. Zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist, die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist oder die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird (§ 24 Abs. 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art. 6 MRK und Art. 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Aus Art. 47 Abs. 2 GRC kann ein absoluter Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht abgeleitet werden, so der VfGH in seiner Entscheidung vom 9.10.2018, E 3817/2018, worin dieser auf die Judikatur des EGMR verweist und ausspricht, dass dieser folgend laut VfGH-Judikatur eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn die Tatfrage unumstritten oder nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (siehe VfSlg 18994/2010, 19.632/2012).

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ist sowohl bei der Einschätzung des Grades der Behinderung auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens als auch bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, "wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers" grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (VwGH 19.8.2018, Ra 2018/11/0145, VwGH 21.6.2017, Ra 2017/11/0040-5 mit dem Hinweis VwGH 8.7.2015, 2015/11/0036, 21.4.2016, Ra 2016/11/0018, 25.5.2016, Ra 2016/11/0057, und 16.8.2016, Ra 2016/11/0013).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG lautet aber auch, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.

Das Gesetz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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