Entscheidungsdatum
14.04.2020Norm
AlVG §22Spruch
W255 2223730-2/3Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerde und den Vorlageantrag von XXXX , geb XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Franjo SCHRUIFF, LL.M., gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 18.06.2019, GZ: XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 22.08.2019, GZ: 2019-0566-9-002360, betreffend die Einstellung des Bezuges von Arbeitslosengeld ab 01.06.2019, beschlossen:
A)
Das Verfahren wird gemäß §§ 31 Abs. 1 und 34 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2019, GZ: W263 2210108-1/5E, ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführe (im Folgenden: BF) stellte am 07.01.2019 (Geltendmachung per 09.01.2019) beim Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS) einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Dem Antrag wurde stattgegeben und dem BF Arbeitslosengeld gewährt.
2. Mit Bescheid des AMS vom 18.06.2019, GZ: XXXX , wurde das Arbeitslosengeld [fälschlich als "Notstandshilfe" bezeichnet] gemäß § 38 iVm. §§ 24 Abs. 1 und 22 Abs. 1 und 3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) ab 01.06.2019 eingestellt. Begründend führte das AMS aus, dass der BF ab 01.08.2016 Anspruch auf Korridorpension gehabt und daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr habe.
3. Gegen den unter Punkt I.2. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.
4. Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 22.08.2019, GZ: 2019-0566-9-002360, wurde die Beschwerde des BF abgewiesen und der Bescheid des AMS vom 18.06.2019, GZ: XXXX , vollinhaltlich bestätigt.
5. Mit Schreiben vom 30.08.2019 beantragte der BF fristgerecht die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
6. Mit Schreiben vom 10.09.2019 ("Ergänzung zum Vorlageantrag") brachte der BF insbesondere vor, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Korridorpension in seinem Fall am 01.08.2016 noch nicht erfüllt gewesen wären, weil er damals in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis gestanden sei. Mit Beschluss vom 19.12.2018 sei die Schließung des Unternehmens des ehemaligen Arbeitgebers des BF angeordnet und die Massenunzulänglichkeit angezeigt worden. Aufgrund der Schließung des Unternehmens sei er am 13.12.2018 berechtigt vorzeitig gemäß § 25 IO ausgetreten. Bis inklusive 16.05.2019 habe er noch einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung gehabt, der von der IEF Service GmbH zuerkennt worden sei. Erst mit 17.05.2019 seien die Voraussetzungen für die Korridorpension vorgelegen. Seit 01.07.2019 beziehe der BF Korridorpension. Zwischen 17.05.2019 und 30.06.2019 stehe ihm Arbeitslosengeld zu.
7. Am 18.10.2019 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W263 zugewiesen.
8. Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.01.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W263 abgenommen und der Gerichtsabteilung W255 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.
Hinsichtlich der Beschlüsse (§ 31 VwGVG) ist zwischen verfahrensleitenden und nicht-verfahrensleitenden Beschlüssen zu differenzieren. Verfahrensleitende Beschlüsse kann der Vorsitzende alleine fassen, sofern sie nicht auch verfahrensbeendend sind. Darüber hinaus kann der Vorsitzende auch nicht-verfahrensleitende Beschlüsse, die nicht-verfahrensbeendende Beschlüsse sind, alleine fassen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 9 BVwGG, Anm. 3).
Der Verwaltungsgerichtshof sah keinen sachlichen Grund dafür, eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung als (bloß) verfahrensleitende Entscheidung zu beurteilen, die nicht abgesondert bekämpfbar wäre (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0089). Da der Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens aber nicht verfahrensbeendend ist, sondern das Verfahren nur unterbricht, und eine Entscheidung iSd § 56 Abs. 2 AlVG über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des AMS gerade nicht vorliegt, besteht diesbezüglich die Zuständigkeit des Senatsvorsitzenden als Einzelrichter.
II.2. Derzeit ist ein Revisionsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hinsichtlich des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.04.2019, GZ: W263 2210108-1/5E (korrespondierende GZ des AMS: 2018-0566-9-000709), anhängig, das die Lösung der gegenständlichen grundsätzlichen Rechtsfrage, nämlich ab wann die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 Allgemeines Pensionsgesetz (APG) vorliegen und der BF gemäß § 22 Abs. 1 AlVG keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (mehr) hat, zum Gegenstand hat.
Während das AMS im dortigen Verfahren - ebenso wie im gegenständlichen Verfahren - die Rechtsansicht vertritt, die Anspruchsvoraussetzungen würden (schon) vorliegen, sobald die versicherte Person das 62. Lebensjahr vollendet hat und 480 für die Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate nach dem APG oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat, auch wenn die versicherte Person (noch) in aufrechter unselbständiger Beschäftigung steht, vertreten die BF im dortigen und gegenständlichen Verfahren jeweils die Rechtsansicht, die Anspruchsvoraussetzungen würden erst dann vorliegen, wenn die versicherte Person ihre unselbständige Erwerbstätigkeit (mit Einkommen, welches über der Geringfügigkeitsgrenze liegt) beendet hat und die versicherte Person - im Sinne des Wortlautes des § 4 Abs. 2 Z 2 APG - weder einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit unterliegt noch ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das nach § 5 Abs. 2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt.
Eine Entscheidung in diesem Revisionsverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof ist noch nicht getroffen worden. Die zu erwartende Entscheidung des VwGH ist relevant für die gegenständliche Rechtssache, da sie die idente Rechtsfrage betrifft.
Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt.
Gegenwärtig langen beim Bundesverwaltungsgericht wiederholt Beschwerdeverfahren ein, welche die gleiche zu lösende Rechtsfrage zum Gegenstand haben.
II.3. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
Da - wie oben dargestellt - die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 VwGVG gegeben sind, wird das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der im Spruch bezeichneten Rechtssache ausgesetzt.
Der Verwaltungsgerichtshof wird von der Aussetzung unter einem verständigt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussetzung Korridorpension RechtsfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2223730.2.00Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020