Entscheidungsdatum
16.04.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W211 2219731-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens. Sie stellte am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, sie gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischen Glaubens. Sie habe in Syrien acht Jahre lang die Grundschule besucht und dann als Pferdetrainer und Montagearbeiter gearbeitet. Sie stamme aus der Stadt Qamishli im Gouvernement Al Hasaka. Ihr Vater und eine Schwester würden in Syrien leben. Ihre Mutter, ein Bruder und vier Schwestern würden sich in der Türkei aufhalten. Zwei Brüder würden in Österreich leben. Syrien habe sie illegal im September des Jahres 2018 über die Grenze zur Türkei verlassen. Als Fluchtgrund führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sie zwei Jahre lang beim syrischen Militär gewesen und als Reservist wieder einberufen worden sei. Die Kurden hätten von ihr auch verlangt gegen die Regierung zu arbeiten, was sie jedoch abgelehnt habe. Sie sei dann festgenommen und nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen worden.
3. Bei ihrer ersten Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX .2018 gab die beschwerdeführende Partei an, aus dem Dorf XXXX zu stammen, das zu Qamishli gehöre. Ihre Mutter sei Kurdin, ihr Vater jedoch Araber. Aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit ihres Vaters sei sie selbst auch Araber. Sie habe acht Jahre lang die Grundschule besucht und dann als Eisenschmied in einer Werkstatt gearbeitet. Die beschwerdeführende Partei führte weiter aus, sie habe im Jänner des Jahres 2016 geheiratet, wobei ihre Ehefrau schwanger sei und gemeinsam mit ihrer Mutter, vier Schwestern und einem Bruder in der Türkei lebe. Ihr Vater, ihre Schwiegereltern und eine Schwester würden sich noch in Syrien aufhalten. Zu allen Familienangehörigen stehe sie in regelmäßigem Kontakt. Die beschwerdeführende Partei erklärte weiter, sie habe bereits im Jahr 2015 geplant nach Österreich zu kommen, sei jedoch von einem Schlepper betrogen worden und wieder nach Syrien zurückgekehrt. Ihren Grundwehrdienst habe sie in den Jahren 2008 bis 2010 abgeleistet. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die beschwerdeführende Partei an, sie habe vor ihrer Ausreise aus Syrien im Jahr 2018 postalisch einen Einberufungsbefehl als Reservist der syrischen Armee in Form einer "Generalrekrutierung" erhalten, wonach sie sich in der Stadt Tal Hamis hätte melden sollen. Zwei Monate später sei sie außerdem in Qamishli von kurdischen Milizen aufgrund ihrer Weigerung, sich diesen anzuschließen, acht bis neun Tage lang inhaftiert worden. Nach Zahlung von Lösegeld durch ihren Vater sei sie freigekommen. Wiederum zwei bis drei Monate später habe sie Syrien im September des Jahres 2018 mithilfe eines Schleppers gemeinsam mit ihrer Ehefrau über die türkische Grenze verlassen.
4. Bei ihrer zweiten Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2019 gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst an, sie habe ihre Ehefrau im Jänner des Jahres 2016 geheiratet. Vom Bundesamt darauf hingewiesen, dass ihre Brüder bei deren Einvernahmen im Juni/Juli des Jahres 2016 angegeben hätten, dass die Familie der beschwerdeführenden Partei im Jahr 2012 in die Türkei ausgereist sei, bzw. dass diese zu diesem Zeitpunkt in der Türkei wohnhaft gewesen sei, weshalb nicht davon ausgegangen werde, dass die beschwerdeführende Partei nach Syrien zurückgekehrt sei, erklärte sie, sie wisse nicht warum ihre Brüder diese Angaben gemacht hätten, das Geld habe nicht gereicht, weshalb sie nach Syrien zurückgekehrt sei. Außerdem habe sie, nach einem Aufenthalt in den Jahren 2003 bis 2005, im Jahr 2011 ein Einreiseverberbot für die Türkei erhalten, da sie die Dauer ihres Aufenthaltstitels überschritten habe. Sie habe damals vorgehabt als Reitlehrer in der Türkei zu arbeiten, jedoch sei sie schwer gestürzt und habe sich verletzt. Ende des Jahres 2014 bzw. Anfang des Jahres 2015 sei sie illegal in die Türkei ausgereist und dann wieder illegal nach Syrien zurückgereist. Die beschwerdeführende Partei legte dem Bundesamt Kopien eines Militärbuchs, einer Bestätigung über den Militärdienst, ihres syrischen Reisepasses, einer Heiratsurkunde und eines Familienbuchs, sowie den syrischen Reisepass ihrer Ehefrau im Original vor.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt stellte die Identität und die arabische Volksgruppenzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei fest. Eine Verfolgung aufgrund der Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit bzw. ihrer politischen Gesinnung könne jedoch nicht festgestellt werden.
6. In der gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei nach einem gescheiterten Ausreiseversuch im Jahr 2015 in Syrien im Sommer des Jahres 2018 einen Einberufungsbefehl als Reservist zur syrischen Armee erhalten habe. Auch hätten sie kurdische Milizen festgehalten und aufgefordert mitzukämpfen. Erst durch Zahlung von Lösegeld sei sie wieder freigekommen. Sodann habe sie zusammen mit ihrer Ehefrau Syrien verlassen. Der beschwerdeführenden Partei drohe in Syrien aufgrund ihrer Eigenschaft als Wehrdienstverweigerer und Angehöriger ihrer Brüder, die in Österreich Asyl erhalten hätten, sowie ihrer eigenen Asylantragstellung im Ausland eine Verfolgung durch die syrische Regierung. Weiter drohe ihr eine solche seitens kurdischer Milzen.
7. Am XXXX 2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX .2019 für die Teilnahme an der Verhandlung. Die beschwerdeführende Partei legte ein angeblich vom syrischen Innenministerium stammendes Dokument vom XXXX .2019 vor, welches in im Rahmen der mündlichen Verhandlung übersetzt wurde, wonach über die beschwerdeführende Partei wegen des Nichtantritts des Reservedienstes eine Haftstrafe verhängt werde.
8. Mit schriftlicher Stellungnahme vom XXXX .2019 zu den in der mündlichen Verhandlung zusätzlich ins Verfahren eingebrachten Länderberichten wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei zwar den im Jahr 2018 erhaltenen Einberufungsbefehl nicht vorlegen könne, sie jedoch ein von ihrem Vater übermitteltes amtliches Schreiben vom XXXX 2019 vorgelegt habe, aus dem hervorgehe, dass über die beschwerdeführende Partei aufgrund ihrer Wehrdienstverweigerung eine Strafe angeordnet werde. In Qamishli gebe es immer noch sogenannte "Sicherheitsviertel", in denen die syrische Regierung die Kontrolle ausübe. Auch gebe es verschiedene Berichte, wonach die syrische Regierung in kurdisch kontrollierten Gebieten Rekrutierungen durchführe. Weiter sei die Gefahr hoch, dass die beschwerdeführende Partei an einem Checkpoint verhaftet werde, da sie als Wehrdienstverweigerer auf einer Liste Gesuchter stehe. Der Flughafen Damaskus stehe immer noch unter Kontrolle der syrischen Regierung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, die am XXXX 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischen Glaubens.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Dorf XXXX nahe Qamishli im Gouvernement Al Hasaka.
Die beschwerdeführende Partei besuchte acht Jahre lang die Grundschule und arbeitete dann als Eisenschmied in einer Werkstatt.
Die beschwerdeführende Partei ist verheiratet.
Zwei Brüder der beschwerdeführenden Partei leben als Asylberechtigte in Österreich. Der Aufenthaltsort der übrigen Familienangehörigen der beschwerdeführenden Partei wird nicht festgestellt.
Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei im Jahr 2015 illegal in die Türkei einreiste.
1.1.4. Die beschwerdeführende Partei ist gesund.
1.2. Qamishli steht unter kurdischer Kontrolle, ein kleiner Teil wird auch vom Regime kontrolliert. Der Ort Tal Hamis steht unter kurdischer Kontrolle.
Eine Rückkehr der beschwerdeführenden Partei nach Syrien bzw. Qamishli im Jahr 2015 wird nicht festgestellt.
Die beschwerdeführende Partei absolvierte in den Jahren von 2008 bis 2010 den verpflichtenden syrischen Militärdienst als einfacher Soldat.
Es wird weder festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei im Jahr 2018 einen Einberufungsbefehl, noch im Jahr 2019 ein Schreiben des syrischen Innenministeriums erhalten hat, wonach über die beschwerdeführende Partei wegen des Nichtantritts des Reservedienstes eine Haftstrafe verhängt wurde. Eine Gefahr, als Reservist zum syrischen Militär eingezogen zu werden, wird nicht festgestellt.
Es wird daher auch eine Gefahr, durch das syrische Regime wegen einer Wehr- oder Reservedienstverweigerung oder wegen der Verwandtschaft zu ihren Brüdern als oppositionell eingestuft zu werden, nicht festgestellt.
Eine mehrtägige Inhaftierung der beschwerdeführenden Partei durch kurdische Milizen/YPG im Jahr 2018 wird nicht festgestellt. Genausowenig wird eine Gefahr, im Fall einer Rückkehr nach Syrien durch Mitglieder der YPG verhaftet bzw. zwangsrekrutiert zu werden, festgestellt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 13.05.2019, aktualisiert am 04.09.2019 (Auszüge):
Gebiete unter kurdischer Kontrolle
Die kurdischen Behörden setzen in den von ihnen kontrollierten Gebieten einen Rechtskodex, basierend auf einer "Sozialcharta", durch. In Berichten wird diese "Sozialcharta" beschrieben als eine Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht mit Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an europäischem Recht orientieren. Allerdings fehlen gewisse europäische Standards für faire Verfahren, wie das Verbot willkürlicher Festnahmen, das Recht auf gerichtliche Überprüfung und das Recht auf einen Anwalt. Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden (USDOS 13.3.2019). Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst (AI 12.7.2017). Der Rechtskodex, "Verfassung von Rojava" genannt, betont zwar seine demokratische Struktur, in der Praxis zeigt die Vorherrschaft der PYD und deren Missachtung und Unterdrückung anderer kurdischer Akteure jedoch ein anderes Bild (BS 2018). Die kurdischen Behörden haben den sogenannten "Defense of the People Court" eingerichtet, der über ehemalige IS-Mitglieder in kurdischer Gefangenschaft urteilen soll. Das Gericht wird jedoch weder von den syrischen Behörden noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Die Höchststrafe, die dieses Gericht verhängt, ist eine "lebenslange Freiheitsstrafe", wobei es sich um eine zwanzigjährige Haftstrafe handelt. Gerichtsurteile werden bei guter Führung oder, wenn sich der Angeklagte selbst den kurdischen Behörden gestellt hat, gemildert. Diese "mildere Vorgehensweise" hat zum einen den Zweck der arabischen Mehrheitsbevölkerung Ost-Syriens, die den kurdischen Machthabern misstraut, guten Willen zu zeigen, zum anderen soll dadurch die Regierungskompetenz hervorgehoben und internationale Legitimation gewonnen werden. Das System weist jedoch auch gravierende Mängel auf, so haben die Angeklagten keinen Zugang zu einem Verteidiger und es gibt keine Möglichkeit Berufung einzulegen. Die kurdischen Behörden gaben an, die Einrichtung einer Berufungsmöglichkeit zu planen (Haaretz 8.5.2018).
Korruption
Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2018, liegt Syrien mit einer Bewertung von 13 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 178 von 180 untersuchten Ländern (je höher desto schlechter) (TI o.D.).
Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weit verbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer (FH 1.2017). Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung setzt diese jedoch nicht effektiv durch. Beamte üben häufig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Migrationsbehörden und in der Regierung (USDOS 13.3.2019).
Der syrische Bürgerkrieg hat neue Möglichkeiten für Korruption in der Regierung, unter regierungstreuen bewaffneten Gruppen und im Privatsektor geschaffen (FH 1.2018). Regierungstreue Milizen verlangen beispielsweise für das Passieren ihrer Checkpoints Bestechungsgelder. Das Fünfte Korps verlangt laut Experten von lokalen Gemeinden Gelder für die Gewährleistung von Sicherheit (FIS 14.12.2018). Milizen erpressen Unternehmen und konfiszieren privates Eigentum in unterschiedlichem Ausmaß (FH 1.2018). Auch in der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung Ranghöherer, etwa um eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten, einen Einsatz an der Frontlinie zu vermeiden oder überhaupt den Wehrdienst selbst zu umgehen (FIS 14.12.2018).
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).
Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).
Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018). Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).
Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018). Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).
Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018). Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt.
Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017). Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer.
Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).
Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).
In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).
Wehrdienst: Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig (AA 13.11.2018). Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren. Der Wehrdienst sollte sechs Monate dauern, dauerte in den letzten Monaten jedoch 12 Monate.
Jene, die den Wehrdienst verweigern, müssen zur Strafe 15 Monate Wehrdienst leisten (MOFANL 7.2019). Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).
Allgemeine Menschenrechtslage
Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 10.9.2018).
Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten (USDOS 13.3.2019).
Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen (AA 13.11.2018). Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 Unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben (USDOS 13.3.2019).
Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden (AA 13.11.2018).
Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).
Rückkehr
Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Partei und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopien syrischer Reisepass, syrischer Personalausweis AS 282ff). Auch wurden diese Feststellungen bereits durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getroffen; das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, daran zu zweifeln.
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft, zur Schulbildung und Berufserfahrung in Syrien, sowie dass die beschwerdeführende Partei verheiratet ist, ergeben sich teilweise bereits aus den - unbestritten gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde und aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren bzw. den vorgelegten Dokumenten (Kopie Familienbuch AS 213ff).
Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei ist darauf hinzuweisen, dass ein Bruder der beschwerdeführenden Partei ( XXXX ) im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2016 angab, Kurde zu sein, wobei auch seine beiden Eltern dieser Ethnie angehören würden (AS 60 und 66). Sein anderer Bruder ( XXXX ) erklärte hingegen bei dessen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .2016 Araber zu sein (AS 77). Es bestehen daher gewisse Zweifel bezüglich der tatsächlichen Volksgruppenzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei. Jedoch konnte vor dem Hintergrund, dass die beschwerdeführende Partei im Verlauf des Verfahrens gleichbleibend angab, arabischstämmig zu sein, und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2019 erklärte, sie stamme aus einer Mischehe, ihr Vater sei Araber, ihre Mutter Kurdin, sie selbst fühle sich den Arabern zugehörig (vgl. S. 5 des Verhandlungsprotokolls) sowie die arabische Volksgruppenzugehörigkeit bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommen wurde, eine entsprechende Feststellung erfolgen.
Die Feststellung, dass zwei Brüder der beschwerdeführenden Partei in Österreich Asyl erhalten haben, ergibt sich aus den im Akt befindlichen Aktenvermerken des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (AS 69ff und 81ff).
Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei basiert auf ihren Angaben im Laufe des Verfahrens.
2.3. Die Feststellung, dass die Stadt Qamishli und deren Umland derzeit unter der Kontrolle kurdischer Milizen (YPG) und zu einem kleinen Teil unter der Kontrolle der syrischen Regierung steht, und Tal Hamis ganz von kurdischen Milizen beherrscht wird, ergibt sich aus einer Nachschau unter https://syria.liveuamap.com/. Am XXXX .2020 fand eine kontrollierende Nachschau statt, die keine Änderung hervorbrachte.
Hinsichtlich der Ausreise aus Syrien und den dort bzw. in der Türkei verbliebenen Verwandten, traten im Laufe des Verfahrens zahlreiche Unstimmigkeiten hervor, die das gesamte damit zusammenhängende Fluchtvorbringen unplausibel und nicht glaubhaft erscheinen lassen:
Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich die Angaben der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich ihrer Ausreise aus Syrien im Laufe des Verfahrens als widersprüchlich erwiesen haben und auch nicht mit den Angaben ihrer Brüder übereinstimmen. Die beschwerdeführende Partei erklärte im Laufe ihres Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2019, sie sei bereits im Jahr 2011 in die Türkei ausgereist, jedoch nach zwei Monaten wieder nach Syrien zurückgekehrt. Im Jahr 2015 sei sie dann kurzfristig mit ihren Brüdern wieder illegal in die Türkei eingereist, wiederum aber in ihr Heimatland zurückgegangen und anschließend bis zu ihrer endgültigen illegalen Ausreise im Jahr 2018 in Syrien geblieben (vgl. S. 5f des Verhandlungsprotokolls). Dabei fällt auf, dass die beschwerdeführende Partei noch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .2019 angab, im Jahr 2011 ein Einreiseverberbot für die Türkei erhalten zu haben, dieses jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2019 unerwähnt ließ. Weiter darf nicht übersehen werden, dass einer ihrer Brüder ( XXXX ) bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .2016 angab, im Jahr 2015 ausgereist zu sein und erklärte, die beschwerdeführende Partei halte sich in der Türkei auf (AS 75). Der andere Bruder, XXXX , gab in seiner Einvernahme am XXXX .2016, dass alle Geschwister in der Türkei aufhältig seien (AS 60). Aufgrund insbesondere der diesbezüglichen Widersprüche mit den Brüdern der beschwerdeführenden Partei konnte daher eine illegale Ausreise der beschwerdeführenden Partei in die Türkei im Jahr 2015, nicht jedoch eine anschließende Rückkehr nach Syrien bzw. erneute Ausreise im Jahr 2018 festgestellt werden. Diese Einschätzung wird auch noch dadurch unterstützt, dass der Beschwerdeführer zu den angeblich fluchtauslösenden Vorkommnissen nur oberflächlich und vage Angaben machen kann, die ein persönliches Erleben nicht glaubhaft erscheinen lassen. Darauf wird weiter unten gleich näher eingegangen werden.
Die unterschiedlichen Angaben der beschwerdeführenden Partei und ihrer Brüder begründen auch erhebliche Zweifel am tatsächlichen Aufenthaltsort der weiteren Verwandten der beschwerdeführenden Partei, weswegen ein solcher nicht festgestellt wurde.
Dass die beschwerdeführende Partei ihren Militärdienst als einfacher Soldat in den Jahren von 2008 bis 2010 ableistete, gab sie selbst so an und ergibt sich auch aus dem im Laufe des Verfahrens vorgelegten Kopie des Militärbuchs (AS 257ff).
Zu den eigentlichen fluchtauslösenden Ereignissen (befürchtete Einziehung als Reservist zur syrischen Armee bzw. Zwangsrekrutierung durch die YPG) brachte die beschwerdeführende Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2019 Folgendes vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):
"[...] R: Haben Sie den Wehrdienst absolviert?
P: Ja, ca. von 2008 bis 2010. Ich habe damals meinen Wehrdienst in Damaskus geleistet und ich war ein einfacher Soldat.
R: Können Sie mir in Ihren eigenen Worten erzählen, warum Sie Syrien verlassen haben?
P: Ich musste zum syrischen Militär als Reservist, und die kurdischen Einheiten wollten mich auch rekrutieren.
R: Können Sie das konkreter und präziser schildern?
P: Das bedeutet, dass ich weder mit dem syrischen Militär noch mit den kurdischen Einheiten kämpfen möchte. Ich möchte niemanden töten und auch nicht sterben.
R: Ich meine etwas anderes: können Sie mir genauer und präziser schildern, wie Sie vom syrischen Militär und von den kurdischen Einheiten rekrutiert werden sollten?
P: Die kurdischen Einheiten haben mich festgenommen und ca. 6 bis 7 Tage in einem Haftraum festgehalten. Das war im Jänner 2018. Mein Vater hat Geld bezahlen müssen für meine Freilassung, dies mit Hilfe eines Schwagers von mir, der bei der PKK arbeitet. Der Vater hat dem Schwager das Geld gegeben, der dann dafür gesorgt hat, dass ich entlassen wurde. Nachdem ich entlassen wurde, bekam ich dieses Schriftstück, das ich auch heute im Original dabei habe. Es handelt sich dabei um eine Aufforderung, mich dem syrischen Militär anzuschließen. Solange ich dortbleibe, wird mich die PKK entweder festnehmen und an das syrische Militär ausliefern oder ich muss mit den Kurden mitarbeiten. Das bedeutet, ich muss an dem Krieg teilnehmen und entweder töten oder getötet werden.
R: Haben Sie dieses Dokument bereits bisher im Verfahren vorgelegt?
P: Ich habe dieses Schriftstück von meinem Vater bekommen, nachdem man zu Hause nach mir gefragt hat. Er hat mir im Juli 2019 dieses Dokument geschickt.
R: Ist das der ursprüngliche Einberufungsbefehl?
P: Das ist das Original.
R: Ich meine, ist das die Aufforderung, von der Sie schon gesprochen haben im Verfahren (AS 183 f)?
P: Das ist dasselbe Schriftstück. Mein Vater hat es zu Hause gesucht.
D sieht sich das Dokument an und fasst zusammen: Es ist ein Schriftstück des Innenministeriums, darauf steht, dass, weil die P nicht rechtzeitig als Reservist zum Militär gegangen ist, droht ihr eine Haftstrafe von 5 Jahren. Sie hätte damals am XXXX .2018 eine Nachricht bekommen und hätte ihr folgen müssen. Weil sie als Reservist nicht angetreten ist, droht ihr die Haftstrafe. Datiert ist das Schriftstück mit XXXX 2019. Im Kopf links steht: Sicherheitsbehörde in Hassaka. Die roten Stempel heißen: "verurteilt".
Der kleinere Zettel ist eine Bestätigung über den Versand von Unterlagen aus Syrien in die Türkei. Absender: XXXX , geschickt an Frau XXXX . Vom Büro in Hassaka.
Die beiden Papiere werden in Kopie zum Akt genommen.
R: Das heißt, das ist offensichtlich nicht der ursprüngliche Einberufungsbefehl?
P: Es steht drinnen, dass ich im März 2018 hingehen soll. Das habe ich nicht wahrgenommen.
R: Ich habe das verstanden. Ich habe Sie vorhin gefragt, ob Ihnen Ihr Vater die Dokumente geschickt hat, die Sie bereits vorher in Ihrem Verfahren angesprochen haben. Da sagten Sie "ja". Ihr Vater hätte sie gefunden.
P: Ich habe damit gemeint, dass das ursprüngliche Datum auf diesem Dokument steht. Das ursprüngliche Dokument ist verloren gegangen. Das hat mein Vater übernommen, aber es ging verloren. Deshalb wird es in dem jetzigen Dokument erwähnt.
R: Haben Sie den ursprünglichen Einberufungsbefehl aus 2018 gesehen?
P: Ja, gesehen, aber nicht gelesen. Mein Vater hat erzählt was draufsteht, dass es eine Aufforderung vom Militär ist, sich als Reservist zu melden. Ich habe es nicht ernstgenommen und verschmissen.
R: Wieso haben Sie es nicht ernst genommen?
P: Auf der einen Seite wusste ich nicht, dass es später relevant wäre, das mitzunehmen und dass ich es einmal vorlegen muss, das wusste ich nicht im Vorhinein. Zweitens, wenn man mich unterwegs untersucht hätte, wäre das sehr gefährlich gewesen.
R: Meine Frage war, warum Sie den Einberufungsbefehl nicht ernst genommen haben?
P: Das ist wie eine Bombe. Ich kann das nicht behalten und aufbewahren. Es ist wie eine Bombe, das soll keiner wissen, dass ich das habe.
R: Wo hätten Sie sich damals melden sollen, 2018?
P: In Hassaka.
R: Wo genau?
P: Ich hätte zu einem Gericht in Hassaka gehen sollen.
R: Wo genau hätten Sie sich hinbegeben sollen?
P: Ich hätte mich in Tal Hamis bei der Militärbehörde melden sollen.
R: Wer hatte damals die Kontrolle in Tal Hamis?
P: Das syrische Regime.
R: Sind Sie sicher?
P: Ja, ich bin mir sicher.
R: Können Sie das belegen, denn nach meinen Informationen war das syrische Regime damals sicher nicht mehr dort.
P: Ich bin der Meinung, dass das syrische Regime Tal Hamis unter der Kontrolle war. Auf Nachfrage und Einsicht in die Liveuamap zu Syrien historisch bis September 2018 gebe ich an: Ja, Tal Hamis stand unter kurdischer Kontrolle, aber das syrische Militär befindet sich nicht weit weg von dort und sie haben dort Inspektionen, die dem syrischen Regime untergeordnet sind.
R: Sie müssen mir jetzt genau, konkret und detailliert schildern, wie die Einberufung als Reservist ins syrische Regime im März 2018 funktioniert hätte. Wie hätten Sie sich zum syrischen Militär begeben sollen?
P: Zu diesem Datum ist ein Zivilist von der Militärbehörde zu uns nach Hause gekommen. Er hat mit meinem Vater geredet und hat ihm diese Aufforderung überreicht und dann ist er wieder gegangen. Es stimmt, dass die kurdischen Einheiten das Gebiet unter Kontrolle haben und schützen, aber der Mann kann trotzdem von der Militärbehörde zu uns kommen und uns die Nachricht überreichen. Ich beziehe mich auf die Inspektionen, die dem syrischen Regime untergeordnet sind. Diese funktionieren noch und arbeiten.
R: Ich halte Ihnen vor (AS 184), wo Sie gefragt wurden: "Wie haben Sie die Einberufung erhalten?" Ihre Antwort war: "Es ist mit der Post zu mir nach Hause zugestellt worden".
P: Die Verständigung mit dem damaligen Dolmetscher war nicht so gut, das habe ich auch bei der Diakonie angegeben. Er hat eine andere kurdische Sprache gesprochen, die ich nicht so gut verstehe. Er spricht Surani.
R: Nach meiner Information wurden Sie beide Male auf Arabisch einvernommen?
P: Er sprach ein anderes Arabisch. Ich möchte anmerken, dass ich die Post in unserem Dorf nicht kenne. Es gibt keine Post, wie man sie hier kennt. Ich habe die Post nur in Damaskus erlebt.
R: Sie wurden bei beiden Einvernahmen vom gleichen Dolmetscher gedolmetscht. Wieso haben Sie bei der zweiten Einvernahme nicht gesagt, dass Sie ihn schlecht verstehen?
P: Ich habe nicht gewusst, dass ich mich dagegen wehren darf. Ich habe gedacht, dass ich mit ihm arbeiten muss.
R: Sie wurden beim ersten Mal gefragt, ob Sie kurdisch oder arabisch einvernommen werden wollen, Sie haben gesagt auf Arabisch. Dann haben Sie wieder gesagt, dass Sie auf Arabisch einvernommen werden wollen. Ich kann zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens solche Verständigungsschwierigkeiten nicht mehr wesentlich berücksichtigen.
P: Ich muss das ebenso annehmen.
R: Bei der zweiten Einvernahme ging es hauptsächlich um das Abklären von Missverständnisse. Da hätten Sie doch angeben können, dass es Verständigungsschwierigkeiten gegeben hat.
P: Ich muss anmerken, dass ich das Wort "Post" gar nicht erwähnt habe und nicht gesagt habe, dass ich es mit der Post bekommen habe. Ich habe das auf keinen Fall gesagt habe. Ich habe gesagt, dass ich eine Nachricht erhalten habe, aber von Post war gar keine Rede. Möglich, dass ich damals falsch verstanden wurde. Hier versteht man unter erhalten, dass man es mit der Post bekommen hat. Ich habe zum ersten Mal im Leben Post in Österreich erhalten.
R: Wurden Ihnen die Protokolle rückübersetzt?
P: Sie wurden schon rückübersetzt. Möglich, dass ich bei ein oder zwei Worten nicht aufgepasst habe, aber es wurde rückübersetzt.
R: Warum wurden Sie von den Kurden festgenommen?
P: Wegen dem Militärdienst bei den Kurden. Auch bei den Kurden gibt es einen Militärdienst, das heißt, man soll als Kurde dort auch mitkämpfen.
R: Ich habe Sie ganz am Anfang gefragt, wie die Leute in Qamishli Sie sehen, ob als Kurde oder Araber. Können Sie mir das jetzt beantworten?
P: Ich weiß es nicht, unterschiedlich. Am meisten wird man mich als Araber sehen.
R: Wieso sollten Sie dann die Kurden einberufen wollen?
P: In dem Fall muss ich auch die Kurden verteidigen.
R: Aber, wenn die Kurden Sie nicht als Kurden sehen?
P: Egal, ob man Kurde oder Christ ist oder etwas Anderes, muss man das Gebiet verteidigen.
R: Wieso kamen die Kurden nicht schon früher zu Ihnen?
P: Am Anfang war das freiwillig, deshalb wurde ich nicht angesprochen. Danach hat man Kämpfer gebraucht, dann war es mit Zwang. Die meisten, die mit den Kurden kämpfen, kämpfen bis zum Sterben und kommen nicht mehr zurück.
R: Dass die Kurden auch zwangsrekrutieren, wissen wir schon seit längerem, nicht erst seit 2018?
P: Weil ich bereits meinen Militärdienst geleistet habe und die jungen, die noch nicht geleistet haben, kommen zuerst dran.
R: Ist Ihnen klar, dass die syrischen Truppen und die kurdischen Einheiten zwei verschiedene Gruppen sind? Ist Ihnen das klar?
P: Ja.
R: Warum haben die Kurden Sie nicht schon zwischen 2015 und 2018 zum Kampf aufgefordert?
P: Wie gesagt, es haben sich zwischen 2015 und 2018 viele Kurden und Kurdinnen freiwillig gestellt. Die kurdischen Einheiten haben zu dieser Zeit keine Kämpfer mehr gebraucht. [...]"
Damit wirkt das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf eine Wiedereinberufung als Reservist durch die syrische Regierung konstruiert und wenig glaubhaft. So ist darauf hinzuweisen, dass die beschwerdeführende Partei zwar gleichbleibend angab, sie habe im Jahr 2018 einen Einberufungsbefehl erhalten, sie über die Art der Zustellung jedoch widersprüchliche Angaben machte. Etwa erklärte sie noch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .2018, sie habe diesen postalisch in Form einer "Generalrekrutierung" erhalten (vgl. AS 184). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2019 schilderte sie den Zustellvorgang jedoch gänzlich anders und behauptete, ein Zivilist der Militärbehörde habe den Einberufungsbefehl persönlich übergeben (vgl. zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachte Verständigungsprobleme mit dem damaligen Dolmetscher können aufgrund der Befragung auf Arabisch und der Rückübersetzung nicht angenommen werden.
Legte sie ein angeblich vom syrischen Innenministerium stammendes Dokument vom XXXX 2019 vor, welches in im Rahmen der mündlichen Verhandlung am XXXX .2019 übersetzt wurde, wonach über die beschwerdeführende Partei wegen des Nichtantritts des Reservedienstes eine Haftstrafe verhängt werde, so ist die erkennende Richterin von dessen Echtheit bzw. Richtigkeit nicht überzeugt. Dies einerseits, weil es merkwürdig erscheint, dass die beschwerdeführende Partei zunächst erklärte, bei dem Schriftstück handle es sich um den ursprünglichen Einberufungsbefehl, den ihr Vater nun gefunden habe, um dann später nach Übersetzung, wonach dieses aus Mai des Jahres 2019 stammt und eine Haftstrafe zum Inhalt habe, oberflächlich zu erklären versuchte, sie habe den originalen Einberufungsbefehl "verschmissen" (vgl. zitierte Passage des Verhandlungsprotokolls). Andererseits gilt zu bedenken, dass aus den Länderberichten hervorgeht, dass in der syrischen Verwaltung, auch im Militär Korruption allgegenwärtig ist, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich hierbei um ein bloßes Gefälligkeitsschreiben handelt. Als taugliches Beweismittel für eine tatsächlich drohende Einberufung bzw. Bestrafung wegen einer Wehrdienstverweigerung scheidet das Dokument aus Mai des Jahres 2019 jedoch aus. Dem Vorwurf aus der Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom XXXX .2019 hinsichtlich einer Würdigung des vorgelegten Schreibens durch die erkennenden Richterin ist dahingehend zu begegnen, dass es sich bei der Einschätzung des mangelnden Beweiswerts mitnichten um eine abstrakte handelt: im Kontext der Vielzahl von Unstimmigkeiten und Widersprüchen im Zusammenhang mit der angeblichen Einberufung als Reservist sowie der Länderinformation zum Niveau der landesweiten Korruption gründet sich diese Einschätzung auf konkrete Anhaltspunkte aus der Sphäre der beschwerdeführenden Partei.
Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die beschwerdeführende Partei zum tatsächlichen Ablauf einer drohenden Rekrutierung als Reservist nur sehr oberflächliche Angaben machen und keinerlei Details dazu nennen konnte, wie diese Stellung hätte aussehen sollen. Insbesondere müssen die Angaben der beschwerdeführenden Partei, sie hätte sich in Tal Hamis beim syrischen Militär melden sollen, angezweifelt werden, da sich Tal Hamis zumindest seit September 2018 unter kurdischer Kontrolle befunden hat und unklar bleibt, welche Anknüpfungspunkte an das syrische Militär dort geherrscht haben sollen (siehe dazu im Gegensatz syrische Präsenz in Hasaka selbst und in Qamishli, nicht jedoch in Tal Hamis und Umgebung). In Hinblick auf die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei in der Stellungnahme vom XXXX .2019 zur Kontrolllage in der Herkunftsregion ist schließlich anzuführen, dass der Beschwerdeführer selbst weder aus der Stadt Hasaka noch aus der Stadt Qamishli stammt, weshalb die dortige Präsenz von syrischem Militär für die hier zu prüfende Frage keine Rolle spielt.
In Zusammenschau der Zweifel an einer Rückkehr der beschwerdeführenden Partei nach 2015 nach Syrien, der Widersprüche zum Erhalt des Einberufungsbefehls, der fehlenden Tauglichkeit betreffend das vorgelegte Schreiben sowie der außergewöhnlich oberflächlichen Information der beschwerdeführenden Partei zum Vorgang einer möglichen Rekrutierung als Reservist in die syrische Armee kann eine bereits erfolgte Einberufung der beschwerdeführenden Partei durch Erhalt eines Einberufungsbefehls im Jahr 2018 bzw. die Verhängung einer Haftstrafe im Jahr 2019 wegen des Nichterscheinens zum Einberufungstermin nicht festgestellt werden.
Aus den Länderberichten geht hervor, dass in Syrien Reservisten bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden können, wobei einzelne Berichte vorliegen, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Die beschwerdeführende Partei befindet sich mit ihren 31 Jahren daher noch grundsätzlich im wehrfähigen Alter und ist Reservist.
Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können.
Aus der Funktion der beschwerdeführenden Partei beim Militärdienst oder ihrer Berufstätigkeit kann nicht abgelesen werden, dass diese früher bei ihrem regulären Militärdienst eine besondere Fähigkeit erworben oder eine besondere Position eingenommen hat, noch lässt sich aus ihrer Berufstätigkeit als Eisenschmied ableiten, dass sie heute über wesentliche Fähigkeiten verfügt, die sie für die abermalige Musterung besonders attraktiv macht. Ihr Wehrdienst liegt zeitlich bereits lange zurück. Im Lichte der individuellen Eigenschaften der beschwerdeführenden Partei (Beruf, Rang und Funktion beim Militärdienst) sowie der Länderberichte, die eine entsprechend systematische und generelle Einberufung von Reservisten nicht dokumentieren bzw. von einem hohen Maß an Willkür dabei ausgehen, kann daher auch keine Feststellung zu einer entsprechend wahrscheinlich drohenden Einberufung als Reservist getroffen werden.
In Bezug auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, sie sei vor ihrer Ausreise aus Syrien im Jahr 2018 mehrere Tage von der YPG festgehalten worden und befürchte im Falle einer Rückkehr nach Syrien, von dieser zwangsrekrutiert zu werden, ist festzuhalten, dass, wie zuvor erwähnt, eine Rückkehr nach Syrien im Jahr 2015 bzw. ein dortiger Aufenthalt im Jahr 2018 nicht festgestellt werden konnte. Außerdem geht zwar aus den Länderberichten hervor, dass in kurdisch kontrollierten Gebieten eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren besteht, jedoch hat die beschwerdeführende Partei diese Altersgrenze bereits knapp überschritten. Darüber hinaus ist anzumerken, dass sich die beschwerdeführende Partei ihrem eigenen Selbstverständnis nach als Araber definiert, weshalb nicht ersichtlich ist, weshalb sie entsprechend wahrscheinlich von einer Zwangsrekrutierung durch die kurdische YPG betroffen sein sollte. Es erfolgen daher weder Feststellungen zu einer Inhaftierung durch die YPG im Jahr 2018, noch zur Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch diese im Fall einer Rückkehr nach Syrien.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der beschwerdeführenden Partei werde aufgrund ihrer Verwandtschaft zu ihren Brüdern, die in Österreich wegen ihrer Wehrdienstverweigerung Asyl erhalten haben, eine oppositionelle politische Gesinnung seitens der syrischen Regierung unterstellt, ist darauf hinzuweisen, dass hieraus keine konkret gegen sie gerichtete Bedrohung abgeleitet werden kann. Zwar ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren, jedoch ist nicht anzunehmen, dass die beschwerdeführende Partei davon betroffen sein würde. Aus den Länderberichten ist nämlich ebenfalls abzulesen, dass dies insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein kann, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Hinweise hierzu, dass diese Situation auf die Familie der beschwerdeführenden Partei zutreffen würde, ergaben sich während des Verfahrens jedoch nicht.
Abgesehen davon muss erneut auf die aktuelle Kontrollsituation in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei verwiesen werden, die nur zu einem kleinen Teil durch syrische Regierungskräfte passiert. Der Rest der Herkunftsregion wird durch die kurdischen Einheiten kontrolliert.
Eine Gefährdung der beschwerdeführenden Partei durch die syrische Regierung aufgrund der Wehrdienstverweigerung ihrer Brüder wurde daher nicht festgestellt.
Bezüglich der vorgebrachten Befürchtungen im Zusammenhang mit der Asylantragstellung im Ausland ist anzumerken, dass syrische Staatsbürger_innen grundsätzlich Reisefreiheit genießen; sie können Syrien verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang ausreisen. Dass die beschwerdeführende Partei zu einer jener Bevölkerungsgruppen gehören würden, die eine Ausreisegenehmigung brauchen, brachte sie nicht vor und ergibt sich nicht aus dem Verwaltungsakt.
Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines regulären Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können. Auch wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer_innen gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Journalisten und Journalistinnen, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben, sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Die beschwerdeführende Partei fällt in keine dieser Risikogruppen, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr eine gegen das Regime eingestellte Gesinnung unterstellt wird, da es keine Hinweise darauf gibt, dass sie bereits ins Blickfeld des Regimes geraten sein könnte.
Hierfür spricht auch, dass die beschwerdeführende Partei selbst in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .2018 angab, nie von der syrischen Regierung bedroht worden zu sein (siehe AS 63). Auch erstattete die beschwerdeführende Partei im Laufe des Verfahrens kein Vorbringen, wonach sie in Syrien oder in Österreich regimekritisch und oppositionell in Erscheinung getreten ist. Eine vom syrischen Regime ausgehende Bedrohung kann daher in Bezug auf die beschwerdeführende Partei nicht festgestellt werden.
Die erkennende Richterin übersieht die Länderinformationen zur Situation in Syrien nicht, dass ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt. In Bezug auf die beschwerdeführende Partei ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass diese allgemeinen Berichte und die darauf fußenden Möglichkeiten einer asylrelevanten Behandlung im gegenständlichen Falle auf die konkrete Situation der beschwerdeführenden Partei anzunehmen sind.
2.4. Die Feststellungen zu 1.3. fußen auf dem Länderinformationsblatt Syrien, 13.05.2019, aktualisiert am 04.09.2019 und auf den folgenden Detailquellen:
- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertigesamt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-112018.pdf, Zugriff 10.12.2018
- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019
- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), URL, Zugriff 10.1.2018
- AI - Amnesty International (12.7.2017): Zwei von drei Aktivisten wieder frei, https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/zwei-von-drei-aktivisten-wieder-frei, Zugriff 12.2.2019
- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zujord anien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 13.12.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/ BTI_2018_Syria.pdf, Zugriff 12.12.2018
- CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 6.4.2019
- DZO - Die Zeit Online (13.1.2019): Assad ist der lachende Dritte, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/ypg-syrien-russland-baschar-al-assad/ komplettansicht, Zugriff 13.3.2019
- EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Syri1040.pdf, Zugriff 4.7.2019
- FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 15.2.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Syria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria, Zugriff 12.12.2018
- FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Factfinding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019
- Haaretz (8.5.2018): Syria's Kurds Put ISIS on Trial With Focus on Reconciliation, https://www.haaretz.com/middle-east-news/syria/syria-s-kurds-put-isis-on-trial-with-focus-onreconciliation-1.6071212, Zugriff 12.2.2019
- HRW - Human Rights Watch (10.9.2018): Syria: Kurdish-led Administration Jails Rivals, https:// www.hrw.org/news/2018/09/10/syria-kurdish-led-administration-jails-rivals, Zugriff 9.1.2018
- HRW - Human Rights Wa