TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/15 W162 2225372-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2020
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Entscheidungsdatum

15.05.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W162 2225372-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.10.2019, betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses, ausgestellt am 25.04.2003, mit einem Grad der Behinderung von 70 v. H und verfügt über die Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist gehörlos". Er beantragte unter Vorlage eines Konvoluts an medizinischen Unterlagen am 08.03.2019 (einlangend) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.10.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt wurde. Diesbezüglich wurde ausgeführt:

"Keine erheblichen, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichenden Funktionsbeeinträchtigungen vorliegend. Die dynamische und statische Belastbarkeit ist ausreichend. Kurze Wegstrecken sind ohne fremde Hilfe unter Benützung einer Unterarmstützkrücke bewältigbar, es liege keine maßgeblichen Defizite der Funktion beider oberer und unterer Extremitäten, keine Lähmungen vor. Das Ein- und Aussteigen unter Verwendung eines Handlaufes möglich, Haltegriffe können verwendet werden, somit ist auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet."

3. Zur weiteren Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde aufgrund der Einwendungen im Zuge des Parteiengehörs ein weiteres Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.10.2019, basierend auf der Aktenlage und unter Berücksichtigung der neu vorgelegten Befunde mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel neuerlich bejaht wurde. In dieser Stellungnahme wurde auf das im Zuge des Parteiengehörs nachgereichte Gutachten eines Orthopäden bezüglich Pflegegeld, sowie Beweismittel zu Krankenhaltsaufenthalten eingegangen und dazu ausgeführt, dass diese Befunde bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des ersten Sachverständigengutachtens vom 01.10.2019 vorliegend waren und entsprechend miteinbezogen wurden. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustands könne aufgrund der Beweismittel nicht nachvollziehen werden.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.10.2019 hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen. Begründend wurde auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren verwiesen.

5. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht am 11.11.2019 Beschwerde erhoben, worin im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer sehr wohl unter erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten leide. Er verwies auf seine Hüftdysplasie und Hüftgelenksabnutzung beidseits, eine chronische Schleimbeutelentzündung im rechten Hüftgelenk sowie darauf, dass er unter schmerzhaften Nervenleitstörungen leide, weshalb ihm Hydal 2,6 mg verschrieben worden sei. Er leide unter erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, wobei er auf die Gesamtheit seiner Leiden verwies. Die Summe der Erkrankungen belaste ihn psychisch schwer und er sei ein Pflegefall, da er nicht gehen könne und fast taub sei. Durch seine Medikamenteneinnahme sei sein Immunsystem auf ein Minimum herabgesetzt.

6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.11.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

7. Am 19.11.2019 wurden vom Beschwerdeführer ein Befundbericht sowie ein Schreiben als Ergänzung zur Beschwerde nachgereicht. Darin verwies der Beschwerdeführer darauf, dass ihm am 04.12.2019 am linken Oberschenkel ein "differenziertes verhorntes Stachelzellkarzinom" entfernt werden musste und dies seine Beschwerden verstärke.

8. Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie aufgrund persönlicher Untersuchung vom 17.01.2020 eingeholt. Darin wurde im Fall des Beschwerdeführers erneut die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bestätigt. Festgestellt wurden die Leiden Taubheit rechts, Morbus Bechterew, Hüftgelenksabnützungen beidseits, degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, Osteoporose und Amputation Endglied linker Mittelfinger.

Es wurde ausgeführt, dass keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vorliegen, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es seien belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken würden. Die Gesamtmobilität des Beschwerdeführers sei jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können, sowie um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen sei möglich. An den oberen Extremitäten seien keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft sei seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich sei. Kraft und Koordination seien ausreichend, es liege kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite seien nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar sei. Insgesamt seien jedenfalls keine relevanten Funktionseinschränkungen zu objektivieren, die geeignet wären, eine erhebliche Erschwernis des Bewältigens einer kurzen Wegstrecke ausreichend zu begründen. Auch aus psychiatrischer Sicht würden keine maßgeblichen Schmerzzustände vorliegen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würden. Im Fall des Beschwerdeführers liege nicht Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörung vor.

Die behinderungsbedingte Notwendigkeit der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken sei durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und dokumentierten Leiden nicht ausreichend begründbar. Eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden sei nicht gegeben, da durch multimodale Behandlungen (Physiotherapie, Medikamente) und/oder einen stationären Rehabilitationsaufenthalt eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten wäre.

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2020 wurden dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nachweislich zur Kenntnis gebracht und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

10. Am 07.02.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, worin dieser ausführte, dass einige seiner Erkrankungen im Sachverständigengutachten einfach weggelassen bzw. verharmlost worden wären. Im Unterschied zu den Ausführungen der Fachärztin führte er an, dass sich aus den Beipackzetteln all seiner Medikamente sehr wohl ergebe, dass diese zu körperlichen Einschränkungen führen und abgeraten werde, selbst Auto zu fahren. Zudem würden diese Medikamente seine Platzangst verstärken. Es werde in dem Gutachten beschrieben, dass er viele Aktivitäten nur mit Anhalten durchführen könne, während andererseits behauptet werde, dass für ihn Gehen sicher sei. Es würden zwar all seine Funktionseinschränkungen aufgelistet, jedoch werde behauptet, dass diese ihn nicht einschränken würden. Zur Entfernung seines Krebstumors führte er an, dass dies auch seine Psyche belaste. Er wandte sich auch gegen die Einschätzung der Sachverständigen, wonach keine Schwächung des Immunsystems vorliege, indem er auf den Beipackzettel seines Medikaments Humira verwies. Er monierte auch, dass ihm keine Kur bewilligt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit der Nichtvornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Allgemeines

Der Beschwerdeführer beantragte am 08.03.2019 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

1.2. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

1) Taubheit rechts, höhergradige Schwerhörigkeit links, Cochleaimplantat links 2003

2) Morbus Bechterew, Erstdiagnose 1 1/2015

3) Hüftgelenksabnützungen beidseits

4) degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, Osteoporose

5) Amputation Endglied linker Mittelfinger

1.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Keine der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen bewirkt die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können, sowie um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft ist seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist. Insgesamt sind jedenfalls keine relevanten Funktionseinschränkungen zu objektivieren, die geeignet wären, eine erhebliche Erschwernis des Bewältigens einer kurzen Wegstrecke ausreichend zu begründen. Auch aus psychiatrischer Sicht liegen keine maßgeblichen Schmerzzustände vor, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würden. Im Fall des Beschwerdeführers liegt nicht Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörung vor. Die behinderungsbedingte Notwendigkeit der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken ist durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und dokumentierten Leiden nicht ausreichend begründbar. Eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden ist nicht gegeben, da durch multimodale Behandlungen (Physiotherapie, Medikamente) und/oder einen stationären Rehabilitationsaufenthalt eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten wäre.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2. und 1.3.: Die Feststellungen zum Ausmaß und zur Beurteilung der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie aufgrund persönlicher Untersuchung vom 17.01.2020 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten vervollständigt und bestätigt im Wesentlichen die bereits von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten.

Sämtliche vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt. Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Nichtvornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass führt, gründet sich auf die durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers wurde festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zum aktuellen Zeitpunkt zumutbar ist.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie hat zum Leiden der Schwerhörigkeit des Beschwerdeführers nachvollziehbar ausgeführt, dass bei der klinischen Begutachtung keine wesentliche Beeinträchtigung in der Kommunikation feststellbar war und dies insgesamt zu keiner Einschränkung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt.

Zur ankylosierende Spondylarthritis, Morbus Bechterew (seit 2015 bekannt), führte sie aus, dass dies unter immunmodulierender Therapie und NSAR stabil sei. Schübe mit erhöhter Krankheitsaktivität werden im Fall des Beschwerdeführers nicht dokumentiert und es konnte bei der klinischen Untersuchung keine höhergradige Krankheitsaktivität oder eine erhebliche Einschränkung der Mobilität festgestellt werden.

Die Hüftgelenkabnutzungen beidseits sind im Fall des Beschwerdeführers geringgradig ausgeprägt, eine maßgebliche Einschränkung der Gesamtmobilität war nach persönlicher Untersuchung durch die Sachverständige nicht feststellbar.

Zu den Abnützungserscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule stellte die Sachverständige fest, dass diese ohne maßgebliches funktionelles Defizit und ohne neurologisches Defizit zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Gesamtmobilität führen.

Anlässlich der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beobachtete die Sachverständige auch das Gangbild des Beschwerdeführers und stellte dabei glaubhaft fest, dass ihm ein Gehen ohne Anhalten sicher möglich ist, wobei seine Spur geringgradig verbreitert und leicht vorgeneigt erschien, die Gesamtmobilität zeigte sich dabei harmonisch. Es wurde eine ausreichende Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten festgestellt und es ergab sich entgegen der Beschwerdebehauptungen kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren würden.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten vorlägen, wird dem entgegengehalten, dass nach umfassender persönlicher Untersuchung durch die Sachverständige keine erheblichen Einschränkungen festgestellt werden konnten. Zudem konnte weder radiologisch eine höhergradige Arthrose der Hüftgelenke festgestellt werden, noch liegen maßgebliche Einschränkungen der Beweglichkeit der Hüftgelenke vor. Zudem waren Nervenstörungen aller Extremitäten, die zu einer maßgeblichen Gangbildbeeinträchtigung führen, im Fall des Beschwerdeführers nicht feststellbar.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit aufgrund der einzelnen Medikamente bestehe, ist nach Ausführung der Sachverständigen nicht objektivierbar. Auch führen diese Medikamente zu keinen erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer und intellektueller Fähigkeiten. Wenn der Beschwerdeführer auf die Beipackzettel der einzelnen Medikamente verweist und daraus für seinen Fall auf erhebliche Einschränkungen schließt, so ist darauf zu verweisen, dass die beauftragte Fachärztin den Beschwerdeführer persönlich untersucht hat und in Kenntnis und unter Berücksichtigung seiner gesamten Medikation für den Beschwerdeführer keine erheblichen Einschränkungen feststellen konnte.

Zum Vorbringen der schmerzhaften Nervenstörungen verwies die Sachverständige nachvollziehbar auf Therapieoptionen sowie darauf, dass Gabapentin vom Beschwerdeführer nur kurzfristig eingenommen wurde.

Zum Beschwerdevorbringen einer maßgeblichen Schwäche des Immunsystems ist auszuführen, dass dies nach persönlicher Untersuchung und Begutachtung nicht nachvollziehbar ist. Zudem legte der Beschwerdeführer diesbezüglich keinerlei Befunde über allfällige rezidivierende Infekte vor.

Zur Entfernung des Tumors im Bereich des linken Oberschenkels wurde nachvollziehbar erklärt, dass dies mit keiner Änderung hinsichtlich einer Mobilitätseinschränkung verbunden sei. Es handle sich um kein einschätzungswürdiges Leiden, da nach Entfernung kein Hinweis für ein lokales Rezidiv vorliege.

Zum vom Beschwerdeführer vorgelegten orthopädischen Gutachten vom 04.07.2019 zur Beurteilung des Pflegegeldes wurde seitens der Sachverständigen ausgeführt, dass dieses in keinerlei Widerspruch zum aktuellen Untersuchungsergebnis stehe und wurde dies auch vom Beschwerdeführer nicht entsprechend behauptet. Auch für den erkennenden Senat stehen die beiden Gutachten zueinander in keinem Widerspruch.

Wenn der Beschwerdeführer in seinen Eingaben immer wieder auf urologische Beschwerden verweist, so ist darauf hinzuweisen, dass er diesbezüglich keinerlei Beweismittel vorgelegt hat.

Beweiswürdigend ist zu zumutbaren therapeutischen Optionen oder Kompensationsmöglichkeiten betreffend die festgestellten Leidenszustände auszuführen, dass dem Beschwerdeführer eine Intensivierung multimodaler konservativen Behandlungsmöglichkeiten zumutbar und möglich ist (z.B. Physikalische Therapie und Kuraufenthalt).

Insgesamt wurde für den erkennenden Senat nachvollziehbar und glaubhaft die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können, sowie um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft ist seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist. Insgesamt sind jedenfalls keine relevanten Funktionseinschränkungen zu objektivieren, die geeignet wären, eine erhebliche Erschwernis des Bewältigens einer kurzen Wegstrecke ausreichend zu begründen. Auch aus psychiatrischer Sicht liegen keine maßgeblichen Schmerzzustände vor, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würden. Im Fall des Beschwerdeführers liegt nicht Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörung vor.

Wenn der Beschwerdeführer angibt, dass er nicht in der Lage sei, kurze Wegstrecken selbst zurückzulegen, so ist auch auf seine eigenen Angaben im Zuge der persönlichen Untersuchung zu verweisen, als er selbst eingeräumt hatte: "An guten Tagen kann ich 300 m gehen". Nach persönlicher Untersuchung durch die Sachverständige wurde zudem festgestellt, dass die behinderungsbedingte Notwendigkeit der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und dokumentierten Leiden nicht ausreichend begründbar ist.

Die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgebrachten Einwendungen waren insgesamt nicht geeignet, eine Änderung der getroffenen Beurteilung vorzunehmen. Es wurden keine neuen Beweismittel vorgelegt.

Der erkennende Senat kommt zu dem Ergebnis, dass die eingeholten Gutachten nachvollziehbar, schlüssig und glaubwürdig die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen.

Der Beschwerdeführer ist dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass das Sachverständigengutachten auf persönlicher Untersuchung basiert. Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde insgesamt umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§9 Abs. 1 Z3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 263/2016 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080.

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0258).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden, Sachverständigengutachten nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie vom 17.01.2020 erging aufgrund persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers und wird als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" erforderlichen Voraussetzung erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder psychischer, neurologischer und intellektueller Fähigkeiten und Funktionen bzw. das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung sind beim Beschwerdeführer nicht erfüllt.

Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevanten Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen steht nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.

Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W162.2225372.1.00

Im RIS seit

06.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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