TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 W166 2229761-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W166 2229761-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 04.02.2020, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 17.06.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) beim Sozialministeriumservice (in weiterer Folge: belangte Behörde).

Im Antragsformular ist vermerkt, dass dieser Antrag auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass bzw. auf Ausstellung eines Behindertenpasses gilt, sofern der Antragsteller noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses ist bzw. darin noch nicht die eben genannte Zusatzeintragung angeführt ist.

In dem von der belangten Behörde daraufhin eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.11.2019 kam der Sachverständige, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie der von ihr vorgelegten medizinischen Befunde zu einem Grad der Behinderung von 50%. Dabei hielt er folgende bei ihr dauerhaft vorliegende Funktionseinschränkungen fest:

"1. Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates

2. Milde neurokognitive Störung, Depressio"

Zur beantragten Zusatzeintragung wurde im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 15.11.2019 im Wesentlichen ausgeführt:

"Anamnese:

Wirbelkörperfraktur 2017, das schmerzt immer wieder.

Hauptproblem ist der linke Knöchel, den hat sie sich vor vielen Jahren gebrochen, konnte nicht operiert, weil sie eine Knochenentzündung hatte.

Das linke Kreuzband hat sie sich mal beim Schifahren gerissen.

Der Knöchel schmerzt auch in Ruhe, da kann sie dann oft nicht schlafen.

Der Knöchel schmerzt, wenn sie mehr geht. Ihr Mann ist dement, um den muss sie sich kümmern.

Vergesslichkeit fällt ihr auch auf, sie muss ich aber sehr zusammennehmen, weil sie ja für ihren Mann auch denken muss.

Die Schwiegertochter kommt zum Reinigen der Wohnung, bereitet die Medikamente vor. Einkaufen fährt sie mit dem Auto alleine.

Sie möchte mit dem Auto auf dem Behindertenparkplatz parken, damit sie nicht so weit gehen muss.

Die Einkäufe trägt sie dann auf mehrere Rationen ins Haus.

...

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Trittico, Arca B, Concor plus, Lescol, Candeblo, Marcoumar, Seropram

...

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt alleine, selbst gehend mit normalen Schuhen ohne Gehhilfe zur Untersuchung. Gangbild: leicht vorgebeugt, sonst unauffälliger, sicherer Gang

Anreise allein mit dem PKW

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Trotz der degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates sind Mobilität und Belastbarkeit ausreichend, sind das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich und aus medizinischer Sicht zumutbar. Es liegen keine Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, der oberen und unteren Extremitäten vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Das Bewältigen einer Gehstrecke von 300 bis 400 Metern erscheint alleine ohne Unterbrechung, gegebenenfalls mit Hilfsmittel möglich. Niveauunterschieden können überwunden werden, das sichere Ein- und Aussteigen ist möglich, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten sind möglich, Kraft und Koordinationsvermögen erscheinen ausreichend. Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände erscheinen nicht geeignet, das Erreichen und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich oder unzumutbar zu machen. Es kann keine Einschränkung der Herz- oder Lungenfunktion erkannt werden, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkt. Ein mobiles Sauerstoffgerät ist nicht erforderlich. Erheblich Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen liegt nicht vor. Eine schwere nachhaltende Erkrankung des Immunsystem liegt nicht vor. Eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit liegt nicht vor.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein."

Da von der Beschwerdeführerin anlässlich eines ihr zum Ermittlungsergebnis gewährten Parteiengehörs ein neuer Befund vorgelegt wurde, wurde seitens der belangten Behörde eine ergänzende ärztliche Stellungnahme vom 28.1.2020 eingeholt, in welcher Nachfolgendes ausgeführt wurde:

"Neu vorgelegt wird:

Befund des Neurologen Dr. XXXX vom 17.10.2019:

DIAGNOSEN:

Milde neurokognitive Störung.

OAK bei Herzohr-Thrombus mit TIA ACM links 1997.

Z.n. Stammganglienblutung rechts 2002 unter oraler Antikoagulation.

Essentieller Tremor. Mikroangiopathische Enzephalophatie.

Rezidivierende depressive Störung mit Schlafstörung.

Hypertonie. Z.n. osteoporot. TH 9 Fraktur 2017.

PSYCHIATR. STATUS: Bewusstseinsklar. Zeitlich, örtlich, situativ ausreichend gut orientiert. Die Stimmung ängstl. besorgt, ohne depress. Merkmale. Der Antrieb ausreichend gut. Kognitive Funktionen altersentsprechend. Keine produkt. Symptomatik. Schlaf mit vereinzelt Einschlafstörungen. MMSE Juli 2019: 29 Punkte. NEUROLOG. STATUS: HNG: Unauffällig. Kein Spontannystagmus. Motorische und sensiblen Gesichtsinnervation intakt. A.temporalis nicht druckschmerzhaft, kein Kopfschmerz. OE: Feinschlägiger Fingertremor bds. FNV links minim. Unsicherheit, kein Rigor, keine Bradykinese, ER seitengleich mittellebhaft, links akzentuiert. UE: Kraftentfaltung seitengleich KG 4-5. PSR links akzentuiert mittellebhaft, ASR bds. schwach auslösbar, PYZ bds. stumme Sohle. Gangbild mittelschrittig, sicher. Schwellung des linken Sprunggelenkes. Eine Unterstützung des Ehepaares durch Heimhilfe bzw. auch institutioneller Betreuung ist zu empfehlen.

Dieser Befund bringt keine neuen Erkenntnisse, sondern bestätigt die Einschätzung.

Die Angabe "Anreise alleine mit dem PKW" im Gutachten beruht auf den Angaben Frau XXXX .

Die Beurteilung des Vorliegens einer etwaigen Notwendigkeit der Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und Neurologie/Psychiatrie obliegt nicht dem KOBV sondern dem Chefärztlichen Dienst."

Basierend auf dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens eines Grades der Behinderung von 50% wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 05.02.2020 ein Behindertenpass in Scheckkartenformat übermittelt.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 04.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab.

Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass es ihr aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Defizite keinesfalls möglich sei eine Wegstrecke von 300 - 400 m aus eigener Kraft und ohne Hilfe zu bewältigen bzw. sicher in einem öffentlichen Verkehrsmittel transportiert zu werden. Sie leide an höhergradigen Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule mit Zustand nach Fraktur des 8. Brustwirbels sowie Rundrückenbildung, Zustand nach Knöchelfraktur links, Schulterschädigung sowie Hüft- und Kniegelenksschädigung beidseits. Ferner bestehe eine ausgeprägte Enzephalopathie verbunden mit einer Arthropie sowie ein depressives Zustandsbild. Es werde ein anlässlich des Klageverfahrens betreffend Pflegegeld eingeholtes Sachverständigengutachten vom 20.06.2019 vorgelegt, mit welchem das von der belangten Behörde eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten in eklatantem Widerspruch stehe. Es sei ein orthopädisches sowie psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Zudem werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 19.03.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Sie leidet aktuell an folgenden dauerhaften Funktionseinschränkungen:

1. Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates

2. Milde neurokognitive Störung, Depressio

Die Kraft in den unteren Extremitäten ist bei einem Kraftgrad von fünf normal vorhanden. Die Beweglichkeit der Hüftgelenke ist beidseits mit 0-0-120° endlagig eingeschränkt. Ebenso verhaltet sich die Beweglichkeit beider Kniegelenke mit einer endlagigen Einschränkung bei 0-0-130°.

Im Vordergrund stehen Schmerzen im linken Knöchel sowie im Wirbelkörper aufgrund jeweils einer Fraktur.

Beim linken Sprunggelenk fand sich zum Untersuchungszeitpunkt am 15.11.2019 eine leichte Schwellung und war die Beweglichkeit beider Sprunggelenke mit 30-0-30° gegeben. Der Zehen- und Fersenstand ist beidseits möglich.

Nach einem Bruch des 8. Brustwirbels liegt aktuell eine Hyperkyphose (Rundrücken) vor. Ein Seitneigen beidseits ist bis knapp über die Kniegelenke möglich. Der Finger-Boden-Abstand beim Vorbeugen beträgt 40 Zentimeter.

Das Gangbild der Beschwerdeführerin zeigt sich als leicht vorgebeugt, jedoch sicher und sonst unauffällig. Die Beschwerdeführerin verwendet dabei keine Gehhilfe.

Die Gesamtmobilität ist ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zurücklegen zu können.

Die Beschwerdeführerin kann Niveauunterschiede überwinden, das sichere Ein- und Aussteigen ist möglich.

An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionseinschränkungen fassbar. Die Kraft ist seitengleich mit einem Kraftgrad von fünf normal vorhanden. Es besteht ein geringer feinschlägiger Tremor der Hände. Das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist jedoch möglich.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Schmerzen wurden berücksichtigt und wirken sich diese nicht erheblich auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus. Die Einnahme einer Schmerzmedikation ist zumutbar.

Erhebliche Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten, der Wirbelsäule oder der körperlichen Belastbarkeit liegen nicht vor. Ebenfalls liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor.

Die sichere Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln unter üblichen Transportbedingungen ist möglich, relevante Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt sind nicht gegeben.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Besitz des Behindertenpasses ergibt sich aus dem Akteninhalt. Der Beschwerdeführerin wurde basierend auf dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 15.11.2019 mit dem im Akt einliegenden Schreiben vom 05.02.2020 ein Behindertenpass in Scheckkartenformat übermittelt.

Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus dem medizinischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.11.2019, basierend auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin, sowie der ergänzenden ärztlichen Stellungnahme vom 28.01.2020.

In dem ärztlichen Sachverständigengutachten wurde ausführlich, nachvollziehbar und schlüssig - unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Befunde und nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin - auf die Leiden und deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel eingegangen.

Der allgemeinmedizinische Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 15.11.2019 zu dem Ergebnis, dass die Mobilität und Belastbarkeit der Beschwerdeführerin trotz der degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates ausreichend gegeben und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich ist. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit vor.

Die Beschwerdeführerin gab im Rahmen der persönlichen Untersuchung Schmerzen in ihrem Rücken und im Knöchel an, welche vom Sachverständigen bei seiner Beurteilung betreffend die Zumutbarkeit der Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke berücksichtigt wurden. Dazu führte er aus, dass die Art und das Ausmaß der Schmerzzustände nicht geeignet sind, das Erreichen und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich oder unzumutbar zu machen.

Mit der Beschwerde wurde ein Gutachten vom 20.06.2019 vorgelegt, welches im Zuge eines Klageverfahrens betreffen das Pflegegeld erstellt wurde und hielt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde dazu fest, dass dieses in eklatantem Widerspruch zum gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 15.11.2019 stehen würde. Inwiefern sich daraus ein eklatanter Widerspruch ergebe, ist für das Gericht jedoch nicht erkennbar. Aus diesem Gutachten ergibt sich ein Gangbild, welches als eher langsam, mittelschrittig mit deutlichem thoracalem Rundrücken, teilweise Anhalten an Möbelgegenständen, aber ohne Gehhilfe beschrieben wird. Dass bei der Beschwerdeführerin ein Rundrücken vorliegt, ergibt sich auch aus den dem Sachverständigengutachten vom 15.11.2019 zugrunde gelegten medizinischen Beweismitteln und verzeichnete der allgemeinmedizinische Sachverständige ein damit übereinstimmendes leicht vorgebeugtes Gangbild der Beschwerdeführerin. Zudem hielt er im Untersuchungsbefund vom 15.11.2019 eine Hyperkyphose fest.

Zu der Beschreibung "teilweise Anhalten an Möbelstücken" ist auszuführen, dass sich die Beschwerdeführerin einer einfachen Gehhilfe, wie eins Gehstockes bedienen könnte. Grundsätzlich verwendete die Beschwerdeführerin weder bei der Untersuchung am 15.11.2019 noch am 08.06.2019 (welche im Rahmen der Gutachtenserstellung des das Pflegegeld betreffende Gutachten vom 20.06.2019 durchgeführt wurde) eine Gehhilfe.

Ergänzend dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der am 08.06.2019 erhobenen Anamnese angab, täglich zwei Mal eine kleine Runde mit dem Hund zu gehen.

Aus dem mit der Beschwerde ergänzend vorgelegten Gutachten vom 20.06.2019 vermag das erkennende Gericht auch keine erheblichen Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten zu erblicken. Zu den unteren Extremitäten hielt der fertigende Sachverständige fest, dass die Gesamtbeweglichkeit durchaus altersentsprechend gegeben ist.

Die in der Beschwerde gelisteten Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule mit Zustand nach Fraktur des 8. Brustwirbels sowie Rundrückenbildung, Zustand nach Knöchelfraktur links, Schulterschädigung sowie Hüft- und Kniegelenksschädigung beidseits wurden im Sachverständigengutachten vom 15.11.2019 entsprechend berücksichtigt. Eine beginnende Demenz wurde vom Sachverständigen ebenfalls erfasst, liegt jedoch in keinem Ausmaß vor, welches eine Benützung der Verkehrsmittel verunmöglichen würde. Betreffend die Schultergelenke erhob der Sachverständige im Rahmen der klinischen Untersuchung, dass ein Nacken- und Schürzengriff beidseits möglich ist. Auch aus dem vorgelegten Gutachten vom 20.06.2019 ergibt sich hinsichtlich der passiven Beweglichkeit eine altersentsprechende Schultergelenksprüfung. Die aktive Beweglichkeit ist lediglich endlagig eingeschränkt. Der Faustschluss ist möglich.

Im Rahmen der Beschwerde wurden von der Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben, welche das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften vermochten bzw. wurde dem Ermittlungsergebnis nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen im Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.

Das vorgelegte Gutachten, welches im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Einstufung des Pflegegeldes erstellt wurde, beinhaltet nach Ansicht des erkennenden Gerichtes keine dem gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 15.11.2019 widersprechende Aussagen.

Soweit sie in ihrer Beschwerde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Bereichen der Orthopädie und Psychiatrie beantragt, ist auszuführen, dass kein Anspruch auf Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten Teilgebietes besteht, und es vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens ankommt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der Verwaltungsbehörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 15.11.2019. In der Stellungnahme vom 28.01.2020 ging der gleiche Sachverständige auf den ergänzend vorgelegten neurologischen Befund vom 17.10.2019 ein und vermeinte aus diesem keine neuen Erkenntnisse betreffend die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ableiten zu können.

Das ärztliche Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.11.2019 sowie die ärztliche Stellungnahme vom 28.01.2020 werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 138/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder der Steuerpflichtige nach sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, ein Freibetrag gemäß Abs. 3 leg. cit. zu.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 162/2010, die die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständige Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

- der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947)-

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie beim Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Arten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; diese hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung diese Bestimmungen ergangen Bescheid zu erstellen.

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II 263/2016 wird der Behindertenpass als Karte aus Polyvinylchlorid hergestellt. Seine Gesamtabmessungen haben 53,98 mm in der Höhe und 85,60 mm in der Breite zu betragen. Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten:

1. die Bezeichnung "Behindertenpass" in deutscher, englischer und französischer Sprache;

2. den Familien- oder Nachnamen, den Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung;

3. das Geburtsdatum;

4. den Verfahrensordnungsbegriff;

5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

6. das Antragsdatum;

7. das Ausstellungsdatum;

8. die ausstellende Behörde;

9. eine allfällige Befristung;

10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck "Behindertenpass";

11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug "Sozialministeriumservice" im Hintergrund;

12. das Logo des Sozialministeriumservice;

13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie

14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.

Gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:

[...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (nunmehr § 1 Abs. 4 Z 3) wird ausgeführt:

"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

[...]

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapiefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

- Kleinwuchs,

- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 m bis 400 m ausgeht. (ua VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Diese Fähigkeiten wurden aus ärztlicher Sicht in dem eingeholten Gutachten vom 15.11.2019 überprüft und - wie bereits ausgeführt - festgestellt, dass die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Meter allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe zurücklegen kann.

Da unter Zugrundelegung des gegenständlichen Sachverständigengutachtens, das vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet wurde, festgestellt und ausführlich dargelegt wurde, dass bei der Beschwerdeführerin keine maßgeblichen Einschränkungen der oberen bzw. unteren Extremitäten und der Wirbelsäule oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit gegeben sind, erreichen die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß, welches die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigen.

Die Beschwerdeführerin leidet auch nicht an einer Gesundheitsschädigung, für welche von vornherein der Passus "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" vorgesehen ist.

Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Überprüfung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist (vgl. VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083).

Zum Antrag der Beschwerdeführerin auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und der Psychiatrie in ihrer Beschwerde wird, wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, festgestellt, dass kein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten Teilgebietes besteht, und es vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens ankommt (siehe dazu insbesondere die Rechtsprechung des VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).

Da aus den dargelegten Gründen die Voraussetzungen für die gegenständliche Zusatzeintragung nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde zur Klärung des Sachverhaltes ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt, und die Beschwerdeführerin wurde persönlich untersucht. Das Beschwerdevorbringen und die vorgelegten Beweismittel waren - wie bereits unter Punkt 2. ausgeführt - nicht substantiiert und geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Feststellungen hervorzurufen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergaben sich keine weiteren Fragen an die Beschwerdeführerin oder an den befassten Sachverständigen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist als geklärt anzusehen, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W166.2229761.1.00

Im RIS seit

06.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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