Entscheidungsdatum
20.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2223750-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 18.06.2019, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 09.05.2019 über die Zentrale Poststelle des Sozialministeriumservice beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag war eine Kopie des Behindertenpasses angeschlossen.
Der Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO gilt entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde das medizinische Sachverständigengutachten aus dem vorangegangenen Feststellungsverfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz herangezogen, da die BF keine neuen medizinischen Beweismittel vorgelegt hat.
2.1. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 02.04.2019, wurde aufgrund der Aktenlage im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Morbus Cushing unterer RSW entsprechend des Beschwerdebildes und der notwendigen Therapie
09.01.03
50
2
Kniegelenksabnützungen beiderseits fixer RWS entsprechend den Bewegungseinschränkungen
02.05.21
40
3
Diabetes mellitus Typ II unterer RSW entsprechend der Stoffwechseleinstellung und des Insulinbedarfs
09.02.02
30
4
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen unterer RSW entsprechend den Bewegungseinschränkungen und der Bandscheibenschädigung
02.01.02
30
5
Gebärmutterentfernung fixer RSW, die beidseitige Tubektomie ist mitberücksichtigt
08.03.02
10
Gesamtgrad der Behinderung
70 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die führende Gesundheitsschädigung 1 (GS) durch die GS 2 bis GS 4 um insgesamt zwei Stufen auf Grund der zusätzlichen Leidenspotenzierung angehoben werde. Die GS 5 hebe mit 10 vH nicht weiter an.
Das Leiden "Sigmadivertikulose" (derzeit bland) würde keinen Grad der Behinderung erreichen.
2.2. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass keine Funktionsbeeinträchtigungen, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würde, bestehen würden, da eine ausreichende cardiopulmonale Belastbarkeit und Mobilität bestehe. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.05.2019 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" derzeit nicht vorliegen würden. Diese wäre wiederrum die Voraussetzung für die Ausstellung eines Parkausweises.
Es wurde der BF die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
4. Mit Schreiben vom 17.06.2019, bei der belangten Behörde verspätet eingelangt am 25.06.2019, nahm die BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung und führte dazu aus, dass in der Begründung in keiner Hinsicht auf ihre Einschränkungen eingegangen worden wäre. Es seien keine ärztlichen Untersuchungen vorgenommen worden, die ihren Antrag begründen würden. Die BF führte weiters nachstehende Erkrankungen an: "Bandscheibenvorfall, Knieprothesen, Gelenkserkrankungen, Insulinpatient, Morbus Cushing (3 Mal erkrankt)". Die BF sei zu ihrem derzeitigen Befinden nicht befragt worden und beantragte eine neuerliche Begutachtung durch einen Amtsarzt.
5. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 18.06.2019 wurde der Antrag vom 09.05.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. Zudem wurde angeführt, dass eine Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei.
In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.
6. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 15.07.2019 fristgerecht Beschwerde bei der belangten Behörde. In der Beschwerde wiederholte die BF ihr Vorbringen in der Stellungnahme vom 17.06.2019 (Pkt. I.4) und beantragte eine neuerliche Begutachtung.
7. Im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung holte die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten ein.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 11.09.2019, welches auf einer persönlichen Untersuchung der BF am 05.09.2019 basiert, werden folgende Funktionseinschränkungen festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Morbus Cushing - entsprechend des Beschwerdebildes und der notwendigen Therapie
2
Kniegelenksabnützungen beiderseits - entsprechend der geminderten Kniegelenksbeweglichkeit und dem Zustand nach operativer Sanierung
3
Diabetes mellitus Typ II - entsprechend des mehrmals täglichen Insulinbedarfs und der Diabetesdiät
4
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen - entsprechend der geminderten Wirbelsäulenbeweglichkeit und dem permanenten analgetischen Therapiebedarf
5
Gebärmutterentfernung - die beidseitige Tubektomie ist mitberücksichtigt
6
Schultergelenksschädigung beidseits - entsprechend der schmerzhaft geminderten Schultergelenksbeweglichkeit
7
Hüftgelenksschädigung rechts - entsprechend der geminderten Hüftgelenksbeweglichkeit und den wiederkehrenden Schmerzen
8
Zustand nach Dickdarmoperation - entsprechend dem Zustand nach operativer Sanierung, den wiederkehrenden Verdauungsbeschwerden und der Diäterfordernis
Stellungnehmend zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde festgehalten, dass es zu einer Verschlechterung der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen gekommen sei. Ein Zustand nach Dickdarmoperation (Sigmaresektion), eine Hüftgelenksschädigung rechts und eine Schultergelenksschädigung beidseits seien neu hinzugekommen. Der Morbus Cushing, die beidseitige Kniegelenksschädigung, die insulinpflichtige Zuckerkrankheit und der Zustand nach Gebärmutterentfernung seien unverändert geblieben.
Zur beantragten Zusatzeintragung wurde festgehalten, dass der BF die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel sowohl aus der Anamnese, der körperlichen Untersuchung als auch aus den vorgelegten Befunden zumutbar sei. Der Morbus Cushing und die insulinpflichtige Zuckerkrankheit seien stabil unter aktueller Medikation und die BF sei kardiorespiratorisch und metabolisch kompensiert. Die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, die Schultergelenksschädigung beidseits sowie die Hüftgelenksschädigung rechts würden keine derart erhebliche Einschränkung der oberen oder der unteren Extremität bewirken, welche es der BF unmöglich mache, kurze Wegstrecken und Niveauunterschiede zu überwinden. Bezüglich des Zustands nach Dickdarmoperation würden keine nachweisliche Inkontinenz und keine Einlagenversorgung bestehen. Der Zustand nach Gebärmutterentfernung könne in der Beurteilung über die Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden. Auch eine schwere Erkrankung des Immunsystems liege nicht vor.
8. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nach der vorliegenden Aktenlage nicht erlassen. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 25.09.2019 vorgelegt.
9. Das Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens, welches noch seitens der belangten Behörde im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durchgeführt wurde, wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 09.03.2020 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
10. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert.
Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
- Morbus Cushing
- Kniegelenksabnützungen beidseits
- Diabetes mellitus Typ II
- Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
- Gebärmutterentfernung
- Schultergelenksschädigung beidseits
- Hüftgelenksschädigung rechts
- Zustand nach Dickdarmoperation
Die Gesundheitsschädigungen Morbus Cushing und Diabetes mellitus Typ II sind bei der BF medikamentös stabilisiert und die BF ist kardiorespiratorisch und metabolisch kompensiert.
Die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, die Schultergelenksschädigung beidseits sowie die Hüftgelenksschädigung rechts bewirken keine erheblichen Einschränkungen der oberen oder der unteren Extremitäten.
Die BF ist in der Lage eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen sowie Niveauunterschiede bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden.
Der Zustand nach Dickdarmoperation ohne nachweisliche Inkontinenz und ohne Einlagenversorgung sowie der Zustand nach Gebärmutterentfernung wirken sich auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht aus.
Der sichere Transport der BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Es liegen bei der BF auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche psychische, neurologische oder intellektuelle Einschränkungen bzw. Erkrankungen des Immunsystems vor. Es besteht auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum der BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegte Verwaltungsakten der belangten Behörde, insbesondere der im Akt befindlichen Kopie des Behindertenpasses, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 11.09.2019 ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die getroffenen gutachterlichen Ausführungen darin basieren auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung der BF ausführlich erhobenen Untersuchungsbefund unter Einbeziehung der in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel und des Vorbringens der BF.
Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.
Dem Gutachten von Dr. XXXX konnte zweifelsfrei entnommen werden, dass bei der BF keine hochgradige Bewegungseinschränkung vorliegt, sowie keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, im geforderten Ausmaß (erheblich bzw. hochgradig), insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, dauerhaft vorliegen.
Die Tatsachen, dass die BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) zurückzulegen und Niveauunterschiede zu überwinden, ergeben sich daraus, dass die orthopädischen Gesundheitsschädigungen keine erheblichen Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten bewirken.
Es konnten auch keine Anhaltspunkte im Beschwerdeverfahren festgestellt werden, wonach der sichere Transport der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet wäre.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 11.09.2019 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder von der BF noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.
Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wird daher der gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die entscheidungsmaßgebliche ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung der BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten liegt entsprechend der Erläuterungen der gegenständlich anzuwendenden Verordnung insbesonders bei eingeschränkten Gelenkfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen vor.
Auf Grund des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, in welchem auch ein umfassendes medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die BF an einer Vielzahl von unterschiedlichen Gesundheitsschädigungen leidet. Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich jedoch, dass die BF hinsichtlich der Erkrankung Morbus Cushing und Diabetes medikamentös stabil eingestellt ist und die orthopädischen Leiden keine erheblichen Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten bewirken. Die anderen festgestellten Erkrankungen (Zustand nach Dickdarmoperation und Gebärmutterentfernung) wirken sich nicht auf die Mobilität der BF aus.
Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden gegen die gutachterlichen Ausführungen im Sachverständigengutachten keine Einwendungen seitens der Verfahrensparteien erhoben.
Es konnten bei der BF danach keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, dauerhaft festgestellt werden.
Die BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für die BF selbständig möglich ist. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens der BF geleistet werden. Der sichere Transport im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Zum Entscheidungszeitpunkt liegen daher die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vor.
Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2223750.1.00Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020