Entscheidungsdatum
22.05.2020Norm
BBG §40Spruch
W133 2222020-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von
XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 24.06.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Im Verwaltungsakt befindet sich ein Vorgutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.03.2016, welches aufgrund eines Antrages der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" eingeholt worden war. In diesem Gutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Totalendoprothese beider Hüftgelenke Heranziehung dieser Position mit einer Stufe über unteren Rahmensatz, da Beugung bis 90 Grad möglich bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit.
02.05.08
30
2
Endoprothese rechtes Kniegelenk Heranziehung dieser Position mit oberen Rahmensatz, da Beugung bis 90 Grad möglich.
02.05.18
20
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken bestehe. Der Diabetes mellitus erreiche keinen Grad der Behinderung, da dieser nicht durch aktuelle Befunde dokumentiert sei. Der Gutachter stellte weiters fest, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Am 07.11.2018 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als "belangte Behörde" bezeichnet) den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte sie ein Befundkonvolut sowie einen Bescheid der PVA betreffend die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 1 bei.
Mit Schreiben vom 20.11.2018 wurden von der belangten Behörde bei der PVA die dort aufliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten angefordert. Das im Pflegegeldverfahren eingeholte Gutachten wurde von der PVA am 11.12.2018 vorgelegt.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 15.03.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
Hüfttotalendoprothese beidseits 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da zwar Keine höhergradige Einschränkung des Bewegungsumfangs, jedoch muskuläres Insuffizienzhinken.
02.05.08
30
2
Knietotalendoprothese rechts, Kniegelenksarthrose links Oberer Rahmensatz, da beidseits mäßige funktionelle Einschränkung.
02.05.19
30
3
Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich.
09.02.01
20
4
Bluthochdruck, Vorhofflimmern
05.01.02
20
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Die weiteren Leiden würden das führende Leiden 1 nicht weiter erhöhen, da jeweils kein ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 habe sich das Leiden 2 verschlimmert, die Leiden 3 und 4 seien neu hinzukommen. Die Gutachterin stellte weiters fest, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 18.03.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 15.03.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Mit E-Mailnachricht vom 04.04.2019 wurde von der Tochter der Beschwerdeführerin ein handschriftlicher Befund eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vom 03.04.2019 vorgelegt.
Aufgrund des neu vorgelegten Befundes holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 15.03.2019 erstellt hatte, vom 19.06.2019 ein. Darin geht die Gutachterin ausführlich auf die Ausführungen im neu vorgelegten Befund ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.06.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten vom 15.03.2019 sowie die ergänzende Stellungnahme vom 19.06.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Tochter der Beschwerdeführerin für ihre Mutter mit E-Mailschreiben vom 29.07.2019 fristgerecht eine Beschwerde. Ohne Vorlage von Beweismitteln werden mit der Beschwerde im Wesentlichen die Ergebnisse der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.02.2019 moniert. Des Weiteren wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin auf eine Gehilfe angewiesen sei und, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Auch habe die Beschwerdeführerin Herzprobleme. Daher sei um einen Behindertenpass angesucht worden, wobei es grundsätzlich um die Ausstellung eines Parkausweises gehe.
Die belangte Behörde legte am 05.08.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom 19.02.2020 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht dazu aufgefordert, eine eigenhändig unterfertigte Vollmacht zugunsten ihrer Tochter, welche die gegenständliche Beschwerde per E-Mail eingebracht hatte, vorzulegen. Am 27.02.2020 langte per Telefax eine von der Beschwerdeführerin persönlich gezeichnete Vollmacht zur Einbringung der Beschwerde datiert vom 25.07.2019 zugunsten ihrer Tochter beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin brachte am 07.11.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Sie ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Hüfttotalendoprothese beidseits, keine höhergradige Einschränkung des Bewegungsumfangs, jedoch muskuläres Insuffizienzhinken;
2. Knietotalendoprothese rechts, Kniegelenksarthrose links, beidseits mäßige funktionelle Einschränkung;
3. Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich;
4. Bluthochdruck, Vorhofflimmern.
Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Die Leiden 3 und 4 erhöhen das führende Leiden 1 nicht weiter, da jeweils kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt und kein erhebliches Ausmaß dieser Funktionseinschränkungen objektiviert ist.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.
Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 hat sich das Leiden 2 verschlimmert, die Leiden 3 und 4 sind neu hinzukommen. Daher kam es im Vergleich zum Vorgutachten zu einer Anhebung des Grades der Behinderung um eine Stufe von 30 v.H. auf nunmehr 40 v.H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.03.2019 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 19.06.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.03.2019 sowie deren ergänzender Stellungnahme vom 19.06.2019. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Führendes Leiden der Beschwerdeführerin sind die Funktionseinschränkungen durch beidseitige Hüfttotalendoprothesen. Diese wurden von der beigezogenen Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin korrekt der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen der Hüftgelenke geringen Grades beidseitig betrifft, mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. zugeordnet. Da im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung am 11.02.2019 zwar keine höhergradige Einschränkung des Bewegungsumfangs, jedoch ein muskuläres Insuffizienzhinken objektiviert werden konnte ("Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/90, IR/AR rechts 5/0/20 links 10/0/30", "Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit Rollator, das Gangbild barfuß ohne Rollator ist geringgradig rechts hinkend, Trendelenburg rechts schwach positiv mit Oberkörperpendeln und geringgradigem Absinken des Beckens links, etwas kleinschrittig, insgesamt sicher, Richtungswechsel ohne Anhalten gut durchführbar. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.") erweist sich die Einstufung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage zur Einschätzungsverordnung als nachvollziehbar und richtig.
Die Knietotalendoprothese rechts sowie die Kniegelenksarthrose links wurden entsprechend den festgestellten Funktionseinschränkungen korrekt unter dem Leidenszustand 2 berücksichtigt. Die Sachverständige hat dieses Leiden nachvollziehbar dem oberen Rahmensatz (30 v.H.) der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Diese betrifft Funktionseinschränkungen geringen Grades in beiden Kniegelenken. Bei der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin konnten betreffend die Kniegelenke beidseits nur mäßige funktionelle Einschränkungen festgestellt werden ("Knie rechts 0/0/110, links 0/10/110").
Als drittes Leiden wurde von der Gutachterin ein nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt. Dieses Leiden wurde von der Sachverständigen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Diät und eine medikamentöse Therapie für eine ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich sind, korrekt dem mittleren Rahmensatz der Positionsnummer 09.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen durch einen nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus betrifft.
Das Leiden 4 "Bluthochdruck, Vorhofflimmern" wurde von der Sachverständigen dem Ausmaß entsprechend unter der Positionsnummer 05.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche eine mäßige Hypertonie betrifft, mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. in die Diagnoseliste ebenfalls korrekt aufgenommen.
Die Feststellung der Sachverständigen, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt, ist nicht zu beanstanden. Die Leiden 3 und 4 erhöhen das führende Leiden 1 nicht weiter, da jeweils kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt und kein erhebliches Ausmaß dieser Funktionseinschränkungen objektiviert ist.
Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 hat sich das Leiden 2 verschlimmert, die Leiden 3 und 4 sind neu hinzukommen. Daher kam es im Vergleich zum Vorgutachten zu einer Anhebung des Grades der Behinderung um eine Stufe von 30 v.H. auf 40 v.H.
Dass die Gutachterin, die im Übrigen eine auch vom Bundesverwaltungsgericht sehr häufig herangezogene und erfahrene Sachverständige ist, an deren Qualifikation kein Zweifel besteht, die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.
Zu den Ausführungen in der Beschwerde bezüglich die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bzw. auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit im Ergebnis nicht geeignet, das vorliegenden Sachverständigengutachten sowie die ergänzend eingeholte Stellungnahme zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 15.03.2019 sowie an der ergänzend eingeholten Stellungnahme vom 19.06.2019. Diese werden wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.03.2019 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 19.06.2019, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden im Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende Gutachten bzw. die Stellungnahme zu entkräften.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Insoweit die Beschwerde auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bzw. auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) abzielt, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich bei der belangten Behörde keine entsprechenden Anträge gestellt hat und die belangte Behörde daher nicht darüber abgesprochen hat. Diese Fragen sind daher mangels Vorliegens von anfechtbaren Bescheiden nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht. Da aber mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. kein Anspruch auf die Ausstellung eines Behindertenpasses besteht, wären im Übrigen auch die Vornahme allfälliger Zusatzeintragungen (wie z.B. "Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel") und die Ausstellung eines Ausweises gemäß § § 29 b StVO (Parkausweis) rechtlich nicht zulässig.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten sowie der ergänzend eingeholten Stellungnahme geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2222020.1.00Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020