TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 I414 2223103-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I414 2223103-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und Dr. Harald NEUSCHMID Mag. Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Arbeiterkammer Tirol, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 18.07.2019, Zl. XXXX, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50% beträgt. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 18.03.2019 beantragte Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) die Ausstellung eines Behindertenpasses. Zuvor verfügte der Beschwerdeführer über einen bis März 2019 befristeten Behindertenpass. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % festgestellt. Als führendes Leiden wurde eine Funktionseinschränkung des arteriellen Gefäßsystems unter der Positionsnummer 05.03.03 mit 50 % eingeschätzt (Leiden 1).

Mit gegenständlichem Bescheid vom 18.07.2019 wies das Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) den Antrag ab. Begründend wurde auf das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. S. verwiesen. Darin wird festgehalten, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% vorliege. Als Funktionseinschränkungen wurden festgestellt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Arterielles Gefäßsystem, Arterielles Gefäßsystem- Funktionseinschränkungen mittleren Grades Arterielle Verschlusskrankheit II, Zustand nach Gefäßdehnung 3/18

05.03.02

30

2

Suchterkrankungen, Suchterkrankung mit leichten körperlichen und psychischen Veränderungen Alkoholkrankheit bei dissoziativer Persönlichkeit, sozialer Rückzug und fehlende Arbeitsfähigkeit laut psych. Befund 2011. Anhaltend Nikotinabusus bei bestehender paVK

03.08.01

30

3

Hypertonie, leichte Hypertonie

05.01.01

10

4

Stoffwechselstörung, Stoffwechselstörungen leichten Grades Hypercholesterinämie

09.03.01

10

Aufgrund der wechselseitigen Leidensbeeinflussung zwischen Leiden 1 und Leiden 2 erhöhe sich der Gesamtgrad um eine Stufe. Leiden 3 und Leiden 4 erhöhen wegen Geringfügigkeit den Gesamtgrad nicht weiter.

Hinsichtlich der gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wird zusammengefasst ausgeführt, dass die im März 2018 durchgeführte Gefäßintervention zufriedenstellen verlaufen sei und sich daher der Gesamtgrad der Behinderung verändert habe.

Am 22.08.2019 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich insbesondere die Situation der Gehleistung des Beschwerdeführers wegen der arteriellen Gefäß- und Verschlusserkrankung im Vergleich zum Gutachten verschlechtert habe. Der Beschwerdeführer leide an einer arteriellen Verschlusserkrankung Stad. II b mit starker Funktionsbeeinträchtigung fortgeschrittenen Grades. Daher würde das führende Leiden einen Grad der Behinderung von 50% entsprechen und unter der Positionsnummer 05.03.03 einzuschätzen sein. Ferner würde eine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung durch die Leiden 2 und 3 den Gesamtgrad der Behinderung um 1 Stufe erhöhen. Sohin sei ein Gesamtgrad der Behinderung von 60% gegeben. Als Beweis wurde ein medizinischer Befund der Universitätsklinik für Gefäßchirurgie vom 09.08.2019 vorgelegt.

Mit Schreiben des BVwG vom 27.10.2019 wurde Dr. S. beauftragt, unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und des nunmehr vorgelegten Befundes ein medizinisches Sachverständigengutachten zu erstatten. Dr. S. führte im Gutachten vom 19.11.2019 zusammengefasst aus, dass unter Berücksichtigung des vorgelegten Befundes der Universitätsklinik für Gefäßchirurgie ändert sich die Funktionseinschränkung "Arterille Gefäßsystem" (Leiden 1) wie folgt: Positionsnummer 05.03.02 Funktionseinschränkung mittleren Grades, arterielle Verschlusskrankheit Typ II b mit Therapieoption (Dehnung, Gefäßoperation), Einzelgrad der Behinderung von 40%. Leiden 1 werde durch Leiden 2 und Leiden 3 wegen negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Sohin ergäbe sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50%.

Mit Schreiben des BVwG vom 09.01.2020 wurde im Rahmen des Parteiengehörs dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde die Möglichkeit eingeräumt zu dem Sachverständigengutachten eine Stellungnahme abzugeben. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass der Beschwerdegegenstand die Ausstellung eines Behindertenpasses und nicht die Vornahme einer Zusatzeintragung sei, weil die Vornahme der Zusatzeintragung vom Beschwerdeführer nicht beantragt wurde.

Mit Stellungnahme vom 14.02.2020 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass keine weiteren medizinischen Unterlagen vorgelegt und keine weiteren Anträge gestellt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 18.03.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz beziehungsweise gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Arterielles Gefäßsystem, Pos. Nr. 05.03.02, mit einem Grad der Behinderung von 40% (Leiden1);

2. Suchterkrankung, Pos. Nr. 03.08.01, mit einem Grad der Behinderung von 30% (Leiden 2);

3. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Pos. Nr. 02.01.02, mit einem Grad der Behinderung von 30 % (Leiden 3);

4. Manische, depressive und bipolare Störung, pos. Nr. 03.06.01, mit einem Grad der Behinderung von 10% (Leiden 4);

5. Hypertonie, Pos. Nr. 05.01.01, mit einem Grad der Behinderung von 10% (Leiden 5);

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 wegen negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 50%.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellungen hinsichtlich der Funktionseinschränkungen sowie des Gesamtgrades der Behinderung ergeben sich aus dem vom BVwG eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Innere Medizin sowie für Allgemeinmedizin vom 19.11.2019, welche die medizinischen Vorgutachten, zusammenfasst.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung.

Die Sachverständige führte im Gutachten vom 19.11.2019 schlüssig und nachvollziehbar aus, dass sich aufgrund des vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befundes der Universitätsklinik für Gefäßchirurgie zwar nicht die Positionsnummer des Leiden 1, sehr wohl aber der Rahmensatz ändert. Aufgrund der arteriellen Verschlusskrankheit Typ II b beträgt der Einzelgrad der Behinderung, entgegen dem Vorgutachten nunmehr 40%. Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 wegen negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wird.

Das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. S. wurde dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt. Die Parteien sind dem zuletzt vom BVwG eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 19.11.2019 nicht entgegengetreten.

Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten samt Stellungnahme unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem eingeholten Ergänzungsgutachten. Zudem sind die Verfahrensparteien dem letztlich eingeholten Ergänzungsgutachten nicht (mehr) entgegengetreten. Es wurde keinerlei Stellungnahme abgegeben.

Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:

"Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

"§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."

§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:

"Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

Dem vom BVwG als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewerteten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr.in S. vom 19.11.2019 folgend, beträgt der Gesamtgrad der Behinderung nunmehr 50%.

Die führende funktionelle Einschränkung wurde von der Gutachterin unter die Positionsnummer 05.03.02 eingestuft. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung sieht bei dieser Positionsnummer eine Grad der Behinderung zwischen 20% und 40% vor. Die Sachverständige führt begründend für den herangezogenen oberen Rahmensatz von 40% aus, dass aufgrund des vorgelegten Befundes der Universitätsklinik für Gefäßchirurgie hervorgeht, dass der Beschwerdeführer an einer arteriellen Verschlusskrankheit Typ II b mit Therapieoption leidet. Diese Einordnung entspricht den Voraussetzungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung.

Die weiteren Einschätzungen der Leiden 2 bis 5 unter die Positionsnummern 03.08.01, 02.01.02, 03.06.01 und 05.01.01 und die gewählten Rahmensätze entsprechen ebenfalls dem vorgegebenen Rahmen der Anlage zur Verordnung.

Auch bei der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist die Sachverständige nach den Vorgaben von § 3 Abs 3 der Einschätzungsverordnung davon ausgegangen, dass eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, (nur) dann vorliegt, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Diesbezüglich hat die Sachverständige ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 wechselseitig negativ beeinflusst wird und begründete dies umfassend. Ferner wird das führende Leiden 1 durch die Leiden 4 und 5 wegen Geringfügigkeit nicht weiter erhöht. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde daher zu Recht mit 50 % festgestellt.

Hinsichtlich der Vornahme einer Zusatzeintragung wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs in Kenntnis gesetzt, dass Beschwerdegegenstand die Ausstellung eines Behindertenpasses ist und nicht die Vornahme einer Zusatzeintragung, weil diese vom Beschwerdeführer nicht beantragt wurde.

Zusammengefasst liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50% vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2223103.1.00

Im RIS seit

06.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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