Entscheidungsdatum
02.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G308 2206803-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX (alias: XXXX), Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2018, Zahl: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz und Rückkehrentscheidung, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird XXXX, geb. XXXX, der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
III. Ihr wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit zwei Brüdern und der Familie eines ihrer Brüder in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 02.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.
Am 03.04.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz statt.
Zudem wurde ein Dublin-Verfahren mit Ungarn geführt, da die minderjährige Beschwerdeführerin und ihre Brüder samt Familie bereits am 25.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn gestellt hatten, aber den Ausgang des Verfahrens nicht abwarteten und illegal nach Österreich weiterreisten. Ungarn akzeptierte mit Schreiben vom 12.04.2016 die Zuständigkeit zur Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin und ihrer Brüder.
Die Beschwerdeführerin wurde vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, am 04.08.2016 zu ihrem Asylantrag und zu einer möglichen Rücküberstellung nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom "03.04.2016" [sic!] ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung ihres Antrages gemäß Artikel "DB III: WAN Art. 18 (1) (b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Ungarn zuständig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ungarn zulässig ist (Spruchpunkt II.).
Der gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2016 erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2016, W184 2133254-1/5E, gemäß
§ 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Am 12.06.2018 wurde die Beschwerdeführerin zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, niederschriftlich einvernommen.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 03.09.2018 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.) und der Beschwerdeführerin eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
Mit Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 26.09.2018, beim Bundesamt am selben Tag per E-Mail einlangend, erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid aufheben und der Beschwerdeführerin den Status einer Asylberechtigten oder allenfalls subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu feststellen, dass ihre Abschiebung in den Irak auf Dauer unzulässig ist und die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückverweisen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 01.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2020 wurden der Beschwerdeführerin sowie dem Bundesamt ein Konvolut von aktuellen und relevanten Länderberichten zum Irak zur Kenntnisnahme übermittelt und zugleich die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung eingeräumt. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht zur vorgebrachten psychischen Erkrankung aktuelle medizinische Befunde vorzulegen, aus welchen ersichtlich ist, welche Diagnosen sowie die Art und Dauer deren Behandlung vorliegen und welche konkreten Medikamente die Beschwerdeführerin einnimmt oder Therapien absolviert. Darüber hinaus wurde ihr die Möglichkeit eingeräumt ein ergänzendes Vorbringen, besonders bezogen auf ihr Privat- und Familienleben in Österreich iSd. Art. 8 ERMK zu erstatten.
Mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 19.03.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag einlangend, nahm die Beschwerdeführerin zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.02.2020 Stellung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Staatsangehörige des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Ihre Muttersprache ist Kurdisch-Kurmanji bzw. Badini, ein Dialekt des Kurmanji (vgl Kopie irakischer Personalausweis, AS 313 ff; Erstbefragung vom 03.04.2016, AS 11 ff; Niederschrift Bundesamt vom 04.08.2016 im Dublin-Verfahren, AS 97; Niederschrift Bundesamt vom 12.06.2018, AS 303 ff).
Die Beschwerdeführerin ist physisch gesund und arbeitsfähig. Sie leidet jedoch immer wieder an psychischen Problemen und verübte am 14.11.2016 einen akuten Suizidversuch, indem sie sich im XXXX selbst ertränken wollte. Sie war von 14.11.2016 bis 16.11.2016 in stationärer Behandlung im Landeskrankenhaus XXXX. Weiters wurde damals bei ihr eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion (F43.20) diagnostiziert. Sie wurde auch einige Zeit psychotherapeutisch behandelt. Zum Entscheidungszeitpunkt nimmt die Beschwerdeführerin keine Medikamente und finden auch keine Therapien statt. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium leidet, die ihm Irak nicht behandelbar wären (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.06.2018, AS 303 & 307; medizinischer Schlussbericht des Landeskrankenhauses XXXX vom 15.11.2016, AS 317 ff; fachärztliche Bestätigung der Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 21.11.2016, AS 411, Stellungnahme vom 19.03.2020, S 4 f).
Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihren beiden Brüdern, nämlich dem jüngeren Bruder XXXX, geboren am XXXX, und dem älteren Bruder, XXXX, geboren am XXXX, sowie dessen Ehefrau, XXXX, geboren am XXXX, und den minderjährigen Kindern XXXX, geboren am XXXX, XXXX, geboren am XXXX und XXXX, geboren am XXXX, alle irakische Staatsangehörige, im Jänner 2016 legal aus dem Irak aus. In der Folge reisten sie überwiegend schlepperunterstützt über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn illegal bis nach Österreich, wo sie am 02.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten (vgl Erstbefragung vom 03.04.2016, AS 15 ff; Niederschrift Bundesamt vom 12.06.2018, AS 303 ff; Verhandlungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2020, zu den Zahlen G305 2206794-1 ua.).
Bereits in Ungarn stellten die Beschwerdeführerin sowie ihre mitreisenden Familienangehörigen am 25.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz (vgl Erstbefragung vom 03.04.2016, AS 19; Bestätigungsschreiben von Ungarn vom 12.04.2016, AS 51).
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom "03.04.2016" [sic!] ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt wurde, dass für die Prüfung ihres Antrages gemäß Artikel "DB III: WAN Art. 18 (1) (b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Ungarn zuständig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ungarn zulässig ist (Spruchpunkt II.) (vgl aktenkundiger Bescheid des BFA vom 06.08.2016, AS 109 ff). Der gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2016 erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2016 gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben (vgl aktenkundiges Erkenntnis des BVwG vom 16.12.2016, W184 2133254-1/5E).
Seit ihrer Einreise nach Österreich hält sich die Beschwerdeführerin ununterbrochen im Bundesgebiet auf und verfügt über fast durchgehende Hauptwohnsitzmeldungen seit 11.04.2016. Sie lebt mit ihren beiden Brüdern und mit der Ehefrau und den Kindern des älteren Bruders in Österreich nach wie vor im gemeinsamen Haushalt (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 04.05.2020; Verhandlungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2020, zu den Zahlen G305 2206794-1 ua., S 9).
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 04.05.2020).
Die Beschwerdeführerin ist ledig und hat keine Kinder. Sie ist in XXXX, Gouvernement Dohuk, Kurdistan, wo sie mit ihrer Familie bis zur Ausreise im Jänner 2016 in verschiedenen Stadtteilen in Eigentumshäusern lebte. Sie besuchte 12 Jahre die Schule in Kurdistan, konnte diese aber wegen der Ausreise nach Europa nicht mit Matura abschließen. Die Beschwerdeführerin war bis zur Ausreise aus dem Irak im Jänner 2016 Schülerin und hatte bis dahin keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Mit dem Verkauf des letzten Hauses wurde die Ausreise der Beschwerdeführerin, ihrer beiden Brüder sowie der Frau und den Kindern eines ihrer Brüder finanziert. Sie lebte seit dem Tod der Mutter und der Flucht des Vaters immer beim älteren Bruder und dessen Familie (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.06.2018, AS 305 ff ).
Eine Schwester der Beschwerdeführerin lebt noch in Erbil im Irak. Sie ist verheiratet und hat mit ihrem Ehemann Kinder. Zur Schwester in Erbil hatte die Beschwerdeführerin ein gutes Verhältnis und besteht zu dieser seitens beider Brüder nach wie vor Kontakt. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass die Schwester der Beschwerdeführerin diese im Fall einer Rückkehr bei sich aufnehmen würde (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.06.2018, AS 305; Verhandlungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2020, zu den Zahlen G305 2206794-1 ua., S 8). Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde vom eigenen Vater im Juli 2011 erschossen. Der Vater ist seitdem untergetaucht. Ein Onkel väterlicherseits lebt in der Türkei. Zu diesem hat die Beschwerdeführerin keinen Kontakt. Zu den Brüdern der ermordeten Mutter besteht seit der Ermordung kein gutes Verhältnis mehr. Die Schwiegereltern sowie Schwager des älteren Bruders der Beschwerdeführer leben inzwischen in Deutschland (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.06.2018, AS 305 ff).
In Österreich wurden sowohl dem jüngeren Bruder als auch dem älteren Bruder, dessen Ehefrau und drei Kindern mit mündlich verkündeten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom jeweils 27.01.2020 zu den Zahlen: G305 2206794-1/11, G305 2206793-1/11E, G305 2206800-1/9E, G305 2206801-1/10E und G305 2206798-1/10E der Status von Subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt und ihnen jeweils eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres erteilt (vgl Verhandlungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2020, zu den Zahlen G305 2206794-1 ua. sowie das gekürzte Erkenntnis vom 27.01.2020).
Die Beschwerdeführerin bezog ihr Fluchtvorbringen ausschließlich auf die Fluchtgründe ihres älteren Bruders. Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine generelle Verfolgungsgefahr oder Bedrohung durch schiitische Milizen, den IS oder von staatlicher Seite droht.
Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:
Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.02.2020 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich insbesondere das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 20.11.2018 samt Kurzinformation vom 30.10.1019, die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen (Mai 2019), die Anfragebeantwortung der BFA-Staatendokumentation vom 14.10.2019 zum Irak: Einreise, Rückkehrlage und Zugang zu Sozialleistungen, die Anfragebeantwortung der BFA-Staatendokumentation vom 04.12.2019 zum Irak: Frauen in Social Media; Frauen mit als "westlich" wahrgenommenen Lebensstil, sowie aktuelle Pressebereichte vom Jänner 2020 betreffend die im Irak vorherrschende allgemeine Lage samt den angeführten Quellen auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.
Daraus ergibt sich:
Aus den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgelegten Zeitungsberichten ergibt sich zusammengefasst:
1. Aktuelle Entwicklungen:
Bei einem amerikanischen Bombenangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad, nahe dem Flughafen, wurde am 02.01.2020 der Kommandeur der iranischen Al-Quds-Brigaden, General Qassem Soleimani, getötet, woraufhin der Iran Vergeltung ankündigte. Auch die schiitischen Milizen im Irak drohten den Vereinigten Staaten mit Vergeltung. Der einflussreiche Milizenführer Kais al-Khasali sagte, im Gegenzug für das vergossene Blut würden das Ende der amerikanischen Militärpräsenz im Irak und die Zerstörung Israels kommen. Der Chef der irantreuen Miliz Asaib Ahl al-Hak rief seine Kämpfer außerdem dazu auf, bereit zu sein, da die nächsten Tage "eine baldige Eroberung und einen großen Sieg" bringen würden. Der Kleriker Muqtada al Sadr wies seine Anhänger an, für den "Schutz des Iraks" bereit zu sein. Die Tötung Soleimanis und des irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis sei ein Schlag gegen den Dschihad (Heiligen Krieg) und den "revolutionären Geist" gewesen, schrieb er auf Twitter. (FAZ 03.01.2020)
In den vergangenen Wochen sind im Irak mehrfach Raketen in der Nähe von Stützpunkten eingeschlagen, an denen Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika stationiert sind. Davon war auch Balad getroffen. Zuletzt sind auf der von amerikanischen Truppen genutzten Luftwaffenbasis Balad im Irak, 80 km von Bagdad entfernt, neun Mörsergranaten eingeschlagen. Die Geschütze, Katjuscha-Raketen, haben das Rollfeld sowie den Eingangsbereich getroffen. Der Verdacht richtet sich meistens gegen schiitische Milizen, die mit dem Nachbarland Iran verbündet sind. Auch im Stadtzentrum von Bagdad schlugen zuletzt mehrfach Raketen ein. Einige davon landeten in oder nahe dem Regierungsviertel, in dem unter anderem die Botschaft Amerikas liegt. Berichte über Verletzte gab es dabei nicht. (FAZ 12.01.2020)
Die Lage im Irak ist seit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch einen Luftangriff der Vereinigten Staaten und einen Vergeltungsschlag des Irans gegen amerikanisch genutzte Militärstützpunkte sehr angespannt. Schiitische Milizen haben Vergeltung angekündigt für die Tötung Soleimanis und eines hohen irakischen Milizenführers, der bei dem amerikanischen Angriff ebenfalls ums Leben kam. (FAZ 12.01.2020)
Die US-Botschaft in Bagdad war am Dienstag von Tausenden proiranischen Demonstranten attackiert worden, bevor die USA den iranischen General Kassem Soleimani nahe dem Flughafen von Bagdad gezielt töteten. Das Pentagon teilte mit, der Angriff sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Diplomaten und Einsatzkräfte zu verhindern - der Iran kündigte daraufhin "Rache" an. (ORF.at 04.01.2020)
Die proiranischen Hisbollah-Brigaden im Irak haben die irakischen Truppen und Sicherheitskräfte aufgefordert, sich von US-Soldaten auf Stützpunkten im Irak zu entfernen. "Wir fordern die Sicherheitskräfte im Land auf, sich ab Sonntag um 17.00 Uhr (15.00 Uhr MEZ) mindestens 1.000 Meter von US-Stützpunkten zu entfernen", teilte die Gruppe am Samstag mit. (orf.at 04.01.2020)
Die USA verlegen wegen der neuen Spannungen zusätzlich mehrere tausend Soldaten in die Region. Sie würden angesichts der gestiegenen Bedrohungslage als "Vorsichtsmaßnahme" im Nachbarland Kuwait stationiert, hieß es am Freitag aus dem US-Verteidigungsministerium. Übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge handelte es sich um bis zu 3.500 Soldaten. Das Pentagon nannte bisher keine genaue Zahl. (ORF.at 04.01.2020)
In der Region wächst unterdessen die Befürchtung einer Eskalation des Konflikts. (ORF.at 04.01.2020)
Angesichts der angespannten Lage setzte die NATO die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte vorübergehend aus. Die NATO-Mission werde jedoch fortgesetzt, sagte ein Sprecher des Bündnisses am Samstag. Die Mission umfasst mehrere hundert Soldaten. Auf Bitten Bagdads ist die NATO seit Oktober 2018 an der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte beteiligt, um eine Rückkehr der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu verhindern. Die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition entschied unterdessen, die Sicherheitsmaßnahmen für die im Irak stationierten internationalen Truppen zu verschärfen und ihre Einsätze "einzuschränken". Oberste Priorität habe der Schutz der Koalitionsstreitkräfte, sagte ein Vertreter der US-Streitkräfte der Nachrichtenagentur AFP am Samstag. (ORF.at 04.01.2020)
Kämpfer und Anhänger der proiranischen Milizen waren am Dienstag zum amerikanischen Botschaftsgelände in Bagdad vorgedrungen. Bei den folgenden Zusammenstößen zwischen amerikanischen Sicherheitskräften und Kämpfern der Milizen wurden dutzende Menschen verletzt. Amerikas Außenminister Mike Pompeo warf al Muhandis vor, hinter der Attacke auf die Botschaft zu stecken. Die Tötung Soleimanis rief am Freitag international Befürchtungen vor einer Gewalteskalation in der Golfregion hervor. (FAZ 04.01.2020)
Quellen:
- Raketenangriff auf Luftwaffenstützpunkt nahe Bagdad, in Frankfurter Allgemeine, 12.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/irak-raketenangriff-auf-us-stuetzpunkt-nahe-bagdad-16578012.html, (abgerufen am 24.01.2020)
- Raketen treffen Bagdad und US-Stützpunkt, in News ORF.at, 04.01.2020, https://orf.at/stories/3149762/ (abgerufen am 24.01.2020)
- Weiterer Angriff auf Milizen im Irak gemeldet, in Frankfurter Allgemeine, 04.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/weiterer-angriff-auf-milizen-im-irak-gemeldet-16564868.html?service=printPreview, (abgerufen am 24.01.2020)
- Dynamit in ein Pulverfass, in Frankfurter Allgemeine, 03.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/angriff-in-irak-reaktionen-auf-toetung-von-qassem-soleimani-16563393.html, (abgerufen am 24.01.2020)
Aus dem Länderinformationsblatt vom 20.11.2018 mit aktueller Ergänzung vom 30.10.2019 ergibt sich auszugsweise:
"KI vom 30.10.2019, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)
Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRI) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.
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Quelle: Liveuamap - Live Universal Awareness Map (1.10.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.10.2019, Zugriff 1.10.2019
Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).
Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).
Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).
Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).
Am 7.7.2019 begann die "Operation Will of Victory", an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der USgeführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).
Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 9.2019).
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Quelle: Iraq Bodycount (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Juli 2019 sind 145 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im August 2019 wurden von IBC 93 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert und für September 151 (IBC 9.2019).
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Quelle: Iraq Bodycount (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019
Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: "Operation Will of Victory"; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).
Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).
Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019).
Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019).
Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25. Oktober weiter und forderten bis zum 30. Oktober weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte (BBC News 30.10.2019). Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala (BBC News 30.10.2019; vgl. Guardian 27.10.2019; Guardian 29.10.2019). Am 28. Oktober wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen (BBC 30.10.2019; vgl. Guardian 29.10.2019). Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 1. Oktober bis zum 29. Oktober getötet (Guardian 29.10.2019) und mehr als 8.000 Personen verletzt (France24 28.10.2019).
BAGDAD
Der IS versucht weiterhin seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Fast alle Aktivitäten des IS im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019). Im Juli gelang es dem IS zwei Selbstmordattentate im Gouvernement auszuführen, weswegen Bagdad die Opferstatistik des Irak in diesem Monat anführte (Joel Wing 5.8.2019). Sowohl am 7. als auch am 16. September wurden jeweils fünf Vorfälle mit "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Während der Proteste im Südirak im Oktober 2019, von denen auch Bagdad betroffen war, stoppte der IS seine Angriffe im Gouvernement (Joel Wing 16.10.2019).
Im Juli 2019 wurden vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).
AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK
Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019).
Die am 27. Mai initiierte türkische "Operation Claw" gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil (Anadolu Agency 13.7.2019; vgl. Rudaw 13.7.2019). Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK (Anadolu Agency 13.7.2019). Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert (ACLED 17.7.2019). Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase (ACLED 4.9.2019)
Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden (ACLED 4.9.2019; vgl. ACLED 7.8.2019).
Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde (Al Monitor 12.7.2019). In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan'' (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen (Reuters 12.7.2019).
NORD- UND ZENTRALIRAK
In den sogenannten "umstrittenen Gebieten", die sowohl von Bagdad als auch von der kurdischen Autonomieregion beansprucht werden, und wo es zu erhebliche Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen, durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Trotz der Zunahme der Sicherheitsvorfälle im gesamten Irak waren die Zahlen im Laufe des Monats August 2019 für den Zentral-Irak jedoch rückläufig (Joel Wing 9.9.2019).
Im Gouvernement Ninewa wurden im Juli 2019 sechs Vorfälle mit 24 Toten verzeichnet, wobei hier der Fund von 18 Leichen älteren Datums eingerechnet ist (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden neun Vorfälle mit 24 Toten und drei Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019). Im September wurden 22 Vorfälle mit 35 Toten und 27 Verletzten registriert, wobei bei fast allen diesen Vorfällen IEDs involviert waren. Außerdem wurde ein Mukhtar ermordet und Mossul mit Mörsergranaten beschossen (Joel Wing 16.10.2019).
Das Gouvernement Diyala zählt regelmäßig zu den Regionen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen und als die gewalttätigste Region des Irak (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 9.9.2019). Der IS ist stark in der Region vertreten und konnte seine operativen Fähigkeiten erhalten (Joel Wing 5.8.2019). Trotz wiederholter Militäroperationen in Diyala kann sich der IS noch immer in den ausgedehnten Gebieten, die sich vom westlichen Teil Diyalas bis zu den Hamreen Bergen im Norden des Gouvernements erstrecken, sowie in den rauen Gebieten nahe der Grenze zum Iran halten (Xinhua 22.8.2019). Es kommt in Diyala regelmäßig zu Konfrontationen des IS mit Sicherheitskräften und zu Übergriffen auf Städte (Joel Wing 5.8.2019). Einerseits vertreibt der IS Zivilisten aus ländlichen Gebieten, um dort Basen zu errichten, anderseits greift er wiederholt die lokale Verwaltung und Sicherheitskräfte an (Joel Wing 9.9.2019). Ein Hauptproblem Diyalas ist die mangelhafte Kommunikation zwischen den vielen unterschiedlichen Sicherheitsakteuren in der Region (Joel Wing 9.9.2019), andererseits gibt es generell zu wenige Sicherheitskräfte in Diyala, was der IS auszunutzen versteht (Joel Wing 5.8.2019). Der IS hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten in Diyala, konzentriert sich aber besonders auf die Bezirke Khanaqin und Jalawla im Nordosten, welche die Zentralregierung nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum von 2017 übernommen hat (Joel Wing 5.8.2019). Die übrigen Vorfälle betreffen hauptsächlich den Norden und das Zentrum von Diyala. Im Süden und Westen gibt es hingegen kaum sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 9.9.2019).
Für Juli 2019 verzeichnete Joel Wing im Gouvernement Diyala 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit elf Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 41 Vorfälle - die höchste Anzahl seit August 2018, mit 21 Toten und 46 Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019) und im September 37 Vorfälle mit 21 Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Im September schlug der IS in fast allen Distrikten des Gouvernements zu (Joel Wing 16.10.2019).
Im Gouvernement Kirkuk gehen die Zahlen der sicherheitsrelevanten Vorfälle, bis auf wenige Spitzen, kontinuierlich zurück. Im Juli gab es eine Reihe von Raketen- und Mörserangriffen auf Städte und Sicherheitskräfte, ansonsten handelte es ich bei den Vorfällen meist um Schießereien und den Einsatz von IEDs (Joel Wing 5.8.2019). Wie im benachbarten Diyala handelte es sich bei Vorfällen in Kirkuk meist um Schießereien, Angriffe auf Kontrollpunkte, Überfälle auf Städte und Vertreibungen aus ländlichen Gebieten, wobei sich der IS auf den Süden des Gouvernements konzentrierte. Unter anderem wurden eine Polizeistation und ein Armeestützpunkt angegriffen, sowie ein Polizeihauptquartier mit Mörsern beschossen (Joel Wing 16.10.2019).
Im Gouvernement Kirkuk wurden im Juli 2019 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit sechs Toten und 13 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019), im August 2019 19 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 34 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September 22 Vorfälle mit elf Toten und 19 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019).
Im Gouvernement Salah ad-Din wurden im Juli 2019 acht Vorfälle mit zehn Toten und acht Verletzten registriert. Zu den Vorfällen zählten zwei Feuergefechte und ein Angriff auf einen Checkpoint (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden sieben Vorfälle mit vier Toten und fünf Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 9.9.2019) und im September zehn Vorfälle mit 13 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 16.10.2019).
Das Gouvernement Anbar, früher ein IS-Zentrum, wird nun hauptsächlich für den Transit von ISKämpfern zwischen dem Irak und Syrien genutzt (Joel Wing 16.10.2019). Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Anbar hat in den vergangenen Monaten stark fluktuiert (Joel Wing 5.8.2019).
Im Gouvernement Anbar wurden im Juli 2019 fünf sicherheitsrelevante Vorfälle mit neun Toten und 14 Verletzten registriert (Joel Wing 5.8.2019), im August 2019 waren es vier Vorfälle mit sechs Toten und neun Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September vier Vorfälle mit 19 Toten (Joel Wing 16.10.2019).
SÜDIRAK
Das Gouvernement Babil ist ein einfaches Ziel für die Aufständischen des IS, in das sie von Anbar aus leichten Zugang haben. Insbesondere der Distrikt Jurf al-Sakhr, in dem es keine Zivilisten gibt und der als PMF-Basis dient, ist ein beliebtes Ziel des IS (Joel Wing 9.9.2019).
Im Gouvernement Babil wurden im Juli 2019 drei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten und fünf Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August waren es acht Vorfälle mit fünf Toten und 48 Verletzten. Es handelt sich dabei um die höchste Zahl an Vorfällen seit Juni 2018. Darunter befand sich ein schwerer Angriff mit einer Motorradbombe (VBIED) auf einen Markt im Norden des Gouvernements (Joel Wing 9.9.2019). Im September waren es wieder drei Vorfälle mit einem Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 16.10.2019).
Im Gouvernement Kerbala wurde im Juli ein Vorfall mit einem Toten und drei Verletzten verzeichnet. Es handelte sich dabei um den Einsatz einer Haftbombe an einem Auto (Joel Wing 5.8.2019). Im September wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit zwölf Toten und fünf Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019). Hierbei wurde an einem Checkpoint im Norden von Kerbala Stadt eine Autobombe gezündet (Joel Wing 16.10.2019; vgl. VOA 21.9.2019). Von Sicherheitskräften entdeckte Waffenlager des IS weisen darauf hin, dass dieser über eine große Menge an Sprengmitteln verfügt (Joel Wing 16.10.2019).
In Basra wurde im August ein Vorfall ohne Opfer registriert. Es handelte sich dabei um eine gegen British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld gerichtete IED (Joel Wing 9.9.2019). Demonstrationen gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und mangelnde Grundversorgung halten an, wobei iranisch unterstützte PMFs beschuldigt werden, sich an der Unterdrückung der Proteste zu beteiligen und Demonstranten und Menschenrechtsaktivisten anzugreifen (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera
25.10.2019).
Quellen:
- BFA Staatendokumentation: Kurzinformation zu Irak, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse, 30.10.2019 als Teil des Sicherheitsupdates des Länderinformationsblattes Irak vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html mwN (Zugriff am 20.11.2019) mit weiteren Nachweisen
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019): Regional Overview - Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middleeast-2-october-2019/, Zugriff 7.10.2019
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (4.9.2019): Regional Overview - Middle East 4 September 2019, https://www.acleddata.com/2019/09/04/regional-overviewmiddle-east-4-september-2019/, Zugriff 2.10.2019
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (17.7.2019): Regional Overview - Middle East 17 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/17/regional-overview-middleeast-17-july-2019/, Zugriff 2.10.2019
- Al Jazeera (25.10.2019): Dozens killed as fierce anti-government protests sweep Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/dozens-killed-fierce-anti-government-demonstrationssweep-iraq-191025171801458.html, Zugriff 28.10.2019
- Al Jazeera (5.10.2019): Iraq PM lifts Baghdad curfew, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/iraq-pm-lifts-baghdad-curfew-191005070529047.html, Zugriff 28.10.2019
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- The Portal (9.10.2019): Iraq launches a new process of "Will to Victory", http://www.theportalcenter.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 18.10.2019
- VOA - Voice of America (21.9.2019): IS Claims Blast That Killed 12 Near Iraq's Karbala, https://www.voanews.com/middle-east/claims-blast-killed-12-near-iraqs-karbala, Zugriff 2.10.2019
- Xinhua (22.8.2019): 4 IS militants, 2 soldiers killed in clashes in eastern Iraq, http://www.xinhuanet.com/english/2019-08/22/c_138329358.htm, Zugriff 2.10.2019
KI vom 27.7.2019, Sicherheitsupdate 2. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)
Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.
Quelle: Liveuamap Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of /raq, https://irag.liveuamap.com/enltime/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Quelle: ISW - Institute for the Study of War (16.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-apri/-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine "Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run- Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es "Lücken" zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).
Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).
Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).
Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).
Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 6.2019).
Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 6.2019).
Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).
Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der "Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. OS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).
Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung AI-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019).
Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro- iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019).
Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane's 1.5.2019).
BAGDAD
Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad- Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019).
Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019).
Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019).
AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK
Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019).
Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die "Operation Klaue" mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der "Operation Klaue" als "neutralisiert" (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019).
Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreie