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19/05 MenschenrechteNorm
ABGB §138 Z9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des F M in I, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2020, W155 2182689-1/28E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 29. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Diesen Antrag wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13. Dezember 2017 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß
§ 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das BVwG aus, dem Revisionswerber sei aus näher dargestellten Gründen kein internationaler Schutz zu gewähren. Zur Rückkehrentscheidung hielt das BVwG zusammengefasst fest, der Revisionswerber führe seit Mitte des Jahres 2018 eine Beziehung mit einer iranischen Staatsangehörigen; er sei mit ihr aber nicht verheiratet. Am 26. September 2019 sei ein gemeinsamer Sohn geboren worden, von 22. Oktober 2019 bis 10. Februar 2020 habe die Familie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, danach seien Mutter und Kind nach Wien gezogen, während der Revisionswerber in Innsbruck verblieben sei. Der Revisionswerber sei im Laufe des Jahres 2018 zweimal strafrechtlich verurteilt worden, und zwar wegen Sachbeschädigung, schwerer Körperverletzung, eines Suchtmitteldelikts gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 SMG und wegen versuchten Diebstahls. Insbesondere wegen dieser Straffälligkeit würden die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet seine gegenteiligen privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen, und zwar auch unter Beachtung des Kindeswohls in Bezug auf seinen Sohn, zu dem bereits jetzt ein reduzierter Kontakt bestehe und dessen Hauptbezugsperson die Kindesmutter sei. Dem Revisionswerber sei es möglich, Kontakt zum Kind über elektronische Hilfsmittel zu halten. Allenfalls stehe es ihm offen, einen Einreisetitel nach dem NAG im Falle einer dauernden Aufenthaltsberechtigung seines Sohnes in Österreich zu beantragen bzw. für den Fall, dass die Rückkehrentscheidung gegen die Kindesmutter durchsetzbar werde, ein Visum für den Iran zu beantragen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die sich nach ihrer Anfechtungserklärung gegen „die Entscheidung in ihrem gesamten Umfang“ richtet. Der Revisionswerber erachtet sich durch das Erkenntnis allerdings nur in seinem Recht auf Privat- und Familienleben verletzt und erhebt im Folgenden auch nur Einwände gegen die Rückkehrentscheidung.
5 Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, es fehle - soweit erkennbar - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden könne, dass ein Vater-Kind-Verhältnis gegenüber einem Mutter-Kind-Verhältnis im Lichte des Art. 8 Abs. 1 EMRK weniger schützenswert erscheine. Weiters fehle Rechtsprechung, inwieweit eine aufgrund des Personalstatuts von Eltern und Kindern („Hier Mutter Iran Vater Afghanistan, Kind staatenlos“) vorausbestimmte dauerhafte Trennung einer Familie im Fall „der Ausweisung in den Drittstaat [...]“ in die Abwägung nach Art. 8 EMRK aufzunehmen sei. Das BVwG habe sich nicht hinreichend damit beschäftigt, dass es dem Revisionswerber, der Kindesmutter und dem Kind in keinem anderen Land als Österreich möglich sein werde, zusammen zu leben.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Da sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nur gegen die Rückkehrentscheidung und die dazu angestellte Interessenabwägung zum Familienleben des Revisionswerbers gemäß Art. 8 EMRK wendet, ist ihre Zulässigkeit auch nur in Bezug auf die dafür vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8 Entgegen den Ausführungen der Revision zur angeblich fehlenden höchstgerichtlichen Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass ein Kind grundsätzlich Anspruch auf „verlässliche Kontakte“ zu beiden Elternteilen hat. Wird es durch die Rückkehrentscheidung gegen den Vater gezwungen, ohne diesen aufzuwachsen, so bedarf diese Konsequenz einer besonderen Rechtfertigung (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282, mwN).
9 Eine derartige Rechtfertigung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht schon deshalb gegeben, weil die Beziehung zur Kindesmutter und die Geburt des Kindes während des unsicheren Aufenthaltsstatus des Revisionswerbers erfolgte. Sie kann aber etwa dann bejaht werden, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie insbesondere bei - relevanter - Straffälligkeit des Fremden (vgl. VwGH 30.4.2020, Ra 2019/21/0134, mwN).
10 Im Hinblick auf das weitere Revisionsvorbringen ist hinzuzufügen, dass es in solchen Fällen auch gerechtfertigt sein kann, Personen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit zu trennen.
11 Im vorliegenden Fall ging das BVwG davon aus, dass die Trennung des Revisionswerbers von seinem Kind, mit dem er bereits jetzt in keinem gemeinsamen Haushalt mehr lebt, insbesondere aufgrund der festgestellten Straffälligkeit gerechtfertigt ist. Dem tritt die Revision mit keinem Wort entgegen. Sie legt somit auch nicht dar, dass und aus welchen Gründen diese Einschätzung unvertretbar sein sollte.
12 Bei diesem Ergebnis braucht nicht näher überprüft zu werden, ob auch die Annahme des BVwG, die Trennung des Revisionswerbers von der Kindesmutter und dem gemeinsamen Kind müsse keine dauerhafte sein, weil die Betroffenen wieder zusammenfinden könnten, tatsächlich zutrifft.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180226.L00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020