Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1. G***** und 2. M*****, beide vertreten durch Gloß Pucher Leitner Gloß Enzenhofer Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2019, GZ 21 R 147/19d-135, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 23. April 2019, GZ 15 C 21/13h-127, zum Teil als nichtig aufgehoben und im Übrigen bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 917,02 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 152,84 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der klagende alpine Verein ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der eine sogenannte Schutzhütte erbaut ist. Die Beklagten sind seit der Übernahme im Jahr 1992 Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft, auf der sie die Land- und Forstwirtschaft einschließlich der Weideviehhaltung betreiben. Zur Schutzhütte führt seit Jahrzehnten ein befahrbarer Weg, der zum Teil über die Liegenschaft der Beklagten verläuft.
Am 1. Juli 1966 schlossen der Kläger und der Vater der Zweitbeklagten (als Einzelrechtsvorgänger der Beklagten) einen Vertrag (in Hinkunft: Wegevertrag) zur Vereinbarung der „Rechtsverhältnisse bezüglich des Verkehrs auf dem Zufahrtsweg“ zur Schutzhütte „im Eigentumsbereiche“ nunmehr der Beklagten. Darin sichert dieser dem Kläger „das Recht der Benützung des Privatfahrweges […] durch den Bewirtschafter der [Schutzhütte] bis zur Grundgrenze für motorisierte und nichtmotorisierte Fahrzeuge von landesüblicher Spurweite und nichtüberdimensionierter Bauart gegen einen jährlichen Anerkennungszins von S 100,- […] zu, dessen ungeachtet verpflichtet sich der [Kläger] zur Wegerhaltung jährlich 4 (vier) qm Schotter beizusteuern und dessen halben Verarbeitungskosten zu tragen“. Der Kläger erkannte ua „den benützten Weg als Privatweg an, sich verpflichtend, die Gattertüren, die der Viehweide wegen angebracht sind, nach jeder Durchfahrt geschlossen zu halten, wozu ihm, bzw dem Bewirtschafter […] der entsprechende Schlüssel ausgehändigt wurde“. Punkt 4. lautet: „Diese Vereinbarung hat für beide Vertragspartner, ihre Angehörigen und Nachfolger aus dem Familienstande, bzw. in der Vereinsleitung und den von dieser bestellten Bewirtschafter Rechtsgültigkeit und ist bei event. Änderungen der gegenwärtigen Verhältnisse im Besitzstande derselben oder eines der beiden Vertragsschliessenden zu erneuern.“ Punkt 5. sieht vor: „Der vorliegende Vertrag kann von jedem der beiden Vertragspartner mit Begründung gekündigt werden.“
Für den Vater der Zweitbeklagten war es wichtig, dass der Vertrag eine Kündigungsmöglichkeit vorsah. Eine taugliche Begründung für eine Kündigung wäre für ihn irgendwas gewesen, „wenn etwas mit dem Weg gewesen wäre“. Für die klagende Partei war wichtig, mit diesem Vertrag Rechtssicherheit herzustellen und der Verjährung vorzubeugen.
Die Bindung des Klägers und der Beklagten an diesen Vertrag ist in dritter Instanz unstrittig.
Strittig ist hingegen, ob die Beklagten den Wegevertrag im November 2012/April 2013 wirksam zum 30. November 2013 aufkündigten.
Der Kläger verneint dies im Wesentlichen mit der Begründung, er habe keine (ausreichend gewichtigen) Gründe für eine vorzeitige Auflösung zu vertreten, die den Beklagten die Fortsetzung des als Dienstbarkeit zu qualifizierenden Vertragsverhältnis unzumutbar machen würden, die Beklagten hätten keine Verwarnung ausgesprochen und keine Nachfrist gesetzt. Deshalb begehrt er nach zahlreichen Modifikationen im Hauptbegehren die Feststellung des aufrechten Bestands des Fahr- und Wegerechts laut Wegevertrag und die Verpflichtung der Beklagten, näher beschriebene Störungshandlungen zu unterlassen. Eventualiter begehrt er die Verpflichtung der Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens am Zufahrtsweg und die Verpflichtung, näher beschriebene Fahrten zu dulden.
Die Beklagten bestritten und machten ua geltend, eine Dienstbarkeit sei weder vereinbart noch ersessen worden; im Wegevertrag sei nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofs im Notwegeverfahren ein jederzeit kündbares, nur dem Bewirtschafter zustehendes obligatorisches Fahrrecht eingeräumt worden. Für dessen Kündigung sei nach dem Wortlaut keine besondere Begründung im Sinn einer außerordentlichen Kündigung erforderlich. Die Beklagten beriefen sich auf zahlreiche, zum Teil vor Ende November 2012 und zum Teil danach einzuordnende Kündigungsgründe, ua das näher beschriebene vertragswidrige Verhalten des seit Juni 2012 neuen Pächters der Schutzhütte. Dieses würde eine Kündigung des Wegevertrags rechtfertigen.
Das Erstgericht wies die Klage schon im ersten Rechtsgang ab.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sei zwar kein dingliches, sondern bloß ein obligatorisches Fahrrecht eingeräumt worden. Punkt 5. des Wegevertrags regle keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit, vielmehr sei aus der Formulierung der Vertragsurkunde klar ersichtlich, dass eine wichtige und bestimmte Begründung vorliegen müsse. Die Feststellungen des Erstgerichts seien daher dahin zu ergänzen, dass hervorgehe, ob der Kläger bzw der diesem zuzurechnende Pächter Verhaltensweisen setzten, die den Beklagten als ein außerordentlicher im Sinn von wichtiger Grund für die Kündigung des Wegevertrags dienen konnten oder nicht.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht sämtliche Klagebegehren neuerlich ab.
Es traf zusammengefasst folgende, in dritter Instanz relevante Feststellungen:
Mit Kaufvertrag (ebenfalls) vom 1. Juli 1966 verkauften die Rechtsvorgänger der Beklagten an den Kläger ein Grundstück im Ausmaß von ca 190 m² unmittelbar bei der Schutzhütte wegen eines bevorstehenden Umbaus. Auch um die Jahrtausendwende gab es einen großen Um- bzw Zubau bei der Schutzhütte mit ua Unterkellerung, Errichtung eines Seminarraums und einer Kläranlage. In diesem Zusammenhang verkauften die Beklagten dem Kläger am 3. Mai 2000 ein weiteres Teilstück ihres Grundes.
Im Zusammenhang mit den Pächterwechseln und dem zu übergebenden Inventar fuhren auch Funktionäre des Klägers zur Schutzhütte, so der jeweils zuständige Hüttenreferent, wenn er dies zB für Wartungen oder sonstige Angelegenheiten erforderlich hielt, und auch der Geschäftsführer immer wieder einmal; zu Beginn dessen Tätigkeit (2006) holte er sich dafür den Schlüssel vom Erstbeklagten, später (wann ist nicht feststellbar) verfügte der Kläger über einen eigenen Schlüssel.
Für die Zeit ab 1. Juni 2012 schloss der Kläger mit dem Pächter E***** einen Pachtvertrag, der bis 31. Dezember 2015 aufrecht blieb. Darin wurde der Pächter darauf hingewiesen, dass die Verkehrsanbindung der Schutzhütte über eine Privatstraße erfolgt und „dass die Zufahrt für den Pächter und den Lieferanten erlaubt wird. Ausdrücklich verpflichtet sich allerdings der Pächter keinen Personentransport über die Straße durchzuführen“. Sollte ein solcher ausnahmsweise erforderlich sein, bedürfe er der Zustimmung der Beklagten. „In jedem Fall verpflichtet sich der Pächter nach Benützung der Privatstraße die Weidegatter ordnungsgemäß zu verschließen, […].“ Der Pächter verpflichtete sich auch, den Zufahrtsweg „nur mit einem niedrigen, dem Weidegebiet angepassten Fahrtempo von maximal 10 km/h zu befahren […].“
Schon im Zuge der ersten Fahrten des Pächters im Zusammenhang mit seinem Umzug auf die Schutzhütte beschwerte sich der Erstbeklagte bei ihm, dass die Gatter (zwar zu, aber) nicht versperrt gewesen seien. Im Zusammenhang mit Fahrten von Lieferanten war es so, dass der Pächter hinunter fuhr und den Lieferanten die Gatter öffnete, zum Teil jedoch so, dass er diese offen ließ oder den Schlüssel für die Lieferanten unten zurückließ, sodass sie selbst aufsperren konnten. Vereinzelt fuhren Bekannte des Pächters ohne Rücksprache mit den Beklagten zur Schutzhütte, er hatte auch mehrmals Besuch von polnischen Freunden, die ebenfalls den Weg zur Schutzhütte befuhren. Der Pächter fuhr zumindest zum Teil schneller als die laut dem Pachtvertrag vereinbarten 10 km/h durch die Weidegebiete der Beklagten; die Gatter verschloss er nicht immer. Der Pächter bot auch einen Shuttleservice an, den er über das Internet bewarb. Transportiert wurden damit ältere und behinderte Leute. Wie oft er solche Fahrten durchführte, war nicht feststellbar; ebensowenig, ob auch sonstige Gäste damit zur Hütte gebracht wurden. Eine Absprache mit den Beklagten lag dazu nicht vor. Es ist nicht exakt feststellbar, wann, wie lange und wie oft der Erstbeklagte Forstsperren verhängte, fest steht aber, dass der Pächter diese ignorierte, weil er der Meinung war, dass sie ihn nichts angehen würden.
Am 15. November 2012 trafen der Erstbeklagte und der Pächter aufeinander, der darüber informierte, dass am nächsten Tag die Bierlieferung für die Hütte komme. Der Erstbeklagte, dem dies nicht passte, führte am nächsten Tag „extra“ Waldarbeiten im Bereich des Weges durch, fällte einen Baum, der quer über dem Weg zu liegen kam und machte keine Anstalten, sich mit dem Wegräumen des Baums zu beeilen, sodass es letzten Endes zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Pächter und dem Erstbeklagten kam.
Der Grund, warum es die Beklagten so sehr störte, wenn Gatter nicht geschlossen waren, lag darin, dass die dort weidenden Tiere wegliefen und sie diese mühsam wieder suchen mussten.
Über die zahlreichen Beschwerden der Beklagten betreffend die vielen Fahrten des Pächters zur Hütte, die offen gelassenen Gatter (die dazu führten, dass die Tiere davon liefen) und die zu schnellen Fahrten durch die Weiden hatten mehrere Funktionäre des Klägers Kenntnis.
Die Auseinandersetzung wegen des gefällten Baums brachte aus Sicht der Beklagten das Fass endgültig zum Überlaufen, sodass sich der Erstbeklagte mit E-Mail vom 16. November 2012 an den Geschäftsführer des Klägers wandte und eine Aussprache mit der Landesleitung forderte. Es kam zu einem Gespräch des Erstbeklagten mit dem Geschäftsführer, dessen Inhalt nicht feststellbar ist. Am 29. November 2012 fand eine Besprechung statt, an der der Erstbeklagte, zwei Funktionäre des Klägers und der Pächter teilnahmen. Dabei wurde über die zwischen den Beklagten und dem Pächter bestehenden Probleme im Zusammenhang mit den Fahrten zur Hütte, den nicht verschlossenen Gattern und dem infolge offen gelassener Gatter bereits mehrmals entlaufenem Vieh gesprochen, über eine allfällige Kündigung des Wegevertrags jedoch nicht. Es kann nicht festgestellt werden, dass es bei diesem Gespräch „zu einer zielführenden Einigung über die weitere Vorgehensweise“ kam.
Da der Erstbeklagte mit dem Ergebnis des Gesprächs nicht glücklich war, veranlasste er seinen Rechtsanwalt, die bereits vorher vorbereitete Kündigung, die das Datum 27. November 2012 trug, zu verschicken. Damit wurde die Kündigung des Wegevertrags sowie eines Pachtvertrags über einen Parkplatz jeweils zum 30. November 2013 ausgesprochen. Als Grund nannten die Beklagten das inakzeptable Verhalten des Pächters, die Inanspruchnahme von Grundstücken der Beklagten durch diesen, dessen Drohungen und Belästigungen und die Untätigkeit des Klägers gegenüber dem Pächter.
In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht eine vereinbarte oder ersessene Servitut und hielt es aufgrund der Probleme mit einem früheren und dem aktuellen Pächter sowie der (gemeint: ungenügenden) Reaktion des Klägers auf ihre Beschwerden für die Beklagten nicht zumutbar, weiterhin an den Wegevertrag gebunden zu sein.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung des Klägers das Ersturteil zur Abweisung des Unterlassungsbegehrens im Umfang einer Wortfolge (unbekämpft) als nichtig auf, erklärte das darauf entfallende erstinstanzliche Verfahren als nichtig und wies die Klage diesbezüglich zurück. Im Übrigen gab es der Berufung des Klägers nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu.
Die Behauptung in der Berufung, das Kündigungsschreiben vom 27. November 2012 habe sich nur auf den Parkplatz bezogen, stelle eine unzulässige Neuerung dar, die auch mit dem Inhalt des Schreibens im Widerspruch stehe. Eine Zurücknahme der Aufkündigung durch die Beklagten sei nicht erfolgt.
Im Übrigen blieb es bei seiner Rechtsansicht, für die Kündigung des Wegevertrags bedürfe es eines außerordentlichen – im Sinn eines wichtigen – Kündigungsgrundes. Das festgestellte Verhalten des letzten Pächters in seiner Gesamtheit reiche jedenfalls aus, den bestehenden Wegevertrag aus wichtigem Grund aufzulösen, zumal er unberechtigterweise Dritte habe fahren lassen. Er habe auch nicht nur einmalig, sondern häufig Gatter offen gelassen. Gerade dem Nichtverschließen bzw Offenlassen der Gatter komme besondere Bedeutung zu, weil zum einen das Verschließen ausdrücklich zwischen den Streitteilen vereinbart gewesen sei und zum anderen der Verstoß dazu geführt habe, dass die Tiere der Beklagten davonliefen und dann – wie in der Vergangenheit – mühsam erst wieder eingesammelt werden mussten. Damit im Zusammenhang stehe auch das zu schnelle Befahren des Weges durch den Pächter. Wegen der generellen Untersagung von Personentransporten sei schon das Anbieten eines Shuttledienstes ohne Zustimmung der Beklagten als unzulässig anzusehen. Eine derartige Kumulation mehrerer Verletzungen von nicht unerheblichen Vertragspflichten rechtfertige jedenfalls die Vertragsauflösung.
Der Kläger hätte allein schon aufgrund der Beschwerden über das Verhalten des Pächters von sich aus tätig werden müssen und nicht zuwarten dürfen. Einer gar schriftlichen Vorwarnung durch die Beklagten unter Androhung der Kündigung habe es nicht bedurft.
Die Revision sei zuzulassen, weil zur Frage, ob auch im Fall eines Wegevertrags, der eine Kündigungsmöglichkeit „mit Begründung“ vorsehe, im Hinblick auf die Entscheidung 5 Ob 221/16k die festgestellten Kündigungsgründe unter dem Gesichtspunkt des „äußersten Notventils“ geprüft werden müssten sowie inwieweit die Berufung auf eine Zurücknahme einer außergerichtlichen Kündigung eines Wegevertrags im zweiten Rechtsgang, wenn im Rechtsmittel im ersten Rechtsgang nur das Fehlen von Feststellungen zu den Kündigungsgründen moniert worden sei, noch möglich sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Mit seiner Revision strebt der Kläger die Abänderung in eine Klagestattgebung an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Er geht zusammengefasst von einer vereinbarten Wegeservitut aus, für deren außerordentliche Auflösung die – überdies unzureichend – festgestellten Gründe nicht ausreichen würden. Auch die geforderte Interessenabwägung sei zu Unrecht zu Lasten des Klägers vorgenommen worden. Weiters wird eine wirksame Zurücknahme der Kündigung geltend gemacht und eine Verletzung des Überraschungsverbots durch das Berufungsgericht behauptet.
In ihrer Revisionsbeantwortung bestreiten die Beklagten die Zulässigkeit der Revision und auch ihre inhaltliche Berechtigung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Unbeachtliches Revisionsvorbringen:
1.1. Das Berufungsgericht hob das im ersten Rechtsgang gefällte Urteil des Erstgerichts wegen Feststellungsmängeln auf, deren Behebung nach Auffassung des Berufungsgerichts erforderlich war, um beurteilen zu können, ob die Kündigung wegen Verwirklichung eines „außerordentlichen“ Kündigungsgrundes berechtigt war.
1.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – auch bei der Aufhebung wegen des Vorliegens von Feststellungs- bzw Erörterungsmängeln nur zu einem ganz bestimmten Teil des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils das Verfahren im zweiten Rechtsgang auf diesen von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil zu beschränken (RIS-Justiz RS0042031 [T4]; 10 ObS 55/13f = RS0042031 [T18]; RS0042411; vgl auch Obermaier in Höllwerth/Ziehensack, ZPO-TaKom § 496 ZPO Rz 24). Das gilt auch bei Aufhebung des gesamten Urteils wegen Vorliegens von Feststellungsmängeln (nur) zu einem bestimmten Thema (vgl 5 Ob 145/18m; RS0042411 [T10]). Schon aus diesem Grund ist auf die erstmals im zweiten Rechtsgang vorgebrachte angebliche „Rücknahme“ der Aufkündigung nicht einzugehen.
1.3. Das gilt auch für die nun behauptete „Verzeihung“ des Kündigungsgrundes (gemeint erkennbar im Sinne eines schlüssigen Kündigungsverzichts) und das erstmals in der Berufung erstattete Vorbringen, die mit Schreiben vom 27. November 2012 ausgesprochene Kündigung habe sich nur auf den Pachtvertrag über den Parkplatz bezogen, wobei diese erstmals im Rechtsmittelverfahren aufgestellten Behauptungen überdies gegen das Neuerungsverbot verstoßen.
2. Zur rechtlichen Qualifikation des eingeräumten Wegerechts:
2.1. Rechtsprechung und Lehre anerkennen die Gültigkeit von Vereinbarungen, mit denen Berechtigungen, die ihrem Inhalt nach sonst den Gegenstand von Dienstbarkeitsbestellungsverträgen an Liegenschaften bilden, mit bloß obligatorischer Wirkung eingeräumt werden (RS0011659). Ob die Parteien ein obligatorisches Recht oder die Einräumung einer Dienstbarkeit beabsichtigten, richtet sich nach dem Parteiwillen (5 Ob 48/19y). Welcher Art das Nutzungsrecht ist, ist daher eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels (vgl RS0011840 [T8]).
2.2. Der Wegevertrag sieht im Punkt 4. vor, dass er bei „Änderungen der gegenwärtigen Verhältnisse im Besitzstande derselben oder eines der beiden Vertragsschliessenden“, also im Fall der Rechtsnachfolge im Eigentum auch der Liegenschaft, über die der Weg verläuft, zu erneuern ist. Damit ist evident, dass es nicht die Absicht der vertragsschließenden Parteien war, ein dingliches, „gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht“ (§ 472 ABGB) zu begründen, weshalb die Auslegung der Vorinstanzen, es sei nur ein obligatorisches Fahrrecht vereinbart worden, zutreffend ist. Abgesehen davon sieht der Wegevertrag eine Verbücherung auch nicht vor.
Ein – wie hier – bloß obligatorisches Recht, das nach dem Willen der Parteien nicht verbüchert werden soll, kann aber einer nicht verbücherten Dienstbarkeit nicht gleichgesetzt werden (RS0097944).
3. Zur vereinbarten Kündigungsmöglichkeit:
3.1. Die im Wegevertrag vorgesehene Kündigungsmöglichkeit ist mit dem Erfordernis einer nicht näher konkretisierten Begründung verknüpft. Diese vertragliche Regelung ist zunächst dahin zu verstehen, dass (zumindestens) ein Kündigungsgrund, sei es im Rahmen der Auflösungserklärung oder sei es im Nachhinein, zu nennen ist, der im maßgebenden Zeitpunkt des Zugangs vorgelegen sein muss (vgl 8 Ob 4/17x = RS0029327 [T1]). Denn vernünftigen Parteien kann nicht unterstellt werden, dass sie bei einer formal ordnungsgemäßen Kündigung eine Prüfung der darin angeführten Gründe ausschließen wollten und so eine bloß formal unangreifbare Begründung ohne Rücksicht auf ihre sachliche Rechtfertigung zur Wirksamkeit einer Kündigung führen soll (vgl 4 Ob 119/09t).
3.2. Zur Beschaffenheit des eine Kündigung rechtfertigenden Grundes sagt der Wegevertrag nichts aus. Der Senat vermag sich aber der Auslegung des Berufungsgerichts, aus der Formulierung der Vertragsurkunde sei klar ersichtlich, dass es für die Kündigung eines „außerordentlichen“, also wichtigen Kündigungsgrundes bedürfe, nicht anzuschließen.
Auch wenn man eine Erstellung des Wegevertrags durch juristische Laien unterstellt, besteht kein Grund zur Annahme, diese wären nicht in der Lage, ihre übereinstimmende Absicht, eine Kündigung nur bei schwerwiegenden oder besonderen Gründen zuzulassen, entsprechend zu formulieren. Gerade der feststehende Wunsch des Klägers nach Rechtssicherheit ließe sein Bestreben erwarten, eine Kündigungsmöglichkeit nur in Ausnahmefällen vorzusehen. Da dies (dennoch) keinen Eingang in den Wortlaut des Vertrags fand, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die vertragsschließenden Parteien eine solche Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit eben nicht beabsichtigten, die auch nicht im Interesse des Vaters der Zweitbeklagten gelegen sein konnte.
3.3. Da im Zweifel jener Vertragsauslegung der Vorzug zu geben ist, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmung ermöglicht (RS0017787), scheidet eine Auslegung (wie sie die Beklagten vertreten), es genüge irgendein Grund zur Rechtfertigung einer Kündigung, ebenfalls aus. Vielmehr ist davon auszugehen, dass redliche Vertragsparteien auf das Vorliegen eines sachlichen, objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung nicht verpönten Grundes abstellen, der nicht so schwer wiegen muss, dass auch eine Auflösung mit sofortiger Wirkung berechtigt wäre (vgl 4 Ob 119/09t).
4. Das Fehlverhalten des letzten Pächters, das sich der Kläger zurechnen lassen muss, ist ein sachlicher Grund, der die Kündigung rechtfertigt.
4.1. Den Feststellungen des Erstgerichts ist mit hinreichender Deutlichkeit zusammengefasst ua zu entnehmen, dass dieser Pächter mehrmals das Entlaufen des Weideviehs der Beklagten zu verantworten hatte, weil er am Weg befindliche Gatter geöffnet ließ. Die von der Revision ua dazu gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.
Das Offenlassen der Gatter widerspricht aber sowohl der im Pachtvertrag (ausdrücklich) als auch im Wegevertrag (durch Bezugnahme auf einen Schlüssel) enthaltenen unbedingten Verpflichtung zum Versperren der Gatter. Es steht weiters fest, dass Funktionäre des Klägers davon schon vor der Kündigung Ende November 2012 durch zahlreiche Beschwerden der Beklagten Kenntnis hatten.
4.2. Nach dem Wortlaut des Wegevertrags verpflichtete sich der Kläger selbst, die Gattertüren geschlossen zu halten. Den vertragsschließenden Parteien musste allerdings klar gewesen sein, dass Funktionäre/Beauftragte des Klägers nicht bei jeder Fahrt des Bewirtschafters der Schutzhütte anwesend sein werden und daher nicht stets unmittelbar selbst für das Verschließen der Gatter sorgen können.
Daher muss diese Regelung auch mit Rücksicht darauf, dass die Einräumung des Fahrrechts ausschließlich den Interessen des Klägers diente und eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Beklagten/ihrem Rechtsvorgänger und dem jeweiligen Bewirtschafter nicht bestand, dahin verstanden werden, dass der Kläger damit die Verantwortung für die Einhaltung der genannten Verpflichtung durch den jeweiligen, ohnehin von ihm ausgewählten Bewirtschafter gegenüber seinem Vertragspartner aus dem Wegevertrag übernahm. Der Kläger hat also gegenüber den Beklagten für Fehlverhalten seiner Bewirtschafter (= Pächter) wie für eigenes einzustehen.
4.3. Schon die mehrfachen Verstöße gegen eine Vertragspflicht, die berücksichtigungswürdige Interessen der Beklagten (ungestörte Weideviehhaltung) wahren soll und die ihnen unnötigen (Such-)Aufwand verursachte, stellen hier einen sachlichen, objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung keineswegs verpönten Grund für die Kündigung des Wegevertrags dar. Auf weitere festgestellte Vertragsverletzungen kommt es daher nicht mehr an. Nach dem Inhalt des Wegevertrags ist auch weder die Vornahme einer Interessenabwägung noch eine der Kündigung vorausgehende Abmahnung oder Nachfristsetzung geboten.
Somit ist von einer gerechtfertigten und wirksamen Kündigung des Wegevertrags zum 30. November 2013 durch die Beklagten auszugehen. Ob mit diesem Termin eine angemessene Kündigungsfrist gewahrt wurde, bedarf schon deshalb keiner Prüfung, weil ein entsprechender Einwand des Klägers unterblieb.
5. Die (verbliebene) Klageabweisung durch die Vorinstanzen erweist sich daher als berechtigt, weshalb der Revision des Klägers nicht Folge zu geben war.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E128756European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00028.20V.0603.000Im RIS seit
06.08.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020