TE OGH 2020/6/24 1Ob91/20v

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers W*****, vertreten durch Mag. Claudia Fessler, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin G*****, p.A. *****, vertreten durch Dr. Andreas Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. März 2020, GZ 43 R 106/20m-145, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 31. Jänner 2020, GZ 60 Fam 20/19y-137, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Vermögensaufteilung, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht wird. Auf diese Präklusivfrist sind die allgemeinen Verjährungsbestimmungen und daher auch § 1497 ABGB analog anzuwenden (RIS-Justiz RS0034613 [T1, T2]). Die Unterbrechungswirkung eines rechtzeitigen Aufteilungs-antrags setzt demnach eine „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens voraus (RS0034613 [T4]).

2. Bei der Beurteilung, ob eine solche gehörige Fortsetzung vorliegt, ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch auf die Gründe Bedacht zu nehmen (RS0034849), die – um eine Säumnis zu rechtfertigen im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein müssen (RS0034867). Bloß in der Sphäre des Anspruchswerbers gelegene Umstände kommen als Rechtfertigungsgründe nicht in Betracht (RS0034867 [insbesondere T9]). Beruft sich der Verfahrensgegner wie hier auf eine Präklusion wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens, muss der Antragsteller beachtliche Gründe für seine Untätigkeit behaupten und erforderlichenfalls beweisen (RS0034704; RS0034805). Spricht das Gericht wie hier das Erstgericht aus, dass eine Verfahrensfortsetzung nur über Antrag einer Partei erfolgt, wird ein wesentlich kürzerer Zeitraum der Untätigkeit zuzubilligen sein, als in jenen Fällen, in denen beim (zu einer amtswegigen Prozesshandlung verpflichteten) säumigen Gericht bloß die Vornahme dieser ausstehenden Prozesshandlung zu betreiben wäre (vgl RS0034691). Bei einer hier gemäß § 7 Abs 1 IO erfolgten (vgl RS0057570) Verfahrensunterbrechung wird eine

gehörige Verfahrensfortsetzung nur dann angenommen, wenn nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes „unverzüglich“ die Fortsetzung des Verfahrens beantragt wird (vgl RS0034612). Schon ein verhältnismäßig kurzer zeitlicher Abstand zwischen Wegfall des Unterbrechungsgrundes und dem Fortsetzungsantrag rechtfertigt die Beurteilung, dass das Verfahren nicht

gehörig fortgesetzt wurde (RS0034765 [T21]). Ob das Zuwarten mit einer Prozesshandlung (hier mit einem Fortsetzungsantrag) eine gehörige Verfahrensfortsetzung ausschließt, hängt stets vom Einzelfall ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0034710 [T19]; RS0034765 [T1, T10, T18, T29]; RS0034805 [T28, T30]).

3. Der Revisionsrekurs, der kein einziges Zitat höchstgerichtlicher Rechtsprechung nennt, von der die angefochtene Entscheidung abgewichen sein soll, lässt nicht erkennen, inwieweit das Rekursgericht mit seiner Rechtsansicht, dass die rund eineinhalbjährige Untätigkeit des Antragstellers nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes einer gehörigen Verfahrensfortsetzung im Sinn des § 1497 ABGB im Weg stehe, den dargestellten Beurteilungsrahmen in korrekturbedürftiger Weise überschritten hätte. Dem Einwand der nicht gehörigen Verfahrensfortsetzung begegnete der insoweit behauptungs- und beweispflichtige Antragsteller in erster Instanz primär mit der Behauptung, die Parteien hätten ein Zuwarten mit der Verfahrensfortsetzung bis zur rechtskräftigen Beendigung eines zwischen ihnen anhängigen Unterhaltsverfahrens vereinbart gehabt. Ein solches Einvernehmen (vgl zu dieser Voraussetzung RS0034542) konnte aber wie der Revisionsrekurswerber selbst
zugesteht nicht festgestellt werden. Wenn der Antragsteller sein Zuwarten mit dem Fortsetzungsantrag auch in dritter Instanz damit rechtfertigen möchte, dass es ihm „sinnvoll“ erschienen sei, den rechtskräftigen Ausgang dieses Unterhaltsverfahrens abzuwarten und er sich daher auf dieses „fokussiert“ habe, wird damit kein triftiger und mangels Einvernehmens der Parteien im Verhältnis zwischen diesen gelegener „Rechtfertigungsgrund“ behauptet (in erster Instanz konnte gar kein Grund für die späte Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens festgestellt werden). Dass dem für die Parteien „wichtigeren“ Unterhaltsverfahren ein „Vorrang“ vor dem Aufteilungsverfahren zugekommen wäre, ist ebensowenig nachvollziehbar, wie das Argument, die lange Untätigkeit im Aufteilungsverfahren sei deshalb gerechtfertigt gewesen, weil das Unterhaltsverfahren „hochstrittig“ gewesen wäre. Dass im Aufteilungsverfahren im Gegensatz zum Unterhaltsverfahren ein Vergleich „immer realistisch“ gewesen sei und dazu auch Gespräche und Korrespondenz geführt worden seien, findet keine Deckung im Sachverhalt.

4. Soweit der Antragsteller meint, dass sich der triftige Grund für das Zuwarten mit dem Fortsetzungsantrag daraus ergebe, dass von ihm im Unterhaltsverfahren eingewandte Gegenforderungen auch im Aufteilungsverfahren „zu berücksichtigen seien“, zeigt er auch damit keine Korrekturbedürftigkeit der Rekursentscheidung auf. Er behauptet(e) nämlich weder in erster Instanz noch in seinem Revisionsrekurs, dass die Entscheidung im Unterhaltsverfahren über die dort eingewandten Gegenforderungen für das Aufteilungsverfahren in irgendeiner Weise präjudiziell wäre, noch legt er konkret dar, warum diese Entscheidung sonst Auswirkung auf das Aufteilungsverfahren haben sollte. Worin die behauptete „Überschneidung der Anspruchsgrundlagen beider Verfahren“ bestehen soll, inwieweit die im Unterhaltsverfahren eingewandten Gegenforderungen (zu deren Anspruchsgrundlage der Antragsteller weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren konkrete Behauptungen aufstellt) „als eheliche Ersparnis zu berücksichtigen seien“ und warum „im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch über die Einwendungen der Antragsgegnerin, welche die Gegenforderungen betreffen, entschieden werden hätte müssen“, bleibt unerfindlich und lässt einen beachtlichen Grund für die rund eineinhalbjährige Untätigkeit des Antragstellers im Aufteilungsverfahren nicht erkennen.

Textnummer

E128754

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00091.20V.0624.000

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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