Entscheidungsdatum
30.04.2019Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
FPG §31 Abs1 Z1 idF BGBl. I Nr. 145/2017Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Freistätter, MBA, über die Beschwerde der Frau A. B., geb. am ...1975, StA.: Nigeria, vertreten durch RA, vom 13.8.2018, gegen das Straferkenntnis der LPD Wien, Abteilung Fremdenpolizei u. Anhaltevollzug, AFA Referat 2 - Fremdenpolizei, vom 17.7.2018, Zl. VStV/..., wegen Übertretung des FPG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.10.2018
zu Recht e r k a n n t und verkündet:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die übertretenen Rechtsvorschriften lauten: “§ 31 Abs. 1 Z 1. 2., 3., 4., 5. und 7. in Verbindung mit Abs. 1a in Verbindung mit § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017.“
Die verletzte Strafsanktionsnorm ist § 120 Abs. 1a erster Strafsatz FPG.
II. Die Beschwerdeführerin hat daher gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 100,00 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Das gegenständliche Straferkenntnis richtet sich gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte und hat folgenden Spruch:
„Sie haben sich als Fremde (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) am 24.04.2018 um 21:30 Uhr in Wien, C.-gasse nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da für den rechtmäßigen Aufenthalt eine rechtmäßige Einreise Voraussetzung ist und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten werden dürfte, indem Sie in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen obwohl Sie über keinen entsprechenden österreichischen Aufenthaltstitel verfügen.“
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 1 und 1a in Verbindung mit § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung eine Geldstrafe in Höhe von Euro 500,00 (im Nichteinbringungsfall vier Tage und vier Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Kosten für das Verfahren vor der belangten Behörde wurden auferlegt.
II. Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht, vom Vertreter erhobene Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wird, dass es sich bei der Ehe mit dem mittlerweile verstorbenen D. E. um keine Aufenthaltsehe gehandelt habe. Sie habe ihn auch noch vor seinem Tod von Zeit zu Zeit gesehen. Seine gegenteiligen Angaben vor der LPD Wien wären hauptsächlich dadurch zu erklären, dass seine damalige Freundin bei der Vernehmung anwesend gewesen wäre. Darüber hinaus wäre er von der Polizei zu Unrecht der Übertretung nach § 117 Abs. 2 FPG beschuldigt worden und hätte ihn dies in Furch und Unruhe versetzt. Da die Polizei wusste, dass wegen der Eheschließung in Frankreich und auch aus Gründen der Verjährung kein in Österreich strafbares Delikt vorliege, sie von einem Beweisverwertungsverbot im Sinne § 166 Abs. 1 Z2 StPO auszugehen.
Die Beschwerdeführerin wäre nach den Bestimmungen der RL 2004/38/EG (dauer)aufenthaltsberechtigt und andererseits auch nach Art. 20 AEUV, da ihr Kind die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre dem Kind der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihm sein Unionsbürgerstatus verleihe, verwehrt.
Sie habe sich somit am 24.4.2018 legal in Österreich aufgehalten und ersuche – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – um Einstellung des Strafverfahrens.
III. Zur weiteren Klärung des Sachverhaltes fand vor dem Verwaltungsgericht Wien am 25.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die Beschwerdeführerin und ihr Vertreter geladen wurden. Die belangte Behörde verzichtete auf die Durchführung und die Teilnahme an einer Verhandlung. Trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung erschienen weder die Beschwerdeführerin, noch ihr Vertreter – dies jeweils ohne Angabe von Gründen – nicht zur Verhandlung, weshalb diese in Abwesenheit der Parteien durchgeführt wurde.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den gesamten verlesenen Akteninhalt. Nach Schluss des Beweisverfahrens wurde die Entscheidung samt wesentlicher Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung verkündet. Im Anschluss wurde das Verhandlungsprotokoll an die involvierten Parteien übermittelt. Mit Schreiben vom 8.11.2018 stellte der Vertreter der Beschwerdeführerin den Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
IV.1. Rechtsvorschriften:
Die zur Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes maßgeblichen Rechtsvorschriften des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 sind:
Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.
wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.
wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3.
wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4.
solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5.
bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
(Anm.: Z 6 aufgehoben durch Art. 2 Z 47, BGBl. I Nr. 145/2017)
7.
soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie
1.
auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,
2.
auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,
3.
geduldet sind (§ 46a) oder
4.
eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.
(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, BGBl. I Nr. 145/2017)
(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.
Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt
§ 120. (1) …
(1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von 500 Euro geahndet werden.
…
IV.2. Sachverhalt:
Aufgrund des durchgeführten umfassenden Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Die Beschwerdeführerin wurde am ...1975 geboren und ist nigerianische Staatsangehörige.
Sie war seit 30.1.2008 mit dem nunmehr verstorbenen österreichischen Staatsbürger F. E. verheiratet.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 54 NAG wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. August 2015, Zahl MA35-..., auf Grund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe, zurückgewiesen. Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. März 2016, Zl. VGW-151/016/11360/2015, als unbegründet abgewiesen. Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20. Juli 2016, Zl. Ra 2016/22/0058, zurückgewiesen, wobei begründend ausgeführt wurde, dass das Verwaltungsgericht Wien zutreffend davon ausgegangen sei, dass der Tatbestand der Aufenthaltsehe erfüllt ist.
Ein am 17.11.2016 gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ wurde im Instanzenzug vom Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 29.11.2017, Zl. VGW-151/081/11756/2017 rechtskräftig abgewiesen. Dabei wurde festgestellt:
„Der Sohn der Beschwerdeführerin, G. B., erwarb auf Grund des Umstandes, dass dieser während der aufrechten Ehe mit Herrn D. E. geboren wurde, die österreichische Staatsbürgerschaft. Es steht jedoch auf Grund der übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten im Verwaltungsverfahren bzw. im vorangegangen verwaltungsgerichtlichen Verfahren fest, dass der am … 2014 geborene minderjährige G. B. nicht von Herrn D. E. abstammt. Nach den im Zuge ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 31. März 2016 im Beschwerdeverfahren zur Zahl VGW-151/016/11360/2015 getätigten Angaben handelt es sich bei dem biologischen Vater des minderjährigen G. B. um einen nigerianischen Staatsangehörigen.“
Die Beschwerdeführerin verfügt über einen französischen, nicht jedoch über einen österreichischen Aufenthaltstitel. Sie reiste zuletzt im Jahr 2009 nach Österreich und hält sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend hier auf. Sie ist seit 3.8.2009 bei verschiedenen Arbeitgebern erwerbstätig. Die letzte (sozialversicherungsrechtlich angemeldete) Beschäftigung war von 4.7.2016 bis 23.1.2018 bei der Firma H.. Bei Überprüfung war sie selbständig erwerbstätige Besitzerin des Lokales „I.“ in Wien, C.-gasse und war dort auch tätig. Die Beschwerdeführerin betreibt dieses Lokal bereits seit 2009, eine entsprechende Gewerbeberechtigung ist nicht aktenkundig.
Sie ist seit 9.10.2009 in Österreich behördlich gemeldet. Seit dem 17.3.2016 weist sie an der Anschrift Wien, J.-gasse, gemeinsam mit ihrem Sohn einen Hauptwohnsitz auf.
Nach der Aktenlage verfügt die Beschwerdeführerin über Sprachkenntnisse auf Niveau A2.
Der Sohn der Beschwerdeführerin lebt in Österreich, er besitzt – wie oben dargelegt – aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof rechtskräftig festgestellten Aufenthaltsehe mit Herrn E. die österreichische Staatsbürgerschaft. Vater des Sohnes ist ein nigerianischer Staatsangehöriger. Sonstige familiäre Bindungen sind nicht hervorgekommen und wurden auch nicht behauptet. Soziale Bindungen sind anzunehmen, wenn auch nicht behauptet.
Zum Tatzeitpunkt verfügte die Beschwerdeführerin wie dargelegt über keinen österreichischen Aufenthaltstitel.
Sie ist verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten, einschlägige Übertretungen liegen nicht vor. Strafrechtlich scheinen im Bundesgebiet keine Verurteilungen auf.
Beweiswürdigung:
Die getätigten Feststellungen gründen sich auf den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere auf die rechtskräftigen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien vom 31.3.2016, Zl. VGW-151/016/11360/2016 und vom 29.11.2017, Zl. VGW-151/081/11756/2018, sowie die Anzeige vom 29.4.2018.
Mangels Teilnahme der Beschwerdeführerin an der mündlichen Verhandlung konnten keine gegenteiligen Feststellungen getroffen werden und war es dem Verwaltungsgericht Wien nicht möglich, sich einen persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin zu verschaffen.
IV.3. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerdeführerin war aufgrund ihres französischen Aufenthaltstitels berechtigt, sich für die visumfreie Zeit in Österreich aufzuhalten. Jedoch berechtigte sie dies nicht zur Aufnahme einer Beschäftigung oder zum Betreiben eines Lokals.
Die Beschwerdeführerin ist somit unbestritten zum Tatzeitpunkt, ohne über eine entsprechende Bewilligung zu verfügen, einer Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen und hat damit gemäß § 31 Abs. 1 FPG ihre Bedingungen des Einreisetitels (französische Aufenthaltsbewilligung) überschritten. Sie verfügte auch über keinen anderen der in § 31 FPG genannten Einreise- oder Aufenthaltstitel.
Die Beschwerdeführerin hat sohin zweifelsohne die objektive Tatseite der ihr angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht.
Da das Fremdengesetz über das Verschulden keine Aussage trifft, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (vgl. § 5 Abs. 1 erster Satz VStG). Bei einer Verwaltungsübertretung nach § 31 in Verbindung mit § 120 Abs. 1a FPG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil weder der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr vorausgesetzt, noch über das Verschulden etwas bestimmt wird. Bei solchen Delikten obliegt es gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung entsprechender Beweisanträge.
Danach ist bei Ungehorsamsdelikten das Verschulden des Täters nicht von der Behörde zu beweisen, sondern „ohne weiteres anzunehmen“. Dem Täter steht es jedoch frei, diese Vermutung durch Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit zu widerlegen. Der „Entlastungsbeweis“ ist aber nicht notwendig, wenn die Behörde schon bei Ermittlung des äußeren Tatbestandes schuldausschließende Umstände feststellt (Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Aufl., Anm. 5 zu § 5 VStG).
Ergäbe sich daher, dass eine (hypothetische) Ausweisung der Beschwerdeführerin zum angelasteten Tatzeitpunkt nicht gerechtfertigt wäre, so hätte sich dies im Ergebnis auch auf die Strafbarkeit des inländischen Aufenthaltes auszuwirken. Denn wären auch Fremde, die derart gravierende private und familiäre Bindungen in Österreich haben, dass ihr Interesse an deren Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an einer Ausweisung überwiegt, von der Strafdrohung des § 120 Abs. 1a FPG erfasst, so läge darin ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Wertungswiderspruch. Es müsste daher das Vorliegen eines gesetzlichen Strafausschließungsgrundes nach § 6 VStG angenommen werden, wenn einer Ausweisung des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Weg stünde (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/21/0169).
Zu den im Grunde des Art. 8 EMRK geschützten Interessen im Bundesgebiet zum Tatzeitpunkt ist Folgendes auszuführen:
Die Beschwerdeführerin ehelichte am 30.1.2008 den mittlerweile verstorbenen österreichischen Staatsbürger D. E.. Das Eingehen einer Aufenthaltsehe wurde rechtskräftig vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt. Der am 5.6.2014 geborene Sohn der Beschwerdeführerin ist nicht der leibliche Sohn von Herrn E.. Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt aufrechten „Ehe“ verfügt er über die österreichische Staatsbürgerschaft. Diese Tatsachen lagen bei zweimaliger rechtskräftiger Abweisung der Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen in Österreich bereits vor und haben sich zwischenzeitlich nicht geändert. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nach – rechtskräftiger Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien zu VGW-151/081/11756/2017 – für den Bestand der Rechtsvermutung der Ehelichkeit eines Kindes nach Feststellung einer Aufenthaltsehe kein Raum bleibt und ein während einer Aufenthaltsehe gezeugtes Kind lediglich von seiner Geburt bis zur Rechtskraft des Bescheides, mit welchem das Vorliegen einer Aufenthaltsehe festgestellt wurde, als österreichischer Staatsbürger gemäß StbG gilt.
Vor diesem Hintergrund ist Weiters festzuhalten, dass der minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin auf Grund der Verpflichtung der Ausreise seiner Mutter auch nicht de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.
Der EuGH hat im Urteil vom 15. November 2011, Rechtssache C-256/11, Dereci u.a., unter Hinweis auf das Urteil vom 8. März 2011, Rechtssache C-34/09, Zambrano, ausgesprochen hat, dass Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes. Es betrifft Sachverhalte, in denen - obwohl das das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen betreffende abgeleitete Recht nicht anwendbar ist – einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Staatsbürgers eines Mitgliedstaats ist, ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden darf, da sonst die Unionsbürgerschaft der letztgenannten Person ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Konkretisierend hat der EuGH dargelegt, die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaats aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzen, mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, rechtfertige für sich genommen nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (vgl. VwGH, 23. Februar 2012, Zl.2009/22/0158). Diese Prüfung ist nicht mit der Beurteilung nach Art. 8 EMRK gleichzusetzen (VwGH, 20. März 2012, 2008/18/0483).
Im vorliegenden Fall kann kein Indiz dafür gefunden werden, dass die Ausreise der Beschwerdeführerin nach Frankreich – wo sie über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt- - dem Fortkommen oder Unterhalt des minderjährigen G. B. in irgendeiner Weise beeinträchtigen würde. Der Sohn wäre nicht gezwungen, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen (womit das Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz ins Leere geht). Des Weiteren hat der minderjährige G. B. die Möglichkeit seinen Anspruch auf Kindesunterhalt gegenüber seinem Vater geltend zu machen. Sonstige europarechtliche Vorbringen werden seitens des Verwaltungsgerichtes Wien nicht geteilt. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, warum eine Daueraufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet bestehen sollte.
Beruflich betreibt die Beschwerdeführerin seit Jahren ein Lokal, ohne über die entsprechende Berechtigung zu verfügen. Es kann somit nicht von einer nachhaltigen beruflichen Integration ausgegangen werden. Eine sonstige überwiegende Integration in sprachlicher oder sozialer Hinsicht ist nicht hervorgekommen.
Der Beschwerdeführerin musste nach zweimaliger Abweisung ihrer Anträge auf Aufenthaltsberechtigungen im Bundesgebiet bewusst gewesen sein, dass sie sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhält. Sie konnte somit nicht im Sinn von § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft machen, dass ihr die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschriften ohne ihr Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.
Die subjektive Tatseite der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung ist daher ebenfalls verwirklicht.
Zur Strafbemessung:
Da keine einschlägige Vormerkung betreffend Übertretung des FPG aufscheint, kommt der erste Strafsatz des § 120 Abs. 1a FPG zur Anwendung (Geldstrafe von € 500,-- bis € 2.500; Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen).
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften) ist als hoch zu qualifizieren.
Die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die gegenständliche Tat konnte im Hinblick auf die kontinuierliche Weigerung der Beschwerdeführerin einen rechtskonformen Zustand herzustellen und nachhaltig aus dem Bundesgebiet auszureisen, auch nicht als gering erachtet werden, sondern muss als schwerwiegend eingeschätzt werden.
Auch das Verschulden der Beschwerdeführerin ist als schwerwiegend zu betrachten, zumal der illegale Aufenthalt zum Tatzeitpunkt bereits längere Zeit andauerte und sie entgegen Entscheidungen österreichischer Gerichte einfach in Österreich blieb.
Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt der Beschwerdeführerin nicht mehr zu Gute. Erschwerende Umstände liegen nicht vor.
Mangels Angaben wird von einer durchschnittlichen Einkommenssituation ausgegangen; Vermögen ist nicht aktenkundig. Sorgepflichten liegen für ein Kind vor.
Unter Zugrundelegung der dargelegten Strafbemessungskriterien konnte die von der Behörde in der Höhe der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe verhängte Geldstrafe nicht herabgesetzt werden. Die verhängte Strafe ist im vorliegenden Fall zumindest als tat- und schuldangemessen zu bewerten und erweist sich auch als erforderlich, um der uneinsichtigen Beschwerdeführerin das mit der gegenständlichen Tat verbundene Unrecht vor Augen zu führen und um sie in Hinkunft von der Begehung ähnlicher Verwaltungsübertretungen wirksam abzuhalten.
Die im angefochtenen Straferkenntnis festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe steht in angemessener Relation zur verhängten Geldstrafe (vgl. § 16 VStG).
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Schlusssatz VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 (Ermahnung) sind gegenständlich nicht gegeben. Für die Anwendung dieser Gesetzesstelle ist das kumulative Vorliegen der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Kriterien, nämlich dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind, Voraussetzung (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Mai 2014, Zl. Ro 2014/03/0052). Von geringem Verschulden im Sinne von § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist jedoch nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch aus dem Akteninhalt ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der objektive Unrechtsgehalt der Tat wesentlich hinter dem durch die Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt zurückgeblieben wäre. Dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat als schwerwiegend und somit keinesfalls als gering zu betrachten sind, wurde bereits oben ausgeführt. § 45 Abs. 1 Z 4 VStG und § 45 Abs. 1 Schlusssatz VStG konnten folglich nicht zum Tragen kommen. Ein entsprechendes substantiiertes Vorbringen wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht erstattet.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die genannten gesetzlichen Bestimmungen, die Spruchänderung dient der Konkretisierung.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr war auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im gegenständlichen Verfahren (Eingehen einer Aufenthaltsehe) sowie auf die rechtskräftigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes Wien Bedacht zu nehmen.
Schlagworte
Rechtmäßiger Aufenthalt; InteressensabwägungAnmerkung
VwGH v. 19.9.2019, Ra 2019/21/0184; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.051.031.11698.2018Zuletzt aktualisiert am
05.08.2020