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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GGG 1984 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1. des FR,
2. des TR, und 3. des ET, alle in W, alle vertreten durch Dr. Andreas Grohs, Dr. Wolfgang Hofer und Dr. Andreas Reiner, Rechtsanwälte in Wien I, Freyung 6, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. April 1996, Zl. Jv 6696-33a/95, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 23. Juni 1993 erhob die Republik Österreich beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, protokolliert zu Zahl 21 Cg 230/93k, Klage gegen die drei Beschwerdeführer wegen Zahlung von S 81,708.403,15.
Von den Streitparteien wurde am 17. Oktober 1994, zu Zl. Cg 230/93k ein Vergleich folgenden Inhalts abgeschlossen:
"Präambel:
Die Streitteile beabsichtigen einen Vergleich über die in diesem Verfahren (21 Cg 230/93k) umstrittenen Schadenersatzansprüche abzuschließen. Dieser Vergleich kommt auf Grund des Verlangens der klagenden Partei ausdrücklich nur unter der Bedingung zustande, daß damit alle im Verfahren 23 Cg 177/93f umstrittenen Ansprüche verglichen sind.
V e r g l e i c h
1) Zur Bereinigung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche zwischen den Streitteilen (nicht Nebenintervenient) in den Verfahren 21 Cg 230/93k und 23 Cg 177/93f dieses Gerichtshofes verpflichten sich die Beklagten zur ungeteilten Hand, der klagenden Partei zu Handen der Finanzprokuratur zu überweisen und im Verzugsfall 10 % Zinsen p.a. zu zahlen:
a)
S 3,745.935,76 brutto (einschließlich 20 % USt; Abgeltung der Ansprüche zu 23 Cg 177/93f)
b)
S 3,534.064,23 (Abgeltung der Ansprüche zu 21 Cg 230/93k)
c)
S 220.000,-- (Kostenbeitrag).
2) Hinsichtlich der Vergleichsbeträge wird binnen 4 Wochen ab heute ein Bestätigungsschreiben des Haftpflichtversicherer der Beklagten zu Handen der Finanzprokuratur vorgelegt, wonach bei Rechtswirksamkeit des Vergleiches vom Haftpflichtversicherer ein Teil der Vergleichsbeträge an Dr. Wolfgang Hofer, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Freyung 6, zu treuen Handen entrichtet wird. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Teiles der Vergleichsbeträge übernimmt Rechtsanwalt Dr. Hofer gegenüber der klagenden Partei die Haftung als Garant.
3) Die Parteien verpflichten sich, die Berufungsverhandlung im Verfahren 23 Cg 177/93f nicht zu besuchen, damit Ruhen eintritt.
4) Dieser Vergleich wird wirksam, wenn bis 2.1.1995 keine Widerrufserklärung der klagenden Partei oder einer der beklagten Parteien bei Gericht einlangt."
Ein Widerruf erfolgte nicht.
Mit Zahlungsauftrag vom 13. September 1995 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 20 GGG die halbe Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von der Bemessungsgrundlage von S 81,000.000,-- vorgeschrieben.
In dem von den Beschwerdeführern eingebrachten Berichtigungsantrag wurde ausgeführt, der Kostenbeamte hätte ausgehend von der Annahme, daß der Kostenbeitrag zu den beiden Verfahren 21 Cg 230/93k und 23 Cg 177/93f geleistet worden wäre, den Kostenanspruch der gebührenbefreiten Partei in beiden durch den Vergleich bereinigten Verfahren zu erheben gehabt. Die gesamten Prozeßkosten der gebührenbefreiten Partei hätten sich auf S 925.322,14 belaufen, weshalb die Vorschreibung der halben Pauschalgebühr nicht aus dem Verhältnis Gesamtkosten : Kostenersatz begründbar sei. Die Klägerin sei im Verfahren 21 Cg 230/93k mit lediglich 4,3 % ihres Klagebegehrens durchgedrungen. Der Klägerin sei daher keinesfalls ein Anspruch auf Ersatz ihrer Prozeßkosten zugestanden. Im Verfahren 23 Cg 177/93f hätten sich die Beklagten verpflichtet, den gesamten Klagsbetrag von S 3,745.935,76 zu bezahlen. Der Kostenbeitrag von S 220.000,-- beziehe sich daher ausschließlich auf das Verfahren 23 Cg 177/93f. Die Kosten der gebührenbefreiten Partei hätten in diesem Verfahren S 239.223,86 betragen. Da die Beschwerdeführer zu 21 Cg 230/93k keine Kosten des Rechtsstreites übernommen hätten, sei für eine Anwendung des § 20 GGG kein Raum.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berichtigungsantrag keine Folge gegeben. In der Begründung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen ausgeführt, lasse der Wortlaut des Vergleiches nicht mit Sicherheit erkennen, in welchem Verhältnis der gebührenpflichtige Gegner der gebührenbefreiten Partei die Kosten zu ersetzen hat, dann sei bei ihm die Hälfte der auf die gebührenbefreite Partei entfallenden Gerichtsgebühren einzuheben. Zum Vorbringen, der Kostenbeitrag von S 220.000,-- betreffe die Kosten des Verfahrens 23 Cg 177/93f wurde ausgeführt, laut Vergleich hätten sich die Parteien verpflichtet, die Berufungsverhandlung nicht zu besuchen, damit Ruhen eintrete. Im Falle des Ruhens des Verfahrens könnten dem Gegner der gebührenbefreiten Partei die Kosten auch nicht zur Hälfte auferlegt werden.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Nach dem Inhalt der Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer insoferne in ihren Rechten verletzt, als mehr als 20 % der Pauschalgebühr vorgeschrieben wurden.
Die belangte Behörde verfaßte eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie die Gerichtsakten zu 21 Cg 230/93k, nicht aber jene zu 23 Cg 177/93f, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 GGG ist in den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenfreiheit aus anderen Gründen (§ 10 GGG) der Gegner zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erhebung der Gerichtsgebühren unter Berücksichtigung des ursprünglichen Klagebegehrens und dessen Bewertung sowie des Verfahrensaufwandes festzustellen, in welchem Verhältnis der Gegener der gebührenbefreiten Partei durch die Übernahme einer Prozeßkostenzahlungspflicht die den gebührenbefreiten Prozeßparteien erwachsenen Kosten übernommen hat. Nur in jenem Verhältnis ist der Gegner der gebührenbefreiten Partei dann gemäß § 20 GGG zahlungspflichtig. Für die Anwendung der Zweifelsregel des § 20 letzter Satz GGG ist erst dann Raum, wenn Feststellungen über das Verhältnis der vergleichsweisen Kostenübernahme nicht getroffen werden können (vgl. das Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 92/16/0137).
Im beschwerdegegenständlichen Vergleich haben sich die Streitparteien zur Bereinigung von wechselseitigen Ansprüchen in zwei verschiedenen, miteinander nicht verbundenen Verfahren verglichen. Im Berichtigungsantrag haben die Beschwerdeführer ziffernmäßig dargestellt, in welchem Verhältnis sie die der gebührenbefreiten Republik erwachsenen Kosten übernommen haben.
Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, die "Zweifelsregel" des § 20 letzter Satz GGG sei deswegen anzuwenden, weil aus dem Wortlaut des Vergleiches nicht mit Sicherheit zu erkennen sei, in welchem Verhältnis der gebührenpflichtige Gegner der gebührenbefreiten Partei die Kosten zu ersetzen hat. Diese Auffassung entspricht nicht dem Gesetz: Es trifft zwar zu, daß die Gebührenpflicht an formale äußere Tatbestände anknüpft, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten
(vgl. Tschugguel/Pötscher, Die Gerichtsgebühren5, 2 f und die dort zitierte Rechtsprechung). Dies bedeutet aber nicht, daß alle für die Gebührenpflicht maßgeblichen Umstände aus dem zwischen den Streitparteien geschlossenen Vergleich selbst mit "Sicherheit" erkennbar sein müssen. Auf Grund dieser unzutreffenden Rechtsansicht hat sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer im Berichtigungsantrag und der von ihnen angestellten Verhältnisrechnung, nach der die den Beschwerdeführern aufzuerlegenden Gerichtsgebühren im Sinne des ersten Satzes des § 20 GGG zu ermitteln waren, nicht auseinandergesetzt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996160102.X00Im RIS seit
24.10.2001