TE Vwgh Beschluss 2020/7/13 Ra 2020/19/0231

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M H, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2019, W244 2172247-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AslyG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 6. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Bescheid vom 1. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und sprach aus, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

3        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber eine Beschwerde. Im Beschwerdeverfahren brachte er vor, er sei nunmehr zum christlichen Glauben konvertiert und am 28. Februar 2019 in einer Freikirche getauft worden.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers - nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit hier relevant - aus, dem jungen und gesunden Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif offen. Er habe in Österreich an Aktivitäten einer Freikirche teilgenommen, sei getauft worden und habe damit „Interesse am Christentum“ gezeigt. Das Christentum sei jedoch nicht „Bestandteil seiner Identität“ geworden. Er habe eine christliche Glaubensüberzeugung nicht angenommen, sodass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan seinen Glauben nicht verleugnen müsste. Seine religiösen Aktivitäten seien in seinem Herkunftsstaat nicht bekannt geworden, sodass er bei einer Rückkehr deshalb keine Verfolgung oder sonstige Nachteile zu erwarten habe.

6        Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Februar 2020, E 130/2020-10, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, bei der Beurteilung, ob dem Revisionswerber in Afghanistan eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe, hätte neben den anderen in diesem Zusammengang maßgeblichen Kriterien auch berücksichtigt werden müssen, dass der Revisionswerber in Afghanistan seinen neuen Glauben verleugnen müsste. Insbesondere wäre zu beachten gewesen, dass der Revisionswerber in Afghanistan gezwungen wäre, einen schiitischen Glauben vorzutäuschen, um Arbeit und Wohnung zu finden.

11       Mit diesen Ausführungen lässt die Revision die Feststellungen des BVwG außer Acht, wonach der Revisionswerber keinen Glaubenswechsel vollzogen habe und daher in Afghanistan nicht gezwungen wäre, über seine aktuelle Glaubensüberzeugung zu täuschen. Die Revision greift diese Feststellungen nicht an. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich die Revision - wie hier - mit ihren Ausführungen vom festgestellten Sachverhalt, vermag sie schon aus diesem Grund eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 6.5.2020, Ra 2020/20/0093, mwN).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190231.L00

Im RIS seit

16.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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