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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des W H, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Mai 2020, W204 2163479-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, der als schiitischer Hazara aufgewachsen ist, stellte am 29. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, Mitglieder seiner schiitischen Familie hätten ihm aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten und der Zugehörigkeit seiner Mutter zur Volksgruppe der Paschtunen nach dem Leben getrachtet.
2 Mit Bescheid vom 26. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber eine Beschwerde. Im Beschwerdeverfahren brachte er ergänzend vor, er sei nunmehr zum christlichen Glauben konvertiert. Er sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und am 13. Mai 2018 in einer Freikirche getauft worden. Es drohe ihm daher in Afghanistan Verfolgung.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers erachtete das Bundesverwaltungsgericht nicht als glaubhaft. Der Revisionswerber sei nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Es liege eine bloße Scheinkonversion vor.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Gewährung von Asyl bei afghanischen Asylwerbern, die zum Christentum konvertiert seien, abgewichen. Die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts zur Konversion sei nämlich einseitig und willkürlich zum Nachteil des Revisionswerbers erfolgt und somit in einer unvertretbaren Weise vorgenommen worden. Eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Glaubenswechsel bzw. mit den Aussagen der beiden Zeugen sei unterblieben.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 22.5.2020, Ra 2020/19/0073, mwN).
11 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2020/19/0122, mwN). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 22.6.2020, Ra 2020/19/0151, mwN).
12 Im vorliegenden Fall setzte sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte und den Pastor und ein weiteres Mitglied der vom Revisionswerber besuchten Freikirche als Zeugen einvernahm, mit den für die Beurteilung einer Konversion maßgeblichen Aspekten auseinander. Entgegen der Revision berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung insbesondere auch die für das Vorliegen eines Religionswechsels aus innerer Überzeugung sprechenden Angaben der Zeugen. Die Aussagen des Revisionswerbers zu seinen Glaubensüberzeugungen erachtete es jedoch als einstudiert und nicht authentisch und gelangte bei einer Gesamtbeurteilung - auch unter Berücksichtigung einzelner Ungereimtheiten in den Angaben des Revisionswerbers - zum Ergebnis, dass eine Scheinkonversion vorliege. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
13 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190227.L00Im RIS seit
15.10.2020Zuletzt aktualisiert am
19.10.2020