Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S N U, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Jänner 2020, I405 2128783-1/26E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 15. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er fürchte sich vor der Boko Haram. Sein Vater sei nach einem Bombenanschlag verschollen. Seine Mutter sei von unbekannten Männern ermordet worden. Er habe gehört, dass auch er „gesucht“ werde.
2 Mit Bescheid vom 9. Mai 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers erachtete das Bundesverwaltungsgericht nicht als glaubhaft. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK, dass der Revisionswerber bereits dreimal rechtskräftig strafgerichtlich wegen Vergehen nach dem SMG verurteilt worden war; zuletzt zweimal zu unbedingten Freiheitsstrafen. Anhaltspunkte für eine während des Aufenthaltes im Inland erworbene relevante sprachliche, soziale oder berufliche Integration seien nicht hervorgekommen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision wendet sich unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit zunächst gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Die vom Revisionswerber angegebene Verfolgung durch die Boko Haram sei nachvollziehbar, zumal der nigerianische Staat keinen ausreichenden Schutz gewähren könne.
9 Als Rechtsinstanz ist der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 7.5.2020, Ra 2020/19/0081).
10 Im vorliegenden Fall stützte das Bundesverwaltungsgericht seine Feststellungen zusammengefasst darauf, dass die Angaben des Revisionswerbers zu den Ereignissen im Herkunftsstaat - aus näher dargestellten Gründen - vage, widersprüchlich und teilweise mit den Länderberichten nicht in Einklang zu bringen gewesen seien. Die Revision, die diesen Erwägungen nicht substantiiert entgegen tritt, vermag eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit dieser Beweiswürdigung nicht aufzuzeigen.
11 Weiters wendet sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung. Der Revisionswerber halte sich bereits seit längerer Zeit in Österreich auf und sei „willig und fähig“, sich beruflich zu integrieren. Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0310, mwN). Das BVwG hat bei seiner Interessenabwägung alle maßgeblichen Aspekte - insbesondere die strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers, die Dauer seines Aufenthaltes und das Fehlen von Umständen, aus denen eine vertiefte Integration im Inland abzuleiten wäre - berücksichtigt. Eine diesbezüglich vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung wird in der Revision nicht dargelegt.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190097.L00Im RIS seit
21.08.2020Zuletzt aktualisiert am
02.09.2020