Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §58 Abs2Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision 1. des Ing. T B in S und 2. der C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6 , gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. Februar 2020, 1. VGW-002/011/9869/2019-8 und 2. VGW-002/V/011/10486/2019, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 2. Juli 2019 wurde der Erstrevisionswerber folgender Übertretungen schuldig erkannt:
„1. Sie haben als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 der (Zweitrevisionswerberin), zu verantworten, dass diese in der Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht in W, E Gasse, in der diese Gesellschaft die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich Buchmacherin, durch zwei Wettinfoterminals und einen Wettannahmeschalter ausübt, am 22.02.2019 um 14:09 Uhr, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 2. Satz Wiener Wettengesetz, wonach in Betriebsstätten ohne ständige Aufsicht durch verantwortliche Personen der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers oder durch diese oder diesen selbst durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden muss, dass bereits der Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht selbstgesperrten Personen ermöglicht wird, nicht eingehalten hat, als sie in dieser Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht keine geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um den Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht gesperrten Personen zu ermöglichen, da bei Zutritt zur Betriebsstätte keine Kontrolle der Identität und des Alters der Kundinnen und Kunden durchgeführt wurde. Die Ausnahmen des § 19 Abs. 8 Wiener Wettengesetz kommen nicht zur Anwendung.
2. Sie haben als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 der (Zweitrevisionswerberin), zu verantworten, dass diese in der Betriebsstätte in W, E Gasse, in der diese Gesellschaft die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich Buchmacherin, durch zwei Wettinfoterminals und einen Wettannahmeschalter, am 22.02.2019 um 14:09 Uhr, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz, wonach vor dem Eingang zu Räumen, in denen eine Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer ausgeübt wird, durch die Wettunternehmerin oder den Wettunternehmer oder die verantwortliche Person auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen ist, nicht eingehalten hat, als kein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche vor dem Hauptraum (Verkaufsraum), in dem Wetten abgeschlossen werden konnten, angebracht war.“
2 Der Erstrevisionswerber habe zu 1. § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 idgF, sowie zu 2. § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 idgF, verletzt, weshalb über ihn in beiden Fällen gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz iVm. § 9 Abs. 1 VStG zu 1. eine Geldstrafe von € 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage 1 Stunde) sowie zu 2. eine Geldstrafe in der Höhe von € 640,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag 5 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurde dem Erstrevisionswerber die Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Die Zweitrevisionswerberin hafte für die Geldstrafen und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.
3 2.1. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Tatzeit richtig gestellt werde und verpflichtete den Erstrevisionswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages sowie die Zweitrevisionswerberin zur Haftung hiefür. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
4 2.2. Das Verwaltungsgericht ging von folgendem Sachverhalt aus: Am Tatort seien zum (richtig gestellten) Tatzeitpunkt „Wettautomaten“ in Betrieb gewesen; es sei Personal des Tankstellenpächters eingesetzt worden. Es handle sich um eine Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht, sonstige geeignete Maßnahmen, um den Zutritt nur volljährigen, nicht gesperrten Personen zu ermöglichen, seien nicht getroffen worden. Der vom Erstrevisionswerber genannte Beschäftigte H sei nicht ständig in der Betriebsstätte aufhältig. Einen Hinweis auf das Zutrittsverbot habe es nicht gegeben.
5 2.3. Das Verwaltungsgericht begründete seine Beweiswürdigung und führte aus, dass der Zeuge H im „Parallelverfahren“ einvernommen worden sei; seine Einvernahme könne entfallen, weil es unbestritten sei, dass er nicht ständig in der Betriebsstätte aufhältig sei. Weiters erläuterte es die rechtliche Beurteilung und die Strafbemessung.
6 3.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 3.2. Zur Zulässigkeit der Revision wird Folgendes vorgebracht:
10 3.2.1. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, was unter „ständiger Aufsicht durch verantwortliche Personen“ im Sinne des § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 40/2018 zu verstehen sei. Das Verwaltungsgericht habe die im Lokal beschäftigten Personen nicht als verantwortliche Personen qualifiziert, weil sie nicht bei der Zweitrevisionswerberin beschäftigt seien.
11 Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz, wonach die „ständige Aufsicht“ im Sinne dieser Bestimmung durch „verantwortliche Personen der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers oder durch diese oder diesen selbst“ auszuüben ist, ist nicht ersichtlich, dass sich angesichts der vom Verwaltungsgericht diesem Wortlaut Rechnung tragenden Interpretation eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellen würde (vgl. zum klaren Wortlaut einer Bestimmung z.B. VwGH 4.3.2020, Ra 2020/02/0013, 0014).
12 3.2.2. Soweit die revisionswerbenden Parteien vorbringen, es gebe keine Rechtsprechung zu der Frage, ob auch dann gemäß § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz eine Pflicht zum Hinweis auf ein Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gegeben sei, wenn ein solches gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. gar nicht bestehe, weil es eine ständige Aufsicht gebe, wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil sich dieses Vorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, wonach es im vorliegenden Fall gerade keine ständige Aufsicht in der Betriebsstätte gegeben habe (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision in einem solchen Fall z.B. VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0201, 0202).
13 3.2.3. Die revisionswerbenden Parteien führen weiters aus, das Verwaltungsgericht sei von der zum Amtswegigkeitsgrundsatz sowie zur Pflicht des Verwaltungsgerichts zur Beweisaufnahme ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es den Zeugen H nicht vernommen habe. Dieser sei zum Beweis dafür beantragt worden, dass sich „ständig ein Mitarbeiter“ in der Betriebsstätte aufgehalten habe.
14 Mit diesem Vorbringen machen die revisionswerbenden Parteien einen Verfahrensmangel geltend. Die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt jedoch voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. erneut VwGH 4.3.2020, Ra 2020/02/0013, 0014, mwN).
15 Diesem Erfordernis kommt die Revision nicht nach: Das Verwaltungsgericht hat zu diesem Beweisantrag nämlich ausgeführt, der Zeuge sei bereits „im Parallelverfahren“ einvernommen worden und ergäben sich aus seiner Einvernahme unbestritten die Umstände seines nicht ständigen Aufenthaltes „in der gegenständlichen Betriebsstätte“; aus dem Verhandlungsprotokoll ist weiters ersichtlich, dass bei dieser Einvernahme auch die revisionswerbenden Parteien und ihr Rechtsvertreter anwesend waren. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht entgegengetreten, sodass im konkreten Einzelfall die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt wird.
16 3.2.4. Soweit die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes bemängelt wird, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof als reine Rechtsinstanz tätig ist; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge daher insgesamt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2020/02/0082, mwN). Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkret begründet, wie es zu seinen Feststellungen gelangt ist; u.a. stützte es sich dabei auch darauf, dass Fakten von den revisionswerbenden Parteien nicht bestritten worden seien. Dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, wird von den revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.
17 3.2.5. Da das angefochtene Erkenntnis explizite Feststellungen, eine jeweilige Beweiswürdigung sowie rechtliche Erwägungen zu beiden angelasteten Übertretungen enthält, ist entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der revisionswerbenden Parteien nicht ersichtlich, inwieweit diese wegen einer fehlenden Begründung an der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehindert gewesen wären. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.
18 3.2.6. Soweit die revisionswerbenden Parteien schließlich ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zum Verbot der reformatio in peius behaupten, ist darauf hinzuweisen, dass kein Verstoß gegen das Verschlimmerungsverbot vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen der vorzunehmenden eigenen Bewertung von Milderungs- und Erschwernisgründen trotz Wegfalls eines Erschwerungsgrundes oder Hinzutritts eines Milderungsgrundes in begründeter Weise zur gleichen Strafhöhe gelangt wie die Verwaltungsstrafbehörde (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0026, mwN). Das Verwaltungsgericht hat im Revisionsfall eine eigene Bewertung der Strafzumessungsgründe vorgenommen und begründet, warum es trotz Hinzutretens eines Milderungsgrundes keine Herabsetzung der Geldstrafe vorgenommen hat; das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich nicht nur generalpräventive Überlegungen, sondern auch das öffentliche Interesse am Jugendschutz in seine Erwägungen einbezogen. Dass dem Verwaltungsgericht bei der Strafbemessung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, vermochte das Zulässigkeitsvorbringen der Revision somit nicht aufzuzeigen und ist auch sonst nicht ersichtlich, weshalb ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zum Verschlimmerungsverbot nicht dargetan wurde.
19 3.3. In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
20 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juli 2020
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen Berufungsverfahren Erschwerende und mildernde UmständeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020118.L00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020