TE Vwgh Beschluss 2020/7/16 Ra 2020/02/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
90/02 Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
FSG 1997 §1 Abs3
FSG 1997 §37 Abs1
FSG 1997 §37 Abs3 Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des K in F, vertreten durch Mag. Birgit Primus, Rechtsanwältin in 8552 Eibiswald, Eibiswald 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10. September 2019, LVwG 30.9-1702/2018-36, betreffend Bestrafung nach dem FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) vom 10. September 2019 wurde über den Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen der Übertretung des § 37 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 FSG eine Geldstrafe (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 37 Abs. 1 iVm. § 37 Abs. 3 Z 1 FSG und eine Freiheitsstrafe von 28 Tagen gemäß § 37 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 FSG verhängt (Spruchpunkt I.). Das LVwG legte dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

2        Das LVwG traf explizite Feststellungen zu den Vorgängen zur vorgeworfenen Tatzeit sowie insbesondere zum Lenken des Fahrzeuges durch den Revisionswerber. Weiters begründete das LVwG umfassend seine Beweiswürdigung; zum Antrag auf Einvernahme einer bestimmten Zeugin führte das LVwG aus, diesem sei nicht stattzugeben, die Zeugin habe bereits vor der belangten Behörde ausgesagt und keine Wahrnehmungen zum Tatzeitpunkt gehabt. Es sei dieser Aussage somit nicht zu entnehmen, wer Lenker zum Tatzeitpunkt gewesen sei. Das LVwG erläuterte die rechtlichen Erwägungen sowie die Strafbemessung.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber vor, er habe einen Ortsaugenschein unter seiner Anwesenheit und der Anwesenheit des Zeugen W samt Kindern, die Auswertung der Überwachungskamera bei der Tankstelle sowie die Auswertung der Ortungsdaten und Rufdaten der Mobiltelefone des Revisionswerbers sowie des Zeugen W beantragt. Das LVwG sei diesen wesentlichen Anträgen nicht nachgekommen, diese hätten jedoch ergeben, dass der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt am Tatort nicht der Lenker gewesen sei. Die Auswertung der Telefone hätte ergeben, dass sich der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt nicht bei der Tankstelle aufgehalten habe. Bei richtiger Anwendung der Rechtsvorschriften und Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes hätte das LVwG „in dubio pro reo“ entscheiden müssen. Es könne nämlich nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit gesagt werden, dass der Revisionswerber der Täter gewesen sei. Es liege eine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren und im Eigentumsrecht vor, weil die Zeugenaussage der Zeugin N nur verlesen worden sei, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit bedeute. Aus den Aussagen der übrigen Zeugen ergebe sich, dass sich der Revisionswerber nicht bei der Tankstelle aufgehalten habe bzw. sich dort habe aufhalten können.

8        Zum Zulässigkeitsvorbringen, wonach das LVwG weitere vom Revisionswerber beantragte Beweise hätte einholen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 1.10.2019, Ra 2019/17/0078, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung ist im Revisionsfall aber vor dem Hintergrund des durchgeführten Beweisverfahrens nicht ersichtlich.

9        Die Frage, ob im vorliegenden Einzelfall ausreichende Beweisergebnisse vorhanden waren, um Rückschlüsse auf den Lenker des Fahrzeuges ziehen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als reine Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge daher insgesamt nur vor, wenn das LVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/17/0024, mwN).

10       Das LVwG hat im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Einvernahme jener Personen, die eigene Wahrnehmungen zu den Vorgängen auf der Tankstelle hatten, nachvollziehbar begründet, wie es zu seinen Feststellungen gelangt ist. Dass das LVwG seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, wird vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2020/02/0082).

11       Mit dem Vorbringen, die Aussage der Zeugin N sei zu Unrecht verlesen worden, macht die revisionswerbende Partei einen Verfahrensmangel geltend. Die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt jedoch voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 4.3.2020, Ra 2020/02/0013, 0014, mwN).

12       Diesem Erfordernis kommt die Revision nicht nach: Das LVwG hat zu diesem Beweisantrag nämlich ausgeführt, die Zeugin könne keine Ausführungen zum Tatzeitpunkt machen; beantragt worden ist die Zeugin von der Rechtsvertreterin des Revisionswerbers zum Beweis dafür, dass der Zeuge W mit dem Tatfahrzeug die Kinder abgeholt und wieder zurückgebracht hätte. Dieser Beweisantrag steht zum einen in keinem Zusammenhang mit den Vorkommnissen zur Tatzeit. Zum anderen wird den Ausführungen des LVwG im Zulässigkeitsvorbringen nicht entgegengetreten, sodass im konkreten Einzelfall die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt wird.

13       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vorgebracht wird, dem LVwG liege ein Verstoß gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ zur Last, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz nur für jene Fälle gilt, in denen im Beweisverfahren bzw. der anschließenden freien Würdigung der Beweise beim entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfs erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, könnte nach dem genannten Grundsatz kein Schuldspruch erfolgen (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2019/08/0080, mwN). Dafür, dass im vorliegenden Fall Zweifel am festgestellten Sachverhalt verblieben wären, die die Anwendung dieses Grundsatzes erfordert hätten, gibt es keine Anhaltspunkte.

14       In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15       Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

16       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 16. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020006.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten