TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 W226 1239291-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2019
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Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55

Spruch

W226 1239291-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2018, Zl. 721362709-180558825, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 und § 8 Abs. 1 Z 2, §§ 10 Abs. 1 Z 4, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52, 53 Abs 1 iVm Abs 3, 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes mit 7 Jahren befristet wird.

B)

Die Revision ist gemäß § 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.) Der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte durch seine gesetzliche Vertretung am 23.05.2002 einen Asylerstreckungsantrag.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.07.2006, Zl. 239.291/11-VIII/40/06 wurde in der Folge der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2003 stattgegeben und dem Beschwerdeführer Asyl in Österreich gewährt. Gemäß § 12 AsylG 1997 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Im Zuge des weiteren Aufenthaltes in Österreich wurde der Beschwerdeführer wegen folgender Strafdelikte rechtskräftig verurteilt:

* XXXX vom XXXX wegen §§ 15, 83 (1), 84 (2) Z 4 StGB, § 270 (1) StGB, §§ 15, 269 (1) 1. Fall StGB zu 2 Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren (junger Erwachsener);

* XXXX vom XXXX wegen § 115 (1) StGB, § 218 (1) Z 2 StGB,

§ 107 (1) StGB, § 83 (1) StGB, §§ 15, 269 (1) 3. Fall StGB zu 6 Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe, gleichzeitig wurde die Probezeit zu GZ XXXX auf 5 Jahre verlängert (junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen § 83 (1) StGB, §§ 83 (1), 84 (2)

Z 4 StGB, §§ 15, 269 (1) 3. und 4. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe, gleichzeitig wurde die Probezeit zu GZ 030 HV 8/2015y auf 5 Jahre verlängert(junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen § 125 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil zu GZ XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einem Monat (junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen §§ 107a (1), 107a (2) Z 1, 2 und 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten, gleichzeitig wurde die Probezeit zu GZ XXXX auf 5 Jahre verlängert;

Die belangte Behörde ließ sich in weiterer Folge sämtliche Strafurteile betreffend den Beschwerdeführer übermitteln und nahm darüberhinaus Einsicht in die Einvernahmeprotokolle, die zur Gewährung von Asyl geführt haben.

Aufgrund der Verurteilungen leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das gegenständliche Aberkennungsverfahren ein. Der Beschwerdeführer wurde dazu am 17.07.2018 im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen.

Der Beschwerdeführer führte aus, die Einvernahme auch auf Deutsch führen zu können, er werde nicht vertreten und sei er in der Lage, physisch und psychisch der Verhandlung zu folgen und Angaben zu machen, sei in keiner Behandlung, müsse aber Medikamente gegen Kopfschmerzen nehmen. Er spreche Deutsch, Englisch und Russisch. Er lebe alleine in einer Mietwohnung, für die er monatlich EUR 221,00 exklusive Strom bezahle, sei ledig und habe weder eine Freundin noch Kinder. Seine Mutter und seine zwei Schwestern würden hier in Österreich in XXXX leben und er pflege regelmäßig Kontakt zu ihnen, ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe jedoch nicht.

Auf die Frage, ob er aktuell beschäftig sei und ein lohnsteuerpflichtiges Einkommen beziehe, führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Kürze ein Vorstellungsgespräch und einen Probearbeitstag bei einer Firma in XXXX habe und vorher über eine Leasingfirma beschäftigt gewesen sei. Derzeit beziehe er Geld vom AMS. Er habe in Österreich die Volksschule, bis zur 3. Klasse ein Gymnasium und aufgrund eines Umzugs anschließend die Hauptschule besucht, die er dann auch abgeschlossen habe. Danach habe er ein halbes Jahr eine HTL besucht, bevor er zum Arbeiten begonnen habe. In seiner Freizeit gehe er hin und wieder ins Fitnessstudio und treffe sich ab und zu mit seinen Freunden zum Fortgehen oder Bier trinken. Früher sei er auch in Vereinen aktiv gewesen, seit mehreren Jahren aber nicht mehr. Für seine Integration spreche darüberhinaus, dass er in Österreich aufgewachsen sei und seine Mutter sowie eine seiner Schwestern die österreichische Staatsbürgerschaft hätten, die er auch erlangen möchte. Er sei russisch-orthodox und besuche regelmäßig die Kirche.

Zu seinem Verhalten in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er seine Auseinandersetzungen mit der Polizei bereue und er nun in regelmäßigen Terminen mit seinem Bewährungshelfer über alles sprechen könne. Er wolle sich nunmehr auf eine Arbeitsstelle und seine Freunde konzentrieren.

Zu einer möglichen Rückkehr in die Ukraine gab der Beschwerdeführer an, dass seine Großmutter bereits verstorben sei und seine Mutter das Haus in der Ukraine verkauft habe. Eine Arbeit könne er dort nicht finden, weil er die russischen Fachbegriffe nicht könne. Zu seinen Fluchtgründen konnte der Beschwerdeführer keine Angaben machen. Lediglich seine Mutter habe ihm erzählt, dass sie in der Ukraine aus politischen Gründen gesucht würden. Er selbst glaube, dass es um Faschismus gehe, weil er etwas dunkelhäutiger sei.

2.) Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.08.2018, Zl. 721362709-180558825 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den mit Bescheid vom 20.07.2006 zuerkannten Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Unter Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Die belangte Behörde führte aus, dass der Beschwerdeführer gesund, arbeitsfähig und ledig sei, keine Lebensgefährtin oder Kinder habe und seine Mutter sowie seine zwei Schwestern in Österreich leben würden.

Der Beschwerdeführer verfüge über Schuldbildung und eine abgeschlossene Ausbildung zum Mechatroniker, zudem könne er seinen Lebensunterhalt anfangs aus Gelegenheitsarbeiten bestreiten. Auch eine sprachliche Barriere sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei der Beschwerdeführer in der Ukraine keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

Aus der AJ-WEB-Abfrage ergebe sich zwar, dass sich der Beschwerdeführer um Arbeit bemühe und eine entsprechenden Stelle auch immer wieder finde, nach Abschluss seiner Lehre aber keine längeren Beschäftigungszeiträume beim selben Unternehmen aufweisen könne, weshalb er beruflich noch nicht Fuß gefasst habe. Er habe sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut und könne er auch einige Namen aufzählen, doch handle es sich dabei nicht um Personen, die den Beschwerdeführer an Österreich binden würden. Zudem lebe er alleine, weshalb insgesamt davon auszugehen sei, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche soziale und berufliche Integration in Österreich nicht vorliege.

Rechtlich leitete die belangte Behörde ab, dass ein Aberkennungstatbestand gem. § 7 Abs 1 Z 1 AsylG vorliege, wobei insbesondere auf die zahlreichen Verurteilungen hingewiesen wurde. Vom Beschwerdeführer gehe ein erhebliches Gewaltpotenzial aus, weshalb keine positive Zukunftsprognose getroffen werden könne und er als gemeingefährlich anzusehen sei. Subsidiärer Schutz sei nicht zuzuerkennen, weil der Beschwerdeführer über Schul- und Berufsausbildung verfüge, gesund und arbeitsfähig sei und Russisch spreche, weshalb die belangte Behörde davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer in keine lebensbedrohliche Situation gelange. Die Rückkehrentscheidung begründete die belangte Behörde dahingehend, dass der Beschwerdeführer volljährig sei, alleine in einer Mietwohnung wohne und kein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Familienangehörigen bestehe, weshalb eine besondere Integration nicht ersichtlich sei. Das Einreisverbot sei im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt.

3.) Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, fristgerecht Beschwerde und führte dazu aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen, weil er weder wegen eines schweren Verbrechens verurteilt worden, noch als gemeingefährlich einzustufen sei. Das Ausmaß der verhängten Strafen bewege sich im untersten Bereich der Strafdrohung und seien diese auch zum Teil bedingt nachgesehen worden.

Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebe in Österreich und besitze die österreichische Staatsbürgerschaft. Er habe in der Ukraine weder Verwandte, noch ein soziales Netzwerk, weshalb er im Falle einer Abschiebung in eine bedrohliche Lage versetzt würde und die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Zu berücksichtigen sei auch, dass er selbst seit 16 Jahren in Österreich lebe, wo er die Schule und seine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert habe, weshalb er eine wichtige Arbeitskraft für das Land darstelle. Zudem könne er auf Russisch weder lesen noch schreiben und sei es für ihn unvorstellbar, in der Ukraine zu leben, bestehe doch dort immer noch ein Kriegszustand.

Er entschuldige sich für sein Fehlverhalten, ersuche um eine erneute Chance und gehe davon aus, dass zumindest hilfsweise die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vorliegen würden. Darüberhinaus beantragte der Beschwerdeführer die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

4.) Mit Schreiben vom 29.03.2019 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht das Urteil des XXXX , GZ XXXX vom XXXX , mit welchem der Beschwerdeführer wegen § 142 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe - im Ausmaß von 4 Jahren - neuerlich rechtskräftig verurteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.) Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er bekennt sich zum russisch-orthodoxen Glauben. Seine Identität steht fest.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer mit seiner Mutter illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und stellte er am 23.05.2002 im Wege seiner gesetzlichen Vertreterin (Mutter) einen Asylerstreckungsantrag und wurde dem Antrag in zweiter Instanz stattgegeben und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Mutter und seine zwei Schwestern leben in Österreich, wobei sowohl die Mutter als auch eine seiner Schwestern die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt haben. In seinem Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer keine engeren Familienangehörigen mehr.

Der Beschwerdeführer wurde mehrfach in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt und zwar wie folgt:

* XXXX vom XXXX wegen §§ 15, 83 (1), 84 (2) Z 4 StGB,

§ 270 (1) StGB, §§ 15, 269 (1) 1. Fall StGB zu 2 Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren (junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen § 115 (1) StGB, § 218 (1) Z 2 StGB, § 107 (1) StGB, § 83 (1) StGB, §§ 15, 269 (1) 3. Fall StGB zu 6 Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe, gleichzeitig wurde die Probezeit zu GZ XXXX auf 5 Jahre verlängert (junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen § 83 (1) StGB, §§ 83 (1), 84 (2) Z 4 StGB, §§ 15, 269 (1) 3. und 4. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe, gleichzeitig wurde die Probezeit zu GZ XXXX auf 5 Jahre verlängert (junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen § 125 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil zu GZ XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einem Monat (junger Erwachsener);

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen §§ 107a (1), 107a (2) Z 1, 2 und 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten, gleichzeitig wurde die Probezeit zu GZ XXXX auf 5 Jahre verlängert;

* XXXX , GZ XXXX vom XXXX wegen § 142 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Jahren;

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 03.08.2018 in der Justizanstalt XXXX in Haft. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er alleine in einer Mitwohnung gelebt.

2.) Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers wurde nicht vorgebracht.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer Russisch, Englisch und Deutsch spricht. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und hat keine Obsorgepflichten. Er pflegt regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie, trainierte ab und zu im Fitness-Center und traf hin und wieder seine Freunde.

Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer die Volksschule, 3 Jahre Gymnasium und aufgrund eines Umzugs die Hauptschule besucht und abgeschlossen. Danach hat er eine Lehre zum Mechatroniker absolviert und war anschließend mit Unterbrechungen für jeweils längstens 7 Monate bei ca. 10 verschiedenen Personalvermittlungsfirmen beschäftigt. Dazwischen bezog er Leistungen des AMS.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Ukraine in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Nicht festgestellt werden kann außerdem, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren in Österreich eine Lebensgemeinschaft bzw. eine eheähnliche Beziehung geführt hätte. Die soziale Integration des Beschwerdeführers beschränkt sich im Wesentlichen auf gelegentlichen Kontakt zu seiner Familie und seinen Freunden.

3.) Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Zur Situation in der Ukraine wird festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 24.04.2019, Präsidentschaftswahlen (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann laut vorläufigem Endergebnis am 21. April die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit 73,2% zu 24,5% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%) (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019; ZDF 23.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür der designierte Präsident Selenskyj steht, bzw. was man politisch von ihm erwarten darf. Bekannt geworden ist Selenskyj durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

- CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

- DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in- der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

- KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-freeand-fair.html, Zugriff 24.4.2019

- Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der

- Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-ihor-kolomojskyj--derstrippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

- UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

- ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen (23.4.2019): Ukraine: Vorläufiges Ergebnis. Selenskyj gewinnt Wahl mit 73 Prozent, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/nach-der-wahl-in-derukraine-vorlaeufiges-ergebnis-steht-fest-100.html, Zugriff 24.4.2019

- ZO - Zeit Online (21.4.2019): Komiker Wolodymyr Selenskyj gewinnt Präsidentschaftswahl, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/ukraine-wahl-komiker-wolodymyr-selenskyj-liegtlaut-prognosen-vorne, Zugriff 24.4.2019

KI vom 09.01.2019, Kriegsrecht beendet (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat wie angekündigt, das für Teile der Ukraine verhängte 30-tägige Kriegsrecht, nicht verlängert. Es lief damit wie geplant am 26.12.2018 um 13 Uhr (MEZ) aus. Der Präsident betonte, das Kriegsrecht habe in keiner Weise den Alltag der Zivilbevölkerung beeinflusst (ZO 26.12.2018; vgl. DW 26.12.2018).

Quellen:

- DW - Deutsche Welle (26.12.2018): Poroschenko beendet das Kriegsrecht, https://www.dw.com/de/poroschenko-beendet-das-kriegsrecht/a-46868008, Zugriff 9.1.2019

- ZO - Zeit Online (26.12.2018): Kriegsrecht in der Ukraine ist beendet, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/petro-poroschenko-ukraine-kriegsrecht-beendet, Zugriff 9.1.2019

KI vom 28.11.2018, 30 Tage Kriegsrecht für bestimmte Oblaste verhängt (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Das ukrainische Parlament hat am 26. November dem Antrag von Präsident Poroschenko zugestimmt, in Teilen des Landes für 30 Tage das Kriegsrecht zu verhängen. Betroffen sind die "gegenüber russischer Aggression verwundbarsten Regionen" des Landes (siehe Karte) (RFE/RL 26.11.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden.

(RFE/RL 27.11.2018)

Das Kriegsrecht ermöglicht in den genannten Oblasten eine teilweise Mobilisierung, eine Stärkung der Luftverteidigung sowie eine nicht näher spezifizierte Stärkung des Konterspionage-, Konterterrorismus- und Kontersabotage-Regimes und der Informationssicherheit. Von den 450 Abgeordneten der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) stimmten nach hitziger Debatte 276 für und 30 gegen den Antrag. Zuerst hatte Poroschenko die Maßnahme noch für 60 Tage gefordert, das aber später reduziert (RFE/RL 26.11.2018).

Anlass für diesen in der ukrainischen Geschichte beispiellosen Schritt, war ein Vorfall in der Meerenge von Kertsch (der einzigen Zufahrt zum Asowschen Meer) vom vergangenen Wochenende, bei dem die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine erst beschoss, einen Schlepper rammte und die Boote danach festsetzte und insgesamt 23 ukrainische Seeleute inhaftierte. Russland behauptet, die ukrainischen Seefahrzeuge hätten illegal russische Gewässer befahren. Seit die ukrainische Krimhalbinsel von Russland annektiert worden ist, gibt es gehäuft Probleme beim freien Zugang zum Asowschen Meer und damit zum für die ukrainische Wirtschaft so wichtigen Hafen Mariupol. Mittlerweile hat Russland auch eine Brücke über die Meerenge von Kertsch gebaut (RFE/RL 26.11.2018).

Präsident Poroschenko sagte vor der Debatte im Parlament, die Verhängung des Kriegsrechts sei nötig, damit die Ukraine unverzüglich die Verteidigung stärken kann, um im Falle einer Invasion schnell reagieren zu können. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle; es gehe ausschließlich um den Schutz des Territoriums und die Sicherheit der Bürger. Das Kriegsrecht sieht Dutzende Handlungsoptionen vor, die ergriffen werden können - aber nicht müssen. Diese müssen vor Inkrafttreten von der Regierung festgelegt werden. So gehen die Polizeiaufgaben in Kampfgebieten an die Armee über. Das Militär erhält erweiterte Rechte und ist beispielsweise berechtigt, Ausgangssperren zu verhängen sowie Wohnungsdurchsuchungen und Verkehrs- und Personenkontrollen vorzunehmen. Männer im wehrpflichtigen Alter unterliegen Meldeauflagen. Auch ist es während des Kriegsrechts verboten, Verfassungsänderungen, Parlaments- oder Präsidentenwahlen durchzuführen. Das Kriegsrecht lässt aber keine Folter zu. Bei Rechtsverstößen können nur reguläre Gerichte urteilen. Zusätzlich können weitere Maßnahmen getroffen werden wie Einschränkung der Pressefreiheit, Kontrollen oder Einschränkungen der Kommunikationsmittel usw. Im Gesetz ist festgehalten, dass das Kriegsrecht nach dem festgelegten Zeitraum enden muss. Eine Verlängerung würde dementsprechend einen erneuten Antrag des Präsidenten erfordern. Allerdings kann das Kriegsrecht auch frühzeitig beendet werden. Das derzeit geltende Kriegsrecht gilt für 30 Tage. Es trat am 28. November 2018, 9 Uhr morgens in Kraft und endet am 27. Dezember 2018 (SO 27.11.2018).

Präsidentschaftswahlen in der Ukraine sind für den 21. März 2019 angesetzt und sollen wie geplant stattfinden (RFE/RL 26.11.2018).

Quellen:

- RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (26.11.2018): Ukraine Backs Martial Law After Gunfire At Sea, https://www.rferl.org/a/ukrainian-lawmakers-to-considermartial-law-proposal-after-russia-opens-fire-on-ships-in-black-sea/29620128.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018

- RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (27.11.2018): Ukraine's Martial Law, https://www.rferl.org/a/ukraines-martial-law/29623833.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018

- SO - Spiegel Online (27.11.2018): So weitreichend ist das ukrainische Kriegsrecht, http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-bedeutet-das-kriegsrecht-a-1240658.html, Zugriff 28.11.2018

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. ? an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

- DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko, http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

- DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

- DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer, http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-nochimmer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück, https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-imrueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

- UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laenderanalysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von nationalkonservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

- AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

- DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU, http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

3. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon 9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukrainestand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

- AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/ Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017- AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

- ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

- USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

3.1. Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten: Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u. a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den defacto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017

- FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017

- ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

- USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017b): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/337269/480036_de.html, Zugriff 1.6.2017

3.2. Ostukraine

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen, unterstützt von russischen Staatsangehörigen, die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Lugansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, danach erlitten sie jedoch - bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland - zum Teil schwerwiegende Verluste. Die trilaterale Kontaktgruppe mit Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE bemüht sich darum, den militärischen Konflikt zu beenden. Das Minsker Protokoll vom 5. September 2014, das Minsker Memorandum vom 19. September 2014 und das Minsker Maßnahmenpaket vom 12. Februar 2015 sehen unter anderem eine Feuerpause, den Abzug schwerer Waffen, die Gewährung eines "Sonderstatus" für einige Teile der Ost-Ukraine, die Durchführung von Lokalwahlen und die vollständige Wiederherstellung der Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze vor. Die von der OSZE-Beobachtermission SMM überwachte Umsetzung, etwa des Truppenabzugs, erfolgt jedoch schleppend. Die Sicherheitslage im Osten des Landes bleibt volatil (AA 2.2017b).

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Berichte der OSZE-Beobachtermission, von Amnesty International sowie weiteren NGOs lassen den Schluss zu, dass es nach Ausbruch des Konflikts im März 2014 in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Dazu zählen extralegale Tötungen auf Befehl örtlicher Kommandeure ebenso wie Freiheitsberaubung, Erpressung, Raub, Entführung, Scheinhinrichtungen und Vergewaltigungen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte spricht von einem "vollständigen Zusammenbruch von Recht und Ordnung", von einem "unter den Bewohnern vorherrschenden Gefühl der Angst, besonders ausgeprägt in der Region Lugansk", sowie einer durch "fortgesetzte Beschränkungen der Grundrechte, die die Isolation der in diesen Regionen lebenden Bevölkerung verschärft, sowie des Zugangs zu Informationen" gekennzeichneten Menschenrechtslage. Die Zivilbevölkerung ist der Willkür der Soldateska schutzlos ausgeliefert, Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit sind faktisch suspendiert. Nach UN-Angaben sind seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen umgekommen. Es sind rund 1,7 Mio. Binnenflüchtlinge registriert und ca. 1,5 Mio. Menschen sind in Nachbarländer geflohen. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt: Die Sicherheitslage hat sich verbessert, auch wenn Waffenstillstandsverletzungen an der Tagesordnung bleiben. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt jedoch trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt neben den Lokalwahlen im besetzten Donbas der Dezentralisierungsprozess für den Donbas, den die Rada noch nicht abgeschlossen hat. In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk wird die staatliche Ordnung erhalten oder wieder hergestellt, um Wiederaufbau sowie humanitäre Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen (AA 7.2.2017).

Die von Russland unterstützten Separatisten im Donbas verüben weiterhin Entführungen, Folter und unrechtmäßige Inhaftierung, rekrutieren Kindersoldaten, unterdrücken abweichende Meinungen und schränken humanitäre Hilfe ein. Trotzdem dies offiziell weiterhin abgestritten wird, kontrolliert Russland das Ausmaß der Gewalt in der Ostukraine und eskaliert den Konflikt nach eigenem politischen Gutdünken. Die separatistischen bewaffneten Gruppen werden weiterhin von Russland trainiert, bewaffnet, geführt und gegebenenfalls direkt im Einsatz unterstützt. Die Arbeit internationaler Beobachter wird dabei nach Kräften behindert. Geschätzte 70 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Flächen in der Ostukraine wurden von den beiden Seiten vermint, speziell nahe der sogenannten Kontaktlinie. Diese Verminungen sind oft schlecht markiert und stellen eine Gefahr für Zivilisten dar. Bis zu 2.000 Zivilisten sollen im ostukrainischen Konfliktgebiet umgekommen sein, meist durch Artilleriebeschuss bewohnter Gebiete. Die Zahl derer, die durch Folter und andere Menschenrechtsverletzungen umgekommen sein dürften, geht in die Dutzende. 498 Personen (darunter 347 Zivilisten) bleiben vermisst. Die von Russland unterstützten Separatisten begingen systematisch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Schläge, Zwangsarbeit, Folter, Erniedrigung, sexuelle Gewalt, Verschwindenlassen aber auch Tötungen) sowohl zur Aufrechterhaltung der Kontrolle als auch zur Bereicherung. Sie entführen regelmäßig Personen für politische Zwecke oder zur Erpressung von Lösegeld, besonders an Checkpoints. Es kommt zu willkürlichen Inhaftierungen von Zivilpersonen bei völligem Fehlen jeglicher rechtsstaatlicher Kontrolle. Diese Entführungen führen wegen ihrer willkürlichen Natur zu großer Angst unter der Zivilbevölkerung. Von einem "Kollaps von Recht und Ordnung" in den Separatistengebieten wird berichtet. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise in die Separatistengebiete verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung. Journalisten werden willkürlich inhaftiert und misshandelt. Die separatistischen bewaffneten Gruppen beeinflussen direkt die Medienberichterstattung in den selbsternannten Volksrepubliken. Freie (kritische) Meinungsäußerung ist nicht möglich. Da die separatistischen Machthaber die Einfuhr von humanitären Gütern durch ukrainische oder internationale Organisationen stark einschränken, sind die Anwohner der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk mit starken Preisanstiegen konfrontiert. An Medikamenten herrscht ein erheblicher Mangel. Das erschwert auch die Behandlung von HIV und Tuberkulose. Mehr als 6.000 HIV-positive Personen in der Region leiden unter dem Mangel an Medikamenten und Medizinern (USDOS 3.3.2017a).

In den ostukrainischen Konfliktgebieten begingen Berichten zufolge auch Regierungstruppen bzw. mit ihnen verbündete Gruppen Menschenrechtsverletzungen. Der ukrainische Geheimdienst (SBU) soll Personen geheim festhalten bzw. festgehalten haben (USDOS 3.3.2017a). Nach einem Bericht über illegale Haft und Folter, sowohl durch den ukrainischen SBU sowie durch prorussische Separatisten, reagierte im Juli 2016 der SBU mit der Entlassung von 13 Personen aus der Haft (die Illegalität der Haft wurde aber abgestritten). Von der separatistischen Seite ist nichts dergleichen berichtet, obwohl deren Vergehen viel

zahlreicher waren (FH 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Trotz des Abkommens von Minsk ist in der Ostukraine immer noch kein tragfähiger Waffenstillstand zustande gekommen. Russland liefert weiterhin Waffen und stellt militärisches Personal als "Freiwillige". 2016 haben sich die lokalen Verwaltungen in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk institutionell konsolidiert und der Aufbau russisch kontrollierter Staatsgebilde ist überwiegend abgeschlossen. Unabhängige politische Aktivitäten und politische Parteien sind jedoch verboten, NGOs arbeiten dort nicht, und eine freie Presse ist nicht vorhanden (FH 29.3.2017).

Nach wie vor kam es im Osten der Ukraine auf beiden Seiten zu sporadischen Verstößen gegen den vereinbarten Waffenstillstand. Sowohl die ukrainischen Streitkräfte als auch die pro-russischen Separatisten verübten Verletzungen des humanitären Völkerrechts, darunter Kriegsverbrechen wie Folter, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. In der Ukraine und den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk wurden Personen, die der Unterstützung der jeweils anderen Seite verdächtigt wurden, rechtswidrig inhaftiert, auch zum Zwecke des Gefangenenaustauschs. Sowohl seitens der ukrainischen Behörden als auch der separatistischen Kräfte im Osten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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