TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/10 W173 2220398-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W173 2220398-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid vom 9.5.2019 des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Grund des Antrages von Frau XXXX , geb. am XXXX , (in weiterer Folge: BF) vom 9.12.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FÄ für Orthopädie, eingeholt. Unter dem Punkt "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung" wurde im eingeholten Gutachten vom 28.7.2017 ein Gesamtgrad der Behinderung mit 30 v.H. festgestellt. Dieser beruhte auf dem Leiden "Zustand nach mehrfachen Operationen an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung der Segmente L4/5 und L5/S1" (Pos.Nr. 02.01.02 - GdB 30%). Mit Bescheid vom 6.3.2017 wurde der Antrag der BF vom 9.12.2016 auf Grund des ermittelten Gesamtgrades der Behinderung von 30% abgewiesen. Die dagegen von der BF erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.7.2017, W166 2153387-1/11E, als unbegründet abgewiesen.

2. Mit Antrag vom 21.2.2019 begehrte die BF neuerlich die Ausstellung eines Behindertenpasses. Dazu legte die BF medizinische Unterlagen vor. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten vom 3.4.2019 von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF enthält auszugsweise Folgendes: "......................

Anamnese:

Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 02.03.2017, ges. GdB 30% Zwischenanamnese:

01/2018 Distraktionsarthrodese des linken Sl-Gelenkes,

Derzeitige Beschwerden:

Ich habe starke Schmerzen im linken und rechten Beckenbereich. Ich kann kaum gehen, mit Krücken schaffe ich 100 bis 200 Meter. Sonst liege ich. Die Schmerzen strahlen etwas Richtung Kniekehle aus.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Pregabalin, Adamon, Pantoloc, Tramal

Laufende Therapie: Physiotherapie, Schwimmen

Hilfsmittel: Rollstuhl seit 05/2018

Sozialanamnese: SE mit einer Tierhandlung

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

05/2017 Rehabefund Baden nach Fusion L4/5

07/2017 Röntgenbefund Wirbelsäule beschreibt Streckstellung der HWS, dorsale Fusion L4/L5 mit Bandscheibeninterponat. Die übrigen Zwischenwirbelräume unauffällig. Die BWK und LWK normal hoch mit ebenen Deck- und Schlussplatten. Reguläre Knochenstruktur. Becken unauffällig

09/2017 MR-LWS beschreibt postoperativen Zustand mit Bandscheibeninterponat L4/5 und L5/S1. Auffällig ist ein ausgeprägtes z.B. stressreaktives KMÖ (ca. 23 mm) in der Dornfortsatzspitze des 4. LWK ohne Umgebungsreaktion. Keine signifikanten Foramenstenosen. Keine Spinalkanalstenose. Unauffällige Darstellung des Conus medullaris sowie der Cauda equina ohne Hinweis auf eine RF bzw. myelodegenerative Veränderungen.

12/2018 CT ISG beschreibt Arthrose

12/2018 Röntgenbefund beschreibt keine Beinlängendifferenz, kein Beckenschiefstand.

Vorbeschrieben, Zustand nach Distraktionsarthrodese des linken Sl-Gelenkes. Weiters Zustand nach ventraler Verblockung L5/S1, Zustand nach dorsaler Stabilisierung L4/L5 mit Bandscheibeninterponat, sonst unauffälliger Befund.

01/2019 MR linke Hüfte beschreibt. geringe Degeneration

18.03.2019 orthopädischer Befund Uni Klinik Innsbruck beschreibt kein neurologisches Defizit, Lasegue beidseits neg., beschreibt Interspinal- und Paraspinalschmerz der unteren Lendenwirbelsäule. Beschreibt weiters eine fragliche Implantatlockerung im linken ISG und empfiehlt diesbezüglich eine Abklärung mittels Szinthigraphie. Empfiehlt jedenfalls keine weiteren Operationen.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: altersentsprechend, Ernährungszustand: normal

Größe: 179,00 cm Gewicht: 67,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig, Thorax: symmetrisch, elastisch, Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz

Obere Extremitäten: Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Untere Extremitäten: Freies Gehen wird nicht ausgeführt. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische

Muskelverhältnisse. Keine auffällige Muskelverschmächtigung an den Beinen. Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich sehr zart ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.

Knie- und Sprunggelenke: sind ergussfrei, bandfest und unauffällig.

Gestrecktes Bein heben und halten ist beidseits möglich.

Bei Kompression und Distraktion am Becken werden Schmerzen im Bereich des linken Kreuzbein-Darmbein-Gelenks angegeben. Oberhalb der Symphyse quere unauffällige Narbe.

An der linken Hüfte werden endlagig Schmerzen im Bereich der Hüfte beziehungsweise am Becken hinten angegeben. Rechtes kein Endlagenschmerz.

Beweglichkeit:

Hüften S rechts 0-0-110, links 0-0-90. R (S 90°) rechts 30-0-30, links 30-0-20. Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule: Untersuchung im Stehen: Insgesamt im Lot. Die Brustkyphose ist etwas abgeflacht. Über der Lendenwirbelsäule besteht eine insgesamt etwa 12 cm lange teilweise verbreiterte mediane Narbe. Es besteht keinerlei lumbaler Hartspann. Kreuzbein-Darmbein-Gelenke beidseits deutlich druckschmerzhaft. Auch keine auffällige Verschmächtigung der Rückenmuskulatur.

Beweglichkeit: Halswirbelsäule: allseits frei. Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: beim Vorwärtsbeugen reichen die Fingerkuppen knapp unterhalb der Kniegelenke. Seitwärtsneigen jeweils 5 cm Fingerkuppen-Kniegelenksspalt-Abstand, Rotation 35-0-35.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt im Rollstuhl zur Untersuchung. Beim Entkleiden im Sitzen hilft der Lebensgefährte. Der Transfer vom Rollstuhl auf die Untersuchungsliege ist selbstständig möglich.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Zustand nach mehrfachen Operationen an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung der Segmente L4/5 und L5/S1 Unterer Rahmensatz dieser Position, da ohne höhergradiger Beweglichkeitseinschränkung und ohne relevantes neurologisches Defizit

02.01.02

30

2

Zustand nach Distraktionsarthrosdese am linken Kreuzbein-Darmbein-Gelenk Fixer Rahmensatz

02.04.01

10

Gesamtgrad der Behinderung

30v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch nicht erhöht, wegen geringer funktioneller Relevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: -----

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Leiden 2 wird zusätzlich berücksichtigt

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine Änderung

X Dauerzustand,

.................................."

4. Mit Bescheid vom 9.5.2019 wurde der Antrag der BF vom 21.5.2019 abgewiesen. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung 30% erfülle sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 30% ergeben habe und einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden daher nicht vorliegen.

5. Mit Schriftsatz vom 18.6.2019 erhob die BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 9.5.2019. Die BF brachte vor, das eingeholte Gutachten sei nicht ausreichend für die Beurteilung ihrer Leiden. Sie habe mehrfache Operationen an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung des Segmente L4/5 und L5/1 gehabt. Sie leide unter Taubheitsgefühlen im linken Bein und zwei Zehen links sowie an einem Zustand nach Distraktionsarthrosdese am linken Kreuzdarmbeingelenk. Die Leiden 1 und Leiden 2 seien nicht korrekt eingeordnet worden. Die Ausführungen des Sachverständigen seien diesbezüglich nicht nachvollziehbar. Es bestehe sehr wohl eine höhergradige Beweglichkeitseinschränkung im Lendenwirbelsäulenbereich verbunden mit neurologischen Defiziten. Die BF habe ein Taubheitsgefühl im linken Knie und der zwei Zehen links. Es käme zu massiven Schmerzzuständen, die eine Fortbewegung nur auf einer sehr kurzen Wegstrecke möglich machen würden. Dazu benötige sie unbedingt zwei Stützkrücken. Es könne damit maximal eine Weglänge von 200 Meter bewältigt werden. Auch längeres Sitzen oder Stehen sei mit Schmerzen verbunden. Die Schmerzen würden zum Einsacken der Beine führen, sodass eine Krücke unbedingt erforderlich sei. Die gegenteilige Feststellung des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar. Zur weiteren beruflichen Tätigkeit der BF in ihrer Tierhandlung werde zur Fortbewegung ein Rollstuhl verwendet. Im Hinblick auf die neurologischen Defizite sei die Einholung eines Sachverständigengutachtes aus dem Bereich der Neurologie erforderlich. Darüber hinaus sei solches aus dem Bereich der Orthopädie einzuholen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

6. Die belangte Behörde legt den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht am 24.6.2019 zur Entscheidung vor. Das Bundesverwaltungsgericht holte auf Grund des Beschwerdevorbringens ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten ein. DDr. XXXX , FÄ für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, führte im Gutachten von 14.9.2019 auf Basis einer persönlichen Untersuchung der BF auszugsweise Nachfolgendes aus:

"........................

Im Beschwerdevorbringen der BF vom 18. 6. 2019, Abl. 64-65, vertreten durch den KOBV, wird eingewendet, dass ein Zustand nach mehrfachen Operationen an der

Lendenwirbelsäule mit Versteifung L4 bis S1, Taubheitsgefühl im linken Bein und 2 Zehen links, Zustand nach Distraktionsarthrodese am linken Kreuzdarmbeingelenk vorliegen. Es liege eine höhergradige Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule vor und es bestünden neurologische Defizite. Es bestehe ein Taubheitsgefühl im linken Knie und an 2 Zehen links. Sie habe massive Schmerzzustände und könne sich nur mit 2 Stützkrücken fortbewegen. Mit Krücken könne sie nur 200 m gehen. Sie habe auch bei längerem Sitzen oder Stehen Schmerzen, die Beine würden einsacken. Zur Fortbewegung im Geschäft werde ein Rollstuhl verwendet.

Vorgeschichte:

Arthroskopie beide Kniegelenke vor etwa 10 Jahren, Meniskuslösion, Bänderriss links

Arthroskopie linkes Schultergelenk

mehrfache Operationen der Lendenwirbelsäule seit 2004,

ALIF L5/S1

01/2017 Bandscheibenoperation L4/L5 mit dorsaler Spondylodese mit BandscheibenInterponat L4/L5 und Revision mit Duranaht

01/2018 Distraktionsarthrodese linkes SI-Gelenk

Zwischenanamnese seit 04/2019:

Keine Operationen, kein stationärer Aufenthalt, keine Rehabilitation

Regelmäßige Physiotherapie viermal pro Woche, privat

Befunde:

Abl. 46 CT der LWS 13. 9. 2017 (Pedikelschrauben L4 und L5 regulär, Diskusinterponat

L4/L5 regulär, Spacer L5/S1)

MRT der LWS 25.1.2017 (Bandscheibenprolaps L4/L5 mit Tangierung L5 rechts)

Abl. 42 Operationsbericht 30. 1. 2017 (Bandscheibenresektion L4/L5, Spondylodese L4/L5 dorsal und interkorporell, Zustand nach ALF L5/S1 und 2-maliger Bandscheibenoperation

L5/S1)

Abl. 41 Röntgen Beckenübersicht und LWS (Hüftgelenk beidseits unauffällig. LWS:

Metallimplantat L5/S1 ventral)

Abl. 35-39 Entlassungsbericht Evangelisches Krankenhaus 16. 2. 2017 (Spondylodese L4/L5 am 30. 1. 2017, Revision mit Duranitrat am 31. 1. 2017)

Abl. 34 MIRT der BWS und LWS am 13. 2. 2017 (Hämatom L3 bis L5 nach Fusion der unteren LWS, kein Liqorleak)

Abl. 42-29 Entlassungsbericht RZ Baden 17. 5. 2017 (Entlassungsbefund: geblieben ist Lumboischialgie beidseits und rezidivierend auftretender Schwindel und deshalb Verwendung von einer Unterarmkrücke beim Gehen, Gangbild noch breitbeinig,

Stiegensteigen gelingt im Zustellschritt mit Anhalten)

Abl. 21 Befund Dr. XXXX Facharzt für Orthopädie 10. 7. 2017 (Tinnitusattacken, mit einer

Unterarmstützkrücke auf längere Distanzen mobil, ISG Infiltration)

Abl. 15 Befund Dr. XXXX Facharzt für Orthopädie 2. 8. 2017 (Im Juli 2017 massive

Schmerzen im Beckenbereich, mit einer Unterarmstützkrücke mobil über kurze Distanzen,

Röntgen zeigt unauffälliges Implantat, ISG am auffälligsten, Besserung durch Infiltration Schwindel in neurologischer Abklärung.)

Abl. 14 neurologisches Konsilium Krankenhaus Barmherzige Brüder 3. 8. 2017 (Schmerzen ISG rechts. Drehschwindel bei Positionswechseln mit Übelkeit und Kopfschmerzen, psychische Belastung. Kopfimpulstest nach links: Nachstellsakkade, Diagnosen: Verdacht auf postoperativen BPLS links, chronische Schmerzen, chronische Belastungssituation.

Cymbalta)

Abl. 13 MRT der LWS vom 4. 9. 2017 (Knochenmarködem LWK4)

Abl. 12 CT beider Sacroiliacalgelenke, 28. 10. 2018 (Zustand nach Arthrodese links,

Schmerzen rechts. Partielle Durchbauung des Interponat L4/L5. ISG kranial dorsal knöchern überbrückt. Sakroiliacalgelenksarthrose beidseits)

Abl. MRT der LWS vom 16. 12. 2018 (Rückbildung des Knochenmarködem LWK4. Knochenmarködem Sacroiliacalgelenke links und angedeutet rechts)

Abl. 10 Röntgen-LWS 12. 12. 2018 (Zustand nach Distraktionsarthrodese des linken SI-Gelenks, Zustand nach ventraler Verblockung L5/S1 und dorsaler Stabilisierung L4/L5 mit

Bandscheiben-Interponat)

Abl. 9 MIRT linkes Hüftgelenk mit Arthrographie am 10. 1. 2019 (Verdacht auf Fisssur im Bereich des Labrums oder anlagebedingte Veränderung, Kontrolle in einem Jahr)

Nachgereichte Befunde: keine

Sozialanamnese: ledig, keine Kinder, lebt mit Lebensgefährten in Wohnung im 4. Stockwerk mit Lift.

Berufsanamnese: selbstständig, Zoofachgeschäft, derzeit Reha Geld

Medikamente: Adamon, Pregabalin dreimal täglich

Allergien: O

Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , XXXX

Derzeitige Beschwerden:

?Beschwerden habe ich vor allem beim Sitzen und Stehen und Gehen, Schmerzen in der linken Hüfte, wenn ich auf harten Flächen sitze. Kann höchstens 200 m gehen, dann habe ich Schmerzen, die Zehen verkrampfen sich oft, die Beine versteifen sich.'

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 178 cm, Gewicht 65 kg, XXXX Jahre

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein

Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse, unauffällige gute Bemuskelung beider unterer Extremitäten.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird von der linken Hüfte bis zum linken Knie außenseitig und im Bereich der Zehen links als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitenglich.

Hüftgelenk links: kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Kniegelenk beidseits: Narbe nach Arthroskopie beidseits, sonst unauffällige stabile Gelenke.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist rechts bis 80 0, links bis 60 0 möglich Kraft proximal und distal KG 5/5 beidseits

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte

Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig

Hartspann, Klopfschmerz über der gesamten LWS. Narbe LWS median 10 cm. ISG beidseits druckdolent.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 30 cm, Rotation und Seitneigen der BWS 30° der LWS 20°. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe nicht auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt im Rollstuhl mit Halbschuhen, das Gehen im Untersuchungszimmer ist unauffällig, Einbeinstand, Zehenballenstand, Fersenstand ohne Anhalten und ohne Einsinken möglich, Einbeinsprung rechts unauffällig möglich, links zögerlich, jedoch durchführbar. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Stellungnahme, ob sich auf Grundlage des Vorbringens der BF zu ihrer Erkrankung in der Beschwerde vom 18. 6. 2019 (Abl. 64-65) und den vorgelegten medizinischen Unterlagen (Abl. 9-46) unter Berücksichtigung des bereits vorliegenden SV-Gutachtens (Abl. 47-49) eine Änderung zum GdB der BF das Leiden betreffend nach der Einschätzungsverordnung ergibt.

Es ergibt sich keine Änderung.

Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.

Die festgestellten Defizite im Bereich der Wirbelsäule wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO in vollem Umfang berücksichtigt.

In der bildgebenden Diagnostik ist ein unauffälliger Verlauf hinsichtlich Versteifung der unteren Lendenwirbelsäule und des linken Ileosakralgelenks dokumentiert.

Der postoperative Verlauf - nach Naht eines Duraleaks - ist unkompliziert, siehe Befund Rehabilitationszentrum Baden, verwendet wird eine Unterarmstützkrücke.

Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule konnten aktuell nicht festgestellt werden. Die mäßige bis mittelgradige Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule wird in der Beurteilung zur Gänze erfasst. Ein neurologisches Defizit ist nicht objektivierbar, insbesondere konnte keine motorische Schwäche festgestellt werden. Das angegebene Taubheitsgefühl in der linken unteren Extremität ist in der Beurteilung erfasst.

Ein Hinweis auf eine maßgebliche Schwindelsymptomatik konnte nicht festgestellt werden.

Anlässlich der hierorts durchgeführten Begutachtung wird ein Rollstuhl verwendet. Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung eines Rollstuhls ist jedoch nicht nachvollziehbar, siehe aktueller Status, vor allem die Gangbildbeschreibung.

Auch liegt kein aktueller Befund über ein neurologisches Funktionsdefizit vor. 2017 konnte postoperativ ein Lagerungsschwindel festgestellt werden (Abl. 14), aktuell liegt diesbezüglich kein Befund vor.

Angegeben wird, dass die Beine immer wieder einsacken. Dieses Beschwerdevorbringen ist jedoch durch sämtliche vorliegenden Befunde und das Untersuchungsergebnis nicht objektivierbar.

Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und sämtliche vorliegenden Befunde nicht begründbar.

Die mit den Funktionseinschränkungen einhergehenden Schmerzen sind in der Beurteilung berücksichtigt.

Sämtliche vorgelegten Befunde beschreiben den Krankheitsverlauf mit mehrfachen

Operationen im Bereich der Lendenwirbelsäule und Versteifung des linken Iliosakralgelenks.

Die Befunde stehen nicht in Widerspruch zu getroffener Einstufung, festgestellte Funktionseinschränkungen der LWS werden berücksichtigt.

Die vorgebrachten Argumente der Beschwerde beinhalten - unter Beachtung des Untersuchungsergebnisses und aller Unterlagen - keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass keine Änderung vorgenommen wird.

................................."

7. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten wurde dem Parteiengehör unter Einräumung einer Stellungnahmefrist unterzogen. Mit Schreiben vom 11.10.2019 brachte die BF vor, das eingeholte unfallchirurgische Gutachten sei nicht ausreichend. Es bestünden neurologische Defizite in Form von Taubheitsgefühl im linken Bein, an zwei Zehen links und in Form von Einsacken des Beins. Es sei zur Beurteilung ein Sachverständiger aus dem Bereich der Neurologie heranzuziehen. Der Ausschluss der Verwendung des Rollstuhls bzw. der zwei Stützkrücken sei nicht nachvollziehbar, zumal es sich um eine höhergradige Beweglichkeitseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule bei der BF handle. In Verbindung mit neurologischen Defiziten und massiven Schmerzzuständen sei die Verwendung dieser Hilfsmittel sehr wohl erforderlich und nachvollziehbar.

8. Vom Bundesverwaltungsgericht wurde ein weiteres neurologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Dr. XXXX , FA für Neurologie und Psychiatrie, führte nach einer persönlichen Untersuchung der BF im Gutachten von 20.12.2019 auszugsweise Nachfolgendes aus:

".........................

Anamnese: Kommt ohne Begleitung.

Es besteht ein Z.n. 6x Discus OP (zuletzt 1/18) mit weiterhin chron.

Beschwerden mit Schmerzen lumbal und Ausstrahlung in die li UE

Nervenärztliche Betreuung: Nein

Subjektive derzeitige Beschwerden: Schmerzen im Beckenbereich,

Lendenwirbelsäule, li Bein.

Sozialanamnese: lebt mit LG, hat eine Tierhandlung, kein Pflegegeld,

Medikamente (neurologisch/ psychiatrisch): Adamon, Dronabinol

Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.

Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen, Lasegue re li bei 30Gr d pos., Fersen/Zehenspitzen/Einbeinstand bds. möglich, li etwas schmerzgehemmt eingeschränkt

die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar.

Die Koordination ist intakt,

die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ.

Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben, bis auf Schmerzband L5 li bis zum Knie reichend.

Das Gangbild mit 2 Krücken relativ flüssig.

Psychiatrischer Status:

Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert, keine Antriebsstörung, Auffassung regelrecht,

Affekt ausgeglichen, Stimmungslage euthym, in beiden Skalenbereichen affizierbar, Ein- und Durchschlafstörung, keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.

Stellungnahme:

Abl.64-65, Abl.92-94

Abl.9-46, Abl.47-49, 84-87

Keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten, da eine Verschlechterung der Funktionsausfälle klinisch und befundmäßig nicht objektiviert werden kann.

Aus nervenärztlicher Sicht besteht ein Zustand nach mehrfachen Bandscheibenoperationen mit weiterhin chron. Schmerzen. Im Neurostatus kann kein maßgebliches motorisches Defizit objektiviert werden, es besteht von Seiten der Sensibilität ein Schmerzband im Bereich L5 li bis zu Knie reichend, dies ist im GdB enthalten.

Die BF kommt diesmal nicht im Rollstuhl zur Untersuchung, freies Gehen in Raum ist gut möglich.

................................."

9. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, medizinische Sachverständigengutachten vom 20.12.2019 wurde unter Einräumung einer Stellungnahmefrist dem Parteiengehör unterzogen. Die Parteien sahen von einer Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1.Die BF hatte mehrere Operationen im Bereich der Lendenwirbelsäule seit 2004. Im Jänner 2017 erfolge eine Bandscheibenoperation im Bereich L4/L5 mit dorsaler Spondylodese im Bandscheibeninterponat L4/L5 und eine Revision mit Duranaht. Auf Grund des am 9.12.2016 gestellten Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, auf Basis einer persönlichen Untersuchung der BF nach ihrer Operation eingeholt. Im Gutachten vom 28.2.2017 wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 30% ermittelt, der auf dem Leiden der BF mit dem Zustand nach mehrfachen Operationen an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung der Segmente L4/5 und L5/S1 basierte. Dazu wurde der untere Rahmensatz der Pos.Nr. 02.01.02 wegen der kurzzeitigen postoperativ noch deutlichen funktionellen Einschränkung, aber ohne motorische Defizite und der rasch zu erwartenden Besserung herangezogen. Der Antrag der BF vom 9.12.2016 wurde auf Grund des Gesamtgrades der Behinderung von 30% mit Bescheid abgewiesen. Ebenso wurde vom Bundesverwaltungsgericht die von der BF gegen den abweisenden Bescheid erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 27.7.2017, W166 2153387-1/11E, abgewiesen. Im ergänzend vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten war der beigezogene medizinische Sachverständige zu keinem anderen Ergebnis gekommen.

1.2.Im Jänner 2018 kam es zu einer Distraktionsarthrodese im linken SI-Gelenk. Die BF stellte am 21.2.2019 neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Es wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Gutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, auf Basis einer persönlichen Untersuchung der BF eingeholt. Im Zuge der persönlichen Untersuchung wurde das oben wiedergegebene Gutachten vom 3.4.2019 erstellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 30.v.H festgestellt. Dieser beruhte auf folgenden Leiden: 1. Zustand nach mehrfachen Operationen an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung der Segmente L4/5 und L5/S1 (Pos.Nr. 02.01.02 - 30% GdB) und 2. Zustand nach Distraktionsarthrosdese am linken Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Pos.Nr. 02.04.01 - 10% GdB). Für die Einstufung des Leidens 1 wurde der untere Rahmensatz der genannten Pos.Nr. herangezogen, da keine höhergradige Beweglichkeitseinschränkung und kein relevantes neurologisches Defizit vorhanden waren. Das Leiden 2 beruhte auf dem fixen Rahmensatz der Pos.Nr. 02.04.01 (Grad der Behinderung 10%). Das führende Leiden wurde nicht erhöht, da das Leiden 2 nur von geringer funktioneller Relevanz war. Es war von einem Dauerzustand auszugehen. Der Antrag der BF vom 21.2.2109 wurde auf Grund dieses Gutachtens und dem festgestellten Grad der Behinderung von 30% mit Bescheid vom 9.5.2019 abgewiesen. Die BF bekämpfte diesen abweisenden Bescheid mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

1.4. Vom Bundesverwaltungsgericht wurden die oben wiedergegeben medizinischen Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , FÄ für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 14.9.2019 und von Dr. XXXX , FA für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.12.2019 basierend auf persönlichen Untersuchungen der BF eingeholt. Die genannten Sachverständigen bestätigten die vorgenommenen Einstufungen der Leiden der BF im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 3.4.2019. Das Leiden 1 (Zustand nach mehrfacher Operation an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung der Segmente L4/5 und L5/S1) war unter die Pos.Nr. 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 30% einzustufen. Das Leiden 2 (Zustand nach Distraktionsarthrosdese am linken Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) war unter die Pos.Nr. 02.04.01. mit dem fixen Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 10% einzuordnen. Daraus resultierte ein Gesamtgrad der Behinderung von 30%, da das führende Leiden 1 infolge zu geringer funktioneller Relevanz des Leidens 2 nicht erhöht wurde.

1.5. Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 30%. Die BF erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben auszugsweise wiedergegebene, von der belangten Behörde eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 3.4.2019 (Dr. XXXX ) und die ergänzend von Bundesverwaltungsgericht eingeholten, oben wiedergegeben schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachten von DDr. XXXX und Dr. XXXX verwiesen. Basis für die Einschätzung der Leiden der BF war die Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010 idgF.

Die genannten medizinischen Sachverständigen haben die BF persönlich untersucht und sind auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzten sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den Leiden der BF und den vor ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen auseinander. Die festgestellten Funktionseinschränkungen stimmen mit den Untersuchungsergebnissen überein und sind den einzelnen Positionen der Einschätzungsverordnung nachvollziehbar zugeordnet.

Für das führende Leiden (Zustand nach mehrfacher Operation an der Lendenwirbelsäule mit Versteifung der Segmente L4/5 und L5/S1) wurde der untere Rahmensatz der Position O2.01.02 der Einschätzungsverordnung einem Grad der Behinderung von 30% herangezogen, da es an höhergradigen Beweglichkeitseinschränkungen und an relevanten neurologischen Defiziten fehlte. Dies ergibt sich auch aus den Ergebnissen der persönlichen Untersuchung der BF bei den genannten Sachverständigen. Auch der von der BF vorgelegte orthopädische Befund vom 18.3.2019 beschrieb keine neurologischen Defizite. Die festgestellten Defizite im Bereich der Wirbelsäule wurden in der Beurteilung bei der Einstufung nach der Einschätzungsverordnung in vollem Umfang berücksichtigt. Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule konnten weder bei der persönlichen Untersuchung der BF durch DDr. XXXX noch bei der durch Dr. XXXX festgestellt werden.

Bei der aktiven Beweglichkeit der Wirbelsäule stellte DDr. XXXX fest, dass die HWS in allen Ebenen frei beweglich war. Bei der BWS/LWAS bestand ein FBA von 30cm. Die Rotation und Seitenneigung der BWS betrug 30° und die der LWS 20°. Lasegue war beidseits negativ und die Muskeleigenreflexe nicht auslösbar. Die BF konnte den Einbeinstand, Zehenballenstand, Fersenstand ohne Anhalten und Einsinken absolvieren. Ein Einbeinsprung rechts war unauffällig möglich und links zögerlich durchführbar. Das Aus- und Ankleiden war der BF selbständig im Sitzen möglich. Die mäßigen bis mittelgradigen Einschränkungen der Lendenwirbelsäule wurden zu Gänze ebenso wie das Taubheitsgefühl in der linken unteren Extremität in der Beurteilung berücksichtigt. Es fehlte jedenfalls das von der BF behauptete neurologische Defizit. Solche konnten weder bei der persönlichen Untersuchung noch durch die vorgelegten Befunde objektiviert werden. Dies wurde nicht nur von DDr. XXXX in ihrem nachvollziehbaren Gutachten, sondern auch von Dr. XXXX in seinem schlüssigen Gutachten bestätigt. Dass die BF behinderungsbedingt keinen Rollstuhl benötigt, zeigte sie auch schon bei der Untersuchung durch Dr. XXXX, wo sie es unterließ, im Rollstuhl zur Untersuchung zu kommen.

Diese Einschätzungen der genannten Gutachter sind schlüssig begründet und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen der BF.

Es steht auch der BF, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Die BF hat auch gegen das abschließende schlüssige Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FA für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.12.2019, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt und dem Parteiengehör unterzogen wurde, sowie auch im Rahmen ihrer Beschwerde keinen aktuellen, aussagekräftigen medizinischen Befund oder ein medizinisches Gutachten mehr vorgelegt. Die eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , DDr. XXXX und Dr. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

3.Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Die beigezogenen medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Die von der belangten Behörde und vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen ärztlichen Sachverständigen haben sich eingehend aus medizinischer Sicht mit den Leiden der BF auseinander. Die BF ist diesen schlüssigen Ausführungen im zuletzt eingeholten Gutachten vom 20.12.2019 auch nicht mit neuen aussagekräftigen Befunden oder einem Sachverständigengutachten im Rahmen ihrer Beschwerde auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0033). Vielmehr wurde von einem Vorbringen abgesehen.

Die genannten eingeholten Sachverständigengutachten, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß von 30% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, welches Ausmaß die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF erreichen und ob dieses für die Ausstellung eines Behindertenpasses hinreichend ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurden diese als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B) (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2220398.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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