Entscheidungsdatum
18.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W173 2166134-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx und dessen Obmann RA Dr. Lennart Binder LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6.7.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.11.2018 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge BF) stellte am 10.12.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz in Österreich.
2. Bei der am 10.12.2015 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, er sei am XXXX in Kabul geboren und aufgewachsen, afghanischer Staatsangehöriger und Tadschike sunnitischen Glaubens. Er habe keine Schulausbildung und habe zuletzt als Maler gearbeitet. Er sei mit der in Kabul wohnenden XXXX -jährigen XXXX traditionell und standesamtlich verheiratet. Zuletzt habe er in Kabul gelebt, wo er vor acht Monaten den Entschluss zur Flucht gefasst habe. Über seinen Fluchtgrund befragt führte der BF aus, er habe als Maler für eine amerikanische Firma gearbeitet. Die Taliban hätten ihn bei der Arbeit gesehen und ihm gesagt, dass er nicht für diese Firma arbeiten solle und den BF bedroht. Darum sei er geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.
3. Am 23.2.2017 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (in der Folge BFA) niederschriftlich einvernommen. Der BF legte im Zuge der Einvernahme mehrere Fotografien einer Hochzeit sowie ein Empfehlungsschreiben des Vereins "Menschen für Andere" vor. Der BF gab an, er sei mit der ca. XXXX Jahre alten XXXX verheiratet, habe aber keine Kinder. Er habe seine Gattin vor ca. zweieinhalb Jahren in Kabul geheiratet. Sie lebe in Kabul. Seine Tazkira habe er auf dem Weg nach Europa verloren. Er sei vor vielen Jahren ein Jahr in Pakistan gewesen. Auf dem Weg nach Österreich habe er sechs Monate im Iran verbracht, wobei er zwei Mal nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Damit er nicht nochmal nach Afghanistan abgeschoben werde, habe er sich auf den Weg nach Europa gemacht. Bis zu seiner Ausreise habe er im Viertel XXXX in Kabul gelebt. Er habe mit seinen Eltern, drei Brüdern und zwei Schwestern und seiner Gattin in einem Haus gelebt. Außer einer im Iran lebenden Schwester würden seine Eltern, seine drei Brüder und seine zwei Schwestern noch in Afghanistan leben. Derzeit lebe seine Gattin bei ihrem Vater in Kabul. Mit seinem Bruder XXXX habe er letzten Monat telefoniert.
Er habe keine Schule besucht und sei beruflich neun Jahre lang Maler und Anstreicher gewesen. Er habe bis zu seiner Ausreise als Maler gearbeitet. 2005/2006 habe er mit dieser Arbeit begonnen. Für die Firma " XXXX " aus Kabul, die überall in Afghanistan Aufträge gehabt habe, habe er gearbeitet. Die Firma sei im Bezirk XXXX in Kabul gewesen. Es gebe auch einen ausländischen Namen der Firma, den er aber jetzt nicht kenne. Er müsste im Internet sein, denn es sei eine große Firma. Er habe Aufträge über drei bis vier Wochen auf Baustellen gehabt und sei unterwegs gewesen. Beispielsweise habe er in Jalalabad Aufträge gehabt. Als dort die Kämpfe mit den Amerikanern angefangen hätten, seien sie wieder nach Kabul gegangen. Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, für diese Firma als Maler gearbeitet zu haben. Sie hätten immer wieder von den Taliban Drohungen bekommen, weil diese Firma für die Amerikaner Aufträge erledigt habe. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass diese Firma mangels Aufträge Pleite gegangen sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Zur persönlichen Bedrohung durch Taliban führte der BF, auf dem Weg zu den Baustellen plötzlich von Taliban aufgehalten worden zu seien. Die Taliban hätten alle aufgefordert, nicht für die Amerikaner zu arbeiten. Dies habe sich drei Mal ereignet, nämlich in Jalalabad, am Flughafen in Jalalabad und in Kunduz. Die Taliban hätten sich die Daten der Mitarbeiter und die Namen der Väter aufgeschrieben und würden daher die Namen kennen. Wenn sie mit den Amerikanern unterwegs gewesen seien, hätten sie keine Probleme gegeben. In Kabul habe er keine Probleme mit den Taliban gehabt. In Kabul gebe es aber Selbstmordattentäter. Auf den Vorhalt, seit 2,5 Jahren nicht mehr für diese Firma gearbeitet zu haben, vertrat der BF die Meinung, bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Arbeit für die Amerikaner wieder das gleiche Problem zu haben. Zum Argument, nicht auch ohne Amerikaner arbeiten können, bezog sich der BF auf die vielen Selbstmordattentäter in Kabul. Er habe Angst vor Selbstmordattentäter und aus dem Iran sei er zweimal abgeschoben worden. Er sei gerne in Österreich, weil er gut behandelt werde und die Leute hier seien freundlich. Der BF gab darüber hinaus an, dass er zwei Mal wöchentlich einen Deutschkurs besuche und Federball und Fußball spiele. Verwandte oder sonstige Beziehungen in Österreich habe er nicht.
4. Mit Bescheid vom Bescheid des BFA vom 6.7.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG 2005 kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde in Spruchpunkt VI. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Im Bescheid traf die Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in Afghanistan. Eine asylrelevante Verfolgung des BF in Afghanistan liege nicht vor. Der BF habe nur die Aufforderung der Taliban, nicht mehr für diese Firma zu arbeiten, vorgebracht. Ansonsten habe er keine Probleme mit den Taliban in Kabul. Da die Firma nicht mehr existiere, gebe es keinen Hinweis darauf, warum der BF im Falle einer Rückkehr nach Kabul, wo auch seine gesamte Familie einschließlich der Gattin lebe, Probleme mit den Taliban haben sollte. Er verfüge über verwandtschaftliche Beziehungen und könnte darauf bei einer Rückkehr zur Unterstützung zurückgreifen. Kabul stehe unter der Kontrolle der Regierung. Dem BF sei eine Rückkehr in die Städte Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zumutbar. Der BF habe kein Vorbringen, wonach er einer speziellen Bedrohung ausgesetzt wäre, glaubhaft machen können. Er sei ein arbeitsfähiger, junger Mann mit Berufserfahren. Bei einer Rückführung würde er nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihrer relevanten Zusatzprotokolle verletzt werden. Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigenden Gründen lägen beim BF nicht vor. Einer Rückführung stünde nicht Art. 8 EMRK entgegen. Gegen eine Abschiebung des BF sprechende Rechte würden nicht vorliegen. Es sei zugleich eine Frist für eine freiwillige Ausreise festzulegen.
5. Mit Schreiben vom 19.7.2017 erhob der BF, zum damaligen Zeitpunkt vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Beschwerde gegen den Bescheid vom 6.7.2017 wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sämtliche Spruchpunkte wurden bekämpft. Der BF habe mit seiner Ehefrau in einer sogenannten "Mischehe" gelebt, weswegen es bereits in der Vergangenheit zu Problemen zwischen dem BF und der Familie seiner Ehefrau gekommen sei. Zum Beweis werde auf die bereits vorgelegte Heiratsurkunde verwiesen. Seine Ehefrau befinde sich bei seinen Eltern in Kabul. Der BF habe keine weiteren sozialen Kontakte nach Kabul. Eine Rückkehr ins Haus der Eltern nach Kabul sei für den BF nicht mehr möglich, da er somit auch seine Eltern einer Gefährdung aussetzen würde. Wegen der Kleidung, die er bei seiner Tätigkeit als Maler auf einer Baustelle in Jalalabad getragen habe, sei der BF von Anhängern der Taliban zu seiner Tätigkeit befragt worden, dabei seien die Daten seines Vaters aufgenommen worden. Der BF habe sich daraufhin zu einer anderen Baustelle versetzen lassen und habe kurz danach Drohbriefe wegen seiner Tätigkeit für die Amerikaner bekommen. Die Drohbriefe habe er seinem Chef vorgelegt, welcher die Briefe behalten habe. In Kunduz sei der BF wiederum ins Visier der Taliban gelangt. Dort sei er angehalten worden. Es sei ein Streit entfacht, bei dem einem Freund des BF in den Fuß geschossen worden sei. Aufgrund der Erfahrung des BF und der immer eindeutiger werdenden Drohungen der Taliban sei der BF gezwungen gewesen, aus Afghanistan zu flüchten, um sein Leben zu retten. Aufgrund seiner Tätigkeit für unter anderem auch amerikanische Auftraggeber sei der BF daher aus wohlgegründeter Furcht vor Verfolgung iSd der Genfer Flüchtlingskonvention aus Afghanistan geflohen. Dem BF drohe als angeblicher Verbündeter der Amerikaner, als westlich orientierte Person und Rückkehrer aus dem Weste erneut Verfolgung durch die Taliban.
Auch habe es die Behörde unterlassen, eine umfangreiche Befragung des BF in Bezug auf seine Beziehung zu seiner Ehefrau durchzuführen. Da seine Frau schiitischen Glaubens sei, sei die Beziehung von Anfang an problembehaftet gewesen, aber man habe es trotz des familiären Widerstands (ausgehend von beiden Familien) geschafft zu heiraten. Der BF habe nicht gewusst, dass er diesbezügliche Angaben bereits beim BFA hätten machen müssen, denn er sei verständlicherweise davon ausgegangen, dass er bezüglich relevanter Tatsachen befragt werden würde. Das im Asylverfahren ohnehin eingeschränkte Neuerungsverbot gelte im vorliegenden Fall daher nicht. Auch seien die Länderberichte veraltet und mangelhaft. In Mischehen sei man regelmäßig gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Schiitische Frauen würden gesetzlich stark benachteiligt werden. Aufgrund amtsbekannter Strukturen sei es nachvollziehbar, dass eine schiitische Frau mit Kindern keine Hilfe gegen Übergriffe ihrer sunnitischen Verwandten erwarten könne.
Weiters erfolgte in der Beschwerde eine Auflistung an sicherheitsrelevanten Zwischenfällen in Afghanistan und es wird ausgeführt, die Behörde hätte aufgrund dieser Berichte zum Ergebnis gelangen müssen, dass dem BF aufgrund seiner Verfolgung durch die Taliban in seiner Heimat Verfolgung drohe. Auf jeden Fall wäre die belangte Behörde unter Heranziehung dieser Länderberichte zur Feststellung gelangt, dass dem BF im Falle eine Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung von Art. und Art. 3 EMRK drohe. Obwohl er Verwandte in Kabul habe, könne der BF sich nicht derer Hilfe bedienen, da er auch von der Familie seiner Ehefrau bedroht werde. Die belangte Behörde treffe keine ausreichend konkreten Feststellungen zur Frage der Versorgungslage und Existenzsicherung des BF und versäume, es auch Feststellungen zu dem für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes relevanten Umstand der Tragfähigkeit des familiären Netzes zu treffen. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei unschlüssig und dem BF hätte nach einer mängelfreien Beweiswürdigung die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden müssen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den BF aufgrund des landesweiten Netzwerkes der Taliban nicht. Zumindest hätte dem BF beim vorliegenden Sachverhalt der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht möge daher eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen. In eventu sei dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen sowie festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und dem BF ein Aufenthaltstitel zu erteilen. In eventu möge der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben und an das BFA zurückverwiesen werden. Angeschlossen war eine Anmerkung von UNHCR zur Situation in Afghanistan aus dem Jahr 2016 sowie zwei Fotokopien mit Abbildungen von jungen Männern in freundschaftlichen Posen.
6. Am 1.8.2017 wurde die gegenständliche Beschwerde und der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vom BFA vorgelegt.
7. Im Zuge der Anberaumung der mündlichen Verhandlung übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den EASO Country Guidance Afghanistan 2018, sowie das LIB Afghanistan (Stand 29.6.2018) sowie die UNHCR-RL (Stand 30.8.2018) unter Einräumung einer Stellungnahmefrist. Am 29.10.2018 übermittelte der MigrantInnenverein St. Marx im Namen des BF eine schriftliche Stellungnahme. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan eine Verschlechterung erfahren habe, was durch die aktuellen Länderberichte bestätigt werden würde. Die Sicherheits- und Wirtschaftslage sei katastrophal. Dies bestätige auch die UNHCR-RL 2018. Insbesondere die Sicherheitslage in Kabul habe sich verschlechtert. Kabul sei kein sicherer Zufluchtsort mehr. Auch Personen, die als verwestlich angesehen würden, seien gefährdet. Dies gehe auch aus dem Stahlmanngutachten bzw. einem EASO-Bericht 2017 hervor. Der BF sei "verwestlicht", da er schon mehrere Jahre außerhalb Afghanistans gelebt habe und einen Akzent entwickelt habe, der ihn erkennbar mache. Er habe eine westliche Einstellung entwickelt. Eine Rückführung würde daher die Rechte des BF nach Art. 2 und Art. 3 der EMRK verletzen. Die afghanischen Behörden könnten keinen ausreichenden Schutz bieten. Auch bestünde die Gefahr, dass der BF in eine ausweglose Lage geraten würde. Der BF habe in Österreich große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen, er sei ebenso arbeitsfähig wie arbeitswillig und wäre daher in Österreich keine Belastung für die Gebietskörperschaft.
8. Am 15.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, dessen rechtlicher Vertretung und eines für die Sprache Dari bestellten Dolmetschers durch. Der BF gab an, dass er in den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt habe und die Protokolle gestimmt hätten. Bei der Einvernahme in Traiskirchen habe er gesagt, dass er 6 Monate im Iran gewesen sei. Der Dolmetscher habe entgegengehalten, dass er länger im Iran gewesen sei. Es sei ihm gesagt worden, nur die Fragen zu beantworten. Er habe nur beantworten können, was er gefragt worden sei. Was er noch sagen habe wollen, sei nicht möglich gewesen. Er habe nur 45 Minuten Zeit gehabt. Der BF hielt die bisherigen Angaben zu seiner Person aufrecht und gab an, dass er am XXXX in Kabul geboren und Tadschike sunnitischen Glaubens sei. Dari sei seine Muttersprache und er spreche auch etwas Paschtu und etwas Urdu. Paschtu habe er von den Arbeitskollegen in Kabul gelernt. Er habe viele Arbeitskollegen in einer großen amerikanischen Firma in Jalalabad, Kunduz und weiteren Provinzen Afghanistans gehabt. Er habe eine Zeit lang in Pakistan gelebt. Er habe keine Schule besucht, aber als Malerhelfer zu arbeiten begonnen und zusätzlich auf die Straße Wasser und Plastik verkauft. Sein sehgeschwächter Vater habe nicht arbeiten können. Im Alter von 11 bis 12 Jahren habe er begonnen zu arbeiten. Ab dem 6.Lebensjahr habe er sporadisch auch bei der Gemüseernte in Kabul geholfen. Er sei in Kabul aufgewachsen und habe Kabul nie verlassen. Beruflich sei er ein Jahr in Pakistan im Alter von 15-16 Jahren gewesen, wo er als Teppichklopfer gearbeitet habe, weil er in Kabul keine Arbeit gefunden habe. Seine Familie sei eher liberal eingestellt gewesen. Er sei zwar in die Moschee gegangen, aber als Kind habe ihn nicht interessiert, schreiben und lesen zu lernen.
Seine Familie habe in Kabul ein Haus im Eigentum, sei aber vor circa neun Monaten in den Iran gegangen, weil der BF Probleme gehabt habe, da er ein schiitisches Mädchen geheiratet habe. Dieses Mädchen habe er in Kabul zufällig in einer Rikscha kennengelernt. Sie hätte ihre Telefonnummern ausgetauscht und sich nach ein paar Tagen kontaktiert. Das Mädchen habe aus einer konservativen schiitischen Familie gestammt. Beim dritten Treffen habe sie ihr Cousin und Schwager gesehen und das Mädchen gefragt, was sie mit dem BF mache. Dieser Cousin sei auch ein Nachbar des BF gewesen. Danach habe sich der BF mit ihm auf der Straße gestritten. Der Cousin habe das Mädchen mit zu sich nach Hause genommen. In der Folge habe der BF seiner Mutter gesagt, dass er das Mädchen heiraten wolle. Die Mutter des BF habe für den BF um die Hand des Mädchens angehalten. Die Familie des BF (Eltern, Schwester) sei mit dem BF auch zwei Mal zur Familie des Mädchens gegangen, wobei der BF vor der Türe gewartet habe. Die Familie des Mädchens habe die Heirat verweigert. Der BF sei auch von ihrem Bruder, ihrem Cousin, der den BF erkannt habe, und ihrem Vater beschimpft und geschlagen worden. Einige Tage später habe ihn das Mädchen unter einer ihm unbekannten Nummer angerufen und gesagt, dass sie draußen auf den BF warten würde. Er sei dorthin gegangen und habe das Mädchen mit zu sich nach Hause genommen, zumal sie sich ein bisschen herrichten hätten müssen. Das Mädchen sei heimlich von zuhause weggegangen und dann zwei Tage beim BF zu Hause gewesen. Es habe keiner gewusst, wo sie sei bzw. er gewohnt hätte. Sein Nachbar - der Cousin des Mädchens - habe nämlich nicht gewusst, wo der BF wohne. Der Nachbar habe ihn nämlich nur ein paar Mal gesehen.
Eine seiner Verwandten sei Frisörin. Sie sei zu ihnen nach Hause gekommen und habe das Mädchen geschminkt. Ein Großonkel sei Imam gewesen und sei zum BF nach Hause gekommen, um die Ehe zu schließen. Nach der Eheschließung seien eineinhalb Tage vergangen, bis die Familie des Mädchens und ihr Cousin, der Nachbar des BF gewesen sei, das Haus seiner Familie gefunden habe. Der BF sei draußen gewesen und gewarnt worden, nicht nach Hause zu kommen, da die Familie des Mädchens das Haus des BF gefunden habe und gekommen sei. Die Familie des Mädchens habe das Mädchen wieder mitgenommen und den Bruder wie auch die Mutter des BF und das Mädchen geschlagen.
Die Familie des Mädchens sei mit einem Dienstauto der Regierung zum Haus des BF abends gekommen und habe den BF und dessen Familie geschlagen und das Mädchen mitgenommen. Er habe sich von einem Freund 2.000 Afghani geliehen und sei mit 10.000 Afghani aus seiner Tasche in den Bus eingestiegen und nach Nimruz gefahren. Der BF sei ca. zwei bis drei Tage nach der Eheschließung in den Iran ausgereist, den er innerhalb von 12 Tagen erreicht habe. Der BF sei immer wieder aus dem Iran abgeschoben worden, habe aber nicht in Afghanistan bleiben können. Nach Kabul habe er nicht zurückgehen können. Nach seiner vierten Einreise in den Iran sei er nach Europa weitergereist.
Die Eheschließung und Trennung von seiner Frau sei sehr traumatisch für den BF gewesen. Er habe deswegen auch Medikamente nehmen müssen. Es sei wie ein Schock in seinem Leben gewesen. Er habe deswegen auch seine Familie verlassen müssen und sie nicht weiterhin unterstützen können. Die Eheschließung sei vor cirka 4 Jahren im heißen Sommer gewesen. Sie hätten im Saur, der neben Hamal und Jawaza zu den Sommermonaten zähle, geheiratet.
Er habe bis jetzt keinen Kontakt mit seiner Ehegattin und wisse nicht, ob sie noch am Leben sei. Ein Bruder des BF habe ihm gesagt, dass das Leben der Familie des BF ganz schwierig sei, da die Verwandten der Ehefrau die Familie des BF nicht in Ruhe lassen würde. Sein Bruder sei mehrmals geschlagen worden. Sie würden nach dem BF suchen.
Seine ca. 24-jährige Ehefrau habe nach dem Abschluss der Schule nicht studieren und nicht arbeiten dürfen. Sie stamme aus einer ehrenwerten, sehr reichen Familie, deren Kinder - auch die Töchter - gut ausgebildet seien. Sie sei auch mit dem Privatauto in die Schule und nach Hause gebracht worden. Seine Frau habe vier Brüder, von denen einer bei der Nationalarmee General, einer bei der Polizei und die zwei weiteren Brüder Freiberufler seien. Seine Ehefrau habe ihm erzählt, nicht allein - sondern nur in Begleitung ihrer Schwester - hinausgehen zu dürfen. Besuche seien nur bei ihrer verheirateten Schwester erlaubt gewesen. Die Ehefrau des BF habe neben dem Privatauto auch ein Taxi oder eine Rikscha benützt, wobei sie immer in Begleitung gewesen sei. Ihre nicht konservative Schwester, die zum BF sehr lieb gewesen, sei auch beim ersten Treffen in der Rikscha sowie auch beim zweiten und dritten Treffen anwesend gewesen. Diese einzige Schwester sei mit dem Cousin mütterlicherseits verheiratet, der den BF gesehen habe.
Vor neun Monaten habe er von einem Freund, den er immer wieder kontaktiert habe, erfahren, dass seine Familie Kabul vor neun Monaten verlassen habe, da seine Familie von der Familie seiner Ehefrau "sekkiert und diskriminiert" worden sei. Der sehr reiche Cousin seiner Ehefrau, namens XXXX , dessen Nachname ihm unbekannt sei, sei ein schlechter Mensch. Sein Schwiegervater heiße XXXX . Obwohl nach diesem Vorfall seine Familie das eigene Haus vermietet und ein anderes Haus in der Stadt Kabul gemietet habe, um sich zu verstecken, sei sie mehrmals von seiner Schwiegerfamilie, die Regierungsleute seien, diskriminiert worden. Sie hätten seine Familie wiedergefunden und nicht in Ruhe gelassen worden. Sein Bruder Jalil habe die Familie des BF ernährt.
Zurzeit habe er keinen Kontakt zu seiner Familie. Er wisse auch nicht, wo seine beiden in Kabul aufhältigen, verheirateten Schwestern wohnen und wie es ihnen gehe würde. Sie hätten kein Internet, da eine Frau kein eigenes Telefon haben dürfte. Er habe noch eine weitere verheiratete im Iran lebende Schwester und drei Brüder ( XXXX - XXXX Jahre, XXXX - XXXX Jahre und XXXX - XXXX Jahre).
Der BF gab weiter an, verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben. Bei seiner im Haus seiner Familie stattfindenden Hochzeit, die 7-8 Stunden gedauert habe, seien nur cirka 20 Personen (die Kernfamilie und Verwandtschaft) anwesend gewesen. Seine Nachbarn hätten wahrscheinlich nichts mitbekommen, da sie nicht sehr laut gewesen seien. Sie hätten sich im Haus, im Zimmer und im Hof aufgehalten. Meistens seien sie drinnen gewesen, dann seien sie auch auf die Terrasse gegangen. Dort gebe es Schutzmauern und keiner sehe in den Hof.
Der BF führte weiter aus, mit seiner Frau nur einen Tag zu Hause zusammen verbracht zu haben. Am nächsten Tag nach seiner Eheschließung habe er nachmittags flüchten müssen. Auf den Vorhalt, ob der BF von seiner Frau nichts wisse und ob ihr Schicksal ihn nicht interessiere, gab der BF an, wie man jemanden vergessen könne, in den man verliebt und mit dem man verheiratet sei. Er habe sie nie vergessen. Es fehle ihm die Möglichkeit, ihr zu helfen bzw. mit ihr Kontakt aufzunehmen. Er habe niemals erfahren, wo sie sich nach seiner Flucht befunden habe. Da seine Eltern bzw. sein Vater nicht nachfragen hätten können, wo sie sich befinde bzw. wie es ihr gehe, wisse er nicht, wo sie sich befinde bzw. wie es ihr gehe. Sein gesundheitlich beeinträchtigter Vater habe das nicht machen können und sein Bruder habe Angst gehabt. Seine Schwägerin sei auch viel geschlagen worden. Es sei ihr das Telefon weggenommen worden, sodass sie keine Auskunft habe geben können. Er wisse nicht, was mit seiner Frau überhaupt sei. Seit neun Monaten wisse er auch nicht, wo seine Eltern sich befinden würden.
Zu seiner Tätigkeit als Maler führte der BF aus, bei einer amerikanischen Firma namens " XXXX " (wohl " XXXX ") gearbeitet zu haben. Er wisse nicht, ob es die Firma noch gebe. Ihr Hauptsitz sei in Kabul gewesen. Er habe einen Dienstausweis bekommen, aber diesen draußen wegen der Taliban nicht umhängen dürfen. Bei Arbeiten außerhalb Kabuls sei dies wegen der Taliban zu gefährlich gewesen. Er sei als Maler mit Arbeitskollegen je nach Auftrag zu unterschiedlichen Orten geschickt worden. Ein Arbeitskollege sei einmal von den Taliban erschossen worden. Der Arbeitskollege habe geglaubt, als Paschtune könne er mit den Taliban reden. Die Arbeit sei mit Angst verbunden gewesen. Im Fall der Bedrohung sei der Dienstort gewechselt worden, selbst wenn der Auftrag noch nicht abgeschlossen gewesen sei. In diesem Fall seien andere Maler der Firma herangezogen worden und hätten den Auftrag fertiggemacht. Auch sie seien bedroht worden. Auf Grund der Drohungen habe der BF die Firma verlassen. Einmal hätten die Taliban den BF erwischt, als er eine Hose getragen habe. Das Tragen von Hosen werde mit ausländischer Kleidung verbunden. Er sei deshalb von den Taliban geschlagen worden.
Seine Arbeitskollegen seien Paschtunen gewesen und hätten traditionelle Kleidung getragen. Trotz dieser Kleidung sei ein solcher Paschtune erschossen worden, da er beschuldigt worden sei, bei einer amerikanischen Firma zu arbeiten. Damals habe der BF eine Hose getragen, aber es habe niemand gewusst, dass er bei einer amerikanischen Firma arbeite. Er habe keinen Ausweis mitgehabt. Die mit schwarzen Tüchern verschleierten und einen Turban tragenden Taliban seien zumeist bewaffnet in einer Gruppe von 6-7 Personen gekommen und hätten versucht, unerkannt zu bleiben. Sie würden sich auch nicht mit ihren Namen vorstellen. Solche Männer seien auf ihn zugekommen. Sie hätten nur seine Hose kritisiert. Diese Hose sei von den Taliban den Ungläubigen zugeordnet worden, das gehöre nicht zu einem Afghanen. Bis zum Abend, bis es dunkel geworden sei, hätten sie ihn geschlagen. Dann habe er gehen können. Er habe ein paar Religionsfragen beantworten müssen. Durch das Schlagen sei seine Hose zerrissen. Er habe dann eine afghanische Kleidung getragen, die er in seiner Tasche mitgetragen habe. Die traditionelle Kleidung tragenden Paschtunen seien nicht belästigt worden, da die Talbian nicht erkannt hätten, dass sei bei einer amerikanischen Firma abreiten würden.
Bei einem weiteren Zwischenfall hätten sie in die Provinz Helmand fahren müssen. Sie seien in einer Kolonne der Nationalarmee und der Amerikaner unterwegs gewesen. Sie hätten dort ihren Auftrag beendet und Helmand verlassen wollen. Auf dem Rückweg sei die Kolonne von Taliban angegriffen worden. Es habe ein Feuergefecht begonnen. Sie hätten sich in einem Auto der Nationalarmee unter einer Brücke versteckt. Der Chauffeur dieses Autos habe sie in Sicherheit gebracht und sei selbst wieder zurückgefahren. Später am Nachmittag hätten sie (8-10 Personen) weitergehen wollen. Sie hätten sich in der Wüste in der Provinz Helmand auf dem Weg befunden und seien von den Taliban auf Motorrädern aufgehalten worden. Wegen ihrer Arbeitskleidung hätten die Taliban gewusst, dass sie für die Amerikaner arbeiten würden. Sie seien geschlagen worden und die Taliban hätten angeordnet, dass die Gruppe nicht mehr für die Amerikaner arbeiten dürfe, da dies eine Schande für Afghanistan sei. Sie hätten dann in die nächst Stadt weitergehen und dann nach Kabul fahren können. Der BF habe in der Folge aufgehört für die amerikanische Firma zu arbeiten. Er habe daraufhin ca. zwei Monate keine Arbeit gehabt. Dann habe sich der Vorfall mit seiner Gattin ereignet, sodass er habe fliehen müssen.
Das Arbeitsklima sei bei der amerikanischen Firma gut gewesen und er habe gut verdient. Er habe gewusst, dass Malerarbeiten bei dieser Firma in Afghanistan nicht absolut sicher seien. Es sei riskant gewesen, aber er habe es wegen des Geldes gemacht. Er sei circa 8 Monate bei dieser amerikanischen Firma gewesen.
Vor seiner Tätigkeit bei der amerikanischen Firma sei er selbständig als Maler tätig gewesen. Als Helfer habe er begonnen. Auf den Vorhalt, ob er als selbständiger Maler als Analphabet habe rechnen können, führte der BF aus, dass er über Meter und Länge nicht Bescheid gewusst habe. Er sei von einem Ingenieur kontrolliert worden und auch die Ausländer hätten die Malerarbeiten kontrolliert. Er habe damals als Selbständiger geschätzt, wie viel Farbe man brauche. Die Größe des Zimmers hinsichtlich der Flächenmaße habe ihn nicht interessiert. Er habe das Zimmer besichtigt, dann habe er einen Preis festgelegt. Bis zu seiner Flucht habe er sich ich immer in Afghanistan aufgehalten. Nur ein Jahr sei er als Helfer in Pakistan in einer Teppichknüpferei gewesen.
Er sei im Monat Sartan (= 3.Monat im Kalender) vor vier Jahren aus Afghanistan geflohen. Er sei von Kabul nach Nimruz und dann nach Pakistan und in der Folge in den Iran, wo er sich sechs Monate aufgehalten habe und drei Mal nach Nimruz abgeschoben worden sei. Die Flucht aus dem Iran nach Österreich habe ca. 2,5 Monate gedauert.
Bei einer Rückkehr befürchte der BF, getötet zu werden. Er sei von den Schwiegereltern und seinem Schwager mehrmals bedroht worden. Es handle sich dabei um mächtige Personen aus Regierungskreisen. Seine von diesen bedrohte Familie habe das Land verlassen müssen. Zuerst sei er und nach seiner Flucht sei sein Bruder geschlagen worden. Deshalb habe auch seine Familie Afghanistan verlassen müssen. Sein Freund XXXX habe ihn damals darüber informiert. Kurz nach seiner Einreise nach Österreich habe er seine Familie ein- oder zweimal angerufen, um sie über seine Ankunft in Europa zu informieren. Seine Mutter habe ihm geraten nicht mehr anzurufen. Er habe dann nur zu seinem Freund XXXX Kontakt, der ihn über die Vorfälle informiere.
In Österreich gehe er laufen und treffe sich mit österreichischen oder afghanischen Freunden. Mit der Grundversorgung könne er sein Leben finanzieren. Er helfe unbezahlt einem Bekannten bei Gartenarbeiten. Er sei kein Vereinsmitglied und sei bisher auch nicht ehrenamtlich bei der Gemeinde oder anderen Organisationen aktiv gewesen. Wenn er einen positiven Bescheid bekommen sollte, wolle er sich auch ehrenamtlich betätigen. Er wolle Deutsch bis zum Niveau B1 oder B2 lernen, um dann in einem Seniorenheim zu arbeiten. Seit drei Monaten habe er Kopfprobleme und nehme Tabletten, weil er nicht gut lernen könne. Er habe derzeit noch keine Deutschprüfung absolviert. Aber er verstehe die deutsche Sprache. Er bemühe sich aber die deutsche Sprache zu lernen und besuche eine ehrenamtliche Deutschlehrerin und einen Kurs in der Kirche, um seine Grundkenntnisse zu verbessern. Bei einem Verbleib in Österreich würde er gerne in einem Altenheim als Pfleger arbeiten.
Befragt, ob er seine Frau nachholen wolle, gab der BF an, dass er nicht wisse, was er machen könne, da er keine Informationen über ihren Aufenthalt habe. Er müsse seinen sich in Kabul in seiner Heimatgemeinde aufhaltenden Freund XXXX einmal fragen, ob er ihm Auskunft über ihren Aufenthalt geben könne. Mit seiner Familie habe er nur zwei Mal kurz nach seiner Einreise in Österreich telefoniert, weil ihm gesagt worden sei, er solle seine Familie nicht anrufen, denn wenn diese Leute kämen und eine ausländische Telefonnummer sehen würden, wäre das nicht gut. Aus Sicherheitsgründen rufe der BF nicht an. Er vertraue den Aussagen seines Freundes XXXX , der ihm alles erzähle. Abschließend bemerkte der BF alles verloren zu haben und nicht den Aufenthaltsort seiner Familie und seiner Gattin zu kennen. In Afghanistan kenne er niemanden. Er möchte dorthin nicht zurückkehren.
Im Zuge der Verhandlung wurde vom BF eine Kursbesuchsbestätigung für einen Deutschkurs auf dem Niveau A1, mehrere medizinische Befunde zu einer Schilddrüsenuntersuchung sowie Erinnerungsfotos zum Beweis seiner Integration in Österreich vorgelegt.
9. Mit Parteiengehör vom 27.2.2019 wurde dem BF das Länderinformationsblatt - Afghanistan (Stand 31.1.2019) sowie die UNHCR Richtlinien (Stand 30.8.2018) zur Kenntnisnahme und Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen übermittelt. Mit Schreiben vom 13.3.2019 erstattete der BF eine Stellungnahme, in welcher ausgeführt wurde, dass die aktuellen Berichte deutlich belegen würden, dass die Sicherheitslage Afghanistans eine tiefgreifende Verschlechterung erfahren habe. Die Befürchtungen des BF würden mit den nationalen als auch internationalen Berichten harmonisieren, sodass mit einer Abschiebung seine verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte verletzt würden. Das aktualisierte Länderinformationsblatt vom 22.1.2019 bestätige ebenfalls den BF in seinen Befürchtungen. Aus dem LIB entnehme man die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage, wie die mangelnde Effizienz und Durchschlagskraft der Zentralbehörden, jemanden wie den BF zu beschützen. Dies bestätigte auch die UNHCR-Richtlinie (30. August 2018) zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender veröffentlicht. Mit der folgenden Liste der UNHCR, die jene Personengruppen aufzähle, die einer erhöhten Gefahr unterlägen, werde verdeutlicht, dass der BF sich von der Masse der Bevölkerung abhebe und dadurch kein sicheres Leben in Afghanistan führen könne.
Seit der Veröffentlichung der Richtlinie im April 2016 habe sich die Situation in Afghanistan umso mehr verschlechtert, weswegen es unverständlich sei wie die Quote an positiven Bescheiden/Entscheidungen im Vergleich zum Vorjahr gesunken sein könne. Der Konflikt habe sich verschärft, die zivilen Opfer hätten sich vermehrt. Die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle zeige jedes Jahr einen neuen Hochpunkt an. Auch Kabul würde von diesen Geschehnissen nicht verschont. Bei der Frage, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben sei, müsse auf die persönlichen Umstände des BF Rücksicht genommen werden, unter anderem auf Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Bildungshintergrund, Behinderungen, familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, Berufshintergrund. Eine Rückschiebung sei rechtswidrig. Folge man der Richtlinie der UNHCR vom 30.8.2018, dann sei eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar, wenn der BF die Unterstützung durch ein Netzwerk habe und dieses den BF tatsächlich unterstützen werde. Die EASO komme in ihrer Country Guidance von Juni 2018 zum Schluss, dass eine interne Schutzalternative ohne Unterstützungsnetzwerk, das ihm bei der Bestreitung des Lebensunterhalts behilflich sein könnte, nicht zumutbar sei. Dabei komme dem Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks, Ortskenntnisse und sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund große Bedeutung zu. Auch müsse auf die Sicherheit ausreichend Rücksicht genommen werden, die auf Dauer gewährleistet sein müsse. Das LIB stelle klar, dass die Sicherheitssituation in Kabul sich in den letzten Jahren enorm verschlechtert und die Zahl der zivilen Opfer zugenommen habe. Diesen bedauerlichen Trend habe die UNAMA (02.2019) für das Jahr 2018 weiter bestätigen müssen. Nach der letzten Erfassung der UNAMA verzeichne Kabul 1866 zivile Opfer. Dies mache beinahe 1/5 der gesamten zivilen Opfer in Afghanistan aus. Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, dass sich die Situation in Herat (in Bezug auf die Sicherheit) leider verschlechtert habe.
In Bezug auf die Sicherheitslage der Provinz Balkh (Mazar-e Sharif) sei darauf hinzuweisen, dass das aktuelle Länderinformationsblatt als Quelle die UNAMA (02.2018) angebe. Das LIB habe zwar noch keine Aktualisierung vorgenommen, doch habe die UNAMA selbst bereits eine veröffentlicht. Dem aktuellen Bericht der UNAMA (02.2019) zufolge habe sich im letzten Jahr die Zahl der zivilen Opfer, im Vergleich zu 2017 (auf welches sich das LIB beziehe), um 76% erhöht. Die Provinz Balkh könne somit nicht mehr als ruhige Provinz angesehen werden, wenn die Quelle des LIB selbst nicht angezweifelt werden solle. Insgesamt sei daher festzuhalten, dass die Sicherheit in den Städten, die als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kämen, nicht als gegeben erachtet werden könne. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, ob der BF in den möglichen Städten aus wirtschaftlicher Sicht überleben könne. In dieser Hinsicht spiele es eine Rolle, ob der BF Zugang zu einer Unterkunft habe, ob die Infrastruktur und der Zugang zu grundlegender Versorgung (Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung, Bildung, sanitäre Infrastruktur), und eine Lebensgrundlage als gegeben erachtet werden könne, wobei auch beachtet werden müsse, ob der BF eine tatsächliche und nachhaltige Unterstützung, zur Erreichung eines angemessenen Lebensstandards, erhalten könne. Es sei auch angemerkt, dass allein die ethnische Herkunft des BF nicht gewährleistet sei, dass dieser eine tatsächliche Unterstützung durch Personen mit derselben ethnischen Herkunft erhalten werde (S 123f): Die Möglichkeit eine Erwerbstätigkeit in Herat zu finden, die ein relativ angemessenes Leben sicherstelle, sei ebenfalls nicht gegeben. Aus der Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif: Landflucht als Folge der Dürre; Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln, auf die Wohnraumbeschaffung und die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler (insbesondere von Rückkehrerinnen) entnehme man ebenfalls die bedenkliche Nahrungsmittelversorgung. Dem Bericht vom World Food Programme (Initial Market Price Bulletin for the month of September 2018 (Reported in October 2018) entnehme man, dass die Preisentwicklung für Nahrungsmitteln in den Städten Herat und Mazar-e Sharif sich im Vergleich zu den Vormonaten beziehungsweise Vorjahren verschlechtert hätten. Dies folge unter anderem aus der mangelnden Versorgung, die diese Städte seit kurzem durchmachen würden. So läge zum Beispiel die größte Verschlechterung der Preisentwicklung für Weizenkorn (im Vergleich zum Vormonat) in Herat mit 9,8 0/0. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich auch der Preis für Weizenmehl in einigen Städten erhöht. Es gebe nur sehr begrenzt formale Arbeitsplätze. Da die Aufnahmegemeinden hier mit den gleichen Problemen konfrontiert seien und den Vorrang beanspruchen würden, sei es für Binnenvertriebene und manche Rückkehrende noch schwieriger, Zugang zu Arbeitsplätzen zu erhalten. Ganz generell sei der Arbeitsmarkt in einem sehr unzuverlässigen Zustand. An einem Tag verdiene man Geld und am nächsten habe man wiederum keine Arbeit. Im Sommer gebe es in der Regel mehr Beschäftigungsmöglichkeiten, aber durch die Dürre sei es auch im Sommer des Jahres 2018 in Mazar-e Sharif zu einem erhöhten Druck auf den Arbeitsmarkt gekommen. (UNHCR, 26. November 2018a)"
Selbst in Bezug auf die Frage, ob in Herat die Möglichkeit einer angemessenen Unterkunft gegeben sei, müsse festgestellt werden, dass dies zu verneinen sei. In den letzten Jahren habe sich die Situation weiterhin verschlechtert, sodass die Möglichkeit, eine halbwegs angemessene Unterkunft zu besorgen, nicht gegeben sei.
Die Wohnungssituation in Mazar-e Sharif sei vergleichbar mit der bedenklichen Situation in Herat (Seite 73f): "Die Bewohner hätten Amnesty International erzählt, dass die Häuser die Familien nicht vor der Winterkälte oder Sommerhitze schützen würden, und die Häuser im Sommer voller Staub und Moskitos seien. Häufig müssten in einem Haus mit einem oder zwei Zimmern mehrere Familien zusammenwohnen, um die Mietkosten zu teilen.
"Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) bezieht sich in seinem im August 2017 veröffentlichten Bericht zu den sozioökonomischen Schlüsselindikatoren unter anderem in Mazar-e Sharif auf eine E-Mail-Auskunft von UNHCR Afghanistan vom März 2017.
Insgesamt sei daher festzustellen, dass in den genannten Städten ein wirtschaftliches Überleben, aufgrund der aktuellen Lage, nicht möglich sei. Speziell zu Kabul sei auch darauf hingewiesen, dass aus der letzten UNHCR-Richtlinie zu entnehmen sei, dass diese Stadt generell nicht mehr als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage komme. "UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist." (Seite 129). Diesbezüglich werde auf die Entscheidung des VfGH (E3870/2018) verwiesen, wonach eine Rückschiebung nach Kabul gegen verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte verstoßen würde.
Beim BF bestehe im Falle einer Rückkehr intensiv und realistisch die Gefahr, dass er in eine ausweglose Lage geraten und damit eine Verletzung der durch Art 2 bzw. 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde. Zur Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sei darauf hinzuweisen, dass der BF in der Zeit, die er bereits in Österreich verbracht hat, große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen, die deutsche Sprache erlernt, und soziale Kontakte entwickelt habe. Außerdem sei er ebenso arbeitsfähig wie arbeitswillig. Sollte er ein Aufenthaltsrecht in Österreich bekommen, wäre er daher keine Belastung für die Gebietskörperschaft.
Der BF ersuche daher um die Zuerkennung von Flüchtlingseigenschaft bzw. allenfalls darum, subsidiären Schutz zu gewähren, oder eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären.
10. Mit Parteiengehör vom 17.12.2019 wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt - Afghanistan (Stand 13.11.2019) zur Kenntnisnahme und Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen übermittelt. Mit Schreiben vom 9.1.2020 erstattete der BF eine Stellungnahme, in welcher ausgeführt wurde, dass von einer Verbesserung der allgemeinen Situation in Afghanistan überhaupt keine Rede sein könne, auch nicht in Kabul, wo es regelmäßig zu furchtbaren Terroranschlägen mit dutzenden oder hunderten Opfern komme, wie sich dies nun auch in der integrierten Kurzinformation des LIBs bestätige. Auch die aktualisierten Berichte würden den BF in seinen Befürchtungen bestätigen, da darin die weiterhin katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage ebenso aufgezeigt werde, wie die mangelnde Effizienz und Durchschlagkraft der Zentralbehörden, jemanden wie den BF zu beschützen, geschweige denn jemandem, der so entwurzelt sei, wie er eine Reintegration zu ermöglichen. Jedenfalls sei die Gefahr, dass er im Falle einer Abschiebung in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, daher akut.
Insbesondere die aktualisierten UNHCR Richtlinien würden deutlich aufzeigen, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative auch oder gerade in Kabul generell nicht bestehe, insbesondere für Personen wie den BF, die keinen Bezug zu Kabul und keinen Rückhalt dort hätten. Das UNHCR zeige richtigerweise auf, dass eine Rückkehr nach Kabul gegenwärtig nur mehr im Ausnahmefall zulässig sei, sowohl aufgrund der Sicherheitslage, aber auch der katastrophalen Wirtschafts- Wohnungs- und Versorgungslage, auch aufgrund der hohen Zahl an IDPs. Den Erkenntnissen des UNHCR sei diesbezüglich ein hohes Gewicht zuzumessen. Eine Abweichung von den Schlussfolgerungen des UNHCR erscheine daher sachlich nicht zulässig, insbesondere da eine IFA im hier vorliegenden Einzelfall, wo noch gravierend erhöhte Vulnerabilitäten vorlägen, und keine Anknüpfungspunkte bestünden, auf keinen Fall vorliege.
Für den Fall einer Abschiebung des BF bestehe daher die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der weiterhin ausgesprochen schlechten Situation in Afghanistan, insbesondere in seiner Heimatgegend, und wegen seiner Entwurzelung. Auch müsse auch auf die Sicherheit ausreichend Rücksicht genommen werden, die auf Dauer gewährleistet sein müsse: Das LIB stelle klar, dass die Sicherheitssituation in Kabul sich in den letzten Jahren enorm verschlechtert und die Zahl der zivilen Opfer zugenommen habe. Diesen bedauerlichen Trend habe die UNAMA (02.2019) für das Jahr 2018 weiter bestätigen müssen. Nach der letzten Erfassung der UNAMA verzeichne Kabul 1866 zivile Opfer. Dies mache beinahe 1/5 der gesamten zivilen Opfer in Afghanistan aus. Darüber hinaus müsse auch berücksichtigt werden, dass sich die Situation in Herat (in Bezug auf die Sicherheit) leider verschlechtert habe. So sage ein Bericht der Accord (Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 Seite 200), der die selbe Quelle benütze wie das LIB: Die UNAMA dokumentiere in ihrem im Februar 2018 erschienenen Jahresbericht für das Jahr 2017 in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 Getötete und 257 Verletzte). Dies entspreche einem Anstieg von 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Bezug auf die Sicherheitslage der Provinz Balkh (Mazar-e Sharif) sei darauf hinzuweisen, dass das aktuelle Länderinformationsblatt als Quelle die UNAMA (02.2018) angebe. Das LIB habe zwar noch keine Aktualisierung vorgenommen, doch habe die UNAMA selbst bereits eine veröffentlicht. Dem aktuellen Bericht der UNAMA (02.2019) zufolge habe sich im letzten Jahr die Zahl der zivilen Opfer, im Vergleich zu 2017 (auf welches sich das LIB beziehe), um 76% erhöht. Die Provinz Balkh könne somit nicht mehr als ruhige Provinz angesehen werden, wenn die Quelle des LIB selbst nicht angezweifelt werden sollte. Insgesamt sei daher festzuhalten, dass die Sicherheit in den Städten, die als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kämen, nicht als gegeben erachtet werden könne. Zur Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sei darauf hinzuweisen, dass der BF in der Zeit, die er bereits in Österreich verbracht habe, große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen, die deutsche Sprache erlernt, und soziale Kontakte entwickelt habe. Außerdem sei er ebenso arbeitsfähig wie arbeitswillig und bereits jetzt selbsterhaltungsfähig. Sollte er ein Aufenthaltsrecht in Österreich bekommen, wäre er daher keine Belastung für die Gebietskörperschaft. In Afghanistan hingegen habe er überhaupt keine Lebensperspektive, und er wäre realistisch in Gefahr, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Es werde daher ersucht, dem BF Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, bzw. allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, oder in seinem Fall aufgrund der bewiesenen Integration und seinem schon langen Aufenthalt in Österreich eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Der BF ist am XXXX in Kabul geboren und afghanischer Staatsangehöriger.
Der BF ist Tadschike sunnitischen Glaubens.
Der BF ist in Kabul aufgewachsen und hat bis zu seiner Ausreise den Großteil seines Lebens in Kabul gelebt.
Der BF spricht Dari und etwas Paschtu wie auch etwas Urdu.
Der BF hat sich bis zu seiner Ausreise außer einem Jahr in Pakistan, wo er als Helfer beim Teppichklopfen gearbeitet hat, sich in Afghanistan in Kabul aufgehalten. Der BF hat bereits in seiner Kindheit begonnen, auf der Straße Wasser und Plastik zu verkaufen sowie bei der Gemüseernte zu helfen. Er hat ursprünglich als Helfer bei Malerarbeiten begonnen zu arbeiten, um schließlich als selbständiger Maler tätig zu sein. Er hat auch nach seiner Flucht aus Afghanistan im Iran in einer Möbelfabrik gearbeitet.
Der BF hat keine Schulausbildung.
Die Familie des BF lebte in Kabul und besaß in Kabul ein Haus, wo auch der BF im Kreise seiner Familie aufgewachsen ist und bis zu seiner Ausreise in den Iran gewohnt hat.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF geht in Österreich laufen und trifft sich mit Freunden. Der BF hat bisher erfolgreich keine Prüfung für die deutsche Sprache auf Niveau A1 absolviert. Er spricht nur sehr bruchstückhaft Deutsch.
Der BF war bisher in Österreich nicht ehrenamtlich bei der Gemeinde oder anderen Organisationen aktiv.
Dem im afghanischen Kulturkreis in Kabul aufgewachsenen und mit der afghanischen Tradition und den Gebräuchen vertrauten BF stehen zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternativen in den Städten Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung. Er ist jung, gesund, arbeitsfähig und anpassungsfähig und hat Arbeitserfahrung im Bereich des Verkaufs, bei der Gemüseernte und bei der Möbelherstellung und beim Teppichklopfen gesammelt. Er war außerdem in Afghanistan jahrelang als Maler tätig.
1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der BF ist in Afghanistan keiner persönlichen und konkreten asylrelevanten Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt.
Der BF ist nicht aufgrund einer Ehe mit einer schiitischen Frau einer Verfolgung durch die Familie oder Cousin dieser Frau ausgesetzt.
Der BF ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan keiner Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt, weil er für das Unternehmen " XXXX ", welches auch Malerarbeiten für US-Amerikaner durchgeführt haben soll, als Maler gearbeitet hat.
1.3 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan (Gesamtaktualisierung 13.11.2019)
Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).
Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensges