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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des F in Linz, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, Dinghoferstraße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. März 1997, Zl. St 44-1/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. März 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, habe im Asylverfahren rechtskräftig festgestellt, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und der Beschwerdeführer in seinem Heimatland vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sicher sei. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG; es könne daher davon ausgegangen werden, daß diese Verfolgungsgründe im Beschwerdefall nicht vorlägen, da der Beschwerdeführer im darauffolgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe, und was die Fluchtgründe anlange, auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. dieses wiederholt habe. Der belangten Behörde sei es aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, daß im Asylverfahren die Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen sei und § 37 Abs. 2 FrG auf die Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus denselben Gründen abstelle, sei die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens nicht unzulässig, ja vielmehr naheliegend.
Bezüglich der Ableistung des Militärdienstes habe bereits die Erstbehörde treffenderweise vermerkt, daß es "das Recht jedes Staates der Welt" sei, seine männlichen und wehrfähigen Staatsbürger zum Militärdienst einzuberufen, wobei auch "in Staaten westlicher Prägung" wie Österreich die Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion unter strenger Strafdrohung stehe. Die Einberufung zum Militärdienst (bzw. die strafrechtliche Verfolgung wegen "Desertion und Refraktion") stelle grundsätzlich weder Folter noch unmenschliche Strafe oder ebensolche Behandlung dar (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1995, B 1818/94), noch begründe sie eine Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0621). Eine Strafdrohung, die der Sicherung des Staatswesens durch Abwehr von dieses bedrohenden Gefahren diene, habe keine Zielrichtung derart, daß sie einen Wehrdienstverweigerer als Träger einer bestimmten politischen Ansicht treffen wollte. Die Gefahr der Bestrafung im Fall der Rückkehr in seinen Heimatstaat wegen seinerzeitiger Verweigerung des Militärdienstes sei demnach mangels entsprechender Zielrichtung der Strafdrohung nicht als Bedrohung der Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner politischen Ansichten im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zu werten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnte die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst (Desertion) nur dann asylrechtlich und in weiterer Folge auch fremdenrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre bzw. wenn der Beschwerdeführer einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Gleichfalls, wenn der Beschwerdeführer während der Ableistung des Militärdienstes aus den im § 37 Abs. 2 FrG angeführten Gründen gegenüber Personen anderer Volksgruppen schlechter gestellt wäre. Genau dies treffe jedoch auf den Beschwerdeführer nicht zu bzw. wurde von ihm auch nicht behauptet.
Die vom Beschwerdeführer angeführte Hausdurchsuchung bzw. Suche nach Waffen stelle grundsätzlich keine Gefährdung/Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG dar, sondern diene zur "Kriminalitätsbekämpfung" bzw. zur "Abwehr eines Bürgerkrieges". Sollte - wie der Beschwerdeführer ausgeführt habe - dessen Bruder oder Schwägerin anläßlich einer Hausdurchsuchung tatsächlich mißhandelt worden sein (was in "keinster Weise" belegbar sei), so stelle dies einen - wenn auch bedauerlichen und aufs Schärfste zu verurteilenden - "Übergriff eines Beamten" dar.
Es lägen auch deshalb keine stichhältigen Gründe dafür vor, daß der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in sein Heimatland im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet/bedroht wäre, weil der Beschwerdeführer doch zwischenzeitig mehrmals in seinen Heimatstaat zurückgekehrt sei und in diesem Zusammenhang "keinerlei Probleme" gehabt habe.
Selbst wenn die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der Vorladung zu einer Musterung (diese Angaben seien durch keinerlei Dokumente belegt) der Richtigkeit entsprächen, so lägen weder stichhältige Gründe dafür vor, daß dies aus den im § 37 Abs. 2 FrG angeführten Gründen geschehen sei, noch daß der Beschwerdeführer bei der zukünftigen Ableistung des Militärdienstes im Vergleich mit Angehörigen anderer Volksgruppen schlechter behandelt werden würde. Selbst wenn wegen der Weigerung zur Ableistung des Militärdienstes nach dem Beschwerdeführer gefahndet würde, so stellte dies ein "souveränes Recht" seines Heimatstaates dar, welches auch mit angemessenem Zwang durchgesetzt werden könne. "Eine unmenschliche Behandlung, Strafe oder Todesstrafe" habe der Beschwerdeführer keinesfalls glaubhaft dargelegt, sondern "lapidar ausgeführt", daß er im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG in seinem Heimatstaat bedroht wäre.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Gegenschrift "wegen Arbeitsüberlastung durch Berufungs- und Beschwerdefälle" ab, legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach Auffassung der Beschwerde sei der angefochtene Bescheid mangelhaft, weil die belangte Behörde keine Ermittlung darüber angestellt habe, welche Praxis seitens der Behörde in der Bundesrepublik Jugoslawien betreffend die Einberufung von wehrpflichtigen Kosovo-Albanern im Vergleich zur Einberufung von Angehörigen anderer Volksgruppen, etwa der Serben, sowohl hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst an sich, als auch hinsichtlich der Umstände, unter denen der Militärdienst abzuleisten sei, angestellt habe. Die belangte Behörde hätte auch Ermittlungen darüber anstellen müssen, welche Praxis seitens der dortigen Behörden betreffend die gegen Wehrdienstverweigerer und Deserteure verhängten Sanktionen einerseits in bezug auf Kosovo-Albaner und andererseits in bezug auf Angehörige anderer Volksgruppen, insbesondere der serbischen, geübt werde. Der belangten Behörde sei daher eine "erschöpfende rechtliche Beurteilung" des Beschwerdefalls nicht möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe davon ausgehen können, daß der belangten Behörde "die jüngsten Berichte der internationalen Organisationen" bekannt seien. In Verkennung der Rechtslage habe die belangte Behörde zur aktuellen Situation der Kosovo-Albaner in der Bundesrepublik Jugoslawien aber keine Feststellungen getroffen. Auch die Jahresberichte von amnesty international würden die bedrohliche Situation für den Beschwerdeführer als Kosovo-Albaner in der Bundesrepublik Jugoslawien wiedergeben. Tagtäglich liefen bei amnesty international Berichte ein über Mißhandlungen und Folterungen von Angehörigen der Volksgruppe des Beschwerdeführers im Kosovo "durch die Serben".
2. Mit seinem Vorbringen macht der Beschwerdeführer auf dem Boden des Verständnisses des § 54 FrG in der hg. Rechtsprechung keine Gefährdung bzw.Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder § 37 Abs. 2 FrG glaubhaft.
Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.
Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/18/1363).
Der Hinweis auf die allgemein gespannte Situation im Heimatgebiet des Beschwerdeführers macht eine Bedrohung der genannten Art nicht glaubhaft, weil der Beschwerdeführer damit keine konkreten, seine Person betreffende einschlägige Fakten darlegt, die den Schluß auf die Annahme zulassen, er hätte im Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat dort mit der Gefahr unmenschlicher Behandlung oder der Todesstrafe (§ 37 Abs. 1 FrG) und/oder mit Bedrohung seines Lebens oder seiner Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründen zu rechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 95/18/0381). Im Grunde des § 54 Abs. 1 FrG wäre es
-
entgegen der Beschwerde - am Beschwerdeführer gelegen gewesen, eine für ihn gegebene aktuelle Bedrohung bzw. Gefährdung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder § 37 Abs. 2 FrG durch konkrete, seine Person betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte, Angaben darzutun (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 26. Juni 1997). Dies gilt
-
entgegen der Beschwerde - auch mit Rücksicht auf die in allgemeiner Form behauptete ungleiche Behandlung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen im Rahmen des Wehrdienstes in der Bundesrepublik Jugoslawien.
3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die aktuelle Situation von Kosovo-Albanern in der Bundesrepublik Jugoslawien zu erkunden, die - so wie der Beschwerdeführer - "den Militär- und Kriegsdienst" verweigert hätten, und damit "die Beweiswürdigung ... nicht gesetzmäßig ausgeübt", nicht zielführend, zumal die Grundsätze der "Amtswegigkeit des Verfahrens (§ 39 AVG) und der materiellen Wahrheitsforschung (§ 37 AVG)", auf die der Beschwerdeführerin hinweist, in Verfahren nach § 54 FrG - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0108, zum Ausdruck gebracht hat - im Zusammenhalt mit der sich aus dieser Bestimmung ergebenden verstärkten Mitwirkungspflicht des Fremden betreffend die Glaubhaftmachung einer für ihn bestehenden Bedrohung bzw. Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG (vgl. Punkt II.2.) zu sehen sind. Diese Mitwirkungspflicht verlangt, daß der Fremde - wie erwähnt - eine für ihn gegebene aktuelle Bedrohung bzw. Gefährdung der genannten Art durch konkrete, seine Person betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben dartut.
4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997180414.X00Im RIS seit
20.11.2000