Entscheidungsdatum
20.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W159 2183834-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.01.2020 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 und 9 sowie 46 und 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer gelangte (spätestens) am 13.01.2016 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am nächsten Tag erfolgten Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die polizeiliche Sicherheitsbörde gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsbürger, Hazara, schiitischer Moslem, und verheiratet zu sein sowie drei Kinder zu haben. Von Beruf sei er zuletzt Autohändler gewesen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass sein Leben in Afghanistan in Gefahr gewesen sei, denn er sei ein Gefangener des IS gewesen. Ein alter Mann habe ihm geholfen. Der IS hätte den Beschwerdeführer zwei Tage gefangen gehalten und sein Auto an sich genommen, weil er Schiite sei.
Am 13.12.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er brachte ein ÖSD Zertifikat A2 vom 07.11.2017, eine Teilnahmebestätigung zum Modul "Polizei und Sicherheit", eine Teilnahmebestätigung zum Informationsmodul "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, eine Bestätigung hinsichtlich gemeinnütziger Arbeit, zwölf Teilnahmebestätigungen an diversen Info-Modulen sowie einen Ausbildungspass des Vereins "Jung und Alt" in Vorlage. Im Zuge der Einvernahme stellte der Beschwerdeführer sein Geburtsdatum richtig und gab an, er kenne sein Geburtsdatum, weil sein Großvater es bei der Geburt aufgeschrieben habe. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und schiitischer Moslem. Er sei in der Provinz XXXX , im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren worden und aufgewachsen. Mit etwa vierzehn Jahren sei er in den Iran geflüchtet und sei mit etwa 21 Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt, um seine Frau zu ehelichen. Danach sei er in den Iran zurückgekehrt. Seine Frau sei in Afghanistan bei den Eltern des Beschwerdeführers geblieben. Er sei vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden und habe bis zu seiner Ausreise nach Österreich in seinem Heimatdorf gewohnt.
Nach seiner Rückkehr aus dem Iran hätte er sein Geld nicht verprassen wollen. Er habe sich im Bazar erkundigt und herausgefunden, dass ein großer Bedarf nach Hochzeitskleidern bestehen. Er habe ein Geschäft eröffnet und geführt, in welchem er Hochzeitsutensilien verkauft hätte. Er hätte sehr gut verdient und zusätzlich zu den Lebenserhaltungskosten seiner Familie, die Behandlungskosten des krebskranken Vaters bezahlen können. Zusätzlich habe er mit Autos gehandelt, welche er neben seinem Geschäft geparkt hätte. Er hätte keine Mitarbeiter gehabt. Er habe während er die Ware aus Kabul geholt hätte, sein Geschäft geschlossen gehalten. Seine Frau hätte im Geschäft nicht mitgearbeitet, sie hätte sich um die Landwirtschaft gekümmert, sie hätte nur bewässert, für die schwierigen Arbeiten wie das Ernten habe der Beschwerdeführer jemanden beauftragt.
Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, dass sein Vater vor etwa drei Jahren an Krebs verstorben sei. Seine Mutter, seine Ehefrau und seine drei Töchter würden im Heimatdorf leben. Ein Bruder würde in Indien leben. Er wisse nicht, wo sich sein anderer Bruder aufhalten würde. Seine Schwester würde bei einer NGO in XXXX arbeiten. Er stehe seit seiner Ausreise mit seiner Familie in Kontakt. Sie würden sich für seine Zukunft in Österreich interessieren und über Alltägliches sprechen. Seine Familie hätte kein gutes Leben in Afghanistan, da ein angespanntes Verhältnis zu Dorfbewohnern wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers bestünde. Der Beschwerdeführer erzählte, er habe auch Alkohol in seinem Laden verkauft. Die Dorfbewohner, vermutlich der Mullah, hätten dies auch den Taliban berichtet.
Zu seinem Fluchtgrund befragt erzählte der Beschwerdeführer, dass er Autos und auch Alkohol aus der Provinz Kandarhar , nahe der Grenze zu Pakistan, geholt hätte. Er hätte dann immer einen Pashtu sprechenden Fahrer gemietet, der durch das Talibangebiet gefahren sei. Der Beschwerdeführer sei Beifahrer gewesen. Der Beschwerdeführer habe mit den Fahrern vereinbart, dass sie für seine Sicherheit garantieren. Sie hätten dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sie gegen die Regierung nicht tun könnten, aber schon etwas, wenn man von den Taliban aufgehalten werde. Beim letzten Mal seien sie von den Taliban angehalten worden. Sie hätten dem Beschwerdeführer die Augen verbunden, seine Hände gefesselt und ihn in ein anderes Auto gesetzt. Er sei in ein anderes Haus gebracht worden. In der dritten Nacht sei ein alter Mann gekommen und habe ihm die Fesseln und die Augenbinde abgenommen und ihm den Weg zur befestigten Straße gezeigt. Er habe ein vorbeikommendes Auto angehalten und den Fahrer gefragt, ob er ihn nach XXXX mitnehmen könne. Als der Fahrer einen Preis von 300 Afghani genannt hätte, habe der Beschwerdeführer ihm mitgeteilt, dass er von den Taliban geflohen sei, kein Geld und kein Handy hätte, weil ihm alles abgenommen worden sei. Der Autofahrer hätte den Beschwerdeführer in den Kofferraum gesetzt und ihn nach XXXX mitgenommen. Der Beschwerdeführer hätte sich aus der Wechselstube Geld besorgt, ein Handy gekauft und den Fahrer, welchen er für die berufliche Fahrt engagiert gehabt hätte, kontaktiert. Dieser habe, da er für die Sicherheit des Beschwerdeführers garantiert hätte, dem alten Mann Geld gegeben, damit der der Beschwerdeführer flüchten hätte können. Der Beschwerdeführer habe dem Fahrer nicht geglaubt und dachte er wolle nur das Auto behalten. Wieder zu Hause hätte seine Frau ihm mitgeteilt, dass der Mullah mit einigen Leuten gekommen wäre, um nach dem Beschwerdeführer zu suchen. Da habe der Beschwerdeführer verstanden, dass man über ihn informiert sei. Er habe noch einmal den beruflichen Fahrer angerufen. Der Fahrer hätte dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Taliban über ihn Bescheid wüssten und egal an welchem Ort sich der Beschwerdeführer aufhalten würde, sie würden ihn finden. Der Fahrer sei nun nicht mehr für die Sicherheit des Beschwerdeführers zuständig, denn er habe den alten Mann für die Freilassung des Beschwerdeführers von den Taliban bezahlt. Die einzige Möglichkeit Sicherheit zu erlangen, wäre Afghanistan zu verlassen.
Nachgefragt erklärte der Beschwerdeführer er habe 40%igen und 10%igen Alkohol verkauft. Die Namen seien auf Englisch bzw. Urdu auf den Flaschen gestanden und hätten "bitteres Wasser" bedeutet. Er habe sie nicht verstanden. Er habe insgesamt fünfmal eine Bestellung abgegeben und die Flaschen mit hohem Gewinn verkauft. Er habe eine Flasche Alkohol um 800 Kaldare (Anm. Währung Pakistan) gekauft und um 1600 Afghani verkauft. Anfänglich hätten seine Kunden nicht gewusst, dass er Alkohol verkaufe. Zuletzt hätten sie es dann gewusst. Bei den Hochzeiten seien die Leute betrunken gewesen, die Leuten seien befragt worden und so sei man auf den Beschwerdeführer gekommen.
Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 15.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem § 8 Abs. 1 AslyG (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Dem Beschwerdeführer wurden 14 Tage Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung, für eine freiwillige Ausreise gegeben (Spruchpunkte IV. bis VI.).
In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers jegliche Glaubhaftigkeit abzusprechen sei. Die Ausführungen seien im höchsten Maße vage, widersprüchlich und in keiner Weise plausibel gewesen. Der Beschwerdeführer hätte den Alkoholverkauf nicht glaubhaft zu Protokoll geben können. Er habe die Behörde lediglich zu täuschen versucht, sonst hätte er von Beginn an den angeblichen Verkauf von Alkohol zu Protokoll gegeben. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer nicht angeben können, wie der Name des verkauften Alkohols laute, er habe sich lediglich darauf beschränkt, dass der Verkäufer den Alkohol als "bitteres Wasser" bezeichnet hätte. Außerdem hätte der Beschwerdeführer wirklich Alkohol in einem streng muslimischen Land verkauft, wäre er um mehr Geheimhaltung bemüht gewesen. Der Beschwerdeführer habe auch zu dem Verkaufsraum nur rudimentäre Angaben machen können. Der Beschwerdeführer sei bei der Nachfrage nach Details zu der nächsten "Geschichte" gesprungen. Er hätte auch nur angegeben, dass irgendwer die Taliban informiert hätte. Er habe auch die Kenntnisse der Bewohner und des Mullahs hinsichtlich des Alkoholverkaufs nicht glaubhaft darstellen können. Gesamtgesehen seien die Eckpfeiler der Geschichte vage und ungenügend beschrieben, sodass der Fluchtgeschichte kein Glauben geschenkt worden sei.
In Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde aus, als Flüchtling sei laut GFK anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furch aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung verfolgt werde. Die Aufzählung der Gründe sei abschließend. Die Fluchtgründe des Beschwerdeführers seien nicht asylrelevant und - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - nicht glaubhaft.
In Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine Gründe glaubhaft machen hätte können, warum ein Leben in Afghanistan für ihn unzumutbar wäre. Die allgemeine Lage im Heimatland des Beschwerdeführers würde keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG ergeben. Demnach sei auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich. Es wäre eine Rückkehr bzw. Neuansiedlung trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage im Heimatland des Beschwerdeführers im Hinblick auf die unterschiedlichen Sicherheitslagen in den Regionen und Distrikten möglich. Es sei auch davon auszugehen, dass ein Neustart in Kabul möglich sei, da er nicht zu "High Profile Zielen" zählen würde. Außerdem würde seine Tante mütterlicherseits in Kabul leben. Diese würde den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr sicherlich unterstützen. Auch könne er Unterstützung von seiner Ehefrau, seiner Mutter und dem Onkel im Heimatdistrikt erwarten.
Es lägen auch die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG nicht vor (Spruchpunkt III). Nach der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK war eine Rückkehrentscheidung auszusprechen (Spruchpunkt IV.), und damit gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung möglich sei, da für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden sei (Spruchpunkt V.). Da eine Rückkehrentscheidung nach ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist oder im Falle der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde mit Zustellung eines abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig wird, war eine Frist von 14 Tagen für die verpflichtende Ausreise zu gewähren (Spruchpunkt VI.).
Der Beschwerdeführer erhob durch den XXXX gegen diesen Bescheid, innerhalb der Beschwerdefrist, in vollem Umfang Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht. Es wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer aus religiösen bzw. politischen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und Schiit stamme aus der Provinz XXXX . Er habe ein Geschäft betrieben, in welchem er auch Alkohol verkauft habe, weshalb er von den Taliban mit dem Töten bedroht worden sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei nach ständiger Judikatur asylrelevant, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, die Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Siehe auch VwGH 2011/23/0064. Der Vertreter der belangten Behörde hätte von vorneherein dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geglaubt und das Vorbringen des Beschwerdeführers sei ungenügend gewürdigt worden.
An der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2020 nahmen der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters und ein Dolmetscher teil. Ein Vertreter der belangten Behörde, Bundesamt Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich erschien nicht.
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen und die Beschwerde aufrecht. Er gab an, er sei afghanischer Staatsangehöriger. Seine Tazkira und sein Reisepass seien in Afghanistan zurückgeblieben, weil er nicht mehr nach Hause zurückkehren hätte können. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischer Moslem. In Österreich würde er jährlich einmal in die Moschee gehen, manchmal um zu beten, manchmal um nicht zu beten. Er würde die Fastenzeit des Ramadan nicht einhalten.
Er sei in der Provinz XXXX , im Distrikt XXXX geboren worden, und habe bis zu seinem 14. Lebensjahr in seinem Heimatdorf gewohnt. Nach dem 14. Lebensjahr sei seine Familie in den Iran geflüchtet. Zu diesem Zeitpunkt seien die Taliban gekommen und die Schulen geschlossen worden. Im Iran habe er sich mind. 8 Jahre aufgehalten. Danach sei er nach Afghanistan zurückgekehrt um zu heiraten. Nach einem Aufenthalt von etwa sechs Monaten sei er wieder in den Iran um zu arbeiten. Er habe dies mehrmals wiederholt und sei schließlich vom Iran abgeschoben worden. Die letzten vier Jahre habe er sich in Afghanistan aufgehalten und habe ein Geschäft für Hochzeitsbekleidung und Zubehör eröffnet.
Er habe sich die letzten Jahre immer in XXXX aufgehalten, es sei denn er sei geschäftlich oder wegen Arztbesuche nach Kabul gereist. Er habe in seinem Heimatort, XXXX , nur vier Jahre die Schule besucht und keine Ausbildung erhalten. Im praktischen Sinne habe er das Fliesenlegen gelernt. Er habe sich seinen Lebensunterhalt, seit er 14 Jahre alt gewesen sei, immer erarbeitet. Er sei gesund gewesen und hätte gearbeitet. Im Iran habe er als Fliesen- und Steinverleger gearbeitet. In Afghanistan hätte er ein eigenes Geschäft gehabt und Hochzeitsbekleidung und sowie Autos und Alkohol verkauft.
Zu seiner Familie befragt gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter würde mit seinen Kindern in Kabul leben, sein Vater sei vor fünf Jahren an Krebs verstorben. Ein Bruder würde in Indien leben, sein zweiter Bruder sei verschwunden, als sich die Familie im Iran aufgehalten habe. Seine Schwester sei schon verheiratet und weggezogen. Sie lebe in Afghanistan, er habe keinen Kontakt zu ihr.
Er sei etwa 20 Jahre alt gewesen, als er geheiratet hätte und er habe drei Kinder, Mädchen. Die Kinder würden mit seiner Frau und mit seiner Mutter zusammenleben. Letztes Jahr, als die Taliban XXXX und XXXX angegriffen hätten, hätte die Familie XXXX verlassen und sei Richtung Kabul geflüchtet. Auf die Frage, ob in Kabul Verwandte leben würden, antwortete der Beschwerdeführer, er hätte eine Tante mütterlicherseits gehabt, wisse jedoch nicht, wo sie sich aufhalte. Seine Familie würde im Keller leben und manchmal vom Wohnungseigentümer oder von seinem Bruder aus Indien unterstützt werden. Seine Frau versuche auch ein wenig Geld dazu zu verdienen, indem sie Kleidung für die Nachbarn waschen würde. Sein Bruder in Indien habe ein Ausbildungsstipendium erhalten und arbeite in seiner Freizeit, was genau, wisse er nicht, er hätte keinen Kontakt zu seinem Bruder. Dass er die Familie unterstützen würde, habe er von seiner Frau erfahren.
Der Beschwerdeführer antwortete auf die Frage des Richters, er habe persönlich keine Probleme mit staatlichen Behördenorganen in Afghanistan gehabt. Er hätte Alkohol verkauft, obwohl dies verboten ist, um für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen: "Wenn man Kinder hat und diese ernähren muss und keine Möglichkeit hat, dann sehe ich das für mich erlaubt, auch Alkohol zu verkaufen, auch wenn es in der Religion verboten ist. Ich kann meine Kinder nicht verhungern lassen. Wenn ich dadurch meine Kinder retten kann, dann sehe ich das persönlich über jede Religion."
Der Richter meinte, er hätte in Afghanistan ja noch andere Geschäftszweige wie den Verkauf von Hochzeitsbekleidung und Zubehör sowie Autos gehabt. Der Beschwerdeführer antwortete: "Zu diesem Zeitpunkt war mein Vater auch krank und das Geld reichte nicht aus. Ich musste mich um meinen Vater kümmern."
Die Packungen des Alkohols waren auf Englisch und Urdu beschriftet, deswegen könne er den genauen Namen nicht sagen. Er könne nur ein wenig Farsi schreiben. Der Inhalt der Packungen seien Flaschen gewesen. Diese seien nur auf einem Teil etikettiert gewesen, nicht komplett. Die Schrift sei Urdu und Englisch gewesen. Er habe zwei unterschiedliche Alkohole verkauft. Einerseits 10%igen und andererseits 40%igen. Das habe er gewusst. Er habe nicht gewusst, woraus dieser Alkohol hergestellt werde. Zuvor habe er überhaupt keine Ahnung vom Alkohol gehabt. Erst hier in Österreich habe er mitbekommen, woraus Alkohol bestehe. Er hätte damals auch keine Möglichkeiten gehabt im Internet nachzuschauen oder sonst wo zu recherchieren.
Der Richter meinte, der Beschwerdeführer hätte doch den Verkäufer des Alkohols näher befragen können. Der Beschwerdeführer gab an, er hätte den Alkohol telefonisch bestellt. Er hätte es mit seinem Auto gebracht, umgeladen, hätte das Geld genommen und sei wieder gegangen. Er hätte keine Erklärungen abgegeben und der Beschwerdeführer hätte es auch nicht für notwendig gehalten, mehr darüber zu wissen.
Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe den Alkoholverkauf bei seinen beruflichen Tätigkeiten bei der polizeilichen Einvernahme nicht erwähnt, weil er immer nur kurz befragt und dann das Thema gewechselt worden sei.
Er habe Alkohol den Kunden angeboten, die Zubehör für die Hochzeit kauften und danach gefragt hätte. Er hätte Alkohol nicht an jeden Kunden verkauft, sondern nur an jene Kunden, denen er vertrauen hätte können. Auf die Frage des Richters: "Wie konnten Sie sich sicher sein, dass es sich bei Ihren Kunden nicht um Spitzel der Taliban oder der Regierung handelt?" antwortete der Beschwerdeführer: "Diese Kunden kamen nicht einmal, sondern 4-5 Mal und ich wartete bis ich sicher war, dass sie nicht von den Taliban oder Regierung sind und verkaufte ihnen auch nur eine Schachtel und nicht mehr. ... Von einer Sorte waren es 12 Flaschen und von der anderen 6. In der großen waren 1,5 Liter und in der kleinen 1 Liter"
Der Richter erkundigte sich wie der Ankauf von Alkohol funktionierte. Der Beschwerdeführer erklärte: "Ich fuhr nach XXXX , dies liegt an der Grenze von Pakistan. Ich hatte eine Telefonnummer, diese habe ich angerufen und sagte, dass ich bitteres Wasser benötige. Er fragte, welche Variante ich benötige. Ich sagte ihm dann so viel vom 10%igen und so viel vom 40%igen".
Er sei immer in einem 40 Tage Rhythmus von XXXX nach XXXX gefahren und habe in dieser Zeit zwei Kartons verkauft. Er sei von XXXX nach XXXX , dann nach Kandahar und von Kandahar nach XXXX gefahren. Der Beschwerdeführer sei mit normalen Kleintaxis hingefahren. Für die Rückfahrt habe er sich ein Auto gekauft und einen Fahrer besorgt. Der Fahrer habe das Auto bis nach XXXX durch die Gebiete der Taliban und von XXXX gefahren. Es habe keine Probleme gegeben, weil die Autos ohne Kennzeichen und Dokumente waren. In Jaghuri habe es auch mit der Regierung keine Probleme gegeben, weil dort alle Autos ohne Kennzeichen und Dokumente gewesen seien. Da die Fahrer Pashtunen waren, hätten sie dem Beschwerdeführer, einem Hazara zugesichert, ihn sicher zu den Hazara Gebieten zurück zu bringen. Die Fahrer hätten ein Naheverhältnis zu den Taliban gehabt und versichert, dass sie alles hätten lösen können. Aber gegen die Regierung hätten sie nichts machen können.
Der Richter ersuchte den Beschwerdeführer seine Entführung durch die Taliban möglichst genau zu schildern.
Der Beschwerdeführer erzählte: "Als wir zum Kontrollpunkt der Taliban kamen, haben sie uns aussteigen lassen, haben meine Hände nach hinten gebunden und unsere Augen zugebunden, damit meine ich meine und die des Fahrers. Sie haben uns in ein anderes Auto gebracht und haben untereinander auf Paschtu gesprochen und von dort weggebracht. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich nichts mehr sehen. Sie haben mich dann in ein Zimmer gebracht. In diesem Zimmer haben sie mich alleine eingesperrt. Dieses Zimmer hatte nur eine Tür und sonst nichts. Sie haben mich für zwei Tage dort festgehalten und mir in dieser Zeit nur einmal etwas zu essen gegeben. Am dritten Abend kam der ältere Mann, der etwas zu essen gebracht hatte, öffnete die Tür des Zimmers und sagte, wenn du geradeaus gehst, gelangst du zu einer asphaltierten Straße. Ich ging hinaus und war ca. drei Stunden unterwegs bis ich zu einer asphaltierten Straße kam. Das erste Mal, als er das Essen gebracht hatte, fragte ich, was sie von mir wollen. Er sagte, ich müsste auf den Mullah warten.
Ich wartete am Straßenrand bis die Autos kamen, welche von Kandahar nach Kabul fuhren. Ich fragte einen Autolenker, ob er mich nach XXXX bringen könnte. Er sagte ja und wollte 300 Afghani dafür. Ich erzählte ihm von der Sachlage und sagte, dass ich überhaupt kein Geld, Handy und auch sonst nichts bei mir hätte. Ich sagte, ich könnte auch im Kofferraum mitfahren, Hauptsache er bringt mich nach XXXX . Der Autolenker akzeptierte dies und brachte mich nach XXXX . Ich ging zu einem Geldwechsler, den ich kannte, nahm mir von ihm Geld und kaufte mir mein Handy."
Der Beschwerdeführer gab an, er könne sich nicht an den genauen Tag und das Datum erinnern. Er sei aber am nächsten Tag geflüchtet. Deshalb müsse es etwa 4 Jahre und 2 Monate zurückliegen, weil er vier Jahre in Österreich sei und zwei Monate auf der Flucht gewesen war. Die Entführung habe auf dem Weg von Kandahar nach XXXX zwischen den Bergen, im Talibangebiet stattgefunden. Die Fahrer hätten nicht gewusst, dass der Beschwerdeführer vom Mullah aus XXXX verraten worden sei, weswegen die Taliban trotz Garantie der Fahrer das Auto angehalten hätten.
Auf die Frage des Richters: "Welche Beziehung bestand zwischen dem Mullah Ihrer Ortschaft und den Taliban in den Bergen zwischen Kandahar und XXXX ?" antwortet der Beschwerdeführer: "Auch als XXXX von den Taliban angegriffen wurde, haben diese Mullahs der Orte in XXXX über die Gegebenheiten in XXXX informiert. Dies haben sie zu ihrem eigenen Gewinn gemacht, sie haben dafür Geld bekommen."
Der Beschwerdeführer sei nach zwei Tagen freigelassen worden, weil er einem alten Mann Geld dafür gegeben hätte. Die Taliban hätten den Alkohol im Auto des Beschwerdeführers entdeckt. Was mit seinem Auto und dem Alkohol geschehen sei, wisse er nicht.
Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor: "Bei der Erstbefragung durch die Polizei haben Sie von einer Entführung durch den IS gesprochen, vor dem BFA von den Taliban. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?". Der Beschwerdeführer antwortete: "Ich kann nicht sagen, ob sie IS oder Taliban waren, auf jedenfall haben sie Paschtu gesprochen. Manchmal gehören die Taliban mit den Daesh zusammen und manchmal nicht."
Nach seiner Freilassung habe der Beschwerdeführer zu Hause seine Frau angerufen. Sie hätte gesagt, dass der Mullah der Ortschaft mit einigen Dorfältesten zu Hause gewesen sei und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätte. Er habe danach den Fahrer angerufen, dieser hätte ihm gesagt, er hätte seine Pflicht mit der Freilassung des Beschwerdeführers erledigt und ihm geraten das Land zu verlassen, denn sollten ihn die Taliban erwischen würde, er seine Strafe an Ort und Stelle bekommen. Der Beschwerdeführer gab an, er habe seiner Frau keine weiteren Erklärungen gegeben, denn sie hätte vom Alkoholverkauf nichts gewusst. Hätte er es ihr erzählt, hätte sie ihn bei der Flucht verhaften lassen. Er sei nie wieder in sein Heimatdorf zurückgekehrt, da entweder der Mullah oder die Taliban ihn bestraft hätten. Der Mullah und die Taliban hätten immer Kontakt zueinander und würden sich austauschen. So sei er direkt von XXXX aus ausgereist. In Afghanistan sei es kein Problem ohne Dokumente unterwegs zu sein. Geld habe er sich vom Geldwechsler besorgt, über den das Geld des Geschäfts transferiert worden sei. Es sei kein Problem gewesen 50.000-100.000 Afghani zu erhalten, er habe es immer zurückgezahlt. Er sei nach XXXX geflüchtet, von dort zuerst nach Pakistan und von Pakistan in den Iran, alles mit Hilfe eines Schleppers.
Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe nach Afghanistan, zu seiner Frau Kontakt. Es würde ihnen gesundheitlich gut gehen. Zu der Tante mütterlicherseits in Kabul habe er keinen Kontakt. Sein Onkel sei bei den Kämpfen in XXXX getötet worden. Das sei auch der Grund gewesen, warum die Familie XXXX verlassen hätte. Er habe keine Freunde mehr in Afghanistan.
Auf die Frage des Richters, ob er aktuell gesundheitliche oder psychische Probleme habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Ich bin sehr unter Druck und leide unter Stress. Ich habe mich seit ich hier bin stark verändert. ... Im Sinne von verschlechtert. Meine Haare sind weiß geworden und ich denke immer wieder darüber nach, weil ich nicht die Möglichkeit habe zu arbeiten."
Der Beschwerdeführer gab an, er besuche derzeit einen Deutschkurs. Er hätte versucht eine Arbeit zu finden. Er würde von einem türkischen Möbelhändler eingestellt werden, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis bekäme. Der Beschwerdeführer habe die A2 Prüfung gemacht und auch eine Bestätigung erhalten, welche er bei der belangten Behörde vorgelegt habe.
Der Beschwerdeführer habe ein Jahr lang in einem Altersheim die praktische Arbeit gelernt und eine Bestätigung vorgelegt. Er hätte sein Deutsch verbessern müssen, um weiter arbeiten zu können. Er habe das angemeldete Gewerbe des Botendienstes nicht weiterverfolgt, weil er nur 100 Euro hätte dazuverdienen dürfen. Er habe österreichische Freunde gefunden.
Aufgrund des Alkoholverkaufs sehe er für sich keine Möglichkeit nach Afghanistan zurückzukehren. Die Strafe durch die Regierung sei vorgegeben. Die Taliban würden ihn mit großer Wahrscheinlichkeit köpfen.
Am Schluss der Verhandlung wurden den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (soweit verfahrensrelevant) zur Kenntnis gebracht und eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung Gebrauch. Insbesondere ausgeführt wurde, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan tiefgreifend verschlechtert habe und dass aus dem Länderinformationsblatt eine katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage sowie die mangelnde Effizienz der Behörden, den Beschwerdeführer zu beschützen, zu entnehmen sei. Weiters wurde aus einer Anfragebeantwortung zu Afghanistan betreffend Strafe bei Alkoholverkauf (von ACCORD) und (ausgiebig) aus den aktuellen UNHCR Richtlinien bezüglich afghanischer Flüchtlinge zitiert. Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass bei dem Beschwerdeführer im Falle eine Rückkehr die realistische Gefahr bestehe, dass er in eine aussichtslose Lage gerate und in seinen durch Artikel 2 bzw. 3 EMRK geschützten Rechte verletzt würde. Überdies habe sich der Beschwerdeführer bereits gut in Österreich integriert. Beantragt wurde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, allenfalls von subsidiärem Schutz.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, Hazara und schiitischer Moslem. Er wurde im XXXX in Distrikt XXXX in der Provinz XXXX , in Afghanistan geboren und wuchs dort auch bis zu seinem 14. Lebensjahr auf. Dann lebte er mit seiner Familie (wegen der Talibanherrschaft) ca. 8 Jahre im Iran, kehrte wieder nach Afghanistan zurück und heiratete, war aber immer wieder im Iran um zu arbeiten. Die letzten 4-5 Jahre hielt er sich jedoch wieder in seinem Heimatort in Afghanistan auf. Der Beschwerdeführer besuchte lediglich 4 Jahre lang die Schule, lernte jedoch im Iran den Beruf eines Fliesenlegers und war als Fliesen- und Steinverleger tätig. In Afghanistan war er selbständiger Kaufmann. Der Beschwerdeführer ist Vater von 3 Mädchen, die bei der Kindesmutter leben. Diese sind nunmehr in Kabul aufhält. Ein Bruder lebt in Indien und unterstützt die Familie.
Zu den Fluchtgründen könne mangels Glaubhaft der Angaben keine Feststellungen getroffen werden. Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer von den Taliban verfolgt wurde. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan Ende 2015 verlassen und gelangte am 13.01.2016 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich, wo er unverzüglich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen schwerwiegenden organischen oder psychischen Erkrankungen. Er behauptet, dass er nunmehr zu seiner Frau und seinen Kindern in Kabul Kontakt hat, aber nicht mehr zu seiner Tante mütterlicherseits, die ebenfalls dort lebt. In Österreich hat der Beschwerdeführer mehrere Deutschkurse besucht und ein A2 Diplom abgelegt und auch ehrenamtliche Arbeit in einem Altersheim geleistet. Er hat weiters im Oktober 2017 das Gewerbe Botendienst angemeldet, aber nicht ausgeübt. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und führt kein Familienleben in Österreich. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
1. Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).
Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
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2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))
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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:
Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
2016
2017
2018
2019