Entscheidungsdatum
24.02.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G304 2228701-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Senegal, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 27.10.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG zwecks Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.
2. Seit 27.10.2019, 12:00 Uhr, befindet sich der BF nunmehr durchgehend in Schubhaft.
3. Am 18.02.2020 erfolgte die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage zur Vornahme der Prüfung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Senegal.
1.2. Er stellte in Österreich am 16.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Über diesen Antrag erging mit Erkenntnis des BVwG vom 23.08.2018, rechtskräftig mit 24.08.2018, eine negative Entscheidung, wobei einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.
Der BF befand sich folglich zwecks Sicherung seiner Abschiebung von 27.09.2018 bis 07.01.2019 in Schubhaft.
Er stellte - aus dem Stand der Schubhaft - am 29.09.2018 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vom BFA, rechtskräftig mit 05.12.2018, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Der BF erhielt am 07.01.2019 vom BFA eine "Information über die Verpflichtung zur Ausreise", kam dieser Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nach.
1.3. Er entzog sich den österreichischen Behörden, reiste widerrechtlich unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland und stellte dort am 03.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es wurde folglich einem Rückübernahmeersuchen zugestimmt und der BF nach Österreich rücküberstellt.
1.4. Im Zuge dieser Rücküberstellung nach Österreich stellte der BF am 15.05.2019 seinen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des BFA vom 23.05.2019, rechtskräftig mit 07.06.2019, wurde dieser Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Senegal zulässig ist und gegen den BF ein Einreiseverbot (begründet mit der Mittellosigkeit des BF) erlassen.
Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF mitgeteilt, dass er ab 15.05.2019 in einem bestimmten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen habe.
Am 18.05.2019 hat sich der BF ungerechtfertigt aus der ihm zugewiesenen Betreuungsstelle entfernt. Er unterließ es, der belangten Behörde seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben.
1.5. Nachdem die Ex-Freundin des BF gegen ihn wegen schwerer Nötigung Anzeige erstattet hatte, der BF am 26.10.2019 von Polizeibeamten festgenommen, am 27.10.2019 einvernommen und über ihn mit Mandatsbescheid des BFA vom 27.10.2019 zwecks Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet worden war, kam er am 27.10.2019 in Schubhaft.
Mit Urteil von Dezember 2019 wurde der BF wegen gefährlicher Drohung zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Dieser strafrechtlichen Verurteilung liegt Folgendes zugrunde:
"Der BF hat am 26.10.2019 seine Ex-Freundin zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung und einer Schädigung am Vermögen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber telefonisch sinngemäß äußerte, er werde ihre Wohnung "zusammenhauen", ihr das Gesicht brechen, sie umbringen und sie solle lieber eine Waffe mitnehmen, wenn sie in die Wohnung komme."
1.6. Bereits am 21.09.2018, nachdem die negative Asylentscheidung des BVwG vom 23.08.2018 am 24.08.2018 in Rechtskraft erwachsen war, wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (im Folgenden: HRZ) für den BF eingeleitet.
Zuletzt wurde bereits drei Mal urgiert, das letzte Mal am 31.01.2020.
Noch am 31.01.2020 wurde mittels Verbalnote von der senegalesischen Botschaft in Deutschland mitgeteilt, dass die Daten des BF nach Senegal übermittelt wurden und der Abschluss der Überprüfung noch ausstehe.
Des Weiteren ist noch Ende des ersten Quartals dieses Jahres vorgesehen, in Österreich eine Delegation durch die senegalesische Botschaft durchzuführen, nur ein Termin steht noch nicht fest.
1.7. Der BF befindet sich nunmehr seit 27.10.2019, 12:00 Uhr, durchgehend in Schubhaft.
1.8. Er hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, keine soziale Bindung bzw. niemanden, bei dem er Unterkunft nehmen könnte, keinen ordentlichen Wohnsitz und nie eine legale Erwerbstätigkeit ausgeübt, ist demnach in Österreich somit weder familiär, sozial noch beruflich verankert.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Zuständigkeit:
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:
"§ 22a. (...)
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(...)."
Mit Vorlage des Verwaltungsaktes beim BVwG am 18.02.2020 gilt die gegenständliche Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen BF eingebracht. Das BVwG hat nunmehr zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist, und dies gegebenenfalls festzustellen.
3.2. Relevante Rechtsvorschriften und Judikatur:
3.2.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),
lautet:
"§ 76. (...).
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. (...), 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder (...). (2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt. (3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes."
Als "Fluchtgefahr" nach Art. 2 lit. n Dublin-VO gilt das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven - vom nationalen Gesetzgeber - gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die in diesem Sinne gesetzlich festgelegten Kriterien des Vorliegens von Fluchtgefahr finden sich in § 76 Abs. 3 FPG.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),
lautet:
"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(...)
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(...)."
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Der BF ist Staatsbürger von Senegal, demnach Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.
Bei der Prüfung, ob Sicherungsbedarf gegeben ist, ist nach § 76 Abs. 2a FPG im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Fest steht, dass sich der BF nunmehr seit 27.10.2019, 12:00 Uhr, durchgehend in Schubhaft aufhält.
Am 18.02.2020 erfolgte beim BVwG die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage durch das BFA, damit gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG geprüft werde, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
Der BF erfüllt mit seinem Verhalten im österreichischen Bundesgebiet mehrere Fluchtgefahr-Tatbestände nach § 76 Abs. 3 FPG:
- Der BF kam, nachdem er am 16.10.2019 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und über diesen Antrag mit Erkenntnis des BVwG vom 23.08.2018, rechtskräftig mit 24.08.2018, eine negative, durchsetzbare Entscheidung ergangen war, für den Zeitraum von 27.09.2018 bis 07.01.2019 in Schubhaft. Er stellte aus dem Stand der Schubhaft - am 29.09.2018 - einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA, rechtskräftig mit 05.12.2018, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Der BF stellte demnach am 29.09.2018, nachdem gegen ihn eine rechtskräftige, durchsetzbare, negative Entscheidung über seinen ersten Asylantrag vom 16.10.2017 erlassen worden war, während aufrechter Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dadurch hat er den Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG erfüllt.
- Da während der Schubhaft des BF vom 27.09.2018 bis 07.01.2019 kein HRZ für den BF erlangt werden konnte, wurde er am 07.01.2019 wieder aus der Schubhaft entlassen. Anstatt seiner Ausreiseverpflichtung vom 07.01.2019 nachzukommen setzte sich der BF unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland ab und stellte er dort am 03.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge seiner Rücküberstellung von Deutschland nach Österreich stellte er am 15.05.2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Durch seine mangelnde Mitwirkung an der Erlangung eines HRZ während seiner Schubhaft vom 27.09.2018 bis 07.01.2019 behinderte der BF seine beabsichtigte Abschiebung. Durch sein Verhalten, während bestehender Ausreiseverpflichtung in Österreich unter Umgehung von Grenzkontrollen nach Deutschland gereist zu sein und dort am 03.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz und im Zuge der Rücküberstellung von Deutschland nach Österreich am 15.05.2019 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben, versuchte der BF offenbar, seine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu umgehen bzw. dieser zu entgehen. Dadurch erfüllt der BF auch den Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG.
- Nachdem ihm mit Verfahrensanordnung angeordnet worden war, sich gemäß § 15b AsylG ab 15.05.2019 durchgehend in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen, hat er sich - bereits kurze Zeit nach seiner Einquartierung dort - am 18.05.2019 ungerechtfertigt aus der ihm zugewiesenen Betreuungsstelle entfernt - und es folglich unterlassen, der belangten Behörde seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Durch dieses Verhalten ist auch der Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 8 FPG erfüllt.
- Da der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige Bezugspersonen, keinen ordentlichen Wohnsitz bzw. niemanden hat, bei dem er Unterkunft nehmen könnte - die Ex-Freundin des BF, die er am 26.10.2019 gefährlich bedroht hat, gab am 27.10.2019 der belangten Behörde gegenüber am Telefon ausdrücklich an, der BF könne nicht bei ihr wohnen, die Polizei habe ihm zudem den Wohnungsschlüssel für ihre Wohnung abgenommen - und im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist bzw. keine Möglichkeit hat, sich auf legale Weise regelmäßige Erwerbseinkünfte zu verschaffen, ist mangels vorhandener familiärer, sozialer oder beruflicher Bindung auch der Fluchtgefahr-Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG erfüllt.
Unter Berücksichtigung des gesamten vom BF im Bundesgebiet gesetzten Verhaltens ist von einer anhaltenden Fluchtgefahr bzw. erhöhten Gefahr des Untertauchens auszugehen.
Die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft des BF sind zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt somit jedenfalls erfüllt.
Die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft wird zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt auch für verhältnismäßig gehalten,
- kam für den BF doch ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG nicht mehr in Frage, nachdem er durch sein ungerechtfertigtes Entfernen aus der ihm am 15.05.2019 zugewiesenen Betreuungsstelle am 18.05.2019 seine Nichtbereitschaft, einem gelinderen Mittel Folge zu leisten, unter Beweis gestellt hat, und ist jedenfalls davon auszugehen, dass der BF nicht bereit ist, sich für die belangte Behörde im Bundesgebiet verfügbar zu halten, sondern offenbar Bedacht darauf ist, einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu entgehen, was bereits aus seinem Verhalten, während aufrechter Ausreiseverpflichtung im Bundesgebiet nach Deutschland ausgereist zu sein und dort am 03.02.2019 einen Asylantrag gestellt zu haben, hervorgeht, und
- wird seine weitere Anhaltung in Schubhaft durch die gefährliche Bedrohung seiner Ex-Freundin am 26.10.2019, welche unter Berücksichtigung der Schwere der gegenüber seiner Ex-Freundin am Telefon ausgesprochenen Drohung, er werde ihre Wohnung "zusammenhauen", ihr das Gesicht brechen, sie umbringen, und sie solle lieber eine Waffe mitnehmen, wenn sie in die Wohnung komme, das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt, auch nach § 76 Abs. 2 a FPG für verhältnismäßig gehalten.
Abgesehen davon befindet sich der BF erst seit 27.10.2019, 12:00 Uhr, durchgehend in Schubhaft und wurde das HRZ-Verfahren bereits am 21.09.2018 eingeleitet und nach neuerlicher Inschubhaftnahme des BF bereits drei Mal urgiert, zuletzt am 31.01.2020. Noch am 31.01.2020 wurde mittels Verbalnote von der senegalesischen Botschaft in Deutschland mitgeteilt, dass die Daten des BF nach Senegal übermittelt wurden und der Abschluss der Überprüfung noch ausstehe. Des Weiteren ist noch Ende des ersten Quartals dieses Jahres vorgesehen, in Österreich eine Delegation durch die senegalesische Botschaft durchzuführen, nur ein diesbezüglicher Termin steht noch nicht fest.
Es wird somit zeitnah bzw. jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Frist nach § 80 FPG mit der Erlangung eines HRZ für den BF ausgegangen und folglich spruchgemäß festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, war doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar ersichtlich, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2228701.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020