TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W144 2228916-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W144 2228916-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 25.11.2019, Zl.: XXXX , aufgrund des Vorlageantrags des XXXX alias XXXX alias XXXX , XXXX alias XXXX , StA von Äthiopien, über seine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 08.11.2019, Zl. IFA: XXXX , VZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Äthiopien reiste unter Verwendung eines polnischen Visums von Heimatland auf dem Luftweg über Frankreich und Polen am 30.09.2019 nach Österreich ein, wo er in der Folge er am 04.10.2019 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Ein Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage iVm mit der Datei CVIS des BMI ergab, dass dem BF in Addis Abeba ein polnisches Visum der Kategorie C, gültig vom 26.09.2019 bis 16.10.2019, Nr. XXXX , erteilt wurde.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 04.10.2019 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg lediglich an, dass er immer schon nach Österreich habe reisen wollen, er wolle hier Marathonläufer für Österreich werden. Sein Ausreisegrund aus dem Heimatland sei "seine geheime Sache", er wolle nur soviel sagen, dass er schwul sei und im Heimatland keinerlei Rechte habe.

Das BFA richtete am 16.10.2019 unter Hinweis auf das polnische Schengen-Visum ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Polen. Polen hat seine Zuständigkeit und die Rückübernahme des BF mit Schreiben vom 23.10.2019 unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich akzeptiert.

Mit Verfahrensanordnung vom 28.10.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Dafür wurde dem BF unter einem die Organisation " XXXX " zur Beratung über die Perspektiven einer freiwilligen Rückkehr während und nach Abschluss des Verfahrens sowie zur Unterstützung, namhaft gemacht.

Im Zuge seiner Einvernahme durch das BFA vom 08.11.2019 gab der BF im Wesentlichen an, dass er gesund sei, keine Medikamente benötige und er im Bereich der Mitgliedstaaten weder Eltern, noch Kinder noch sonstige Personen habe, zu denen ein finanzielles oder besonderes Abhängigkeitsverhältnis/Beziehung bestehe. Er lebe auch mit niemandem in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, er lebe in der Betreuungsstelle. Nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, gab der BF zu Protokoll, dass er in Polen dasselbe Problem hätte, jedoch möchte, dass sein Verfahren in Österreich erledigt werde. Er sei drei Tage lang in Polen aufhältig gewesen, konkret in Warschau in einem Hotel. Er habe keinen Kontakt mit polnischen Behörden gehabt, außer am Flughafen. Nach Vorhalt der Länderfeststellungen zu Polen gab der BF an, dass er nicht wisse, ob er in Polen Rechte habe. Er habe Angst, dass ihn Polen fragen würde, warum er nach Österreich gegangen sei, und dass es deshalb (dort) schwer haben werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde I. der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

"zur Lage im Mitgliedstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in POLEN systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.

Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:

Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.

(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)

Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering sein, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.

(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2005/20/0095)

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Allgemeines zum Asylverfahren

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

Bild kann nicht dargestellt werden

(AIDA 11.3.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

3. Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Für das Jahr 2018 ist kein Fall eines Antrags auf Wiedereröffnung des Verfahrens innerhalb der Neun-Monatsfrist bekannt. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer mit aufrechtem Asylverfahren (z.B. Antrag auf Wiedereröffnung) sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.3.2019; vgl. EASO 24.10.2017).

Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

- EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

- VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Die Behörde ist verpflichtet bei Angehörigen dieser Gruppen unmittelbar nach Antragstellung zu prüfen, ob sie spezielle Bedürfnisse haben. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse medizinische und psychologische Identifikationsmechanismen vorgesehen und werden auch angewendet, wenn auch die Initiative dazu oft vom Antragsteller ausgehen muss. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an, die von NGOs als ungenügend kritisiert werden. Einige NGOs behaupten, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniert. Das Unterbringungszentrum in Debak ist für Behinderte adaptiert. Es wird von Fällen berichtet, in denen Vulnerable aufgrund mangelnder Identifizierung in geschlossene Unterbringungseinrichtungen gebracht wurden, obwohl dies gesetzlich verboten ist (AIDA 11.3.2019).

Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind entsprechend unterzubringen. Spezielle Bedürfnisse bestehen, wenn ein Antragsteller behindertengerecht, in einer medizinischen Einrichtung, in einer auf psychosoziale Betreuung spezialisierten Einrichtung, oder in einem Einzelzimmer für alleinstehende Frauen mit Kindern untergebracht werden muss bzw. angepasster Ernährung bedarf. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Vier Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können bei Bedarf in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern (AIDA 11.3.2019).

Die Gesetze sehen vor, dass für unbegleitete Minderjährige auf Antrag der Asylbehörde vom lokalen Bezirksfamiliengericht ein Vormund (kurator) bestimmt werden muss, was in der Praxis auch ausnahmslos der Fall ist. Die Frist zur Bestellung beträgt drei Tage, zu ihrer Einhaltung in der Praxis gibt es aber keine Berichte. Der Vormund ist zuständig für das Asylverfahren, soziale Betreuung und gegebenenfalls freiwillige Rückkehr, nicht jedoch für andere Lebensbereiche des UMA. In den letzten Jahren gab es in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an geeigneten Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist werden NGO-Mitarbeiter oder entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten bestellt. Der Vormund soll während des Asylinterviews des unbegleiteten Minderjährigen anwesend sein, ebenso ein Psychologe. UMA werden nicht in Unterbringungszentren für Erwachsene, sondern in Jugenbetreuungseinrichtungen in ganz Polen unergebracht. Kurzfristig (besonders in der Eingangsphase) ist auch die Unterbringung bei Pflegefamilien oder in Krisenzentren möglich. Wenn das Asylverfahren negativ ausgeht, darf der UM in der Unterbringung bleiben, in der er sich befindet. Die meisten UMA in Polen entziehen sich dem Verfahren durch Verlassen der Unterbringung, bei manchen Nationalitäten zu 100% (z.B. Vietnamesen) und ihre Verfahren werden eingestellt (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.a).

Alle Kinder in Polen unterliegen bis zum Alter von 18 Jahren der Schulpflicht. Im September 2018 besuchten 878 asylwerbende Kinder 45 öffentliche Schulen in Polen. 491 dieser Kinder lebten in Unterbringungszentren. In den Zentren gibt es Polnisch-Kurse für Kinder. Es gibt die Möglichkeit eigene Vorbereitungsklassen einzurichten, was in der Praxis auch genutzt wird (AIDA 11.3.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist mit Zustimmung des Antragstellers bzw. seines Vertreters, eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür: allgemeine medizinische Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird in der Regel die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt (AIDA 11.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

- UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.a): Unaccompanied minors, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/maloletni-bez-opieki/, Zugriff 26.6.2019

- USDOS - US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019

5. Non-Refoulement

Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist ("first country of asylum"). 2018 gab es in Polen 1.037 Unzulässigkeitsentscheidungen, davon keine wegen "first country of asylum" (AIDA 11.3.2019).

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-Backs" am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland, ungeachtet einiger einstweiliger Anordnungen des EMRK gegen die polnischen Behörden, welche Abschiebungen untersagen, wenn ein Antragsteller die Absicht äußert, einen Asylantrag zu stellen. Ein Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts vom Mai 2018 verurteilte die Grenzwache, weil diese über das Interview bezüglich des Aufenthaltszwecks nur ein zusammenfassendes Memo anstelle eines vollständigen Protokolls ausstellt. Dieses Urteil wird von der Grenzwache aber ignoriert, mit der Begründung, dass man sich an den Schengener Grenzkodex halte (AIDA 11.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002617.html, Zugriff 26.6.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002221.html, Zugriff 26.6.2019

6. Versorgung

Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), haben sie kein Recht auf Versorgung. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung für die Dauer des Verfahrens wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2018 nur in einem von 87 Fällen getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.b).

Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage. Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 11.3.2019).

Asylwerber sehen sich Sprachbarrieren gegenüber und ihr Zugang zu höherer Bildung ist eingeschränkt (USDOS 13.11.3.2019).

Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit 22 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.d).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

- UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.b): Who can obtain assistance and when, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 26.6.2019

- UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.d): Rights and obligations - applicant, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 26.6.2019

- USDOS - US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019

a. Unterbringung

Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2018 erhielten durchschnittlich 1.361 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.730 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben wollen, wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen. Selbst für Familien reicht die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.c).

In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.231 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über andere Untergebrachte bzw. über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 11.3.2019).

Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 590 Plätzen, von denen Ende 2018 insgesamt 216 belegt waren (AIDA 11.3.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

- UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 26.6.2019

b. Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten: psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).

Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen 2018 der Arzt pro 120 Asylwerber zehn Ordinationsstunden und die Krankenschwester 20 Ordinationsstunden leisteten. Für je 50 Asylwerber mehr sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Krankenschwester vorgesehen. Seit April 2017 gibt es an der Grenze zu Weissrussland eine Einrichtung, in der frisch angekommene Antragsteller einem epidemiologischen Filter unterzogen werden, um ansteckende Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren (AIDA 11.3.2019).

Die Versorgung umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden grundlegende Behandlung (Unterstützung und Beratung, sowie Diagnose psychischer Störungen) durch einen Psychologen vorgesehen, sowie je eine Stunde mehr pro 50 zusätzliche Asylwerber. Asylwerber können auch an Psychiater oder psychiatrische Spitäler überwiesen werden. Viele NGOs und einige Experten sind der Meinung, dass eine spezialisierte Behandlung von traumatisierten Antragstellern oder Folteropfern in Polen in der Praxis nicht verfügbar sei. NGOs kritisieren vor allem den Mangel an angemessener Behandlung von PTBS. Die verfügbare Behandlung wird als Intervention betrachtet, nicht als reguläre Therapie. 2018 boten spezialisierte NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Beratung und Behandlung für Asylwerber an. Das größte Hindernis beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind aber mangelnde interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachenkenntnisse. Petra Medica ist verpflichtet entsprechende Übersetzung bei Bedarf zu gewährleisten, das ist Berichten zufolge aber manchmal nicht möglich. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Antragsteller, die außerhalb der Zentren und weit weg von diesen leben, erhalten Hilfe in den Woiwodschaftshauptstädten. Termine in Gesundheitseinrichtungen werden über die Hotline von Petra Medica fixiert (AIDA 11.3.2019).

Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Die medizinische Versorgung umfasst medizinische Betreuung durch Ärzte und Krankenschwestern in den Zentren; gegebenenfalls Überweisung zu fachärztlichen Leistungen in den Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Vertragseinrichtungen; Zahngesundheit in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica zusammenarbeitet; psychologische Betreuung in Unterbringungszentren oder in besonderen Fällen Überweisung an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken; wenn nötig Überweisung zu stationärer Krankenhausbehandlung in öffentlichen oder Vertragsspitälern; Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Einschätzung des Facharztes finanziert. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Krankenrevier des nächstgelegenen Unterbringungszentrums oder vereinbart einen Besuch in einer Vertragseinrichtung unter der Hotline von Petra Medica. Grundlage für die Erbringung einer Facharztleistung ist eine entsprechende Überweisung, die gegebenenfalls im Zentrum oder von der Hotline genehmigt werden muss. Die Krankenschwester oder der Hotline-Mitarbeiter bestimmt Ort und Datum der Dienstleistung, gibt Auskunft darüber, welche Einrichtung zu besuchen ist und wie sie sich auf den Besuch vorbereiten kann. Bei medizinischen Notfällen ist jede Notaufnahme ansprechbar (PM o.D.).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 19.6.2019

- MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

- PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 26.6.2019

- UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

[ ... ]

- betreffend die Lage im Mitgliedsstaat:

Die in den Feststellungen zu POLEN angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesasylamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §5 BFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.

Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §5 BFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu POLEN nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in POLEN- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Wie im gegenständlichen Bescheid bereits angeführt, wurden Sie während der Erstbefragung durch die Polizei und in Ihrem Parteiengehör vom 04.10.2019 durch einem Organwalter zu Ihrem Aufenthalt in Polen befragt. Hierzu teilten Sie mit, aufgrund eines Marathonlaufes ein polnisches Visum erhalten zu haben. Aus Angst durch die polnische Behörde abgeschoben zu werden, haben Sie Polen verlassen und sind in Österreich eingereist.

In Ihrem Parteiengehör vom 08.11.2019 gaben Sie weiters an, 3 Tage in einem Hotel in Warschau aufhältig gewesen zu sein. Kontakt mit der Behörde hätten Sie lediglich am Flughafen gehabt. Sie möchten jedoch nicht nach Polen zurückkehren, da die mitgereisten Security bei der Marathon Veranstaltung ebenfalls aus Äthiopien stammten. Die Behörde kann Ihr Vorbringen nicht nachvollziehen. Zumal Sie keinerlei Gründe für eine Problematik mit den äthiopischen Security anführten und diese laut Ihren Angaben zufolge, dem weitern nach dem Ende des Marathons nach Äthiopien zurückkehrten.

Selbst im Falle von Streitigkeiten mit Dritten haben Sie jedenfalls die Möglichkeit, sich in Polen an die dortigen Polizeibehörden zu wenden. Dass Ihnen dies -unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet- nicht möglich oder zumutbar wäre, hat sich im Verfahren nicht ergeben.

Betreffend Ihrem Vorbringen, nicht zu wissen ob Sie in Polen Rechte haben, wird angemerkt, dass der angeführte Mitgliedstaat einer Übernahme Ihrer Person gem. Art. 12.2 der Dublin III VO zugestimmt hat. In Polen ist das Asylverfahren ebenso gesetzliche geregelt wie in Österreich. Der angeführte Mitgliedstaat hat sich dazu verpflichtet Ihr Asylverfahren inhaltlich zu prüfen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei begründeter Verfolgung in Ihrem Heimatland Polen Ihnen keine Schutzgewähr leisten würden. Im Weitern wird auf die oa. Länderfeststellung verwiesen, dass es keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer gibt. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Polen im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in POLEN Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Es wurde kein hinreichend konkretes Vorbringen dahingehend erstattet und es liegen auch keine notorischen Informationen vor, dass der rechtliche und faktische Standard des Asylverfahrens in POLEN per se die Verletzung der EMRK im Fall der Effektuierung eines negativen Verfahrensausganges wahrscheinlich erscheinen ließe.

Der Vollständigkeit halber sei weiters darauf hingewiesen, dass es sich im Falle von POLEN um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates handelt, bei welchem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang, nicht eintreten wird.

In POLEN ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet ist, wie sich aus den Feststellungen zu POLEN ergibt. Dass Ihnen Versorgungsleistungen für Asylwerber in POLEN in rechtswidriger Weise vorenthalten werden könnten, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in POLEN gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach POLEN Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in POLEN ausreichende Versorgung gewährleistet ist.

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Rates sind für POLEN folgende Richtlinien beachtlich:

- Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG bzw. neu 2011/93/EU) im Hinblick auf die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Äthiopienen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen.

- Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2005/85/EG des Rates bzw. neu 2011/93/EU) hinsichtlich der Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.

- Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG bzw. neu 2011/93/EU) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

Gegen POLEN hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand -ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass POLEN die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in POLEN im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

[ ... ]

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in POLEN nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in POLEN ergeben.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass POLEN einer Übernahme Ihrer Person am 24.10.2019 gem. Art. 12.2 der Dublin III VO zugestimmt hat. Dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in POLEN verweigert wird, kann von hs. Behörde nicht festgestellt werden. Eine Schutzverweigerung in POLEN kann daher auch nicht erwartet werden."

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO formell erfüllt (und implizit sohin Polen für die Prüfung des Antrages zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Der im Spruch genannte Staat sei bereit, den BF einreisen zu lassen und seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Gefahr der Verletzung der EMRK oder eine systematische notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte seien in Polen nicht zu erkennen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Weiters lägen keine ausreichenden humanitären Gründe gem. Art. 16 und 17 Abs. 2 leg.cit. vor. Die Ausweisung des BF stelle mangels familiärer Bindungen und dem Umstand, dass seine Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet seit Februar 2019 als zu kurz zu bezeichnen sei, keine Verletzung von Art. 8 EMRK dar.

Mit Verfahrensanordnung vom 08.11.2019 wurde dem BF für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Organisation XXXX amtswegig zur Seite gestellt.

Der angefochtene Bescheid sowie die zuletzt genannte Verfahrensanordnung wurden dem BF am 13.11.2019 rechtswirksam durch eigenhändige Übernahme zugestellt.

Nach Zustellung des Bescheides übermittelte der BF nach Rücksprache mit seinem Rückkehrberater des XXXX einen mit 15.11.2019 datierten Beschwerdeverzicht.

Nachfolgend erhob der BF über seinen gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG zur Seite gestellten Rechtsberater XXXX mit Schriftsatz vom 21.11.2019 Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, dass der Rechtsmittelverzicht des BF vom 15.11.2019 irrtümlich erfolgt sei, da er ein Dokument unterschrieben, aber seinen Inhalt nicht gekannt habe. Eine Kopie dieses Dokumentes habe er nicht erhalten.

In inhaltlicher Hinsicht führte der BF aus, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, die Länderfeststellungen zur Lage in Polen sich im Wesentlichen auf rechtliche Vorgaben und organisatorische Strukturen bezögen, ohne auf die tatsächliche Situation von Flüchtlingen in Polen Rücksicht zu nehmen. Der BF sei als homosexuelle Person besonders vulnerabel. Mitte Oktober sei auf "welt.de" zur Situation von Homosexuellen in Polen ein Artikel veröffentlicht worden, wonach es aggressive Kampagnen gegen sexuelle Minderheiten in Polen gebe. Bei LGBTQ- Paraden komme es oftmals zu tätlichen Angriffen. Hilfsorganisationen für sexuelle Minderheiten würden davon berichten, dass die Grundrechte von Angehörigen dieser Personengruppe in Polen schwer verletzt werden würden. Es gebe in Polen auch Rassismus und Übergriffe gegen Asylwerber. Schließlich sei keine individuelle Zusicherung Polens über eine adäquate Unterbringung des BF eingeholt worden. Letztlich wurde mangelhafte Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt und ausgeführt, dass Österreich zum Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet gewesen wäre.

Die Beschwerde wurde sodann mit Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 25.11.2019, Zl. XXXX , als verspätet zurückgewiesen. Begründend führte das BFA aus, dass durch den Rechtsmittelverzicht des BF die erstinstanzliche Entscheidung bereits am 15.11.2019 rechtskräftig geworden sei.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde am 27.11.2019 zugestellt, mit Schriftsatz vom 06.12.2019 brachte der BF fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht ein. Unter einem wurde unter Verweis auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sinngemäß ausgeführt, dass eine Rückkehrberatung durch den Verein Menschenrechte Österreich nicht die Rechtsberatung für ein Beschwerdeverfahren zu ersetzen vermag.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Besondere, in der Person des Antragstellers gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Der BF ist gesund, er hat keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, wo er sich seit 30.09.2019 aufhält. Er ist homosexuell und befürchtet, dass er in Polen mit einer ablehnenden Haltung der Gesellschaft gegenüber seiner sexuellen Neigung konfrontiert wäre. Konkrete Übergriffe hat er während seines kurzen Aufenthaltes in Polen nicht erlebt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zu seinem polnischen Visum ergeben sich aus dem Akt des BFA und dem darin befindlichen Vorbringen des BF, sowie aus der CVIS-Datei des BMI und dem Antwortschreiben der polnischen Behörden.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen und familiären Situation des BF ergeben sich aus seinem Vorbringen.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur polnischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

Die Feststellung, dass der BF homosexuell ist und eine ablehnende Haltung der polnischen Gesellschaft gegenüber sexuellen Minderheiten befürchtet, ergibt sich aus seinem Vorbringen iVm dem Beschwerdeschriftsatz

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

"KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des

Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines

seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im We

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten