Entscheidungsdatum
02.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W114 2200132-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien AST, vom 25.05.2018, Zl. 1101864707-160066826, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.02.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX , geboren am XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und - nach eigenen Ausführungen - ehemaliger schiitischer Moslem, stellte am 12.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei der am 13.01.2016 erfolgten Erstbefragung vor der Landespolizeidirektion Steiermark - Polizeiinspektion Schwanberg, gab der Beschwerdeführer an, am XXXX in der afghanischen Provinz Daikundi geboren zu sein. Seine Muttersprache sei Dari und er habe die letzten acht Jahre vor seiner Ausreise im Iran gelebt. Seine Eltern und seine vier Schwestern würden im Iran, in der Provinz Ghom (auch Qom) leben. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er habe sieben Jahre lang im Iran eine Grundschule besucht. Der Beschwerdeführer sei schlepperunterstützt aus dem Iran ausgereist. Diese Ausreise habe sein Vater organisiert. Die Kosten der Reise hätten EUR 2.800,- betragen. Das Reiseziel des BF sei von Anfang an Österreich gewesen, da er von seinem iranischen Lehrer gehört habe, dass unbegleitete Minderjährige in Österreich eine gute Unterstützung erhalten würden.
Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er vor etwa acht Jahren mit seiner Familie in den Iran ausgewandert sei. Afghanen würden im Iran keine gute Arbeit bzw. keinen guten Lohn erhalten oder in den Krieg nach Syrien geschickt werden. Daher habe er den Iran verlassen. Zudem sei seine Familie von der iranischen Gesellschaft schlecht behandelt worden. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er als Schiite getötet werden würde.
3. Ausgehend von einem eingeholten Sachverständigengutachten zur Feststellung seines Alters wurde das Geburtsdatum des BF mit XXXX festgesetzt.
4. In einer Stellungnahme vom 05.07.2017 übermittelte der BF verschiedene Dokumente und verwies auf seine bisherigen Integrationsbemühungen, insbesondere auf seinen am 30.06.2017 absolvierten Pflichtschulabschluss sowie auf von ihm besuchte Deutschsprachkurse. Er spreche Deutsch bereits auf Niveaustufe B1.
5. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 03.01.2018 gab der BF abermals an, am XXXX geboren zu sein. Konfrontiert mit dem Sachverständigengutachten betreffend die Feststellung seines Alters, erklärte der BF lediglich zu wissen, dass er bei seiner Ausreise 16 Jahre alt gewesen sei. Sein genaues Geburtsdatum kenne er nicht. Er stamme ursprünglich aus dem Dorf XXXX , welches sich im Distrikt Shahristan, in der Provinz Daikundi befinde. Etwa zwei Jahre nach seiner Geburt sei die Familie in das Dorf XXXX zum Großvater des BF gezogen. Im Jahr 2008, als der BF etwa acht Jahre alt gewesen sei, sei seine Familie in den Iran ausgewandert. Bis zu seiner Flucht habe der BF im Iran gelebt. Mit seiner im Iran befindlichen Kernfamilie habe er zweimal wöchentlich Kontakt. In der Provinz Ghazni in Afghanistan würden sich noch zwei Tanten mütterlicherseits befinden, zu welchen jedoch kein Kontakt bestehe. Der Beschwerdeführer habe bereits Berufserfahrung als Hirte und Obstverkäufer gesammelt.
Seine Familie habe damals Afghanistan verlassen, da sie als Hazara und Schiiten sowohl mit den Taliban, als auch mit den nomadisierenden Kutschi Probleme gehabt hätten. Als er noch jung gewesen sei und Schafe gehütet habe, wären ab und zu Taliban gekommen und hätten ein Schaf geraubt. Dabei sei er von diesen auch geschlagen worden. Sein Großvater väterlicherseits sei von den Taliban oder den Kutschi getötet worden. Sein Vater habe sich anschließend gegen die Taliban aufgelehnt und sei dadurch gezwungen gewesen, gemeinsam mit dem Onkel des BF, in den Iran zu flüchten. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Mutter und seinen Schwestern acht Jahre nach der Flucht seines Vaters, in den Iran nachgekommen.
Befragt, weshalb der BF aus dem Iran geflüchtet sei, wiederholte der Beschwerdeführer, dass Afghanen im Iran schlecht behandelt werden würden. Der BF könne aufgrund der schlechten Sicherheits- und Wirtschaftslage nicht nach Afghanistan zurückkehren. Dort habe er weder familiäre noch sonstige Anknüpfungspunkte. Er sei mit der afghanischen Kultur nicht mehr vertraut. Die Taliban würden immer noch wissen, dass sich sein Vater gegen sie aufgelehnt habe. Das würde bei seiner Rückkehr dazu führen, dass er von den Taliban verfolgt werden würde. Dazu erklärte er, dass sein Großvater väterlicherseits im Dorf XXXX ein Dorfältester gewesen sei. Die Taliban wären in dieser Gegend noch immer aktiv. Die Kutchi hätten Grundstücke seiner Familie okkupiert.
6. In einem Schriftsatz vom 10.01.2018 ergänzte der BF sein Vorbringen und verwies auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan, im Besonderen in seiner Heimatprovinz Daikundi. Zu seinem Fluchtgrund wiederholte der BF, dass er im Dorf XXXX , im Distrikt Shahristan, in der Provinz Daikundi geboren sei. Sein Großvater väterlicherseits sei in diesem Dorf ein Dorfältester gewesen. Auch sein Großvater habe sich gegen die Taliban aufgelehnt und sei deshalb von ihnen getötet worden. Der Vater und der Onkel des Beschwerdeführers hätten anschließend ebenfalls versucht, sich gegen die Taliban zu wehren. Daraufhin hätten die Taliban versucht seinen Vater zu töten. Dieser sei jedoch rechtzeitig in den Iran geflüchtet. Ein Arbeiter der Familie, welcher nach Ansicht des Beschwerdeführers mit seinem Vater verwechselt worden wäre, sei von den Taliban getötet worden. Die Mutter sei nach der Flucht des Vaters, zu ihrem eigenen Vater in das Dorf XXXX geflüchtet, wo die Familie einige Jahre versteckt gelebt habe.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer aufgrund der Feindschaften seines Vaters und seines Großvaters zu den Taliban sowie aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten mit den nomadisierenden Kutschi verfolgt und getötet werden. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan im Kindesalter verlassen, seine Sozialisation sei im Iran und in Österreich erfolgt, sodass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan als "zu westlich" wahrgenommen werden würde. Weiters habe er in seinem Heimatland keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte und würde zudem aufgrund seiner Volksgruppenzughörigkeit als Hazara bzw. Schiite verfolgt werden.
7. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien AST, vom 25.05.2018, Zl. 1101864707-160066826, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine konkreten gegen ihn individuell gerichteten Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht habe. Er habe bezüglich seines Heimatlandes Afghanistan keine substantiierten asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer, nachdem sein Vater in den Iran geflüchtet sei, weitere acht Jahre in Afghanistan habe leben können, spreche nicht dafür, dass er in Afghanistan überhaupt verfolgt werden würde. Bei Vorliegen einer tatsächlich asylrelevanten Bedrohung im Heimatstaat, wäre der BF mit seiner Familie zeitnah in den Iran nachgereist. Eine drohende Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. seines schiitischen Glaubens, habe der BF ebenfalls nicht glaubhaft darlegen können. Den Iran habe der BF aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Dem BF würde mit Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine Situation kommen, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde. Es würden auch keine Gründe vorliegen, die gem. § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 01.06.2018 durch Hinterlegung zugestellt.
8. Gegen diese Entscheidung erhob der BF, damals vertreten durch die XXXX , mit Schriftsatz vom 26.06.2018 Beschwerde.
Begründend führte der BF aus, dass das BFA den Sachverhalt mangelhaft ermittelt habe und dadurch sowie aufgrund einer mangelhaften Beweiswürdigung und einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, das Verfahren mit groben Mängeln belastet habe. Ergänzend zu dem bereits vorgebrachten Fluchtvorbringen betreffend den Vorfall in Afghanistan, weshalb der Vater des BF in den Iran geflüchtet sei, brachte der BF vor, dass die Taliban und die Kutchi zusammengearbeitet hätten. Nachdem der BF, mit seiner restlichen Familie zu seinem Großvater mütterlicherseits gezogen sei, hätten die Taliban die Familie gefunden und nach dem Vater gefragt. Dabei sei auch der Vater seiner Mutter von den Taliban geschlagen worden. Die Taliban wären auch öfters auf die Weide gekommen, wo der BF als Hirte Schafe beaufsichtigt habe. Die Taliban hätten einzelne Schafe geraubt und den BF geschlagen. Mit Unterstützung des Vaters seiner Mutter sei es seiner Familie gelungen, in den Iran zu flüchten. Eine frühere Flucht in den Iran, sei an den hohen Kosten einer solchen Flucht gescheitert. Wiederholend führte er aus, dass der BF bei einer Rückkehr aufgrund der Feindschaften seines Vaters und des Großvaters zu den Taliban, aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten mit den Kutchi, aufgrund seiner Volkgruppenzugehörigkeit als Hazara und wegen seiner "Verwestlichung" verfolgt bzw. getötet werden würde. Der BF habe keine Berufsausbildung und sei größtenteils im Iran und Österreich sozialisiert worden. Er habe in Afghanistan keine familiären und/oder sozialen Anknüpfungspunkte und würde bei einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten.
9. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 05.07.2018 mit Schreiben des BFA vom 04.07.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
10. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 08.01.2020 wurden dem Beschwerdeführer Länderinformationen zu Afghanistan zugänglich gemacht und ihm die Möglichkeit geboten, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
11. In einer Stellungnahme vom 06.02.2020 übermittelte der BF, nunmehr vertreten von XXXX , verschiedene Dokumente, die seine überdurchschnittliche Integration beweisen sollten. Zudem legte er medizinische Unterlagen hinsichtlich einer am 14.11.2019 erlittenen Sprunggelenksverletzung sowie eine Bestätigung betreffend den von ihm am 28.01.2020 vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, erklärten "Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft" vor.
12. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 11.02.2020 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt.
Der Beschwerdeführer wies dabei darauf hin, dass er sich das rechte Sprunggelenk gebrochen habe und sechs Wochen lang einen Unterschenkelgips getragen habe. Ärzte hätten ihm mitgeteilt, dass er in fünf Monaten, nachdem der Gips entfernt worden sei, wieder Fußball spielen könne. Aktuell könne er bereits einige Minuten schmerzfrei, locker laufen. Sein größter Wunsch wäre es, einmal in der österreichischen obersten Liga als Profifußballer Fußball zu spielen.
Die Frage, ob er bei einer Rückkehr nach Afghanistan verfolgt werden würde, bejahte er. Dazu führte er erstmalig zusätzlich aus, dass sein Onkel im Jahr 2014 in Teheran im Iran, vom Sohn eines Mannes mit dem Namen XXXX getötet worden sei. Sein Vater habe eine Stunde nach dem Mord einen Anruf von diesem Mann erhalten und sei selbst mit seiner Ermordung bedroht worden. Seine gesamte Familie habe damals in Qom (auch Ghom) im Iran gelebt, wo sie sich noch heute befinden würde. Der Beschwerdeführer habe von entfernten Verwandten aus Afghanistan erfahren, dass ein Cousin im Sommer 2018 im Dorf XXXX , in der afghanischen Provinz Daikundi, von einem Mann mit dem Namen XXXX ermordet worden sei. Der Beschwerdeführer behauptete, dass er bei einer Rückkehr sowohl von XXXX , als auch von dessen jüngerem Bruder XXXX verfolgt werden würde. Er habe diese beiden Männer bereits in Afghanistan, bevor seine Familie in den Iran geflüchtet sei, persönlich gesehen. Im Iran habe der BF mit beiden telefoniert, als sie bei seinem Vater angerufen hätten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG berichtete der Beschwerdeführer zusätzlich erstmalig von einer speziell gegen ihn gerichteten Bedrohung. Er sei im Jahr 2015 am Heimweg von seiner Arbeitsstelle, von zwei mit einem Messer bewaffneten, maskierten Männern auf einem Motorrad, verfolgt, intensiv beschimpft und mit der Ermordung bedroht worden. Diese beiden Männer hätten ihm im Zuge dieses Vorfalls zu erkennen gegeben, dass sie von XXXX geschickt worden wären, sowie, dass XXXX seinen Vater habe töten wollen, und, falls dies nicht möglich wäre, den Beschwerdeführer töten würde. Der Beschwerdeführer ergänzte, dass sein Vater vor drei und vor zwei Jahren Mordversuche überlebt habe. Als einziger Sohn seines Vaters sei er deswegen ebenfalls nach wie vor gefährdet.
Zur Behauptung, der BF würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines schiitischen Glaubens verfolgt werden, führte der BF aus, dass er in eine schiitische Familie hineingeboren worden wäre. Er sei jedoch noch nie gläubig gewesen, habe sich niemals als schiitischer Moslem gefühlt, noch würde er gegenwärtig ein schiitischer Moslem sein. Zur Verrichtung der Gebete, zum Besuch der Koranschule sowie zu Besuchen von Moscheen sei der BF von seinen Eltern gezwungen worden. Er habe während des Ramadan heimlich gegessen und getrunken. Zur vorgelegten Bestätigung betreffend den erklärten Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft befragt, gab der BF an, dass sein Betreuer ihn über die Möglichkeit aus der islamischen Gemeinschaft auszutreten informiert habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er nicht beten und nicht fasten, sodass die Bevölkerung ihn als Abtrünnigen bezeichnen und ihn anschließend töten würde. In Afghanistan könne er nicht frei leben, er könne in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken oder eine Freundin haben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA am 03.01.2018, der Stellungnahmen vom 05.07.2017, vom 10.01.2018 und vom 06.02.2020, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Asyl- bzw. Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.02.2020 und der Einsichtnahme in die Bezug habenden Unterlagen des Verwaltungsverfahrens, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019, den EASO-Länderleitfaden und EASO-Berichte betreffend Afghanistan, EASO Country Guidance: Afghanistan; Guidance note and common analysis vom Juni 2019, einen Bericht des Generalsekretariats der UNO zur Situation in Afghanistan und deren Auswirkungen auf den internationalen Frieden und die Sicherheitslage vom 14.06.2019, einen UNAMA-Bericht über den Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten vom Juli 2019, einen Amnesty International-Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2019) vom 30.01.2020, eine ACCORD Anfragebeantwortung zur Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul vom 07.12.2018, eine ACCORD Anfragebeantwortung betreffend Zusammenstellung zur Sicherheitslage und sozioökonomischen Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 15.01.2020, in die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, eine ACCORD Anfragebeantwortung zur Situation vom 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen , 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa vom 01.06.2017, eine ACCORD Anfragebeantwortung zur Situation von muslimischen Familienangehörigen von vom Islam abgefallenen Personen (ApostatInnen), christlichen KonvertitInnen und Personen, die sich kritisch zum Islam äußerten vom 09.11.2017 und eine ACCORD Anfragebeantwortung zu Stammesfehde/-dispute vom 23.09.2019, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
1.1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und wurde in Afghanistan als schiitischer Moslem geboren und erzogen. Seine Muttersprache ist Dari, eine in Afghanistan sehr weit verbreitete Sprache. Weiters beherrscht er die Sprache Farsi in Wort und Schrift.
Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX , im Distrikt Shahristan, in der afghanischen Provinz Daikundi geboren. Im Kleinkindalter ist der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und seinen Schwestern zu seinem Großvater mütterlicherseits in das Dorf XXXX , in der Provinz Daikundi gezogen. Wann genau sein Vater in den Iran geflüchtet ist, kann nicht festgestellt werden. Mit etwa acht Jahren ist der BF mit seiner Mutter und seinen Schwestern in den Iran nachgereist. Bis zu seiner Flucht nach Österreich hat der Beschwerdeführer im Iran gelebt. Der Beschwerdeführer ist mit afghanischen Sitten und Gebräuchen sowie einem Leben in Afghanistan vertraut, da er seine Kindheit, jedenfalls bis er acht Jahre alt war, in Afghanistan verbracht hat und bis zu seiner Ausreise aus dem Iran, in einem afghanischen Haushalt gelebt hat, zumal beide Eltern und auch seine Geschwister, mit denen er zusammengewohnt hat, Afghanen sind. Der Beschwerdeführer hat mehrere Jahre eine Schule im Iran besucht. Er verfügt über Arbeitserfahrung als Obstverkäufer und Hirte.
1.1.2. Mit seiner Familie im Iran in der Provinz Ghom steht er in einem intensiven Kontakt. In Afghanistan befinden sich weitere Verwandte des Beschwerdeführers, wobei nicht festgestellt werden kann, um wie viele Personen es sich dabei handelt und in welchem Verwandtschaftsgrad diese zum BF stehen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan Unterstützung durch Familienmitglieder, Verwandte oder Freunde erhalten würde. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan von seiner Familie oder anderen Verwandten in Afghanistan unterstützt werden würde.
1.1.3. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF geht in Österreich derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach. Er lebt von der Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.
Er hat in Österreich seinen Pflichtschulabschluss absolviert und verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er hat ein ÖSD-Deutschsprachkurs-Prüfungszeugnis vom 20.12.2017 vorgelegt, in welchem dem BF bescheinigt wird, dass er am Prüfungszentrum der Wiener Volkshochschule GmbH VHS Wiener Urania in Wien / Österreich am 20.12.2017 die Prüfung "ÖSD Zertifikat B2" mit dem bestanden habe.
1.1.4. Der Beschwerdeführer ist gesund, jung und arbeitsfähig. Er hat sich am 14.11.2019 das rechte Sprunggelenk verletzt und sechs Wochen einen Gips getragen. Seine Verletzung wird gänzlich ausheilen. Er konnte sich bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 11.02.2020 ohne Krücken problemlos fortbewegen und berichtete von leichtem Lauftraining.
1.1.5. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch sonstige Bezugspersonen, mit denen er einen gemeinsamen Wohnsitz hat oder hinsichtlich derer ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.
1.1.6. Am 12.01.2016 hat der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Beschwerdeführer ist schlepperunterstützt aus dem Iran nach Österreich gereist. Die Ausreise wurde von seinem Vater organisiert. Die Kosten für seine Schleppung betrugen EUR 2.800.--und wurden von seinem Vater finanziert.
1.1.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan, aufgrund von allfälligen in seiner Heimatregion vor vielen Jahren stattgefundenen Auseinandersetzungen von Familienangehörigen mit Kutschi, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr betroffen wäre.
Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan, aufgrund von Auseinandersetzungen seines Vaters oder dessen Vater mit Taliban, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr betroffen wäre.
1.1.8. Der Beschwerdeführer erklärte am 28.01.2020 vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratischen Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, seinen "Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft".
Obwohl der Beschwerdeführer als schiitischer Moslem geboren wurde, hat er sich nach eigenen Angaben niemals dieser Religionsgemeinschaft zugehörig gefühlt bzw. sich mit dieser identifiziert. Er interessiert sich auch in Österreich für keine Religion. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals einen religiösen Glauben hatte, sodass auch denklogisch keine ernsthafte Abwendung des Beschwerdeführers von einem religiösen Glauben, insbesondere auch vom Islam vorliegen kann. Der Beschwerdeführer versteht seine Konfessionslosigkeit nicht als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der BF seinen behaupteten Glaubensabfall, bei einer Rückkehr nach Afghanistan, in einer nach außen erkennbaren Weise ausleben würde, sodass er als Apostat erkannt werden würde.
1.1.9. Der BF würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung des Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch einen konkreten Akteur ausgesetzt. Der Beschwerdeführer würde ebenfalls nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, aufgrund der Zugehörigkeit zu seiner Familie bzw. als Rückkehrer aus Europa bzw. aus dem Iran asylrelevant verfolgt werden.
Ausgehend von den Länderfeststellungen zu Afghanistan, den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und dem EASO-Bericht zur sozioökonomischen Lage (Angaben zu Kabul-Stadt; Herat-Stadt und Mazar-e Sharif; interne Mobilität; Wirtschaftslage; Beschäftigung; weitere Themen) vom April 2019 berücksichtigend, kann der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls nach Herat oder nach Mazar-e Sharif, Städte in Afghanistan, die jeweils über einen für Zivilflugzeuge erreichbaren Flughafen verfügen, zurückkehren und sich dort eine neue Existenz aufbauen. Die Vor-Ort-Verhältnisse, die Versorgungslage und auch die Sicherheitslage in diesen Städten ist nicht derart, dass der BF als alleinstehender, junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, mit Schulbildung, Pflichtschulabschluss und Arbeitserfahrung, welcher sowohl die Sprachen Dari als auch die Sprache Farsi versteht und spricht, bei einer Wiederansiedelung - entsprechende erforderliche Bemühungen des BF vorausgesetzt - in diesen Städten auf Dauer in eine aussichtslose Situation geraten würde, wenn auch eine Wiederansiedelung am Beginn mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019:
Politische Lage:
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.04.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.05.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 07.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 03.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.05.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid KARZAI in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah ABDULLAH das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.04.2019; vgl. AM 2015, DW 30.09.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.05.2019). Die ursprünglich für den 20.04.2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.09.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.04.2019).
Parlament und Parlamentswahlen:
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus 2 Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt) sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.04.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.04.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident 2 Sitze für die nomadischen Kutschi und 2 weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.03.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 13.03.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 02.09.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21.10.2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.04.2019; vgl. USDOS 13.03.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28.09.2019 statt; Präsident Ghani wurde am 12.02.2020 zum Wahlsieger erklärt.
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.03.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 06.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.05.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.08.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 08.09.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.08.2019; vgl. NZZ 12.08.2019; DZ 08.09.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, MS 28.01.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.05.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid KARZAI und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.02.2019; vgl. TN 31.05.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.02.2019; vgl. NYT 07.03.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.03.2019; vgl. WP 18.03.2019).
Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.05.2019).
Aktuell haben sowohl Taliban als auch die internationalen Truppen unter Führung der USA eine Deeskalationsphase erklärt und planen die Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens am 29.02.2020, womit auch ernsthaft Friedensgespräche zwischen Taliban und der afghanischen Staatsmacht eine ernsthafte Möglichkeit eingeräumt werden könnte.
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 03.09.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 06.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.04.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.06.2019; vgl. AJ 12.04.2019; NYT 12.04.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.04.2019; vgl. NYT 12.04.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.06.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel, die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.07.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.01.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss, als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 08.09.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 06.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.04.2019; vgl. NYT 19.07.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 03.09.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 07.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.08. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.04.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 06.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 03.09.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 03.09.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 07.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 07.12.2018; vgl. ARN 23.06.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 03.09.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.02.2019).
Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 07.03.2016; UNGASC 03.03.2017; UNGASC 28.02.2018; UNGASC 28.02.2019))
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Für den Berichtszeitraum 10.05.2019-08.08.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 03.09.2019). Für den Berichtszeitraum 08.02-09.05.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.06.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.05.-08.08.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 03.09.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:
Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-08.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
2016
2017
2018
2019
Jänner
2111
2203
2588
2118
Februar
2225
2062
2377
1809
März
2157
2533
2626
2168
April
2310
2441
2894
2326
Mai
2734
2508
2802
2394
Juni
2345
2245
2164
2386
Juli
2398
2804
2554
2794
August
2829
2850
2234
2443
September
2493
2548
2389
-
Oktober
2607
2725
2682
-
November
2348
2488
2086
-
Dezember
2281
2459
2097
-
insgesamt
28.838
29.866
29.493
18.438
Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-08.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D)).
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Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 04.11.2019):
Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 01.01.2018-30.09.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 04.11.2019)
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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast 2 Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).
Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.01.2019).
Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.04.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.07.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.04.2019; vgl. NYT 19.07.2019).
Zivile Opfer:
Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 01.01.-30.09.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).
Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.04.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.02.2019; vgl. SIGAR 30.04.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.02.2019).
Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 01.01.2009-30.09.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.02.2019; UNAMA 17.10.2019))
Jahr
Tote
Verletzte
Insgesamt
2009
2.412
3.557
5.969
2010
2.794
4.368
7.162
2011
3.133
4.709
7.842
2012
2.769
4.821
7.590
2013
2.969
5.669
8.638
2014
3.701
6.834
10.535
2015
3.565
7.470
11.035
2016
3.527
7.925
11.452