TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/10 W257 2157804-1

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Veröffentlicht am 10.03.2020
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Entscheidungsdatum

10.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W257 2157804-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , RA in Wien, XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX , vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei der Erstbefragung am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er afghanischer Staatbürger sei, Schiite, er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei verheiratet. Seine Mutter und seine Frau würden im Iran leben. Vor ca 8 Jahren sei seine Familie von Afghanistan, Ghazni, nach Pakistan verzogen. 2008 seien sie dann in den Iran weitergereist. Dort würde er mit seiner Frau gelebt haben und von dort sei er auch geflüchtet. Er habe keine Kinder und hätte 5 Jahre die Schule besucht.

1.3. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er vor, dass sie in Pakistan nicht bleiben konnte, deswegen seien sie in den Iran verzogen. Dort hätte er illegal gelebt und deswegen hätte er dort auch nicht bleiben können. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil er von den Feinden und von dem Taliban-Regime umgebracht werden würde.

1.4. Am 26.04.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Ghazni, XXXX , XXXX (Dorf) aufgewachsen. Als er ca 8 Jahre alt gewesen sei, im Jahr 2000 sei die Familie nach Pakistan gezogen. Dort hätte sie ein sehr afghanisches Leben geführt. Er wäre dort, gemeinsam mit seiner Mutter, Teppichknüpfer gewesen und hätte anschließend in einem Hotel gearbeitet. Im Jahr 2008 sei die Familie in den Iran weitergezogen. Seitdem würde die Familie im Iran, in der Stadt XXXX wohnen. Im Iran hätte er 4 Jahre eine afghanische Schule besucht, wäre 3 Jahre Maurer und 4 Jahre Landwirt gewesen. Im Jahr 2013 hätte er seine Frau geheiratet, welche derzeit bei seiner Mutter im Iran wohnen würde.

Sein Vater hätte in Afghanistan mit seinem Bruder wegen eines Grundstückes Streit gehabt. Sei Onkel hätte seinem Vater vorgeworfen, dass dieser bei einer politischen Partei sei, welches allerdings nicht gestimmt hätte. Eines Abends sei sein Vater von drei Männer abgeholt und umgebracht worden. Seine Leiche wäre vor dem Haus, in dem sie wohnten, abgelegt worden. Danach hätte die Mutter mit ihm das Herkunftsland in Richtung Pakistan verlassen. Er selbst wäre nie bedroht worden.

Er könne wegen religiösen und ethnischen Gründen nicht nach Afghanistan zurückkehren; er hätte gehört, dass Hazaras in Afghanistan verfolgt werden würden. In Pakistan wäre er 6 Monate wegen dem illegalen Aufenthalt dort in Gefängnis gesessen. Er würde hier von der Grundversorgung leben.

1.5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, das der Beschwerdeführer keine persönliche Bedrohung vorgebracht hätte, zudem hätte er keine persönliche Bedrohung vorgebracht. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten.

1.6. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin begründend zusammengefasst aus, dass er in Pakistan und im Iran von den Behörden ständig Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei und eine Rückkehr wegen der Blutrache nicht in Frage gekommen sei. Der Onkel wäre gemeinsam mit seinem Vater in Besitz mehrerer Grundstücke gewesen und innerhalb der Familie hätte sich eine Streitigkeit deswegen ergeben. Als sich sein Vater geweigert hätte Grundstücke zu verkaufen, wäre ihm eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt worden, weswegen er ermordet worden wäre. Die tatsächlichen Gründe für die Anschuldigungen wären allerdings die Grundstücke gewesen. Deswegen hätte sich die Mutter entschlossen, nach Pakistan und später in den Iran zu ziehen.

1.7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 15.05.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge "BVwG") ein.

1.8. Das BVwG führte am 08.11.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm.

1.9. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt.

1.10. Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer dargeelgt das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 04.06.2019, vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Mö

1.11. glichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

1.12. Nachdem es bereits eine aktuellere Fassung des Länderberichtes aufgelegt wurde, wurde dieses am 17.02.2020 den Parteien zur Stellungnahme übersandt. Folgende Berichte wurden übersandt:

1.12.1. Länderbericht der Staatendokumentation vom 13.11.2019

1.12.2. EASO-Bericht vom April 2019; Afghanistan Sozioökonomische Schlüsselindikatoren mit Schwerpunkt auf den Städten Kabul, Masar-e Scharif und Herat; Informationsbericht über das Herkunftsland (EASO oder COI 2019).

Den Parteien wurde am 21.02.2020 eine Frist zur Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen eingeräumt. Eine Stellungnahme langte bis heute nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Ghazni, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, gesund, kinderlos und ledig.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Neben seiner Muttersprache spricht der Beschwerdeführer auch Deutsch.

Der Beschwerdeführer gilt in seinem Herkunftsstaat als Zivilist.

Der Beschwerdeführer wuchs bis 2000 in seinem Heimatdorf auf, wo er keine Schule besuchte. Von 2000 bis 2008 lebte er mit seiner Mutter in Pakistan, ab 2008 bis 2015 im Iran. Dort besuchte er 4 Jahre die Schule. 2013 heiratete er. Die Ehe ist kinderlos.

Seine Frau, sowie die unmittelbaren Verwandten seiner Frau, das sind die Schwiegereltern und die beiden Kinder (eine davon seine Frau) leben im Iran. Seine Frau ist Schneiderin, sein Schwager Bauarbeiter und die beiden Schwiegereltern Gärtner. Ein Onkel lebt mit seiner Familie in Afghanistan.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben als er noch nicht 9 Jahre alt war. Seine Mutter ist 2017 verstorben.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von Grundstücken in der Heimatregion in Ghazni.

Der Beschwerdeführer reiste 2015 aus dem Iran aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er illegal einreiste und am 11.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine physische und/oder psychische Gewalt durch den Onkel aufgrund des dargelegten Fluchtvorbringens, wonach - bei Wahrunterstellung - ca drei Männer seinen Vater eines Tages von zuhause abholten und ihn nächsten Tag tot vor dem Haus zurückbrachten.

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische oder physische Gewalt von staatlicher Seite, oder von Aufständischen, oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besucht derzeit den Kurs B1, hat aber noch keine Prüfung abgeschlossen. Er betätigt sich bei einem Quartier der Caritas als Hausmeister und hat eine Zusage eines Malerbetriebes vom 04.11.2019, dass er dort ab der Arbeitsmarktzugangsberechtigung arbeiten könne. Er verfügt über eine Gewerbeberechtigung und möchte gerne arbeiten.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer wird von seinen Vertrauenspersonen als sehr höflich und interessiert beschrieben. Er pflegt einen guten Kontakt zu einer bestimmten Familie in seinem Wohnort.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Gahzni aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben.

Dem Beschwerdeführer droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig.

Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann.

Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine vierjährige Schulausbildung, weiters hat er bereits Berufserfahrung in Pakistan, im Iran und in Österreich gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird.

Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die Länderinformationen, wie sie den Parteien übersandt wurden, (sh dazu Punkt 0) als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. "Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. (LIB)

1.5.1.1. Herkunftsprovinz

Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans und grenzt an die Provinzen Bamyan und Wardak im Norden, Logar, Paktya und Paktika im Osten, Zabul im Süden und Uruzgan und Daykundi im Westen. Ghazni liegt an keiner internationalen Grenze (UNOCHA 4.2014). Die Provinz ist in 19 Distrikte unterteilt: die Provinzhauptstadt Ghazni-Stadt sowie den Distrikte Ab Band, Ajristan, Andar (auch Shelgar genannt (AAN 22.5.2018)), De Hyak, Gelan, Giro, Jaghatu, Jaghuri, Khwaja Omari, Malistan, Muqur, Nawa, Nawur, Qara Bagh, Rashidan, Waghaz, Wali Muhammad Shahid (Khugyani) und Zanakhan (CSO 2019). Nach Schätzungen der CSO für den Zeitraum 2019-20 leben 1.338.597 Menschen in Ghazni (CSO 2019). Die Provinz wird von Paschtunen, Tadschiken und Hazara sowie von mehreren kleineren Gruppen wie Bayats, Sadats und Sikhs bewohnt (PAJ o.D.). Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken (NPS o.D.).

Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, welche die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet und auch die Straße zu Paktikas Hauptstadt Sharan zweigt in der Stadt Ghazni von der Ring Road ab, die Straße nach Paktyas Hauptstadt Gardez dagegen etwas nördlich der Stadt. Die Kontrolle über Ghazni ist daher von strategischer Bedeutung (CJ 13.8.2018). Einem Bericht vom Dezember 2018 zufolge steht die Ghazni-Paktika-Autobahn unter Taliban-Kontrolle und ist für Zivil- und Regierungsfahrzeuge gesperrt, wobei die Aufständischen weiterhin Druck auf die Kabul-Kandahar-Autobahn ausüben (AAN 30.12.2018), bzw. Straßenkontrollen durchführen (PAJ 31.1.2019). Im Mai 2019 war die Ghazni-Paktika-Autobahn seit einem Jahr geschlossen (PAJ 13.5.2019a). Auch die Ghazni-Paktia-Autobahn war Anfang März 2019 trotz einer 20-tägigen Militäroperation (PAJ 27.2.2019) gegen die Taliban immer noch gesperrt (BAMF 4.3.2019; vgl. PAJ 27.2.2019). Im Mai 2019 führten die Regierungskräfte an den Rändern von Ghazni-Stadt Räumungsoperationen zur Befreiung der Verkehrswege durch (KP 16.5.2019). Die Kontrolle über die Straße nach Gardez, der Provinzhauptstadt von Paktia ist bedeutsam für die Verteidigung von Ghazni, da sich die Militärbasis des für die Provinz zuständigen Corps dort befindet (AAN 25.7.2018).

Gemäß dem UNODC Opium Survey 2018 gehörte Ghazni 2018 nicht zu den zehn wichtigsten schlafmohnanbauenden Provinzen Afghanistans. Während die Provinz zwischen 2013 und 2016 schlafmohnfrei war, wurden 2017 etwa 1.000 Hektar angebaut. Im Jahr 2018 nahm die Anbaufläche um 64% ab. Der größte Teil von Ghazni's Schlafmohn wurde 2018 im volatilen Distrikt Ajristan angebaut (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (KP 27.5.2019).

Aufgrund der Präsenz von Taliban-Aufständischen in manchen Regionen der Provinz, gilt Ghazni als relativ unruhig (XI 22.9.2019), so standen beispielsweise Ende 2018, einem Bericht zufolge, acht Distrikte der Provinz unter Kontrolle der Taliban gestanden haben, fünf weitere Distrikte waren stark umkämpft (AAN 30.12.2018). Im Jänner 2019 wurde berichtet, dass die administrativen Angelegenheiten der Distrikte Andar, Deh Yak, Zanakhan, Khwaja Omari, Rashidan, Jaghatu, Waghaz und Khugyani aufgrund der Sicherheitslage bzw. Präsenz der Taliban nach Ghazni-Stadt oder in die Nähe der Provinzhauptstadt verlegt wurden. Aufgrund der Sicherheitslage sei es für die Bewohner schwierig, zu den neuen administrativen Zentren zu gelangen (PAJ 27.1.2019). Dem Verteidigungsminister zufolge, sind in der Provinz mehr Taliban und Al-Qaida-Kämpfer aktiv, als in anderen Provinzen. Dem Innenminister zufolge, hat sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechtert und die Taliban erlitten bei jüngsten Zusammenstößen schwere Verluste (PAJ 19.4.2019).

In Ergänzung zur Afghan National Police (ANP), der Afghan Local Police (ALP) und der paramilitärischen Kräfte des National Directorate of Security (NDS) entsteht im Distrikt Jaghuri im Rahmen eines Pilotprojekts eine neu eingerichtete Afghan National Army Territorial Force (ANA TF). Diese lokale Einheit soll die Bevölkerung schützen und Territorium halten, ohne von lokalen Machthabern oder Gruppeninteressen vereinnahmt zu werden (AAN 15.1.2019). Während des Angriffs auf Ghazni-Stadt im August 2018 wurden die afghanischen Regierungskräfte von US-amerikanischen Streitkräften unterstützt - laut einer Quelle nicht nur durch Luftangriffe, sondern auch von US-Spezialeinheiten am Boden (TM 23.8.2018). Ghazni liegt im Verantwortungsbereich des 203. ANA Tandar Corps (USDOD 6.2019; vgl. AAN 25.7.2018) das der Task Force Southeast untersteht, die von US-amerikanischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle bzw. Todesopfer für die Provinz Ghazni gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für das Jahr 2018 und die ersten drei Quartale 2019 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer, hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) in Ghazni. Dies entspricht einer Steigerung von 84% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe, gefolgt von Luftangriffen und gezielten oder vorsätzlichen Morden (UNAMA 24.2.2019). Im ersten Halbjahr 2019 zählte UNAMA Ghazni mit insgesamt 186 zivilen Opfern (77 Tote, 109 Verletzte) zu den fünf Provinzen mit den größten Auswirkungen des Konflikts auf Zivilisten in Afghanistan (UNAMA 30.7.2019).

Einem UN-Bericht zufolge, war Ghazni neben Helmand und Farah zwischen Februar und Juni 2019 eines der aktivsten Konfliktgebiete Afghanistans. Mehr als die Hälfte aller Luftangriffe fanden in diesem Zeitraum in den Provinzen Helmand und Ghazni statt. Anfang April 2019 beschloss die Regierung die "Operation Khalid", welche unter anderem auf Ghazni fokussiert (UNGASC 14.6.2019). Auch die Winteroperationen 2018/2019 der ANDSF konzentrierten sich unter anderem auf diese Provinz (UNGASC 28.2.2019). In der Provinz kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (z.B. KP 27.7.2019; KP 25.7.2019; KP 22.7.2019, MENAFN 22.7.2019); ebenso werden Luftangriffe in der Provinz durchgeführt (PAJ 17.3.2019). Bei manchen militärischen Operationen werden beispielsweise Taliban getötet (KP 25.7.2019; vgl. KP 22.7.2019). Außerdem kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (PAJ 30.3.2019; vgl. PAJ 16.2.2019, SP 15.8.2018). Auch verlautbarte die Regierung im September 2019 nach wie vor Offensiven gegen die Aufständischen in der Provinz zu führen, um das Territorium der Taliban zu verkleinern (XI 22.9.2019).

Mitte August 2018 eroberten die Taliban große Teile der Stadt Ghazni, was zu heftigen Kämpfen zwischen den Aufständischen und den Regierungskräften führte (SP 15.8.2018). Nach fünf Tagen erlangte die Regierung wieder die Kontrolle über die Provinzhauptstadt (AAN 16.12.2018). Die dabei durchgeführten Luftangriffe führten zu zivilen Opfern und zerstörten Häuser von Zivilisten (AAN 16.12.2018; vgl. UNAMA 24.2.2019). UNAMA verzeichnete 262 zivile Opfer (79 Tote, 183 Verletzte) im Zusammenhang mit dem Talibanangriff im August 2018 (UNAMA 24.2.2019). Zeitgleich mit dem Angriff auf die Stadt Ghazni eroberten die Taliban den Distrikt Ajristan westlich der Provinzhauptstadt (NYT 12.8.2018; vgl. TN 13.8.2018). Im November 2018 starteten die Taliban eine Großoffensive gegen die von Hazara dominierten Distrikte Jaghuri und Malistan, nachdem die Aufständischen bereits Ende Oktober das benachbarte Khas Uruzgan in der Provinz Uruzgan angegriffen hatten (RFE/RL 13.11.2018; vgl. AAN 29.11.2018). Bis Ende November 2018 wurden die Taliban aus Jaghuri und Malistan vertrieben (AAN 29.11.2018).

Die Parlamentswahlen, die im Oktober 2018 hätten stattfinden sollen, wurden in Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage zunächst auf April 2019 verschoben (AAN 16.8.2018). Ende Dezember 2018 kündigte die Unabhängige Wahlkommission (independent election commission, IEC) an, dass die Parlamentswahlen in Ghazni sowie die Präsidentschaftswahlen in ganz Afghanistan im Juli 2019 mit dreimonatiger Verspätung stattfinden würden (F24 30.12.2018). Neben der Sicherheitslage nannte ein Bericht des UN-Generalsekretärs auch Proteste, welche die Provinzzentrale der IEC blockierten, als einen Grund für die Verschiebung der Wahl in Ghazni (UNGASC 28.2.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 46.311 konfliktbedingt aus der Provinz Ghazni vertriebene Personen, die hauptsächlich im Distrikt Ghazni (37.611) und im geringeren Ausmaß in der Provinz Bamyan, in Kabul und Daikundi, sowie anderen Provinzen Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 3.099 aus der Provinz Ghazni vertriebene Personen, die in Ghazni blieben, sowie nach Kabul und in geringerem Ausmaß nach Herat gingen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 37.779 Vertriebene in die Provinz Ghazni,

die alle in den Distrikt Ghazni kamen (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 2.746 konfliktbedingt binnenvertriebene Personen in die Provinz Ghazni, welche auch aus der Provinz selbst stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (15.1.2019): The Afghan Territorial Force: Learning from the lessons of the past?, https://www.afghanistan-analysts.org/the-afghan-territorial-force-learning-from-the-lessons-of-the-past/, Zugriff 29.5.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (30.12.2018): Unheeded Warnings (2): Ghazni city as vulnerable to Taleban as before, https://www.afghanistan-analysts.org/five-days-in-august-2-the-situation-after-the-taleban-attack-on-ghazni/, Zugriff 29.5.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (16.12.2018): Unheeded Warnings (1): Looking back at the Taleban attack on Ghazni, https://www.afghanistan-analysts.org/unheeded-warnings1-looking-back-at-the-taleban-attack-on-ghazni/, Zugriff 29.5.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (29.11.2018): Taleban Attacks on Khas Uruzgan, Jaghori and Malestan (II): A new and violent push into Hazara areas, https://www.afghanistan-analysts.org/taleban-attacks-on-khas-uruzgan-jaghori-and-malestan-ii-a-new-and-violent-push-into-hazara-areas/, Zugriff 29.5.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (25.7.2018): The Insecure Spring of Ghazni: Results of third-grade treatment by the centre?, https://www.afghanistan-analysts.org/the-insecure-spring-of-ghazni-results-of-third-grade-treatment-by-the-centre/, Zugriff 29.5.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (22.5.2018): Uprising, ALP and Taleban in Andar: The arc of government failure, https://www.afghanistan-analysts.org/uprising-alp-and-taleban-in-andar-the-arc-of-government-failure/, Zugriff 29.5.2019

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (5.10.2019): ACLED Data http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 9.10.2019

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (12.7.2019): ACLED Data http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 12.7.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (4.3.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003663/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_04.03.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 29.5.2019

CJ - Clearance Jobs (13.8.2018): Taliban Seizure of Ghazni City Returns Terror Organization to its Roots, https://news.clearancejobs.com/2018/08/13/taliban-seizure-of-ghazni-city-returns-terror-organization-to-its-roots/, Zugriff 29.5.2019

CSO - Central Statistics Organization (2019): 1398 [Estimated Population of Afghanistan 2019-2020], http://cso.gov.af/Content/files/%D8%B1%DB%8C%D8%A7%D8%B3%D8%AA%20%D8%AF%DB%8C%D9%85%D9%88%DA%AF%D8%B1%D8%A7%D9%81%DB%8C/population/Estemated%20Population%201398.pdf, Zugriff 22.5.2019?

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1.5.1.2. Provinz Balkh bzw. Stadt Mazar-e Sharif

Bei der Provinz Balkh handelt es sich um eine jener Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau, und dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich ist, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO).

Die Stadt Mazar-e Sharif wird von EASO als eine jener Regionen eingestuft, in welcher willkürliche Gewalt auf einem so niedrigen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko besteht, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird (EASO).

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (LIB).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB).

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (LIB).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi. Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (LIB).

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz. Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (LIB).

Im Winter 2018/2019 und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt. Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäßig Operationen in der Provinz unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch. Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak, Chemtal, Dawlatabad und Nahri Shahi an (LIB).

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert. Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (LIB).

UNOCHA meldete für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2019 rund 5.600 Personen, welche konfliktbedingt aus der Provinz Balkh vertrieben wurden, welche hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden Zuflucht fanden und somit allesamt in der Provinz verblieben (LIB).

Im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2019 meldete UNOCHA rund 30.000 Vertriebene in die Provinz Balkh, welche aus den Provinzen Faryab, Sar-e-Pul, aus Balkh selbst, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (LIB).

1.5.2. Sichere Einreise

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher. (EASO)

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen aus dem Ausland abhängig ist (LIB).

Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft, wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7 % am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Das BIP Afghanistans betrug im Jahr 2018 19,36 Mrd. US-Dollar (LIB).

Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Eine Quelle betont jedoch die Wichtigkeit von Netzwerken, ohne die es nicht möglich sei, einen Job zu finden. Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt. Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge, gibt es keine Hinweise darüber, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (LIB).

Laut Daten der Afghanistan Living Conditions Survey (ALCS) 2016 - 2017 können 2 Millionen Afghanen - das sind 23,9% der gesamten Erwerbsbevölkerung - als arbeitslos eingestuft werden, was bedeutet, dass sie nicht arbeiten oder eine Beschäftigung suchen, oder weniger als acht Stunden pro Woche arbeiten. Junge Afghanen treten jedes Jahr in großer Zahl in den Arbeitsmarkt ein, aber die Beschäftigungsmöglichkeiten können aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. Afghanistan war seit 2011-2012 mit einem starken Anstieg der Armut konfrontiert, wobei sowohl die städtischen als auch die ländlichen Armutsraten zunahmen. In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO).

ALCS 2016 - 2017 stellte fest, dass nur 19,8% aller in Afghanistan beschäftigten Personen öffentlich und privat angestellt sind oder Arbeitgeber sind, was bedeutet, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer eine gefährdete Beschäftigung darstellt. 52,6% der Landbevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt, während die städtische Beschäftigung vielfältiger ist. 36,5% der Erwerbsbevölkerung sind in verschiedenen Dienstleistungsbereichen beschäftigt und nur 5,5% in der Landwirtschaft (EASO).

In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange (MoLSAMD) und der NGO ACBAR angeboten; dabei soll der persönliche Lebenslauf zur Beratung mitgebracht werden. Auch Rückkehrende haben dazu Zugang - als Voraussetzung gilt hierfür die afghanische Staatsbürgerschaft. Für das Anmeldeverfahren sind das Ministerium für Arbeit und Soziale Belange und die NGO ACBAR zuständig; Rückkehrende sollten auch hier ihren Lebenslauf an eine der Organisationen weiterleiten, woraufhin sie informiert werden, inwiefern Arbeitsmöglichkeiten zum Bewerbungszeitpunkt zur Verfügung stehen. Unter Leitung des Bildungsministeriums bieten staatliche Schulen und private Berufsschulen Ausbildungen an (LIB).

Laut Daten der ALCS von 2016 bis 2017 sind 44,6% der afghanischen Bevölkerung - das sind 13 Millionen Menschen - sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO).

Während der Wintersaat von Dezember 2017 bis Februar 2018 gab es in Afghanistan eine ausgedehnte Zeit der Trockenheit. Dies verschlechterte die Situation für die von Lebensmittelunsicherheit geprägte Bevölkerung weiter und hatte zerstörerische Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen, was wiederum zu Binnenflucht führte und es den Binnenvertriebenen mittelfristig erschwert, sich wirtschaftlich zu erholen sowie die Grundbedürfnisse selbständig zu decken. Günstige Regenfälle im Frühling und beinahe normale Temperaturen haben 2019 die Weidebedingungen wieder verbessert.

Im März 2019 fanden in Afghanistan Überschwemmungen statt, welche Schätzungen zufolge, Auswirkungen auf mehr als 120.000 Personen in 14 Provinzen hatten. Sturzfluten Ende März 2019 hatten insbesondere für die Bevölkerung in den Provinzen Balkh und Herat schlimme Auswirkungen. Unter anderem waren von den Überschwemmungen auch Menschen betroffen, die zuvor von der Dürre vertrieben wurden (LIB).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können gemäß der Definition von UN-Habitat als Slums eingestuft werden. Der Bericht über den Zustand afghanischer Städte stellte fest, dass der Zugang zu angemessenem Wohnraum für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung darstellt. Armut und Ungleichheit sind die harte Realität für etwa ein Drittel aller städtischen Haushalte (EASO).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO).

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird dabei nach Folgendem fragen: Ausweisdokument (Tazkira), 2 Passfotos und 1.000 AFN (ca. ? 12,-) bis 5.000 AFN (ca. ? 60,-) als Mindestkapital für das Bankkonto. Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv: unter anderem die Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, oder The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank (LIB).

Über Jahrhunderte hat sich eine Form des Geldaustausches entwickelt, welche Hawala genannt wird. Dieses System, welches auf gegenseitigem Vertrauen basiert, funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich. Hawala wird von den unterschiedlichsten Kundengruppen in Anspruch genommen: Gastarbeiter, die ihren Lohn in die Heimat transferieren wollen, große Unternehmen und Hilfsorganisationen bzw. NGOs, aber auch Terrororganisationen (LIB).

Das System funktioniert folgendermaßen: Person A übergibt ihrem Hawaladar (X) das Geld, z.B. 10.000 Euro und nennt ihm ein Passwort. Daraufhin teilt die Person A der Person B, die das Geld bekommen soll, das Passwort mit. Der Hawaladar (X) teilt das Passwort ebenfalls seinem Empfänger-Hawaladar (M) mit. Jetzt kann die Person B einfach zu ihrem Hawaladar (M) gehen. Wenn sie ihm das Passwort nennt, bekommt sie das Geld, z.B. in Afghani, ausbezahlt. So ist es möglich, auch größere Geldsummen sicher und schnell zu überweisen (LIB).

1.5.3.1. Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan und ein Industriezentrum mit großen Produktionsbetrieben und einer großen Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen, die Kunsthandwerk, Teppiche und Teppiche anbieten. Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO).

In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Stadt Mazar-e Sharif die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (LIB).

Mazar-e Sharif befand sich im Februar 2019 in Phase 2 des von FEWS NET verwendeten Klassifizierungssystems. In Phase 2, auch "Stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und seien nicht in der Lage sich wesentliche, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. (ECOI 2019)

1.5.4. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60% der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO)

Seit 2002 hat sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibt sie im regionalen Vergleich zurück. Die Lebenserwartung ist in Afghanistan von 50 Jahren im Jahr 1990 auf 64 im Jahr 2018 gestiegen. Im Jahr 2018 gab es 3.135 funktionierende Gesundheitseinrichtungen in ganz Afghanistan (LIB).

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger/innen zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Die Voraussetzung zur kostenfreien Behandlung ist der Nachweis der afghanischen Staatsbürgerschaft mittels Personalausweis bzw. Tazkira. Alle Staatsbürger/innen haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Die medizinische Versorgung in großen Städten und auf Provinzlevel ist sichergestellt, auf Ebene von Distrikten und in Dörfern sind Einrichtungen hingegen oft weniger gut ausgerüstet und es kann schwer sein, Spezialisten zu finden. Vielfach arbeiten dort KrankenpflegerInnen anstelle von ÄrztInnen, um grundlegende Versorgung sicherzustellen und in komplizierten Fällen an Provinzkrankenhäuser zu überweisen. Operationseingriffe können in der Regel nur auf Provinzlevel oder höher vorgenommen werden; auf Distriktebene sind nur erste Hilfe und kleinere Operationen möglich. Auch dies gilt allerdings nicht für das gesamte Land, da in Distrikten mit guter Sicherheitslage in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten werden können als in unsicheren Gegenden (LIB).

Die wenigen staatlichen Krankenhäuser bieten kostenlose Behandlungen an, dennoch kommt es manchmal zu einem Mangel an Medikamenten. Deshalb werden Patienten an private Apotheken verwiesen, um diverse Medikamente selbst zu kaufen. Untersuchungen und Laborleistungen sind in den staatlichen Krankenhäusern generell kostenlos (LIB).

Berichten von UNOCHA zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Gesundheitsbehandlung stark einkommensabhängig. Berichten zufolge können Patient/innen in manchen öffentlichen Krankenhäusern aufgefordert werden, für Medikamente, ärztliche Leistungen, Laboruntersuchungen und stationäre Behandlungen zu bezahlen. Medikamente sind auf jedem afghanischen Markt erwerbbar, die Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren (LIB).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB).

Innerhalb der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat mentale Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt, doch der Fortschritt ist schleppend und die Leistungen außerhalb Kabuls dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden - genauso wie Kranke und Alte - gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam; so existiert z.B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. In der staatlichen Klinik in Kabul existieren 14 Betten zur stationären Behandlung (LIB).

Zwar sieht das Basic Package of Health Services (BPHS) psychosoziale Beratungsstellen innerhalb der Gemeindegesundheitszentren vor, jedoch ist die Versorgung der Bevölkerung mit psychiatrischen oder psychosozialen Diensten aufgrund des Mangels an ausgebildeten Psychiatern, Psychologen, psychiatrisch ausgebildeten Krankenschwestern und Sozialarbeitern schwierig. Die WHO geht davon aus, dass in ganz Afghanistan im öffentlichen, wie auch privaten Sektor insgesamt 320 Spitäler existieren, an welche sich Personen mit psychischen Problemen wenden können (LIB).

Wie auch in anderen Krankenhäusern Afghanistans ist eine Unterbringung im Kabuler Krankenhaus von Patienten grundsätzlich nur möglich, wenn sie durch Familienangehörige oder Bekannte mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln versorgt werden. So werden Patienten bei stationärer Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern in Afghanistan nur in Begleitung eines Verwandten aufgenommen. Der Verwandte muss sich um den Patienten kümmern und für diesen beispielsweise Medikamente und Nahrungsmittel kaufen. Zudem muss der Angehörige den Patienten gegebenenfalls vor anderen Patienten beschützen, oder im umgekehrten Fall bei aggressivem Verhalten des Verwandten die übrigen Patienten schützen. Die Begleitung durch ein Familienmitglied ist in allen psychiatrischen Einrichtungen Afghanistans aufgrund der allgemeinen Ressourcenknappheit bei der Pflege der Patienten notwendig. Aus diesem Grund werden Personen ohne einen Angehörigen selbst in Notfällen in psychiatrischen Krankenhäusern nicht stationär aufgenommen (LIB).

Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in manchen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Menschen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und unter anderem bei folgenden Organisationen behandelt werden: bei International Psychosocial Organisation (IPSO) Kabul, Medica Afghanistan und PARSA Afghanistan (LIB).

In folgenden Krankenhäusern kann man außerdem Therapien bei Persönlichkeits- und Stressstörungen erhalten:

Mazar-e -Sharif Regional Hospital: Darwazi Balkh; in Herat das Regional Hospital und in Kabul das Karte Sae mental hospital. Wie bereits erwähnt gibt es ein privates psychiatrisches Krankenhaus in Kabul, aber keine spezialisierten privaten Krankenhäuser

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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