Entscheidungsdatum
27.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W162 2185828-2/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.01.2020, zu Recht:
A) I. Die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I. bis III. sowie gegen den Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Rechtskräftiges Verfahren:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach illegaler
Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.09.2015 einen Antrag auf
internationalen Schutz ein. Er gab in der Erstbefragung zu seinem Asylantrag an, dass er von
einem Bekannten mit dem Umbringen bedroht worden wäre, weil er in dessen Tochter
verliebt gewesen wäre und diese heiraten hätte wollen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan hätte er Angst, umgebracht zu werden.
1.2. Das Alter des Beschwerdeführers wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und
Asyl (im Folgenden: BFA) angezweifelt. Aus diesem Grund wurde eine multifaktorielle
Altersfeststellung in Auftrag gegeben. Durch ein gerichtsmedizinisches Gutachten des
Ludwig Bolzmann-Institutes wurde das Vorliegen einer Minderjährigkeit festgestellt. Der
Beschwerdeführer erreichte mit XXXX die Volljährigkeit.
1.3. Am 14.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA im Asylverfahren
niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er Angehöriger
der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem sei. Er wäre in Afghanistan geboren und
dort aufgewachsen. Er hätte dort keine richtige Schule, jedoch zwei Jahre lang eine religiöse
Schule besucht. Gearbeitet hätte der Beschwerdeführer noch nicht. Die Familie hätte
Ländereien besessen und von diesen hätte die Familie gelebt. Er hätte in
Afghanistan bei seiner Familie gelebt und sich hauptsächlich dort aufgehalten. Der Vater
würde die Ländereien auch gegenwärtig bewirtschaften. Im gemeinsamen Haushalt hätten
sich auch noch die Brüder und Schwestern aufgehalten. Im Iran würde ein weiterer Bruder
leben. Das Geld für die Schleppung stamme aus der Arbeit der Brüder bzw. des Vaters in
Afghanistan, als auch von einem im Iran aufhältigen Bruder. Der Beschwerdeführer führte
aus, dass er 5 Brüder und 4 Schwestern hätte. Es bestehe ein monatlicher Kontakt zu den
sich in Afghanistan aufhältigen Familienmitgliedern über das Internet bzw. via Telefon. Auf
die Frage, ob gegen den Beschwerdeführer Fahndungsmaßnahmen bestehen würde, bejahte
dieser dies und führte aus, dass dies deswegen wäre, da er ein Mädchen entführt hätte. Zu
den Gründen für das Verlassen Afghanistans befragt, führte er
zusammenfassend aus, dass er in Afghanistan ein Mädchen kennengelernt und sich in dieses
verliebt habe. Das Mädchen hätte rund 20 Minuten mit dem Motorrad entfernt in einer anderen Ortschaft gelebt. Der Vater bzw. die Familie des Mädchens hätten jedoch den
Kontakt nicht gewollt und den Beschwerdeführer als Ehemann für diese abgelehnt.
Daraufhin habe der Beschwerdeführer das Mädchen zu sich genommen, bzw. sie entführt
und wäre mit ihr zum Haus seiner Schwester gefahren. Dort hätte er sich drei Tage lang
versteckt gehalten. Dann wäre der Bruder des Mädchens mit seinem Dienstfahrzeug
vorgefahren und hätte seinen Leuten Befehl gegeben, den Beschwerdeführer umzubringen.
Die Ortschaft hätte sich versammelt und es sei seitens der Familie des Mädchens
entschieden worden, dass der Beschwerdeführer umgebracht werden solle. Der Dorfälteste wäre der Onkel väterlicherseits. Dieser hätte gemeint, dass es Gesetz sei, dass ein Mädchen nicht mit einem Jungen flüchten könne. Er müsse dafür bestraft werden, dass er sie entführt hätte.
Die Familie des Beschwerdeführers hätte alles versucht, das Problem zu lösen, damit der
Beschwerdeführer in Afghanistan bleiben hätte können. Aber diese wären damit nicht
einverstanden gewesen und diese Möglichkeit hätte nicht bestanden. Aus diesem Grund
sei er gezwungen gewesen, Afghanistan zu verlassen. Nachgefragt, welche Position die
Brüder des Mädchens hätte, antwortete der Beschwerdeführer, dass er dies nicht wisse. Er
wisse nur, dass sie Bodyguards hätten. Die Brüder würden aber bei dem Staat arbeiten.
Weiter zur Familie des Mädchens befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass diese
wohlhabend wäre. Auch sie würden der Volksgruppe der Hazara angehören. Was
genau aus dem Mädchen geworden ist, wisse der Beschwerdeführer nicht. Die Familie hätte
ihm auch auf Nachfrage nichts darüber erzählt.
Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er
bereits mehrere Deutschkurse besucht bzw. das Deutsch Zertifikat A1 bestanden
habe. Auch wurde ein Empfehlungsschreiben der Volkshilfe vom 13.11.2017 vorgelegt.
1.4. Mit Bescheid des BFA wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen
Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des
Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich
der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den
Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde
gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht
erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine
Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9
FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach
Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für
die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab
Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen
Schutz im Wesentlichen damit zu begründen sei, dass der Beschwerdeführer keine konkret
gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgungshandlung oder Bedrohung im Heimatland
Afghanistan geltend machen konnte, bzw. wurde festgehalten, dass das Führen einer
außerehelichen Beziehung, sowie auch eine Verfolgung durch Privatpersonen nicht
festgestellt werden hätte können. Die Ausführungen des Beschwerdeführers wären
vollkommen lebensfremd, unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer
hätte wesentliche Elemente der Fluchterzählung nur vage und unplausibel zu Protokoll
gegeben. Dem Vorbringen wäre daher die Glaubwürdigkeit zu versagen. So hätte der
Beschwerdeführer etwa betreffend besondere Merkmale des Mädchens nur allgemein
Ausführungen erstattet, bzw. hätte über den Aufenthaltsort und betreffend des weiteren
Schicksals des Mädchens keinerlei Kenntnis. Auch wären die Angaben betreffend das
Kennenlernen des Mädchens und der Art der geführten Beziehung nur vage, oberflächlich
erstattet worden und die diesbezüglichen Angaben wären nicht mit den
Länderinformationen zu Afghanistan zu vereinbaren. Letztlich wären auch die Ausführungen
betreffend die Entführung des Mädchens zwecks Aufbaus eines neuen Lebens in Kabul nicht
plausibel. Es hätte dem BF auch damals bereits klar sein müssen, dass dieser von der Familie,
bzw. auch den nach den Angaben des BF im Staatsdienst stehenden Brüdern des Mädchens
gesucht werden würde. Der Name des Mädchens wäre während der Einvernahme kein
einziges Mal genannt worden. Aus einer Gesamtschau des Vorbringens hätte nicht
festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer Verfolgung
durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen würde. Es hätte zudem aufgrund
des Gesamtvorbringens keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung festgestellt werden
können. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere Kabul, wäre die
beschwerdeführende Partei keiner Gefährdung ausgesetzt. Diese hätte keine aktuellen
Fluchtgründe in Bezug auf ihre Heimat Afghanistan vorgebracht. Die beschwerdeführende
Partei wäre bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht gefährdet, bzw. wäre diese keiner sie
speziell betreffenden Bedrohung bei einer Rückkehr ausgesetzt und die
beschwerdeführende Partei habe das Vorliegen einer solchen auch nicht
glaubhaft vorgebracht. Das Vorliegen sonstiger asylrelevanter Fluchtgründe, etwa aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit oder der Religion, wäre insgesamt nicht dargelegt worden. Die Teilnahme am Erwerbsleben sei dem volljährigen und gesunden BF zumutbar. Die Familie des Beschwerdeführers, mit der dieser weiterhin in Kontakt stehen würde, würde weiter in Daikundi leben und dort Ländereien und ein Haus besitzen. Dorthin, bzw. nach Kabul könne der Beschwerdeführer zurückkehren und im dortigen Elternhaus leben. Die Provinz Daikundi wäre erreichbar und die stabile und relativ friedliche Sicherheitslage würde sich aus den vorliegenden Länderinformationen ergeben. Kabul wäre, wie sich aus den vorliegenden Länderinformationen ergeben würde, über den internationalen Flughafen sicher zu erreichen. Der beschwerdeführenden Partei würde in Afghanistan aufgrund ihrer Ausreise und ihrer Asylantragstellung in Österreich oder anderer Umstände, die sich außerhalb des Herkunftslandes ereignet hätten, keine Verfolgung drohen. Auch hätten sich sonst keine Anhaltspunkte ergeben, dass der beschwerdeführenden Partei in ihrem Heimatland Afghanistan eine ungesetzmäßige Verfolgung von staatlichen Organen bei einer Rückkehr drohen würde. Es würde keine exzeptionelle Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in Afghanistan bestehen, die über das Maß hinausgehen würde, welches jedermann dort treffen könnte. Es wären weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in Afghanistan, speziell in Kabul, eine solch extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre. Der Beschwerdeführer hätte weiterhin familiären Bezug und aktuell auch Kontakt zu seinen sich weiterhin in Afghanistan aufhältigen Familienangehörigen. Diese könnten dem BF bei einer Rückkehr zumindest für eine erste Zeit Unterstützungsleistungen zukommen lassen. Der Beschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten und wäre aus den angeführten Gründen wirtschaftlich ausreichend abgesichert. Auch wäre es nicht ersichtlich, warum eine räumliche Trennung des Beschwerdeführers von seinen Angehörigen diese
außer Stande setzen sollte, diesen auch weiterhin finanziell zu unterstützen. Bei dem
Beschwerdeführer würde es sich um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann
handeln, der mit den kulturellen Gepflogenheiten, als auch der Sprache Afghanistans
vertraut sei. Die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe wäre ebenso möglich. Der Aufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan, insbesondere in Kabul wäre dem Beschwerdeführer somit zumutbar. Auch könne sich der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr auch an die zahlreichen vor Ort tätigen NGOs wenden, um zumindest erste Unterstützungsleistungen zu erhalten. Die Erreichbarkeit von Kabul im Luftwege von Österreich wäre jedenfalls möglich. Es hätten sich in einer Gesamtschau der Angaben und unter Berücksichtigung der Länderinformationen zu Afghanistan keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, wonach die Erreichbarkeit der Stadt Kabul für den Beschwerdeführer nicht sicher sein sollte. Da diesem
im Herkunftsstaat auch keine Verfolgung drohe, gehe die Behörde davon aus, dass dem
Beschwerdeführer in Afghanistan, insbesondere in Kabul auch keine Gefahren drohen, die
eine Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Diese Feststellungen
würden aus den unbedenklichen und aus verschiedenen aktuellen Quellen stammenden Länderinformationen zu Afghanistan zu entnehmen sein. Aufgrund der
schlepperunterstützten, unberechtigten Einreise und der insgesamt erst kurzen Dauer des
nur durch die gegenständliche Antragstellung begründeten Aufenthaltes, bzw. auch des
Nichtvorliegens von Personen, zu denen ein besonderes Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis
bestehen würde, stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art.
8 EMRK geschützte Rechte dar. Der Beschwerdeführer würde über keine sonstigen
relevanten Kontakte im Bundesgebiet verfügen, würde nicht ausreichend Deutsch sprechen,
wäre nicht berufstätig und würde von der Grundversorgung leben, bzw. wäre dieser nicht
Mitglied in einem Verein. Es würden somit insgesamt keine relevanten Bindungen zu
Österreich vorliegen die ein Bleiberecht begründen könnten. Auch sonstige Anhaltspunkte,
die das Vorliegen einer besonderen Integration im Bundesgebiet bescheinigen würden,
wären nicht hervorgetreten. Bei einer Abwägung der öffentlichen Interessen mit den
privaten Interessen wäre im gegenständlichen Verfahren den öffentlichen Interessen der
Vorzug zu geben und der Eingriff in das Privatleben nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
Dies auch, da der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise gegen das öffentliche
Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens verstoßen hat. Ein
Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wäre nicht zu erteilen und aus
diesen Gründen sei eine Rückkehrentscheidung nach §9 Abs. 1 -3 BFA - VG zulässig.
1.5. Gegen obgenannten Bescheid des BFA brachte der Beschwerdeführer fristgerecht das
Rechtsmittel der Beschwerde ein. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt,
dass es nicht verständlich sei, dass die Ausführungen des BF seitens des BFA als nicht
nachvollziehbar und nicht plausibel angesehen würden. Die Ausführungen, auch etwa
hinsichtlich der Eingehung der Beziehung wären nachvollziehbar bzw. würden außereheliche
Beziehungen ein Grund für Blutrache und Ehrenmorde in Afghanistan sein. Ein solches
Verhalten würde in Afghanistan gleich wie einem Verbrechen angesehen. Staatlichen Schutz
könne der BF hierfür nicht erwarten. Hinzukommen würde, dass die Familie des Mädchens
sehr reich wäre und zwei der Brüder im Staatsdienst arbeiten würden. Umso mehr wäre das
Leben des BF in Gefahr. Seitens UNHCR würden Männer, die außereheliche Beziehungen
führen würden, bzw. denen Ehebruch unterstellt würde, als auch Frauen die von zu Hause
weglaufen würden, als besondere Risikogruppe angesehen. Auch wäre festzuhalten, dass die
Region Daikundi nicht als stabil anzusehen wäre. Zahlreiche Bereiche würden ein anderes
Bild zeigen. Die Gesamtsituation in Afghanistan wäre höchst volatil. Dies würde auch auf
Kabul zutreffen. Die Gesamtlage in Afghanistan, auch in Kabul, hätte sich verschlechtert. Aus
diesen Gründen würde das BVwG um neuerliche Beurteilung des Falles ersucht, bzw. wären
die Anträge zu stellen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Behandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen, dem
Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten gem. §3 AsylG zuzuerkennen, bei
Abweisung diesen subsidiären Schutz zu gewähren, ihm einen Aufenthaltstitel aus
berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, die Rückkehrentscheidung aufzuheben, die
Abschiebung für unzulässig zu erklären, sowie eine mündlichen Verhandlung durchzuführen.
1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.06.2018, Zl. W168 2185828-
1/10E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung
am 27.06.2018 in Rechtskraft. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erging nach
Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.04.2018. Dabei wurden
folgende Feststellungen getroffen:
"Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört
der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Farsi. Der
Beschwerdeführer ist in Afghanistan aufgewachsen. Die Familie des Beschwerdeführers
besitzt eine Landwirtschaft und ein Haus in der Prinz Daikundi und hält sich weiterhin dort
auf. Mit den Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer mittels Telefons und Internet
in Kontakt. Der Beschwerdeführer hält sich seit September 2015 im Bundesgebiet auf. Bei
dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen
Alter. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen
Erkrankungen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan
aufgrund einer unmittelbaren Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung
verlassen hat. Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner
Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara
Verfolgung in Afghanistan droht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der
Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der
Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht
wäre. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der
Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen
Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige
Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht Gefahr, grundlegende und
notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu
können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der
strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend
ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer hat an mehreren Kursen
teilgenommen und verfügt über geringe Deutschkenntnisse; er hat in Österreich
Deutschkurse, bzw. Grundkurse für Deutsch und Mathematik besucht und Zertifikate über
eine abgelegte Prüfung auf dem Niveau A1 vorgelegt. Er verfügt in Österreich über keine
Verwandten, hat keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen zu sich in Österreich
aufhältigen Personen, bzw. ist das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe -
bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet nicht dargelegt worden. Der
Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Das
Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei
im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Das
Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich
kann in casu nicht festgestellt werden."
1.7. Die Frist des Beschwerdeführers zur freiwilligen Ausreise endete mit 11.07.2018.
2. Gegenständliches Verfahren:
2.1. Mit Schreiben des BFA vom 22.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der Absicht,
gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen, in Kenntnis
gesetzt. In diesem Zusammenhang wurde er um Beantwortung von Fragen zu seinen
persönlichen Verhältnissen aufgefordert.
2.2. Mit Schreiben vom 30.08.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in einer
Lebensgemeinschaft mit einer namentlich genannten Frau sei. Das Paar kenne sich schon
seit Anfang 2016 und habe in der Zwischenzeit schon die Familie des Gegenübers kennen
lernen können. Die Liebesbeziehung habe schon ein derart intensives Ausmaß
eingenommen, dass bereits Ringe getragen würden und demnächst mit einer Hochzeit zu
rechnen sei. Der Beschwerdeführer erhalte finanzielle Unterstützung gemäß einer
Bestätigung der Volkshilfe - vorgelegt wurde eine Bestätigung vom 28.08.2018, wonach der
Beschwerdeführer im Rahmen der Grundversorgung untergebracht sei und eine finanzielle
Unterstützung in der Höhe von ? 6,-- pro Tag (max. ? 186,-- pro Monat) erhalte - und er
werde auch von der Lebenspartnerin unterstützt. Der Beschwerdeführer habe kein
Reisedokument. Er sei der Ausreiseverpflichtung unter anderem deshalb nicht
nachgekommen, da er in einer Beziehung sei. Eine Trennung wäre unverhältnismäßig und
würde beide in psychischer Sicht enorm belasten. Darüber hinaus habe der
Beschwerdeführer weiterhin eine begründete Furcht vor einer Verfolgung in Afghanistan.
Deshalb sei er der Verpflichtung nicht nachgekommen. Erschwerend komme hinzu, dass seine Mutter ihn gebeten habe, nicht mehr zurück zu kommen, da seine Anwesenheit die
gesamte Familie in Gefahr bringen würde.
2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 07.09.2018 wurde dem
Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57
AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz,
BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine
Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr.
100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt II.) Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt,
dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist
(Spruchpunkt III.). Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung
gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise
besteht (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den
Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen
(Spruchpunkt VI.).
Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer seit dem
18.09.2015 in Österreich aufhalte und er seit 11.07.2018 über kein Aufenthaltsrecht mehr
in Österreich verfüge. Er habe in Österreich keine Verwandten, seine Kernfamilie mit den
Eltern und den Geschwistern lebe in seinem Heimatdorf in Afghanistan. Er sei in Österreich
eine Beziehung mit einer Frau eingegangen, eine besondere Beziehungsintensität bestehe
jedoch nicht. Er sei nicht berufstätig, in keinem Verein aktiv und nicht ehrenamtlich
engagiert. Er hätte in Österreich Deutsch-und Bildungskurse besucht und eine Prüfung über
das Niveau A1 erfolgreich abgelegt. Er lebe von der Grundversorgung und sei nicht erwerbstätig. Er sei unbescholten und weder Zeuge oder Opfer vor Gericht gewesen. Seine sofortige Ausreise sei im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er vorhabe, das österreichische Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Er habe die gewährte Frist zur Ausreise in sein Heimatland von 14 Tagen nicht eingehalten und somit einer behördlichen Anordnung nicht Folge geleistet und diese gröblich missachtet. Er sei nicht in der Lage, die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen wurde ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht
erteilt.
Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im
Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige
Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines
geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, würden im vorliegenden Fall schwerer als die
Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich wiegen. Daher liege durch die
angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst
seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine
Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Daher wurde ausgesprochen, dass die
Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei. Da die Voraussetzung des nicht
rechtmäßigen Aufenthalts im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG vorliegen würden, dem
Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt
wurde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei, wurde gem. §
10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers wurde gem. § 46 FPG als zulässig erkannt. Aus den
zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergebe sich, dass die Herkunftsprovinz Daikundi als
relativ friedliche Provinz und die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des
Beschwerdeführers als ausreichend sicher beurteilt werden könne. Aus den herangezogenen
Länderfeststellungen ergebe sich, dass die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat - im
Vergleich zu anderen Provinzen - nicht als derart unsicher qualifiziert werden könnten, dass
es dem Beschwerdeführer von vornherein verunmöglicht würde, dorthin zurück zu gelangen.
Kabul, Mazar-e Sharif und Herat verfügten über eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit
dem Bestehen eines Flughafens, der für den zivilen Flugverkehr geeignet sei.
Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine
Rückkehrentscheidung aberkannt. Der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich stelle
eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Seine
sofortige Ausreise sei daher erforderlich. Das bedeute, dass der Beschwerdeführer mit dem
Zeitpunkt der Durchführbarkeit dieser Rückkehrentscheidung zur unverzüglichen freiwilligen
Ausreise verpflichtet sei. Komme er dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht nach, so könne er
auch unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG sonst genannten Voraussetzungen zur Ausreise
verhalten werden (Abschiebung).
Demnach wurde auch keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
Mit der Rückkehrentscheidung wurde vom BFA ein Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 FPG
erlassen. Der Beschwerdeführer sei seiner Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht
nachgekommen, obwohl sein Antrag auf internationalen Schutz durch Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung verbunden
worden sei. Daher falle er unter den Anwendungsbereich des Artikels 11 der RückführungsRL (vgl auch Art 11 Abs 1 lit b RückführungsRL: Rückkehrentscheidungen gehen mit einem
Einreiseverbot einher, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde).
2.4. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 26.09.2018 ficht
der Beschwerdeführer alle Spruchpunkte des Bescheides wegen unrichtiger Feststellungen,
Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an und führt
begründend aus, dass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzung der Zulässigkeit einer
Rückkehrentscheidung in Hinblick auf Art. 8 EMRK vorliegen, eine gesamtheitliche
Betrachtung anzuwenden sei. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde
beantragt, damit der Beschwerdeführer seine Integration in Österreich, seine
Befürchtungen bezüglich der Rückkehr nach Afghanistan und seine Situation in Österreich
persönlich erörtern könne. Der Beschwerdeführer lebe seit 3 Jahren in Österreich und habe
sich intensiv um seine Integration bemüht. Er sei in der Lage, sich auf legale Weise seinen
eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, habe zahlreiche soziale Kontakte geknüpft und
könne sich im Alltag auf Deutsch verständigen, wünsche sich jedoch, die deutsche Sprache
besser zu lernen. Er sei unbescholten. Er sei als Kind nach Österreich gekommen, deshalb
habe die Zeit seines Aufenthaltes zu einer besonders intensiven Anpassung an die
Lebensweise in Österreich geführt. Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei keiner
adäquaten Beurteilung unterzogen worden, die Ausweisung widerspreche Art. 8 EMRK. Es
sei keine Analyse der aktuellen Länderberichte erfolgt und der Beschwerdeführer müsse
weiterhin befürchten, in Afghanistan menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt zu
sein, auch aufgrund seiner langen Entwurzelung aus seiner Heimat. Der Beschwerdeführer
sei als Kind nach Österreich gekommen, habe keine Kontaktmöglichkeiten nach Afghanistan
und keine Identitätsunterlagen. Im Falle einer Rückkehr würde eine Verletzung der durch
Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen. Zudem wurde die Begründung des
Einreiseverbots, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Unwilligkeit, nach Afghanistan
auszureisen, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, als nicht
nachvollziehbar empfunden. Ein kürzeres oder gar kein Einreiseverbot seien angemessen.
Verwiesen wurde nochmals auf das Fehlen eines sozialen und familiären Auffangnetzes für
den Beschwerdeführer.
2.5. Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am
04.10.2018 vorgelegt.
2.6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2018, Zl: W162 2185828-2/3Z, wurde der Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
2.7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.01.2020 zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsvertreters zu einem etwaigen Privat- und Familienleben in Österreich befragt wurde. Des Weiteren sollte die vermeintliche Verlobte, Frau XXXX , einvernommen werden. Diese ist jedoch nicht erschienen. Das BFA wurde ordnungsgemäß zu dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen, ein Vertreter des Bundesamtes nahm jedoch nicht an der Verhandlung teil. Der Beschwerdeführer legte Unterlagen vor und machte Angaben zu seinem Privatleben und der Rückkehrsituation in Afghanistan. Auf eine Einvernahme der (nicht erschienenen) Zeugin an einem anderen Tag wurde von Seiten des Beschwerdeführers nunmehr verzichtet. Dem Beschwerdeführer wurden vom BVwG abschließend aktuelle Länderberichte übergeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Hazara an, beherrscht die Sprache Dari, ist schiitischer Moslem, ledig, kinderlos und gesund. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.06.2018, Zl. W168 2185828-1/10E wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich als unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung am 27.06.2018 in Rechtskraft. Er wurde in Daikundi geboren und ist in Afghanistan im afghanischen Familienverband aufgewachsen. Er ist mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Die Familie des Beschwerdeführers befindet sich mittlerweile im Iran. Er hat Kontakt zu seinem Bruder und seiner Familie. Es kann jedoch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sie ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen könnte. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan zwei Jahre lang eine Schule besucht und ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich an mehreren Kursen teilgenommen und verfügt über grundlegende Deutschkenntnisse, die für eine einfache Konversation ausreichen. Er hat Deutschkurse und einen Grundkurs für Deutsch und Mathematik besucht und eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 positiv absolviert. Er verfügt in Österreich über keine Verwandten, hat keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen zu sich in Österreich aufhältigen Personen, bzw. ist das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet nicht glaubhaft dargelegt worden. Der Beschwerdeführer hat lediglich eine Bekannte namens XXXX . Sie ist weder die Partnerin des Beschwerdeführers, noch sind sie miteinander verlobt. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt und den Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten.
Er war seit seiner Einreise nach Österreich bloß aufgrund seines damaligen Asylantrags vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt. Er kam seiner Ausreiseverpflichtung trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung vom 27.06.2018 nicht nach.
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.
Dem Beschwerdeführer ist eine Rückkehr nach Afghanistan, konkret in die Städte Mazar-e Sharif und Herat möglich. Er ist jung, gesund, arbeitsfähig und hat eine zweijährige Schulbildung.
Zu Afghanistan:
1. Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.
Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).
Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).
Zivile Opfer
Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).
Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).
High-Profile Angriffe (HPAs)
Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten
Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018
Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):
Taliban
Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).
Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).
Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).
Haqqani-Netzwerk
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).
Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).
Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)
Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3