TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/27 G305 2191251-1

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Veröffentlicht am 27.03.2020
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Entscheidungsdatum

27.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2191251-1/17E

G305 2191258-1/15E

G305 2191255-1/15E

G305 2209527-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX alias XXXX , geb. XXXX (BF1), der XXXX alias XXXX , geb. XXXX (BF2), der

XXXX alias XXXX , geb. XXXX (mj. BF3) und des XXXX , geb.

XXXX (mj. BF4), alle StA. Irak, die beiden minderjährigen BF3 und BF4 vertreten durch die Eltern BF1 und BF2, alle vertreten durch den VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich, ASt. Linz vom XXXX 02.2018,

Zl. XXXX (BF1),

XXXX (BF2) und XXXX (mj. BF3) und gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich, ASt Linz vom XXXX .10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides gerichteten Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die

beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: so oder kurz: bfP

) sind Staatsangehörige der Republik Irak und stellten der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: so oder kurz: BF1), die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: so oder kurz: BF2) und die mj. Drittbeschwerdeführerin (in der Folge: so oder kurz: mj. BF3) am 10.06.2015, eine Antrag auf internationalen Schutz, dies nachdem sie an diesem Tag - in allen Fällen sollen Schlepper den Reisepass mit den mitgeführten Dokumenten in Griechenland über Bord geworfen haben [BF1 in Erstbefragungsprotokoll der LPD Niederösterreich, S. 4 oben; BF2 in Erstbefragungsprotokoll der LPD Niederösterreich, S. 3 unten] - illegal die Grenze ins Bundesgebiet überquerten.

Am 10.06.2015 fand jeweils eine Erstbefragung des BF1 und der BF2 vor Organen der LPD Niederösterreich statt.

In Vertretung des am XXXX in Vöcklabruck geborenen mj. BF4 stellte der BF1 am 06.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner Erstbefragung gab der BF1 nach dem Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, an, dass er zweimal von bewaffneten IS-Anhängern beschossen worden sei, da sein Vater bei einer Spezialeinheit der irakischen Polizei sei. Seine Mutter hätte ihm empfohlen, den Irak so schnell wie möglich zu verlassen [BF1 in Niederschrift der LPD Niederösterreich vom 10.06.2015, S. 5 unten]. Ihre Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates stützte die BF2 auf die vom BF1 genannten Gründe und darauf, dass sie nicht von ihrem Ehegatten getrennt sein wollte [BF2 in Niederschrift der LPD Niederösterreich vom 10.06.2015, S. 5 Mitte].

Die beiden minderjährigen Beschwerdeführer (die mj. BF3 und der mj. BF4) haben keine eigenen Fluchtgründe und stützen sich diese, wie schon ihre Mutter, die BF2, mit ihren Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates auf jene des BF1.

2. Am 08.02.2018 wurden der BF1 und die BF2 - letztere ist die Ehegatten des BF1 - von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge ihrer Einvernahme vor dem BFA nannte der BF1 einen Vorfall aus dem Jahr 2012 und einen weiteren Vorfall vom 14.12.2014, bei denen er wegen seines Vaters von Milizen und Kriminellen, die von seinem Vater, einem ranghohen Polizisten im Irak, beschossen worden sei, als Grund für die Ausreise. Sein Vater arbeite nach wie vor bei der irakischen Polizei. Ihm, dessen Ehegattin und Mutter des BF1, sowie seinen ebenfalls im Irak lebenden Schwestern ( XXXX , die in XXXX lebt; XXXX , die in XXXX lebt und XXXX , die in XXXX lebt) sei nach den Angaben des BF1 nichts passiert. Die Männer, die auf ihn geschossen hätten, habe er weder beim ersten Anschlag, noch beim zweiten Anschlag gesehen.

Anlässlich ihrer Befragung durch Organe des BFA erklärte die BF2 einsilbig, dass sie sich den Fluchtgründen ihres Ehegatten anschließe und sie dieselben Fluchtgründe wie ihr Ehegatte, der BF1, habe.

3. Mit Bescheiden vom XXXX 02.2018, Zlen XXXX (BF1), XXXX , (BF2) und XXXX (mj. BF3), und vom XXXX 10.2018, Zl. XXXX (mj. BF4) wurden die auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 10.06.2015 (BF1, BF2 und mj. BF3) und vom 06.09.2018 (mj. BF4) hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen die zuvor näher bezeichneten Bescheide der belangten Behörde erhoben die bfP fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verbanden ihre Beschwerden mit dem Antrag, dass 1.) die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert werden mögen, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihnen der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden möge, 2.) in eventu die angefochtenen Bescheide behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverwiesen werden mögen, 3.) in eventu die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert werden mögen, dass den bfP gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zuerkannt werden möge; 4.) allenfalls die gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufgehoben werden möge; 5.) die Abschiebung gemäß § 46 FPG für unzulässig erklärt und 6.) eine mündliche Verhandlung nach § 24 Abs. 1 VwGVG durchführt werden möge.

5. Am 16.11.2018 wurden die Beschwerdeschriften und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Im Rahmen einer am 09.01.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die bfP im Beisein ihres Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer ( XXXX alias XXXX , geb. XXXX (BF1), XXXX alias XXXX , geb. XXXX (BF2) und XXXX alias XXXX , geb. XXXX (mj. BF3)) sind im Herkunftsstaat geboren. Der BF1 ist in XXXX geboren und hat dort von 1994 bis 2009 sechs Jahre lang die Grundschule, danach sechs Jahre lang das Gymnasium und von 2009 bis 2011 eine Berufsschule für XXXX besucht. Über ein Abschlusszeugnis verfügt er jedoch nicht [BF1 in Erstbefragungsprotokoll vom 10.01.2015, S. 1 unten; PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 6 Mitte]. Die BF2 ist in XXXX geboren und hat dort von 1996 bis 2008 die Schule besucht. Eine weiterführende Schule hat sie nicht besucht [BF2 in Erstbefragungsprotokoll vom 10.06.2015, S. 1 unten]. Weder der BF1, noch die BF2 sind im Herkunftsstaat einer Erwerbstätigkeit nachgegangen [PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 7]. Der Vater des BF1 ist bis zu der am XXXX erfolgten Eheschließung des Paares vorerst nur für den Lebensunterhalt des BF1 und ab der Eheschließung für den Lebensunterhalt des Paares aufgekommen. Seit der Eheschließung lebte die BF2 im Elternhaus des BF1 in XXXX [PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 7 Mitte].

Die mj. BF3 und der mj. BF4 sind außerhalb des Staatsgebietes des Irak geboren und sind alle bfP Staatsangehörige der Republik Irak.

Die Beschwerdeführer gehören allesamt der muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung an. Die BF2 verhält sich entsprechend den islamischen Konventionen, was sie durch eine selbst im Gerichtssaal nicht abgenommene islamische Kopfbedeckung demonstrierte [Verhandlungsniederschrift des BVwG vom 09.01.2019, S. 5 unten].

Die bfP gehören der Mehrheitsbevölkerung der Araber an und ist ihre Muttersprache arabisch.

Sie sind miteinander verwandt. Beim BF1 und der BF2 handelt es sich um ein Ehepaar, das am XXXX in der Stadt XXXX zunächst vor einem Imam traditionell geheiratet und anschließend vor dem Standesamt von XXXX einen Ehevertrag geschlossen hat. Bei der mj. BF3 und beim mj. BF4 handelt es sich um die minderjährigen Kinder des BF1 und der BF2. Weitere Kinder existieren nach den Angaben des BF1 und der BF2 nicht [PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 6 Mitte].

Zuletzt lebten der BF1 und die BF2 bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat in Bagdad (Irak).

Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Juni 2015 überquerten der BF1, die BF2 und die mj. BF3 ohne Reisedokument, sohin illegal die Grenze ins Bundesgebiet und stellten am 10.06.2015 vor Organen der Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Die bfP sind 14.11.2014 mit dem Flugzeug nach Ankara (Türkei) ausgereist, von wo aus sie die Reise mit einem öffentlichen Linienbus nach Izmir und von hier nach Bodrum fortsetzten. Von Bodrum (Türkei) ausgehend gelangten sie schlepperunterstützt mit dem Schlauboot zur griechischen Insel Kos, wo sie von Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde erkennungsdienstlich behandelt wurden. In der Folge setzten sie ihre Reise mit dem Schiff nach Saloniki (Griechenland) fort. In der Folge gelangten sie schlepperunterstützt teils zu Fuß, teils mit verschiedenen Fahrzeugen nach Serbien. In der Folge gelangten sie - ebenfalls schlepperunterstützt - mit einem LKW über Ungarn nach XXXX , wo sie ein Busticket nach Berlin (Deutschland) erwarben und ihre Fahrt mit dem Linienbus nach Tschechien fortsetzten. Anlässlich einer in Tschechien durchgeführten Kontrolle wurden sie festgenommen und nach Österreich rücküberstellt [BF1 und BF2 in Erstbefragungsprotokoll vom 10.06.2015, S. 4 oben].

Bei ihrer Einreise ins Bundesgebiet hatten die bfP kein Reisedokument bei sich. Dieser soll nach Angaben des BF1 und der BF2 gemeinsam mit anderen Dokumenten der bfP von den Schleppern über Bord geworfen worden sein [BF1 in Erstbefragungsprotokoll vom 10.06.2015, S. 4 oben; BF2 in Erstbefragungsprotokoll vom 10.06.2015, S. 3f].

Am 10.06.2015, 10:00 Uhr, stellten der BF1 und die BF2 für sich und die mj. BF3 in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien:

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um ein verheiratetes Paar, bestehend aus dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin und deren minderjährige Kinder, die am XXXX geborene Drittbeschwerdeführerin und den am XXXX geborenen Viertbeschwerdeführer. Die bfP haben - außer sich selbst - keine im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen. Die familiären Anknüpfungspunkte der bfP befinden sich im Herkunftsstaat.

Im Herkunftsstaat hat der BF1 eine Schule für XXXX besucht und ist Spezialist für Computersoft- und -hardware. Seine Ausbildung beendete er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2011 und begann er danach als angestellter XXXX bei der Firma „ XXXX “ in XXXX zu arbeiten. Bei diesem Unternehmen arbeitete er bis kurz vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat als XXXX . Konkret war er für den Einbau, die Inbetriebnahme und die Wartung von Liften, darunter insbesondere auch für die Behebung von Störungen in Liften zuständig und erstellte die Planung auf dem Computer [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 3f]. Bei diesem Unternehmen in XXXX war er bis kurz vor seiner Ausreise aus dem Irak tätig [Ebda. S. 4 oben]. Von seiner Tätigkeit als XXXX konnte er nach eigenen Angaben gut leben und ging es der Familie wirtschaftlich gut. Den Vater bezeichnete er als wohlhabend [Ebda., S. 4 Mitte].

Nach der am XXXX erfolgten Eheschließung mit der BF2 zog letztere in das im Eigentum des Vaters in XXXX stehende Einfamilienhaus und lebte sie dort mit dem BF1 als Hausfrau [BF2 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 3 unten]. Einer Erwerbsarbeit ist sie jedoch nie nachgegangen [BF2 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 3 unten; BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2009, S. 6f].

Im Herkunftsstaat leben der Vater des BF1, der ca. XXXX Jahre alte XXXX , sowie dessen Mutter, die ca. XXXX Jahre alte XXXX , im Elternhaus in XXXX . Der Vater des BF1 ist in Pension und leben er und die Mutter sowie die Schwester des BF1 von der staatlichen Pension, die der Vater vom irakischen Staat bezieht [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 24 oben]. Eigentümer dieses Hauses ist der Vater des BF1 und liegt dieses im Bezirk XXXX . Es verfügt über einen Vorgarten im Ausmaß von ca. 1.000 m² Grundfläche und weist insgesamt zwei Stöcke auf und verfügt über mehrere kleine Wohneinheiten, die allesamt mit je einem Bad und einem WC ausgestattet sind [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 12 oben]. Das Haus verfügt über eine Versorgung mit Wasser und Strom und stehen diese stundenweise zur Verfügung [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 12f]. Das Trinkwasser kaufen die Verwandten des BF1 in Flaschen im Geschäft [Ebda., S. 13 oben]. Der BF1 hat einen Bruder und fünf Schwester, darunter die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene Schwester XXXX . Drei Schwestern sind verheiratet und leben bei ihren Ehegatten; die Ehegatten der Schwestern des BF1 sind Muslime der sunnitischen Glaubensrichtung; von den Ehegatten der Schwestern arbeitet einer als Soldat, ein weiterer arbeitet am Flughafen von XXXX [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019 S. 9 Mitte]. Sie leben bei deren Ehegatten im Irak. Die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene Schwester XXXX lebt noch im Elternhaus in XXXX [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 4 oben]. Der Bruder des BF1 ist verheiratet und hat Kinder und lebt mit seiner Familie in den XXXX [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 9 oben; BF1 in Erstbefragungsprotokoll vom 10.06.2015, S. 3 oben]. Der BF1 steht mit seinen im Irak aufhältigen Schwester über die sozialen Medien in Kontakt; sie haben Kinder, die zwischen XXXX Jahre alt sind und zur Schule gehen. Den Familien der Schwestern geht es, wie den Eltern des BF1, gut; der Vater des BF1 ist wohlhabend [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 9f; BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 4 unten].

Auch die BF2 hat mit ihrer Mutter XXXX und der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene Schwester XXXX zwei im Herkunftsstaat lebende Verwandte. Auch sie leben, wie die Familienangehörigen des BF1, in XXXX [BF2 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 4 Mitte]. Der Vater der BF2 lebt aus wirtschaftlichen Gründen als Asylwerber in Deutschland. Er hat keinen asylrelevanten Grund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat Irak; er hält sich in Deutschland auf, weil er dort arbeiten will [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 10 unten].

Die im Herkunftsstaat bzw. in XXXX verbliebenen Angehörigen der Kernfamilie der beschwerdeführenden Parteien leben dort unbehelligt und sind diese auch keiner asylrelevanten Verfolgung und/oder Bedrohung ausgesetzt gewesen.

In Österreich gehen weder der BF1, noch die BF2 einer Beschäftigung nach. Die beschwerdeführenden Parteien leben von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 14 oben]. Die beschwerdeführenden Parteien besuchen in Österreich weder eine Schule, noch eine Universität, noch besuchen sie bestimmte Kurse, noch verfügen sie über nennenswerte soziale Bindungen im Bundesgebiet [Ebda., S. 14 Mitte]. Die beschwerdeführenden Parteien sind in Österreich strafrechtlich unbescholten [Ebda., S. 14 unten].

Die beschwerdeführenden Parteien sind allesamt gesund; der erwachsene Erstbeschwerdeführer und die erwachsene Zweitbeschwerdeführerin sind grundsätzlich arbeitsfähig [PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 4 Mitte].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Niemand von den bfP war je Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung oder einer Miliz des Herkunftsstaates (darunter auch dem IS). Niemand von ihnen hatte jemals ein Problem mit der Polizei, mit den Verwaltungsbehörden oder mit den Gerichten des Herkunftsstaates [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 5 oben; BF2 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 4f; PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 20 oben; S. 24 oben]. Keine der bfP ist vorbestraft. Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief etc. bestehen gegen keinen der bfP. Keine der bfP hatte im Herkunftsstaat wegen des Religionsbekenntnisses oder der Volksgruppenzugehörigkeit Probleme. Auch mit Privatpersonen hatte niemand von ihnen Probleme; auch mit den Nachbarn sind sie gut ausgekommen. Keine der bfP nahm jemals aktiv an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teil [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 5; BF2 in Niederschrift des BFA vom 08.02.2018, S. 4f; PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 12 Mitte].

Die bfP sind nicht wegen der Tätigkeit des BF1 als angestellter Elektrotechniker, die er bis kurz vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat bei der Firma „ XXXX ausübte ins Visier des IS oder einer anderen bewaffneten Gruppierung geraten. Auch die BF2 war nie Ziel von (asylrelevanten) Angriffen gegen ihre Person [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 23 oben].

Der BF1 hatte während seines Aufenthalts im Irak weder mit der Al Kaida noch mit dem IS Probleme [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 25.09.2019, S. 25 oben]. Nach eigenen Angaben hatte er dort (konkret in XXXX und in XXXX ) keine Feinde [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 27 oben].

Das Fluchtvorbringen der bfP, dass sie nach einem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2014 auf den BF1 in einem Restaurant des Cousins in XXXX verübten Anschlags den Herkunftsstaat verlassen hätten, konnten diese nicht glaubhaft machen.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der BF im Bundesgebiet:

Der BF1 und die BF2 haben in Österreich an keinen Maßnahmen teilgenommen, die eine integrationsverfestigende Wirkung hätten. Während der BF1 noch über rudimentäre Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügte, konnte die BF2 einfache Frage in deutscher Sprache weder verstehen, noch beantworten. Auch sind beide zu keiner Zeit einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen [PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 09.01.2019, S. 13f].

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da‘wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante „Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

-        Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

-        BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985. Zugriff 18.10.2018

-        BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528. Zugriff 18.10.2018

-        CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook - Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html. Zugriff 19.10.2018

-        DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih- as-new-president/a-45733912, Zugriff 18.10.2018

-        Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-        The Guardian (3.10.2018): Iraqi president names Adel Abdul-Mahdi as next prime minister, https://www.theguardian.com/world/2018/oct/03/iraqi-president-names-adel-abdul-mahdi-as-next-prime-minister, Zugriff 18.10.2018

-        ICG - International Crisis Group (9.5.2018): Iraq’s Pre-election Optimism Includes a New Partnership with Saudi Arabia, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and- arabian-peninsula/iraq/iraqs-pre-election-optimism-includes-new-partnership-saudi-arabia. Zugriff 18.10.2018

-        KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

-        LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?. http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC Iraqi-elections Report 2018.pdf. Zugriff 18.10.2018

-        Reuters (15.9.2018): Iraq parliament elects Sunni lawmaker al-Halbousi as speaker, breaking deadlock, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics/iraq-parliament-elects-sunni-lawmaker-al-halbousi-as-speaker-breaking-deadlock-idUSKCN1LV0BH. Zugriff 18.10.2018

-        Rol - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 18.10.2018

-        Der Standard (13.5.2018): Wahlen im Irak: Al-Abadi laut Kreisen in Führung, https://derstandard.at/2000079629773/Irakische-Parlamentswahl-ohne-groessere-Zder. Zugriff 2.11.2018

-        Der Standard (3.10.2018): Neue alte Gesichter für Iraks Topjobs, https://derstandard.at/2000088607743/Neue-alte-Gesichter-fuer-Iraks-Topiobs. Zugriff 19.10.2018

-        TA - Tagesanzeiger (12.5.2018): Im Bann des Misstrauens, https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/im-bann-des-misstrauens/storv/29434606, Zugriff 18.10.2018

-        UNSC - United Nations Security Council (17.1.2018): Report of the Secretary-General pursuant to resolution 2367 (2017), https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1800449.pdf, Zugriff 19.10.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-im- Irak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018

2.2. Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da‘wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran („Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi‘s Nasr („Victory")-Allianz (LSE 7.2018).
Quelle: LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf. Zugriff 2.11.2018

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).
Quellen:

-        Al Jazeera (6.6.2018): Iraq orders recount of all 11 million votes from May 12 election, https:// www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million-votes-12-election-180606163950024.html. Zugriff 23.10.2018

-        Al-Monitor (23.8.2018): Many Iraqi legislators call for canceling election results, https://www.al- monitor.com/pulse/originals/2018/05/iraq-election-fraud.html. Zugriff 23.10.2018

-        The Arab Weekly (7.10.2018): Room for optimism in Iraq under new leadership, https://thearabweekly.com/room-optimism-iraq-under-new-leadership. Zugriff 23.10.2018

-        BP - Baghdad Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba, https://www.thebaghdadpost.com/en/Storv/21086/All-Shia-political-parties-have-armed-militias-Nujaba. Zugriff 22.10.2018

-        CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq‘s Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy- Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018

-        Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-        The Guardian (12.5.2018): Martyr or master? Future of anti-Isis militias splits Iraq ahead of elections, https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections-become-battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018

-        HoC - House of Commons (12.6.2018): Briefing paper: Iraq and the 2018 election, researchbriefings.files.parliament.uk/documents/.../CBP-8337.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        IRIS - Institute of Regional and International Studies (11.5.2018): Iraq Votes 2018: Election Mobilization Strategies, https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf. Zugriff 2.11.2018

-        ISPI - Istituto per gli studi di politica internazionale (10.5.2018): After IS: The meaning of Iraq’s election for the Arab Sunni community, https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/ commentary_seloom_10.05.2018.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (22.5.2018): Sadr-Communist Alliance And Iraq’s 2018 Elections Interview With Benedict Robin, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/05/sadr-communist- alliance-and-iraqs-2018.html. Zugriff 22.10.2018

-        KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

-        LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf. Zugriff 23.10.2018

-        LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 18.10.2018

-        MEMO - Middle East Monitor (16.1.2018): Iraq: 3 major Sunni provinces form alliance to run in elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180116-iraq-3-major-sunni-provinces-form- alliance-to-run-in-elections/, Zugriff 22.10.2018

-        MEMO - Middle East Monitor (27.2.2018): Iraq Islamic party will not run in upcoming elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180227-iraq-islamic-party-will-not-run-in-upcoming-elections/, Zugriff 22.10.2018

-        Niqash (7.7.2016): Too Many Contradictions: Why Iraq’s New Political Parties Law Can Never Work, http://www.niqash.org/en/articles/politics/5304/. Zugriff 22.10.2018

-        Niqash (5.4.2018): Formerly-Armed Angels? The Controversial Iraqi Militia That Now Prefers Social Work To Politics, http://www.niqash.org/en/articles/security/5873/. Zugriff 22.10.2018

-        Reuters (19.5.2018): Cleric Moqtada al-Sadr's bloc wins Iraq election, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-results/cleric-moqtada-al-sadrs-bloc-wins-iraq-election-idUSKCN1IJ2X0. Zugriff 19.10.2018

-        Reuters (24.5.2018): Iraqi PM Abadi says election fraud allegations to be investigated, https:// www.reuters.com/article/us-iraq-election-fraud/iraqi-pm-abadi-says-election-fraud-allegations-to-be-investigated-idUSKCN1IP2Z2. Zugriff 23.10.2018

-        Reuters (10.8.2018): Recount shows Iraq's Sadr retains election victory, no major changes, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election/recount-shows-iraqs-sadr-retains-election-victory-no-major-changes-idUSKBN 1KV041, Zugriff 19.10.2018

-        Der Standard (29.10.2017): Kurdenpräsident Barzani hinterlässt einen Trümmerhaufen, https://derstandard.at/2000066849335/Kurdenpraesident-Barzani-hinterlaesst-einen-Truemmerhaufen, Zugriff 22.10.2018

-        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2016): Die »Volksmobilisierung«im Irak, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A52_sbg.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Die Badr-Organisation: Irans wichtigstes politisch-militärisches Instrument im Irak, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A27 sbg.pdf, Zugriff 22.10.2018

-        WI - al-Waqä’i‘a al-iräqiyya (12.10.2015): Law No. 36  of 2015 on Political Parties, https://www.ilo.org/dvn/natlex/docs/ELECTRONIC/102986/124758/F1240401810/4383.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        WoR - War on the Rocks (25.8.2017): Iraq‘s competing security forces after the battle for Mosul, https://warontherocks.com/2017/08/iraqs-competing-security-forces-after-the-battle-for-mosul/, Zugriff 22.10.2018

-        WSJ - Wall Street Journal (9.8.2018): Iraq Election Results Unchanged After Recount on Fraud Allegations, https://www.wsj.com/articles/iraq-election-results-unchanged-after-recount- on-fraud-allegations-1533852653. Zugriff 23.10.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916_Schluesselland-Irak.html. Zugriff 15.10.2018

2.3.    Allgemeine Sicherheitslage und Islamischer Staat (IS):

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen. aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es immer wieder zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018). Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak. https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 19.7.2018

-        CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress. https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf. Zugriff 29.10.2018

-        MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving.https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable but improving/10061710. Zugriff 30.10.2018

-        Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/. Zugriff 30.10.2018

-        CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf. Zugriff 29.10.2018

-        ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS‘s Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html. Zugriff 30.10.2018

-        Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://iamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/. Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding- in.html, Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state- returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

-        Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018

-        WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback- in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018
2.4. Sicherheitslage Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Umgelegt auf die Größe der Stadt sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

Quellen:

*        Joel Wing – Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded In Iraq June 2017, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

*        Joel Wing – Musings on Iraq (4.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded In September 2017 In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.html , Zugriff 1.11.2018

*        Joel Wing – Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html , Zugriff 30.10.2018

*        Joel Wing – Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html, Zugriff 1.11.2018

*        Joel Wing – Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-22-28-2018.html, Zugriff 1.11.2018

*        OFPRA – Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 31.10.2018UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8500:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-january-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

*        UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

*        UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

*        UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

*        UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?

*        option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july 2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

*        UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

*        UNAMI – United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

*        USDOS – United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html , Zugriff 31.10.2018

2.5. Medizinische Versorgung

Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).
Quellen:

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak – Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018

-        IOM – International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

2.6. Bewegungsfreiheit

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.4.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018).

In Bagdad selbst sollen seit Dezember 2017 hingegen 305 Checkpoints und Straßensperren entfernt worden sein. Über tausend Straßen sind in Bagdad seit dem offiziellen Sieg über den IS wieder geöffnet worden (AAA 8.8.2018; vgl. AAA 29.1.2018, Iraqi News 29.1.2018).

Quellen:

*        AAA – Asharq Al-Awsat (29.1.2018): Iraq Reopens 600 Main Streets, Lifts 281 Security Checkpoints in Baghdad, https://aawsat.com/english/home/article/1158316/iraq-reopens-600-main-streets-lifts-281-security-checkpoints-baghdad, Zugriff 5.10.2018

*        AAA – Asharq Al-Awsat (8.8.2018): Removal of Roadblocks in Iraq's Capital Oils Traffic and Trade, https://aawsat.com/english/home/article/1356981/removal-roadblocks-iraqs-capital-oils-traffic-and-trade, Zugriff 5.10.2018

*        FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 29.10.2018

*        Iraqi News (29.1.2018): Iraq plans to remove 300 checkpoints, erect security fence in Baghdad, https://www.iraqinews.com/iraq-war/iraq-uncovers-plan-remove-300-checkpoints-set-security-fence-around-baghdad/, Zugriff 5.10.2018

*        USDOS – United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018

2.7. Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 12.2.2018).

Quellen:

*    

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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