Entscheidungsdatum
30.03.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2213487-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 17.12.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 20.09.2018 über die Zentrale Poststelle des Sozialministeriumservice beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Der Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO gilt entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass. Den Anträgen waren medizinische Befunde sowie ein Meldezettel angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde das medizinische Sachverständigengutachten aus dem vorangegangenen Feststellungsverfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz herangezogen.
2.1. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 04.05.2018 wurde, nach persönlicher Untersuchung der BF am 30.04.2018, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Chronische obstruktive Lungenerkrankung Oberer Rahmensatzwert der gewählten Position entspricht der hochgradigen Lungenfunktionseinschränkung und den regelmäßig auftretenden Verschlechterungen bei Atemwegsinfekten bisher ohne Sauerstoffbehandlung
06.06.03
70
2
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen bei Haltungsschwäche und Osteoporose Oberer Rahmensatzwert der gewählten Position entspricht der mittelgradigen Funktionseinschränkung und Schmerzaktivierung zweier Abschnitte der Wirbelsäule ohne vorhandene neurologische Ausfallerscheinungen. Mehrere geheilte Wirbeleinbrüche sind beinhaltet.
02.01.02
40
3
Bluthochdruck Fixer Rahmensatzwert der gewählten Position entspricht der minimalen Einschränkung der Blutdruckregulation unter einfacher medikamentöser Behandlung
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung
80 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass der Behinderungsgrad der führenden Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch die GS 2 um eine Stufe angehoben werde, da die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule im Zusammenwirken mit der eingeschränkten Atmungsfunktion im Alltag eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit bewirken würde. Die GS 3 führe bei minimaler Einschränkung der Herzkreislaufregulation zu keiner weiteren Anhebung.
2.2. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde die Frage, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würde, mit "keine" beantwortet. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 08.10.2018 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" derzeit nicht vorliegen würden. Es wurde der BF die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
4. Mit Schreiben vom 18.10.2018 nahm die BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung und führte dazu aus, dass sie gerne bereit sei noch eine ärztliche Begutachtung durchführen zu lassen und brachte eine Patienteninformation ihrer Hausärztin in Vorlage.
4.1. In weiterer Folge brachte die BF weitere medizinische Beweismittel in Vorlage.
5. Die belangte Behörde holte aufgrund der gemachten Einwendungen sowie der vorgelegten neuen Befunde ein weiteres Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin ein.
5.1. In dem auf Grund der Aktenlage erstellten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, von 07.12.2018, wurde zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeführt, dass zwar eine eingeschränkte pulmonale Belastbarkeit bestehe, jedoch nicht in dem Ausmaß als dass die BF eine ausreichend kurze Wegstrecke von 300 - 400 m nicht bewältigen könne. Eine Langzeitsauerstofftherapie sei nicht erforderlich. Auch von Seiten des Bewegungs- und Stützapparates bestehe kein Hinweis auf eine hochgradige Bewegungseinschränkung. Im Gutachten Dr. XXXX werde das Gangbild als unauffällig beschrieben und die BF habe sich ohne Hilfe an- und ausziehen können. Auch im orthopädischen Befund von Dr. XXXX vom November 2018 werde keine höhergradige Gangbehinderung beschrieben. Beim Überwinden von Niveauunterschieden und bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel bestehe ebenfalls keine höhergradige Gefährdung. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.12.2018 wurde der BF das Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens mitgeteilt. Danach betrage der Grad der Behinderung 80 %.
6.1. Mit weiterem Schreiben der belangten Behörde vom 19.12.2018 wurde der BF der unbefristet ausgestellte Behindertenpass übermittelt.
7. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 17.12.2018 wurde der Antrag vom 20.09.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
7.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.
8. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 11.01.2019 fristgerecht Beschwerde bei der belangten Behörde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bewältigung einer Wegstrecke von mehr als 200 - 300 Metern auf Grund ihrer Atemnot nicht möglich sei. Die BF müsse nach ca. 50 Metern eine mehrminütige Pause einlegen und gegebenenfalls ihr Dosierärosol benutzen. Die BF sei bereit sich einer nochmaligen Untersuchung zu "stellen".
9. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 23.01.2019 vorgelegt.
10. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Lungenerkrankungen eingeholt.
10.1. Im fachärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Lungenerkrankungen, vom 12.07.2019, wird basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 10.07.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Diagnosen im Rahmen der lungenfachärztlichen Begutachtung:
- kombinierte, überwiegend obstruktive Ventilationsstörung
- Lungenemphysem
- respiratorische Partialinsuffizienz
- Diffusionsstörung
Trotz Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit sei das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe möglich. Eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung liege daher von lungenfachärztlicher Seite nicht vor.
11. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 26.08.2019 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
11.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 80 von Hundert.
Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
- Chronische obstruktive Lungenerkrankung, Stadium III (kombinierte, überwiegend obstruktive Ventilationsstörung, Lungenemphysem, respiratorische Partialinsuffizienz, Diffusionsstörung)
- Degenerative Wirbelsäulenveränderungen bei Haltungsschwäche und Osteoporose
- Bluthochdruck
Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes der BF steht die obstruktive Lungenerkrankung, die eine eingeschränkte pulmonale Belastbarkeit bewirkt, wobei eine Langzeitsauerstofftherapie nicht erforderlich ist.
Von Seiten des Bewegungs- und Stützapparates besteht keine hochgradige Bewegungseinschränkung. Das Gangbild der BF ist unauffällig. Die BF ist in der Lage Niveauunterschiede bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden.
Die BF kann trotz bestehender Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen.
Der sichere Transport der BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum der BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte lungenfachärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 12.07.2019 ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten Lungenerkrankungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus. Die weiteren vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden anhand des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 07.12.2018 festgestellt, das diesbezüglich in der Beschwerde unbestritten blieb.
Auch dem Gutachten von Dr. XXXX konnte zudem zweifelsfrei entnommen werden, dass bei der BF keine hochgradige Bewegungseinschränkung vorliegt. Ebenso ergibt sich daraus, dass die BF in der Lage ist, Niveauunterschiede zu überwinden.
Die Tatsache, dass die BF eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) zurücklegen kann, ergibt sich aus dem lungenfachärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, wonach dies trotz der Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit möglich ist. Zudem konnte keine hochgradige Bewegungseinschränkung aufgrund der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen bei der Wirbelsäule festgestellt werden.
Das Beschwerdevorbringen der BF, wonach ihr die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke aufgrund ihre Atemnot nicht möglich sei, konnte durch die lungenfachärztliche medizinische Begutachtung nicht objektiviert werden.
Ebenso wenig kann aus dem vorgelegten orthopädischen Befund vom 21.11.2018 eine hochgradige Gangbehinderung entnommen werden, sondern bestehen danach Einschränkungen beim Heben von Lasten und bei längeren Wegstrecken.
Anhaltspunkte, dass der sichere Transport der BF in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet wäre, konnten im gegenständlichen Verfahren nicht festgestellt werden.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 12.07.2019 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder von der BF noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.
Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX sowie das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, welches seitens der belangten Behörde eingeholt wurde und hinsichtlich der Wirbelsäulenerkrankung und deren Auswirkung auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln im Rahmen der Beschwerdeerhebung nicht bekämpft wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Dies ist gegenständlich gegeben.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung der BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt entsprechend der Erläuterungen der gegenständlich anzuwendenden Verordnung insbesonders bei Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie, COPD IV oder Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie, vor.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, in welchem auch ein umfassendes lungenfachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt wurde, und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die BF an einer Chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) Stadium III leidet und eine kombinierte, überwiegend obstruktive Ventilationsstörung, ein Lungenemphysem, eine respiratorische Partialinsuffizienz und eine Diffusionsstörung vorliegt. Eine Langzeitsauerstofftherapie bedarf die BF jedoch nicht.
Aus all dem ergibt sich, dass die BF durch ihre Lungenerkrankungen in ihrer körperlichen Belastbarkeit zwar eingeschränkt ist, eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen liegt jedoch nicht vor.
Es konnten bei der BF auch keine anderen Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, festgestellt werden.
Die BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für die BF selbstständig möglich ist. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens der BF geleistet werden. Der sichere Transport im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Zum Entscheidungszeitpunkt liegen daher die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vor.
Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2213487.1.00Im RIS seit
07.08.2020Zuletzt aktualisiert am
07.08.2020