Entscheidungsdatum
07.04.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W217 2228361-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Burgenland, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.01.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätsbeschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen nicht vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang:
1. Frau XXXX (in der Folge: BF) verfügt seit 27.01.1994 über einen Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 50%. Am 13.08.2019 einlangend begehrte die BF die Eintragung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
2. Im hierzu vom Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 18.10.2019 wurde von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf einer persönlichen Begutachtung der BF, Folgendes festgehalten:
"Anamnese:
Frühere Erkrankungen:
Z.n. Knie-TEP li., Gonarthrose re. Z.n. Hallux-OP li. 2018 Schilddrüsenkarzinom mit OP 2012, Verkehrsunfälle 1971 und 1982 mit Radiusfraktur, Schädelbasisbruch,
Trümmerbruch li. Ellbogen, Fingerpolyar-throsen, Hypertonie
Derzeitige Beschwerden:
Im vorigen Jahr hatte ich eine Operation am linken Bein wegen Fersensporn. Seit dieser Zeit habe ich andauernd Schmerzen im Bereich des linken Fußes und kann nur mehr ganz kurz und mit zwei Krücken gehen. Mit dem Ergebnis der Knieendoprothese bin ich eigentlich zufrieden. Derzeit habe ich eher Schmerzen im rechten Kniegelenk, das möchte ich mir aber nicht mehr operieren lassen. Ich hatte schon zweimal Thrombosen in den Unterschenkeln nach der Knieoperation und muss deswegen Blutverdünnung nehmen. An- und Auskleiden kann ich mich alleine, nur die Gummistrümpfe muss mir jemand anziehen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Co-Acetan, Marcoumar, Magnesium, Euthyrox, Daflon
Sozialanamnese:
Pensionistin, geschieden und hat zwei erwachsene Kinder, lebt allein in einem Einfamilienhaus.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2019-07 Befund, Praxisgemeinschaft XXXX : Hypertonie
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 172,00 cm Gewicht: 118,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung
Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden
Haut und Schleimhäute: unauffällig
Hals: Narbe nach STREK, keine Einflußstauung
Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch
Lunge: sonorer Klopfschall, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe beim Gang im Zimmer
Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent
Abdomen: im Thoraxniveau, rektal nicht untersucht
Neurologisch: grob neurologisch unauffällig, Störungen der Sensibilität werden keine angegeben
WIRBELSÄULE:
Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet.
HWS: Drehung und Seitneigung beidseits endlagig eingeschränkt KJA: 2 cm
BWS: Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen normal beweglich
LWS: Endlagige Bewegungseinschränkungen FBA: 30 cm
Obere Extremitäten:
Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.
Schultergelenk rechts Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°
Schultergelenk links Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°
Nackengriff: bds möglich Schürzengriff: bds möglich
Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend
Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich.
Der Faustschluß ist beidseits mit allen Fingern möglich
Untere Extremitäten:
grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.
Hüftgelenk rechts: Beugung: 90° Rotation: 30-0-30°
Hüftgelenk links: Beugung: 90° Rotation: 30-0-30°
Kniegelenk rechts: 0-0-100°
Kniegelenk links: 0-0-100° TEP Varus bds ca 10°
Sprunggelenke: beidseits annähernd normale passive Beweglichkeit, Fußheben und -senken bds durchführbar, alle Funktionen ungestört.
Zehenstand und Fersenstand beidseitig nicht vorgezeigt, Einbeinstand bds nicht vorgezeigt, Fußpulse bds palpabel. Z.n. Hallux-OP li.
Leichtes Ödem links, keine relevante Varicositas, keine postthrombotischen Veränderungen.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbstständig gehend in normalen Straßenschuhen mit 2 Stützkrücken, hinkend links.
Freies Gehen wird im Untersuchungsraum einige Schritte, kleinschrittig demonstriert.
Status Psychicus:
Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Wirkt in der Kommunikation unauffällig, die Stimmungslage ist normal. Aufmerksamkeit und Konzentration scheinen nicht beeinträchtigt. Merkfähigkeit scheint unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle kann nicht abgebildet werden
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
X Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es besteht zwar eine Einschränkung der Funktionalität der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten, jedoch nicht in dem Ausmaße, welches eine diesbezügliche, erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen geeignet wäre. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbstständig möglich, allenfalls unter Zuhilfenahme einer Gehhilfe. Das Ein- und Aussteigen ist ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Anläßlich der ho. Begutachtung werden Krücken verwendet, deren behinderungsbedingte Erfordernis durch die objektivierbare Ausprägung der eingestuften Funktionseinschränkungen allerdings nicht ausreichend begründet werden kann, sodaß auch insgesamt eine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht bestätigt werden kann.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Gutachterliche Stellungnahme:
siehe oben"
3. Im Rahmen des Parteiengehörs vom 18.10.2019 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Die Frist blieb ungenützt.
4. Mit Bescheid vom 18.11.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte ärztliche Gutachten verwiesen, welches ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, es sei ihr aufgrund ihrer Gesundheitsschädigungen nicht möglich, eine Wegstrecke von 300-400m selbständig zurückzulegen. Sie könne weder Stiegen steigen, um in ein öffentliches Verkehrsmittel zu gelangen, noch in diesem sicher transportiert werden. Sie sei sehr wohl auf 2 Stützkrücken angewiesen. Die BF begehrte die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Orthopädie.
6. In seiner Stellungnahme vom 27.01.2020 führte der bereits befasste Arzt für Allgemeinmedizin Folgendes aus:
"Antwort(en):
Gegen das Gutachten werden Einwendungen vorgebracht.
In der Einwendungen des KOBV wird argumentiert, dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich wäre eine Wegstrecke von 300-400m selbständig zurückzulegen. Sie könne auch nicht Stiegen steigen um in ein öffentliches Verkehrsmittel zu gelangen und kann auch nicht in diesem sicher transportiert werden.
Es wird ein Befund nachgereicht. (nahezu ident mit bereits vorliegendem Befund)
2019-12, Befund, Dr. XXXX der Praxisgemeinschaft XXXX : Z.n. TEP liKnie, Z.n. Umstellungsosteotomie, Z.n. Schenkelhalsfraktur re, LWS Syndrom, Hypertonie, Adipositas
Die darin angeführten Leiden wurden schon im Befund von 07/2019 erwähnt und wurden im gegenständlichen Gutachten entsprechend der objektivierbaren Funktionseinschränkungen bereits berücksichtigt.
Dieses neuerlich vorgelegte Attest ist nicht geeignet ist die getroffene Einschätzung zu entkräften, da es sich lediglich um die bereits in anderer Reihenfolge aufgelisteten bereits bekannten Diagnosen des Hausarztes handelt.
Anlässlich der h.o. durchgeführten Untersuchung der unteren Extremitäten konnten die Hüftgelenke bis 90° beidseits gebeugt werden, die Kniegelenke beidseits bis 100°. An den Sprunggelenke konnte beidseits annähernd normale passive Beweglichkeit konstatiert werden.
Bei Funktionseinschränkung in dieser Größenordnung ist die Bewältigung von Stufen möglich und es kann deshalb auch ein öffentliches Verkehrsmittel be- und entstiegen, bzw sicher benützt, sowie eine Wegstrecke von 300-400m selbständig zurückzulegen werden.
Im Vergleich zur persönlichen Begutachtung stehen die vorgebrachten Beschwerdeargumente im Widerspruch zu den objektivierbaren Funktionseinschränkungen und sind daher nicht geeignet das Betrachtungsergebnis zu entkräften, d.h. auch insbesondere in Hinblick auf die beantragte Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, keine Änderung des Gutachtens."
7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.01.2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.11.2019 ab.
8. Hierauf beantragte die BF fristgerecht die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
9. Die gegenständliche Beschwerde samt Vorlageantrag und dem Bezug habenden Verwaltungsakt langten am 06.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist seit 27.01.1994 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Am 13.08.2019 langte bei der belangten Behörde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.
Die BF ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet.
Bei der BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:
* Abnützung beider Kniegelenke bei Zustand nach Knieendoprothesenimlantation links
* Zustand nach Schilddrüsenoperation (Ca. 2012)
* Degenerative Gelenksabnützungen
* Z.n. Hallux-OP li. 2018
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der BF zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur gegenständlichen Antragstellung gründet sich auf den Akteninhalt.
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit beruht auf dem Eintrag im zentralen Melderegister. Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der BF im Inland ergibt sich ebenfalls aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, beruht auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 18.10.2019 eines Arztes für Allgemeinmedizin, sowie dessen Stellungnahme vom 27.01.2020. Unter Berücksichtigung der von der BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung der BF wurde von diesem medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die BF zumutbar ist.
In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigung.
Bereits in seinem Gutachten vom 18.10.2019 hält der Sachverständige fest, dass die BF zwar Krücken verwendet, deren behinderungsbedingte Erfordernis durch die objektivierbare Ausprägung der eingestuften Funktionseinschränkungen allerdings nicht ausreichend begründet werden kann. In seiner Stellungnahme vom 27.01.2020 bestätigt der Sachverständige erneut, dass der BF die Bewältigung von Stufen möglich ist, und sie deshalb auch ein öffentliches Verkehrsmittel be- und einsteigen bzw. sicher benützen und eine Wegstrecke von 300-400 m selbständig zurücklegen könne.
Diese Schlussfolgerungen des medizinischen Sachverständigen finden Bestätigung in den Aufzeichnungen des sachverständigen Gutachters zur persönlichen Untersuchung am 08.10.2019 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zur Gesamtmobilität und zum Gangbild ("Obere Extremitäten: Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert. Schultergelenk rechts Seitliches Anheben: 140°, Anheben nach vorne: 160°, Schultergelenk links Seitliches Anheben: 140°, Anheben nach vorne: 160°. Nackengriff: bds möglich, Schürzengriff: bds möglich. Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend. Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich. Der Faustschluss ist beidseits mit allen Fingern möglich. Untere Extremitäten: grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert. Hüftgelenk rechts: Beugung: 90°, Rotation: 30-0-30°. Hüftgelenk links: Beugung: 90°, Rotation: 30-0-30°. Kniegelenk rechts: 0-0-100°, Kniegelenk links: 0-0-100°, TEP Varus bds ca 10°. Sprunggelenke: beidseits annähernd normale passive Beweglichkeit, Fußheben und -senken bds durchführbar, alle Funktionen ungestört. Zehenstand und Fersenstand beidseitig nicht vorgezeigt, Einbeinstand bds nicht vorgezeigt, Fußpulse bds palpabel. Z.n. Hallux-OP li. Leichtes Ödem links, keine relevante Varicositas, keine postthrombotischen Veränderungen. Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbstständig gehend in normalen Straßenschuhen mit 2 Stützkrücken, hinkend links. Freies Gehen wird im Untersuchungsraum einige Schritte, kleinschrittig demonstriert.")
Ebenso setzte sich der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 27.01.2020 mit dem von der BF zwischenzeitlich nachgereichten Befund auseinander. Er hielt fest, dass der Befund der Praxisgemeinschaft XXXX vom 04.12.2019 (Abl. 23) nahezu identisch mit dem vom 24.07.2019 (Abl. 10) ist. In beiden Befunden werden die Leiden Z.n. TEP liKnie, Z.n. Umstellungsosteotomie, Z.n. Schenkelhalsfraktur re, LWS Syndrom, Hypertonie, Adipositas erwähnt, lediglich in einer anderen Reihenfolge aufgelistet. Jedoch enthält der Befund vom 4.12.2019 zusätzlich den Hinweis, dass die Gehstrecke der BF unter 300 m liege.
Zwar wird nun in dem von der BF vorgelegten medizinischen Unterlage die mögliche Gehstrecke mit unter 300 m beschrieben, jedoch bildet die von der BF vorgelegte medizinische Unterlage der sie behandelnden Ärzte bzw. medizinischen Einrichtungen neben der persönlichen Begutachtung nur einen Teil der Beurteilung, zumal in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen ist, dass die BF behandelnden Ärzte mehr das Wohlergehen der von ihnen behandelten Patientin und damit ein subjektives Element in der Bewertung im Auge haben, nicht jedoch - anders als der im gegenständlichen Verfahren herangezogene begutachtende medizinische Sachverständige - die Vornahme einer Begutachtung und Beurteilung ausschließlich auf Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen. In seiner Stellungnahme vom 27.01.2020 gelangte der Sachverständige unter Berücksichtigung des von der BF nachgereichten Befundes zu keinem vom auf der persönlichen Begutachtung beruhenden Vorgutachten vom 18.10.2019 abweichenden Ergebnis.
Unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten kam der Sachverständige auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung der BF zu dem Schluss, dass zwar eine Einschränkung der Funktionalität der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten vorliegt, jedoch nicht in dem Ausmaße, welches eine diesbezügliche, erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen geeignet wäre. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich, allenfalls unter Zuhilfenahme einer Gehhilfe. Das Ein- und Aussteigen ist ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Anläßlich der Begutachtung durch den Sachverständigen hat die BF zwar Krücken verwendet, deren behinderungsbedingte Erfordernis konnte durch die objektivierbare Ausprägung der eingestuften Funktionseinschränkungen allerdings nicht ausreichend begründet werden, sodass auch insgesamt eine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Sachverständigen nicht bestätigt wurde.
Soweit in der Beschwerde darum ersucht wurde, einen Facharzt aus dem Bereich der Orthopädie hinzuzuziehen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 18.10.2019 sowie der Stellungnahme vom 27.01.2020. Im Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die BF ist diesem Sachverständigengutachten nicht substantiell entgegengetreten. Die BF ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 55. ...
(4) Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.
(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBL. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt."
Gemäß § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, ist der Behindertenpass mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:
1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;
2. die Versicherungsnummer;
3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;
4. eine allfällige Befristung.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 1 bis 3 des Bundespflegegesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten jedoch dieselben Voraussetzungen ab dem vollendeten 36. Lebensmonat.
b) blind oder hochgradig sehbehindert ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 oder 5 BPGG vorliegen.
c) gehörlos oder schwer hörbehindert ist;
die Eintragung gehörlos ist bei einem Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, bzw. einem Grad der Behinderung von 70% aufgrund der Position 643 nach der Richtsatzverordnung BGBl. Nr. 150/1965, vorzunehmen.
Die Eintragung schwer hörbehindert ist ab einem Grad der Behinderung von 50% auf der Grundlage der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Position 643 nach der Richtsatzverordnung, vorzunehmen.
Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 10. Lebensjahr muss ein Grad der Behinderung von 90%, vom 11. Lebensjahr bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ein Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung vorliegen.
d) taubblind ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 6 BPGG vorliegen.
e) TrägerIn eines Cochlear-Implantates ist;
f) Epileptiker/Epileptikerin ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Diagnose entsprechend Abschnitt 04.10.02 oder 04.10.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Positionsnummer 573 oder 574 nach der Richtsatzverordnung vorliegt.
g) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, aufweist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. Der Zöliakie sind die Phenylketonurie (PKU) und ähnliche Stoffwechselerkrankungen im Sinne des Abschnittes 09.03. der Anlage zur Einschätzungsverordnung gleichzuhalten.
h) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.
i) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.
j) TrägerIn von Osteosynthesematerial ist;
k) TrägerIn einer Orthese ist;
l) TrägerIn einer Prothese ist.
2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) einer Begleitperson bedarf;
diese Eintragung ist vorzunehmen bei
- Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. a verfügen;
- Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d verfügen;
- Bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;
- Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlichen Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensänderungen;
- Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und
- schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z.B. Aspirationsgefahr).
b) die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann;
diese Eintragung ist bei Menschen mit Behinderung, die dem Personenkreis des § 48 des Bundesbehindertengesetzes angehören, bei Vorliegen eines festgestellten Grades der Behinderung/ einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70% bzw. bei Bezug von Pflegegeld oder anderen vergleichbaren Leistungen nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften anzunehmen.
c) einen Assistenzhund benötigt;
in einem Klammerausdruck ist beizufügen, ob es sich dabei um einen Blindenführ-, einen Service- oder einen Signalhund handelt.
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d. vorliegen.
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport in öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von einer Entfernung von rund 300 bis 400 m anzunehmen (VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013).
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit LVEF unter 30%
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem seitens der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der BF basierenden Sachverständigengutachten vom 18.10.2019 nachvollziehbar dargestellt, dass im Fall der BF - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen. Bei der BF ist zwar, wie bereits in den beweiswürdigenden Ausführungen ausgeführt wurde, eine Einschränkung der Funktionalität der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten gegeben, jedoch nicht in dem Ausmaße, welches eine diesbezügliche erhebliche Einschränkung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen geeignet wäre. Auch unter Berücksichtigung der bei der BF bestehenden Einschränkungen vermag die BF nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Die BF ist den Ausführungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen, dem das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine Sachverständigenaussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung im Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft.
Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall bildet die Grundlage für die Beurteilung der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittelwegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" in den Behindertenpass ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Dieses bestätigt der Sachverständige erneut in seiner Stellungnahme vom 27.01.2020. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W217.2228361.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020