TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/7 W133 2184280-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.2020
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Entscheidungsdatum

07.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2184280-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Burgenland, vom 12.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 06.11.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als "belangte Behörde" bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte er einen Befund einer neurologischen Abteilung eines näher genannten Krankenhauses vom 14.03.2016, einen psychiatrischen Befundbericht vom 05.05.2016 sowie ein Jahreszeugnis einer näher genannten Hauptschule vom Schuljahr 2006/2007 bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 11.12.2017 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Generalisierte Epilepsie Oberer Rahmensatz, da seltene Anfälle aber ohne Aura

04.10.01

40

2

Geringe Bewegungseinschränkung linker Daumen Unterer Rahmensatz, da nur minimale funktionelle Beeinträchtigung

02.06.26

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass Leiden 1 durch Leiden 2 nicht erhöht werde, da dieses für eine Erhöhung zu geringfügig sei. Ein Zustand nach Tuberkulose und ein Zustand nach einer Operation der Nasenscheidewand würden keinen Grad der Behinderung erreichen, da diese Leiden keine funktionellen Auswirkungen hätten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten vom 11.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 22.01.2018 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Ohne Vorlage neuer Beweismittel brachte er zusammengefasst vor, dass die Feststellung des Grades der Behinderung ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in sehr schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen sei, erfolgt sei. Die Schule habe er nur mit sonderpädagogischer Förderung abschließen können. Nach der Pflichtschule habe er eine Kochlehre im geschützten Bereich begonnen und abgeschlossen. Die Lehrabschlussprüfung habe er jedoch nur mit Unterstützung des AMS geschafft. Die Arbeitsversuche danach in zwei Hotels hätten schon nach kurzer Zeit geendet, weil der Beschwerdeführer überfordert gewesen sei. Nun sei er schon seit drei Jahren arbeitslos, obwohl er durch die Arbeitsassistenz für Jugendliche unterstützt werde. Es sei also bis zum Alter von 24 Jahren eine berufliche Integration nicht gelungen. Unter Berücksichtigung dieser erheblichen Anpassungsstörung mit all seinen Folgen bis heute hätte der Gesamtgrad der Behinderung insgesamt mit mindestens 50 v.H. festgestellt werden müssen.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 25.01.2018 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Aktengutachten jener Fachärztin für Neurologie vom 10.09.2019, welche das Gutachten vom 11.12.2017 erstellt hatte, unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeholt. Darin führt die Fachärztin aus, dass in der klinischen Untersuchung am 04.12.2017 und anhand der vorgelegten Befunde sowie in der erhobenen Anamnese keine behinderungsrelevante kognitive Einschränkung festgestellt werden habe können. Vom behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sei im vorgelegten Befund vom 05.05.2016 bestätigt worden, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, eine Ausbildung zum geprüften Heimhelfer zu absolvieren. Es liege kein Facharztbefund bezüglich einer möglichen Anpassungsstörung vor. Auch eine detaillierte psychologische Testung bezüglich möglicher Teilleistungsstörungen sei nicht vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer habe sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 04.12.2017 angepasst, kooperativ und ohne Anhalt für relevante psychiatrische Erkrankungen präsentiert. Weiters habe er nicht von psychiatrischer Medikation/Psychotherapie oder psychiatrischen Behandlungen berichtet bzw. entsprechende Befunde vorgelegt. Belegt sei anhand der vorgelegten Befunde ein Anfallsleiden (generalisierte idiopathische Epilepsie), welches bereits mit 40 v.H. ausreichend gewürdigt worden sei. Somit ergebe sich keine Änderung zum Vorgutachten vom 11.12.2017.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Mit Schreiben vom 13.02.2020, dem Beschwerdeführer zugestellt am 18.02.2020, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Weder der Beschwerdeführer, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme. Das aktuelle Gutachten wurde nicht bestritten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 06.11.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Er ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Generalisierte Epilepsie, seltene Anfälle aber ohne Aura;

2. Geringe Bewegungseinschränkung linker Daumen, nur minimale funktionelle Beeinträchtigung.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 40 v.H.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da dieses für eine Erhöhung zu geringfügig ist.

Ein Zustand nach Tuberkulose und ein Zustand nach einer Operation der Nasenscheidewand erreichen ohne das Vorliegen relevanter Funktionseinschränkungen keinen Grad der Behinderung.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 11.12.2017 und im ergänzend eingeholten Gutachten derselben Fachärztin für Neurologie vom 10.09.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Das aktuelle Gutachten vom 10.09.2019 wurde von beiden Parteien des Verfahrens nicht bestritten.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse in den Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 11.12.2017 und auf dem vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholten Aktengutachten derselben Fachärztin für Neurologie vom 10.09.2019. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist eine "Generalisierte Epilepsie", welches von der beigezogenen Ärztin für Neurologie nach Durchsicht der vorgelegten Befunde und nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers nachvollziehbar und richtig der Positionsnummer 04.10.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, welche leichtere Formen der Epilepsie mit sehr seltenen Anfällen betrifft, mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. zugeordnet wurde. Die Zuordnung zum oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer ist korrekt erfolgt, da der Beschwerdeführer sehr seltene Anfälle ohne Aura hat. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zuletzt im Jahr 2016 einen generalisierten Anfall erlitten hatte, welcher überdies durch einen Medikamenteneinnahmefehler provoziert worden war. Eine höhere Einschätzung dieses Leidens erweist sich als nicht möglich.

Auch das Leiden 2 wurde korrekt der Positionsnummer 02.06.26 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen einzelner Finger betrifft, zugeordnet. Die Zuordnung zum unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer (10 v.H.) ist nicht zu beanstanden, da betreffend den linken Daumen des Beschwerdeführers bei der persönlichen Untersuchung am 04.12.2017 lediglich eine minimale funktionelle Beeinträchtigung objektiviert werden konnte.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da dieses für eine Erhöhung zu geringfügig ist.

Die Feststellung der Sachverständigen, dass ein Zustand nach Tuberkulose und ein Zustand nach einer Operation der Nasenscheidewand keinen Grad der Behinderung erreichen, ist vor dem Hintergrund, dass diesbezüglich keine Funktionseinschränkungen objektiviert werden konnten, ebenfalls nachvollziehbar und richtig.

Zu dem Beschwerdevorbringen führt die beigezogene Fachärztin für Neurologie in dem ergänzend eingeholten Gutachten vom 10.09.2019 nachvollziehbar aus, dass bei der klinischen Untersuchung am 04.12.2017 und anhand der vorgelegten Befunde sowie in der erhobenen Anamnese keine behinderungsrelevante kognitive Einschränkung festgestellt werden konnte. Auch ist vom behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im vorgelegten Befund vom 05.05.2016 bestätigt worden, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, eine Ausbildung zum geprüften Heimhelfer zu absolvieren. Weiters liegt kein Facharztbefund bezüglich einer möglichen Anpassungsstörung vor. Auch eine detaillierte psychologische Testung bezüglich möglicher Teilleistungsstörungen wurde nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 04.12.2017 angepasst, kooperativ und ohne Anhalt für relevante psychiatrische Erkrankungen präsentiert. Auch hat er nicht von psychiatrischer Medikation/Psychotherapie oder psychiatrischen Behandlungen berichtet bzw. entsprechende Befunde vorgelegt. Belegt ist anhand der vorgelegten Befunde ein Anfallsleiden (generalisierte idiopathische Epilepsie), welches bereits mit 40 v.H. ausreichend gewürdigt wurde. Somit ergab sich durch das Beschwerdevorbringen keine Änderung zum Vorgutachten vom 11.12.2017.

Zusammenfassend ist vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht ersichtlich, dass die Gutachterin die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte. Der Beschwerdeführer ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ergänzenden Gutachten der Fachärztin für Neurologie vom 10.09.2019 auch nicht mehr entgegengetreten.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit im Ergebnis nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 11.12.2017 und 10.09.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 11.12.2017 und das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Aktengutachten derselben Fachärztin für Neurologie vom 10.09.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 40 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5). Dies gilt überdies insbesondere während der Phase der Wirksamkeit des Art 16 § 3 (iVm § 6 Abs 1) des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl I Nr. 16/2020.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2184280.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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