TE Bvwg Beschluss 2020/4/9 W207 2229576-1

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Veröffentlicht am 09.04.2020
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Entscheidungsdatum

09.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W207 2229576-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 27.01.2020, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz Verwaltungsgerichtverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 04.10.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte sie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen betreffend ihre Gesundheitsschädigungen Zöliakie und Asthma bei.

Mit Schreiben vom 07.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde aufgefordert, einen aktuellen Meldezettel in Kopie einzusenden. Im Verwaltungsakt der belangten Behörde liegt in diesem Zusammenhang ein Meldezettel vom 18.10.2019 auf, aus dem sich ergibt, dass die Beschwerdeführerin seit 18.10.2019 einen anderen Wohnsitz (in Österreich) als den im Antrag vom 04.10.20 angeführten hat.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 30.12.2019 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.11.2019 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

Asthma bronchiale ist seit dem 19. Lebensjahr bekannt, allergisch sei sie schon als Kind gewesen.

Eingesehen wird ein ambulanter lungenärztlicher Befund des Krankenhauses XXX vom 06.06.2019, wo ein allergisches Asthma bronchiale beschrieben wird, der üblichen inhalativen Behandlung wurde Xolair hinzugefügt, seither deutliche Besserung des Asthma.

Lungenfachärztliche Kontrolle auch bei Dr. H. in 1060 Wien.

Ein diesbezüglicher Befundbericht vom 10.10.2019 zeigt in der Lungenfunktion eine nur geringe periphere Obstruktion, die Blutgase lagen im Normbereich.

Seit 2018 ist eine Zöliakie bekannt, es muss eine glutenfreie Diät eingehalten werden, derzeit diesbezüglich aber keine wesentlichen Probleme.

Allergie: Tierhaar, Pollen, Hausstaubmilbe, Lebensmittel

Alkohol: negiert, Nikotin: negiert

Derzeitige Beschwerden:

Wiederkehrende Atembeschwerden, Reizhusten, im Winter gehäufte Infekte, Verbesserung des Asthma auf Xolair, die Tätigkeit als Schankkraft in der Arena sei ihr möglich, nach dem letzten Sommer sei sie im Urlaub bergsteigen gegangen, wegen der Zöliakie müsse sie eine glutenfreie Diät einhalten, wesentliche Durchfallserkrankungen werden nicht beschrieben

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Xolair, Spiriva, Foster, weiters glutenfreie Diät

Sozialanamnese:

Als Schankkraft in der Arena in Wien 3 tätig, ledig, keine Kinder, kein Pflegegeldbezug

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

oben bei Anamnese angeführt

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

43 jährige Frau im altersentsprechenden normalen Allgemeinzustand, keine Ruhedyspnoe, keine Lippenzyanose, keine mobile Sauerstoffversorgung

Ernährungszustand:

normaler Ernährungszustand

Größe: 162,00 cm Gewicht: 50,00 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf, Hals: keine obere Einflussstauung, keine Struma, keine Lippenzyanose, die Hirnnerven frei

Herz: reine rhythmische Herztöne, Frequenz: 74 pro Minute

Lunge: sonorer Klopfschall, freie Vesikuläratmung ohne spastische Nebengeräusche, klinisch Normalbefund an den Lungen

Gliedmaßen: keine Krampfadern, keine Beinödeme, die großen Gelenke frei beweglich, die Handkraft seitengleich

Gesamtmobilität - Gangbild:

altersentsprechende unauffällige Gesamtmobilität, unauffälliges Gangbild, es wird keine Gehhilfe verwendet, freier Stand und freies Sitzen problemlos möglich

Status Psychicus:

unauffällig, zeitlich- und örtlich orientiert, keine fassbaren kognitiven Defizite, ausgeglichene, freundliche Stimmungslage

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Mildes persistierendes allergisches Asthma bronchiale Oberer Rahmensatz, da langjähriger chronischer Krankheitsverlauf mit ausgeprägter Allergieneigung und wiederkehrenden Exazerbationen, derzeit jedoch gut kontrolliert.

06.05.02

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Gluten-Unverträglichkeit: unter Diät ohne Funktionseinschränkung

[X] Dauerzustand

Frau P. kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:

[X] JA

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es besteht keine höhergradige Atemnot schon bei geringen Belastungen, normale Atemgase in Körperruhe, keine Indikation zu Langzeitsauerstofftherapie, normale altersentsprechende Gesamtmobilität, keine höhergradigen Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates, keine kognitiven Defizite, sodaß eine erhebliche Erschwernis der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht objektivierbar ist.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.12.2019 wurde die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihr das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten übermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Das Sachverständigengutachten vom 30.12.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt. Dieses Parteiengehörsschreiben wurde von der belangten Behörde, welche die Beschwerdeführerin selbst mit Schreiben vom 07.10.2019 aufgefordert hatte, einen aktuellen ZMR-Auszug vorzulegen, allerdings nicht an die aktuelle, sich aus dem im Akt der belangten Behörde aufliegenden ZMR-Auszug vom 18.10.2019 ergebende Adresse der Beschwerdeführerin versandt, sondern an jene nicht mehr aktuelle Adresse, welche sie in ihrem Antrag angegeben hatte.

Mit Bescheid vom 27.01.2020 (Datierung des Bescheides sowie Amtssignatur) wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 04.10.2019 ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 30.12.2019, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Auch dieser Bescheid wurde nicht an die aktuelle, im ZMR-Auszug vom 18.10.2019 angeführte Adresse der Beschwerdeführerin versandt, sondern wiederum an jene Adresse, die sie in ihrem Antrag angegeben hatte.

Ebenso am 27.01.2020 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin folgenden Inhalts - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ein:

"...

Zu Ihrem Schreiben vom 30.12.2019 möchte ich folgende Stellungnahme abgeben:

Ich nehme zur Kenntnis, dass der Grad meiner im Sachverständigengutachten von Dr. K. festgestellten Behinderung für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht ausreicht.

Bezüglich meiner ärztlich diagnostizierten und im Gutachten (Anamnese) erwähnten Zöliakie möchte ich jedoch anmerken, dass ich - infolge der Einhaltung der mir empfohlenen streng glutenfreien Diät - zur Zeit diesbezüglich zwar keine körperlichen Probleme habe, die Diät mit einem Nettoeinkommen von ? 1.000,- monatlich für mich aber sehr wohl einen beträchtlichen finanziellen Mehraufwand bedeutet, da glutenfreie Lebensmittel meist wesentlich teurer sind als herkömmliche Produkte.

Im Ergebnis der Begutachtung von Dr. K. wird dies beim letzten Punkt ("Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung", Seite 4/5) überhaupt nicht berücksichtigt, was mir unverständlich ist.

Deshalb möchte ich Sie ersuchen, dies in Ihrem Bescheid zu berücksichtigen bzw. zu erwähnen.

Meines Erachtens nach handelt es sich bei meinen Diätkosten durchaus um außergewöhnliche Belastungen, die ich in meiner Arbeitnehmerveranlagung beim Finanzamt geltend machen möchte.

Vom Finanzamt wurde ich aufgefordert eben diesen vom Sozialministerium ausgestellten Bescheid vorzulegen.

Zu der von Ihnen gesetzten Frist, meine Stellungnahme einzubringen, möchte ich anmerken, dass Ihr Schreiben vom 30.12.2019 erst am 10.1.2020 an der Adresse XXX eingegangen ist.

Da ich vorübergehend obdachlos gemeldet war habe ich diese Adresse (Hauptwohnsitz meiner Schwester) am 16.10.19 telefonisch bei Frau K. (Landesstelle Wien) als Zustelladresse angegeben.

Seit 18.10.19 habe ich eine neue Wohn- und Meldeadresse (siehe oben und beiliegender Meldezettel) und nach damaliger persönlicher Nachfrage beim Sozialministeriumservice / Landesstelle Wien, ob ich meinen neuen Meldezettel bzw. die neue Anschrift dort abgeben soll, wurde mir versichert, dass dies ohnehin automatisch mit meiner Meldung im System geändert würde.

Deshalb ist mir nicht klar, warum Ihr Schreiben vom 30.12.19 an mich trotzdem an die Adresse meiner Schwester zugestellt wurde und ich möchte hiermit nochmals und ausdrücklich um Änderung meiner Adresse in Ihrem System ersuchen, mein Meldezettel in Kopie liegt bei.

Ich verbleibe einstweilen mit bestem Dank und freundlichen Grüßen

Name der Beschwerdeführerin"

Mit E-Mail vom 12.03.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen den mit 27.01.2020 datierten Bescheid fristgerecht eine Beschwerde, in der in inhaltlicher Hinsicht Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt wird:

"...

Begründeter Beschwerdeantrag:

1. Formale Mängel (verspätete Zustellung, falsche Adresse, falsche Auskunft beim Sozialministeriumservice, Frist)

Vom Sozialministeriumservice habe ich am 10.1.2020 ein Schreiben betreffend Parteiengehör (datiert mit 30.12.2019) an die Adresse meiner Schwester XXX zugestellt bekommen, in dem mir das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben wurde.

Diese schriftliche Stellungnahme habe ich am 23.1.2020 per Einschreiben an das Sozialministeriumservice / Landesstelle Oberösterreich, Gruberstraße 63, 4021 Linz gesendet.

Die Stellungnahme finden Sie nochmals im Anhang (stellungnahme.pdf), sie war meiner Meinung nach fristgerecht eingebracht.

Das Schreiben Ihrerseits vom 30.12.2019 hat mich sehr verspätet erreicht und wurde zudem an die falsche Adresse geschickt (siehe auch Stellungnahme im Anhang).

Die Verspätung erkläre ich mir durch eventuelle Unklarheiten bei der Postzustellung. Beim Hauptwohnsitz meiner Schwester hat es sich um eine vorübergehende Kontaktadresse meinerseits gehandelt (und zwar bis 18.10.2019), da ich für einige Zeit keine Wohnung hatte und deshalb obdachlos gemeldet war.

Seit 18.10.2019 habe ich meinen Hauptwohnsitz in XXX.

Noch am Tag meiner Anmeldung für die neue Wohnung in der X-gasse (als Hauptwohnsitz) war ich mit meinem neuen Meldezettel beim Sozialministeriumservice (Landesstelle in 1010 Wien, Babenbergerstraße 5) um persönlich nachzufragen, ob ich für mein laufendes Verfahren meine neue Adresse bzw. meinen Meldezettel abgeben soll, worauf mir von den anwesenden Servicemitarbeiterinnen versichert wurde, dass dies nicht nötig sei und ich nichts weiter tun müsse, da meine Adresse nach Änderung im Melderegister ohnehin automatisch auch im System des Sozialministeriumservice geändert würde.

Auf diese Auskunft habe ich mich verlassen und war deshalb verwundert und verärgert, warum ich knapp drei Monate später das Schreiben des Sozialministeriumservice vom 30.12.2019 recht verspätet (10.1.2020) und noch dazu an die falsche Adresse zugestellt bekam.

Meine Stellungnahme inklusive beigelegter Meldezettel (gesendet:23.1.2020 per Einschreiben) hat sich infolge dieser unglücklichen Umstände offenbar mit der Ausstellung des Bescheids durch das Sozialministeriumservice überschnitten, was jedoch nicht in meiner Schuld liegt, da die Auskunft bezüglich Melderegister und automatischer Änderung meiner Adresse auch im System des Sozialministeriumservice anscheinend falsch war.

Auch der Bescheid wurde neuerlich an die falsche Adresse zugestellt.

An dieser Stelle möchte ich zum wiederholten Mal und eindringlichst um die sofortige Aktualisierung meiner Adresse und die Behebung dieses Fehlers ersuchen!

Meiner Ansicht nach war meine Stellungnahme, die in Ihrem Bescheid keine Berücksichtigung findet - oder auch nicht finden konnte - fristgerecht eingebracht.

Soviel zu den formalen Mängeln (verspätete Zustellung und sich daraus ergebende Frist, falsche Adresse, falsche Auskunft), für die ich nichts kann.

2. Weitere Einwände (zum Sachverständigengutachten des Dr. K. und meiner Zöliakie)

Zum weiteren Inhalt meiner Stellungnahme bzgl. der bei mir diagnostizierten Zöliakie, die im Sachverständigengutachten des Herrn Doktor K. vom 27.12.2019 sowohl unter Punkt "Anamnese" (s. Seite 1/5 des Gutachtens) als auch unter Punkt "Zusammenfassung relevanter Befunde" (s. Seite 2/5 des Gutachtens) Erwähnung findet, ist meinerseits und nochmal zusammenfassend folgendes zu sagen:

In diesem Gutachten findet die bei mir fachärztlich bestätigte Zöliakie im letzten Punkt "Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung" keinerlei Berücksichtigung.

Hierzu möchte ich feststellen, dass ich zur Zeit nur deshalb keine wesentlichen, durch diese chronische Krankheit verursachten gesundheitlichen Probleme habe, weil ich strengstens Diät halte, was oft nicht nur mühsam, sondern auch erheblich teurer als eine normale gesunde Ernährung ist.

Bereits geringste Mengen von Gluten (Mikrogrammbereich) können zu schweren Folgeerkrankungen (Sekundärerkrankungen) und somit zu erheblichen gesundheitlichen und körperlichen Problemen führen.

Vor der Diagnose (und somit vor Beginn dieser Diät, die mir dann von Spezialisten sowie einer Diätassistentin verordnet wurde) zeigten sich bei mir bereits gravierende Mangelerscheinungen, die mit herkömmlichen Präparaten nicht zu beheben waren, und zwar aus dem einfachen Grund, dass eine Resorbtion über den Darm nicht möglich war.

Die Zöliakie wurde gastroskopisch bestätigt und nach einigen Monaten strenger Diät (ab Diagnose) zeigte sich, dass mein Körper wieder Vitamine, Spurenelemente, Eisen, etc. über die Nahrung aufnehmen konnte.

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass ich deshalb geheilt bin.

Bei Zöliakie handelt es sich aus heutiger wissenschaftlich-schulmedizinischer Sicht um eine lebenslange unheilbare Krankheit.

Es gibt zurzeit keine medikamentöse oder andere Therapie, einzige Möglichkeit schwere Folgeerkrankungen und eine Verschlechterung des Gesundheitszustands zu vermeiden ist eine lebenslange, strenge Diät.

Somit bleibt mir keine andere Wahl als diese einzuhalten um möglichst gesund zu bleiben.

Zöliakie ist auch keine Krankheit die nach einer gewissen Zeit der Meidung bestimmter Lebensmittel verschwinden kann, wie es bei anderen Lebensmittelintoleranzen durchaus möglich ist.

Im eigenen gesundheitlichen Interesse aber auch hinsichtlich meiner beruflichen Tätigkeit als Schankkraft, die oft schwere körperliche Arbeit bedeutet, halte ich also strenge Diät und muss auch in regelmäßigen Abständen meine Blutwerte überprüfen lassen, da ich diesen Job mit ständigen Vitamin- und sonstigen Mängeln nicht machen könnte und gar nicht schaffen würde.

Nichts desto trotz liebe ich meine Arbeit und möchte sie auch weiterhin bestmöglich verrichten können.

Mit einem Nettoeinkommen von etwa ? 1.000,- monatlich bedeutet die Diät für mich doch einen beträchtlichen finanziellen Mehraufwand, da spezielle, streng glutenfreie Lebensmittel wesentlich teurer sind als herkömmliche Produkte.

Deshalb verstehe ich gar nicht, warum es sich hier um keine "Mehraufwendung wegen Krankendiätverpflequnq" handeln soll.

Meiner Ansicht nach stellt diese erhebliche finanzielle Mehrbelastung durchaus eine "Außergewöhnliche Belastung" auch in steuerrechtlicher Hinsicht dar.

Nicht umsonst ist Zöliakie (neben anderen chronischen Krankheiten) auch im Zusatzformular L1 zur Arbeitnehmerveranlagung berücksichtigt und extra angeführt.

Es geht mir an dieser Stelle und in meiner vorangegangenen Stellungnahme vom 23.1.2020 (siehe Anhang) weder um einen Behindertenpass noch um einen Behinderungsgrad, sondern vielmehr um die Möglichkeit, den mir vermutlich zustehenden pauschalierten Freibetrag hinsichtlich der Zöliakie in meiner Arbeitnehmerveranlagung mit dem von Ihrer Behörde ausgestellten Bescheid beim Finanzamt beantragen bzw. geltend machen zu können.

Sollte es eine Möglichkeit geben, meine hier ausgeführten Argumente und Erläuterungen im Zuge des s noch zu berücksichtigen, wäre ich sehr froh und dankbar.

Ich benötige einen Bescheid Ihrerseits, in dem die Zöliakie Berücksichtigung findet, nicht nur für die aktuelle Arbeitnehmerveranlagung, sondern auch für künftige.

Falls dies nicht in Ihrem Ermessen liegt, ersuche ich Sie, mich davon in Kenntnis zu setzen und mich zu informieren, ob ein neuerlicher Antrag möglich bzw. sinnvoll wäre und - wenn ja - um eine (mir meiner Meinung nach zustehende) künftige Begutachtung durch einen/eine Spezialisten/-In auf diesem Gebiet (Gastroenterologe/¬In) und nicht durch einen Lungenfacharzt.

Ich glaube, das wäre im allseitigen Interesse und würde ein Verfahren nicht dermaßen unnötig in die Länge ziehen.

Es ist mir absolut unverständlich, warum Dr. K. beim letzten Punkt seines Gutachtens (siehe s.4/5, Gutachten) meine Krankheit nicht als Gesundheitsschädigung anerkennt. Weiters ist mir nicht klar, wie im Verfahren von einem "Sachverständigengutachten" die Rede sein kann, wenn ein Lungenspezialist diese Krankheit - bei der die Hauptursache im Darm begründet ist - einschätzen bzw. zu selbiger den letzten Schluß ziehen soll und kann.

Diesen Sachverhalt bitte ich ebenfalls zu bedenken, für mich stellt er nach längerer Überlegung einen zusätzlichen, wesentlichen Schwachpunkt im gesamten bisherigen Verfahren dar.

In Erwartung weiterer Informationen Ihrerseits zum Verfahren bzw. hinsichtlich weiterer mir möglicher Schritte

verbleibe ich einstweilen mit freundlichen Grüßen

Name der Beschwerdeführerin"

Der Beschwerde wurde abermals die Stellungnahme, welche am 27.01.2020 bei der belangten Behörde eingelangt ist, beigelegt.

Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG keinen Gebrauch. Sie legte am 13.03.2020 die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

..."

Der mit 27.01.2020 datierte Bescheid der belangten Behörde, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt wurde, dass der Grad der Behinderung 40 v.H. beträgt, erweist sich in Bezug auf ein ordnungsgemäß durchgeführtes Ermittlungsverfahren als mangelhaft, und zwar aus folgenden Gründen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die mit 22.01.2020 datierte und von der Beschwerdeführerin ihrem Vorbringen zu Folge am 23.01.2020 zur Post gegebene Stellungnahme der Beschwerdeführerin, welche am 27.01.2020 (vgl. den Eingangstempel) bei der belangten Behörde einlangte, von der belangten Behörde jedenfalls zu berücksichtigten gewesen wäre, dies schon deshalb, weil der gegenständlich angefochtene Bescheid ebenfalls mit 27.01.2020 datiert ist und dessen Zustellung an die Beschwerdeführerin und damit die Erlassung dieses Bescheides daher zwingend erst nach dem 27.01.2020 erfolgte. Bis zur rechtswirksamen Erlassung des Bescheides sind aber (ausgenommen im Falle der - im gegenständlichen Fall nicht vorliegenden - Entscheidung durch ein Kollegialorgan, bei der es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt) Eingaben der Parteien zu berücksichtigen.

Unabhängig davon aber hätte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall auch Kenntnis haben müssen von der zwischenzeitlich erfolgten Adressänderung der Beschwerdeführerin, die sich aus der im Akt der belangten Behörde aufliegenden ZMR-Auskunft vom 18.10.2019 unzweifelhaft ergibt, zumal die belangte Behörde selbst die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 07.10.2019 aufforderte, einen aktuellen Meldezettel in Kopie einzusenden, und sich die damals bereits im Raum stehende Adressänderung darüber hinaus auch aus einer im Akt der belangten Behörde aufscheinenden Gesprächsnotiz vom 16.10.2019 ("Frau P. gibt bekannt, dass sie bald wieder einen Hauptwohnsitz hat [Mietvertrag wird erst ausgestellt]. Sie ersucht um Zusendung bis zur Meldung an die am Antrag angegebene Adresse.; erstellt von K. am 16.10.2019") ergibt.

Das mit 30.12.2019 datierte Parteiengehör der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin - ebenso wie in weiterer Folge auch der nunmehr angefochtene Bescheid - aber unter der nicht mehr aufrechten Adresse und sohin nicht unter einer tauglichen Abgabestelle zugestellt; diesbezüglich liegt daher in beiden Fällen ein Zustellmangel vor. Sowohl das Parteiengehör als auch der mit 27.01.2020 datierte Bescheid sind der Beschwerdeführerin aber ihrem eigenen Vorbringen zu Folge tatsächlich zugegangen (das Parteiengehörsschreiben der belangten Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Folge frühestens am 10.01.2020, weshalb die am 23.01.2020 zu Post gegebene Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Übrigen auch nicht als verspätetet anzusehen ist), weshalb die vorliegenden Zustellmängel gemäß § 7 Zustellgesetz geheilt sind und in diesem Zusammenhang auch vom Vorliegen eines bekämpfbaren Bescheides auszugehen ist.

Die belangte Behörde hätte nun ihre Verpflichtung, die mit 22.01.2020 datierte und bei ihr am 27.01.2020 eingelangte Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen, im Rahmen der ihr gemäß § 14 VwGVG eingeräumten Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wahrnehmen können; davon machte sie jedoch keinen Gebrauch. In dieser Stellungnahme der Beschwerdeführerin wird u.a. ausgeführt, dass die bei ihr diagnostizierte Zöliakie vom beigezogenen lungenfachärztlichen Sachverständigen nicht bzw. nicht adäquat berücksichtigt wurde.

Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht: die bei der Beschwerdeführerin (befundmäßig belegt) vorliegende Zöliakie wurde nicht sachgerecht berücksichtigt. Im von der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2019 wurde dieses Leiden zwar insofern erwähnt, als der Gutachter unter dem Punkt "Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung" auf Seite 3 des Gutachtens ausführt, dass die bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gluten-Unverträglichkeit unter Einhaltung der Diät keine Funktionseinschränkung darstelle. Allerdings erscheint im gegenständlichen Fall in diesem Zusammenhang die Beurteilung durch den beigezogenen Lungenfacharzt nicht vollständig und schlüssig, dies insbesondere unter Berücksichtigung des Aspektes, dass eine Einschätzung nach der Positionsnummer 07.04.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche "Chronische Darmstörungen leichten Grades ohne chronische Schleimhautveränderungen, 10-20%" betrifft, auch ohne Vorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen ("Mit geringen Auswirkungen, geringe Beschwerden [Reizdarmsymptomatik], Keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, seltene Durchfälle leichten Grades, ohne chronische Schleimhautveränderungen") möglich ist und im gegenständlichen Fall nicht ausgeschlossen scheint, zumal die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer persönlichen Untersuchung am 22.11.2019, wie vom lungenfachärztlichen Sachverständigen protokolliert, angab, derzeit aufgrund der Zöliakie unter Einhaltung einer glutenfreien Diät keine wesentlichen Durchfallerkrankungen aufzuweisen.

Das bisher von der belangten Behörde eingeholte lungenfachärztliche Sachverständigengutachten wird diesbezüglich den Anforderungen an die Schlüssigkeit und Vollständigkeit eines Gutachtens in Bezug auf die Klärung der im gegenständlichen Verfahren entscheidungserheblichen Frage des Vorliegens einer bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Darmstörung einschätzungsrelevanter Intensität nicht gerecht und ist dieses ergänzungsbedürftig und daher im gegebenen Zusammenhang nicht geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsklärung beizutragen. Welche Beschwerden die Beschwerdeführerin in Bezug auf die befundmäßig belegte Zöliakie konkret hat, wurde im gegenständlichen Verfahren durch den beigezogenen Facharzt für Lungenheilkunde nicht ausreichend geklärt.

Die belangte Behörde machte, wie bereits erwähnt, von der ihr gemäß § 14 VwGVG eingeräumten Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (die unter anderem auch dazu dienen kann, anlässlich des Beschwerdevorbringens bei allenfalls gleichbleibendem Bescheidergebnis wesentliche Sachverhalts- oder auch Begründungselemente nachzutragen) keinen Gebrauch und legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt bzw. die Ermittlung des Sachverhaltes in den entscheidungswesentlichen Fragen an das Verwaltungsgericht delegiert hat. Der Sachverhalt ist daher in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig und im gegebenen Zusammenhang nicht geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsklärung beizutragen.

Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch der mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren verbundene erhöhte Aufwand.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes ausgeführt, dass im verwaltungsbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt in Anbetracht des oben zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz keine grundsätzliche Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behindertenpass Beschwerdevorentscheidung Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2229576.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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