TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/10 W217 2226371-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2020
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Entscheidungsdatum

10.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W217 2226371-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 20.08.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 26.11.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt ab 16.04.2019 70 v.H.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge: BF) ist seit 29.08.2008 Inhaberin eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 v.H. festgestellt.

Sie beantragte am 16.04.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) einlangend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Beigelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden.

2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 11.07.2019, basierend auf einer persönlichen Begutachtung der BF am 19.06.2019, wird von Dr. XXXX , Facharzt für Lungenheilkunde, Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

Vorbekannte Systemerkrankung (systemische Sklerose) mit Behandlung in einer Spezialambulanz des Krankenhauses XXXX für rheumatische Erkrankungen.

Eingesehen wird das bereits vorliegende orthopädische Gutachten Dr. XXXX , wo auf die Auswirkungen dieser Systemerkrankung auf den Stütz- und Bewegungsapparat ausführlich eingegangen wird.

In den vorliegenden Unterlagen ist mit Ausnahme eines sekundären Raynoud-Syndroms keine Beteiligung des Herz-Kreislaufsystem oder innerer Organe zu entnehmen. Es werden auch keine diesbezüglichen Befunde vorgelegt.

Allergie: Pflasterallergie, Nickel, Desinfektionsmittel

Alkohol: negiert, Nikotin: seit 30 Jahren Nichtraucherin

Derzeitige Beschwerden:

Subjektiv empfundene Erschöpfungsattacken, wiederkehrende Schmerzen an wechselnden Körperstellen mit Betonung auf Gelenke, Sehnen und Muskeln, wiederkehrende Entzündungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Refluxkrankheit, fallweise auftretende Probleme mit der Stimme, Kurzatmigkeit bei stärkeren körperlichen Belastungen. Kein Husten oder Auswurf, keine bekannte Herzkrankheit.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Ebetrexat, Folsan, Tracleer, Vasonit, Oleovit D3, Novalgin

Sozialanamnese:

Pensionistin seit März 2019, ledig, alleinstehend, kein Pflegegeldbezug

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Krankenhaus XXXX /Rheumaambulanz 08.06.2019: systemische Sklerose, RaynoudSyndrom, Osteopenie

Internistischer- rheumatologischer Befund Dr. XXXX 02.02.2019: systemische Sklerose, Beteiligung von Bindegewebe, es wird auch eine Lungenbeteiligung angegeben, diese ist jedoch nicht begründet und kann aus den vorliegenden Befunden auch nicht abgeleitet werden.

Herzecho 07.03.2019: kein Hinweis auf Drucksteigerung im Lungenkreislauf, gute Funktion der linken Herzkammer, unauffälliges Ergebnis.

Lungenfunktionsmessung Krankenhaus XXXX 05.03.2019: normale Spirometrie, normale Blutgase in Körperruhe, unter Belastung von 60 Watt leichter Abfall des Sauerstoffdruckes, ohne jedoch einen pathologischen Wert zu erreichen, keine Indikation zu einer Langzeitsauerstofftherapie.

Krankenhaus XXXX / Lungenambulanz 05.03.2019: keine Sauerstoff-Diffusionsstörung

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

57 jährige Frau im altersentsprechenden normalen Allgemeinzustand, keine Ruhedyspnoe, keine Lippenzyanose, keine mobile Sauerstoffversorgung

Ernährungszustand:

leicht übergewichtiger Ernährungszustand

Größe: 174,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck: 140/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf, Hals: keine obere Einflussstauung, keine Struma, keine Lippenzyanose, die Hirnnerven frei

Herz: reine rhythmische Herztöne, Frequenz: 74 pro Minute

Lunge: sonorer Klopfschall, freie Vesikuläratmung ohne spastische Nebengeräusche, klinisch Normalbefund an den Lungen

Gliedmaßen: keine Krampfadern, keine Beinödeme, bzgl. des Stütz- und Bewegungsapparates wird auf das orthopädische Fachgutachten verwiesen

Gesamtmobilität - Gangbild:

altersentsprechende unauffällige Gesamtmobilität, es wird keine Gehhilfe verwendet

Status Psychicus:

unauffällig, zeitlich- und örtlich orientiert, keine fassbaren kognitiven Defizite, ausgeglichene, freundliche Stimmungslage

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Sklerodermie Unterer Rahmensatz, da zwar höhergradige Funktionseinschränkung vor allem im Bereich der Hände bei therapeutisch schwer beeinflussbarer Krankheitsaktivität, jedoch keine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung

02.02.03

50

2

degenerative Wirbelsäulenveränderungen Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

02.01.01

20

3

Verlust eines Ovars Fixer Rahmensatz.

08.03.04

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

3. Mit Bescheid vom 20.08.2019 wurde der Antrag der BF auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen.

4. Mit Schreiben vom 30.09.2019 erhob die BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.08.2019 und ersuchte unter Anschluss neuer Befunde um Überprüfung ihres Behindertengrades, speziell durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Internen Medizin/Rheumatologie. Es bestehe eine Beteiligung des Ösophagus mit Motilitätsstörungen und Reflux, eine basal betonte fibrotische Lungenveränderung sowie eine deutliche Bewegungseinschränkung der Hände.

5. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens wurde durch die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FÄ für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 07.11.2019 eingeholt. Auch diese stellte einen Grad der Behinderung von 50 v.H. fest.

Folgende Funktionseinschränkungen wurden von der Sachverständigen festgestellt:

1

Systemische Sklerodermie unterer Rahmensatz, da zwar höhergradige Funktionseinschränkungen vor allem der Hände, jedoch keine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung, internistische Beteiligung mit basal fibrotischen Veränderungen mitberücksichtigt

02.02.03

50 % GdB

2

degenerative Wirbelsäulenveränderungen oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit

02.01.01

20 % GdB

3

Verlust eines Ovars

08.03.04

10 % GdB

In ihrer Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten führte sie aus:

"Die Sklerodermie ist eine Systemerkrankung, im vorliegenden Fall in erster Linie mit Gelenksbeteiligung. Die im Beschwerdeschreiben angeführte Ösophagusmotilitätsstörung ist bei gutem Ernährungszustand unter Leiden 1 mitberücksichtigt, ebenso ist die pulmologische Mitbeteiligung bei klinisch unauffälligem Befund bereits unter Leiden 1 mitberücksichtigt, eine kardiologische Beteiligung ist derzeit nicht objektivierbar, daher kommt es zu keiner Änderung der Einstufung von Leiden 1.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

keine Änderung des GdB im Vergleich zum Vorgutachten"

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 26.11.2019 wurde die Beschwerde der BF abgewiesen und festgestellt, dass mit einem Grad der Behinderung von 50% keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei.

Mit Schriftsatz vom 05.12.2019 stellte die BF einen Vorlageantrag.

7. Die Beschwerde samt Vorlageantrag und dem Bezug habenden Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.12.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

In der Folge ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um Erstellung eines ergänzenden medizinischen Sachverständigenbeweises basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, ob sich aus den Einwendungen in der Beschwerde sowie den neu vorgelegten medizinischen Beweismitteln eine abweichende Beurteilung ergebe.

8. Im Sachverständigengutachten vom 10.02.2020 wird von Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

SVG 11.07.2008, Dr XXXX , GdB 50 %, Abl, 1-3

SVG DDr. XXXX , FÄ für Orthopädie, 20.12.2018, Abl. 5-8, GdB 50%,

SVG Dr XXXX , FA für Lungenheilkunde, 19.06.2019, GdB 50 %, Abl. 28-30

SVG Dr. XXXX , FÄ für Innere Medizin, GdB 50%, Abl. 47-49

Bekannte Systematische Sklerose Dcl 70 pos.- Erstdiagnose 2006

In Behandlung seit Jahren in der rheumatogoischen Fachabteilung des KH XXXX . Aufgrund der Grunderkrankung mitbeteiligt: Gelenke (siehe Status), Haut und Bindegewebe, Lungen, Stimmband, Zungenbändchen und Zunge - Schluckstörungen, Refluxsymptomatik,

Zustand nach Scheidenoperation mit Verlagerung des Introitus bei lokaler Bindegewebsveränderung 2010.

Derzeitige Beschwerden:

Die Pat. fühlt sich müde und erschöpft, zunehmende Einschränkung der Mundbeweglichkeit, zunehmende Steifheit der Hände (Krallenhand beidseitig) mit zunehmender Bewegungslosigkeit der Fingergelenke, die Bindegewebsveränderungen sind vor allem am Stamm und an den Extremitäten ausgeprägt. Mitbeteiligen der Inneren Organe (Lunge, Stimmband). Weiters besteht eine ausgeprägte Refluxsymptomatik bei vermuteter Cardiainsuffizienz Es besteht eine ausgeprägte Alltagseinschränkung, die Pat. benötigt Hilfsmittel um den Alltag bewältigen zu können. immer wieder Schmerzen der Gelenke und der Haut. Zunehmende Atemnot bei Belastung.

Unter der Therapie kommt es wiederkehrend zu Erkrankungsschüben, die Nebenwirkungen der Medikamente vor allem von Cellsept und Tracleer machen der Pat. zu schaffen.

Behandlung/en/Medikamente/Hilfsmittel:

Cellsept, Tracleer, Nexium, Norvasc, Vasonit, T ASS, Oleovit

Logopädie, regelm. Rehabilitation, Physikalische- und Physiotherapie

Sozialanamnese:

pensioniert, war Bewährungshelferin

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Pat. Briefe Krankenhaus XXXX , 08.06.2019, 20.08.2019, 29.08.2019, Abl. 38-43:

Systemische Sklerose ED 2006 - mit Lungenbeteiligung (Abl. 39)

Sekundäres Raynaud Syndrom, Ulcerationen der Finger, Osteopenie

Therapieumstellung von Ebetrexat auf Cellsept am 20.08.2019

Verschlechterung der Lungenfunktion bei basaler Mitbeteiligung der Lunge im Verlauf (fibrotische Veränderungen).

Radiologischer Befund, KH XXXX , 13.08.2019, Abl. 37:

HR CT der Lunge: gegenüber der Voruntersuchung vom 28.02.2014 findet sich eine Befundverschlechterung mit mäßiger Zunahme der basal betonten fibrotischen Lungenveränderungen mit p.m. in den peripheren Lungenabschnitten.

Patientenbrief Dr. XXXX , FA für Innere Medizin/Rheumatologie, 02.02.2019, Abl 16:

Systemische Sklerose mit Lungenbeteiligung

restriktive Ventilationsstörung

Akrale Ulzera

Raynaud Syndrom

Leberhämangiom

progredienter Erkrankungsverlauf

Echocardiografie, KH XXXX , 07.03.2019, Abl 15:

Gute Links und Rechtsventrikelfunktion

Geringe Klappeninsuffizienzen, derzeit kein Hinweis auf das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie bzw. eines Perikardergusses.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

reduziert

Ernährungszustand:

normal

Größe: 174 cm Gewicht: 78 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,

Hörvermögen gut, Sehvermögen gut, Lidschluß möglich

Tabaksbeutelmund, öffnen eingeschränkt möglich, Lippenbändchen verdickt auffallende Hautveränderungen im Gesicht,

Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich

Herz: Herztöne arrhythmisch, Systolikum p.m. ERB, normofrequent,

Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen nicht beurteilbar

Bauch: weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, Leber und Milz nicht tastbar, Wirbelsäule: nicht klopfdolent

OE:

Schulter: endlagig in der Beweglichkeit beidseitig eingeschränkt, Nacken und Schürzengriff erschwert möglich

EBO und Handgelenke: eingeschränkt in der Beweglichkeit

Finger: Krallenhand beidseitig mit Versteifung der PIP und DIP Gelenke, Ulcerationen an den Fingern, deform. der Fingernägel, Faustschluss nicht möglich

UE:

Hüfte: endlagig in der Beweglichkeit eingeschränkt

Knie: endlagig in der Beweglichkeit eingeschränkt

OSG und Vorfüße: endlagig in der Beweglichkeit eingeschränkt

Haut: Veränderungen der gesamten Haut im Sinne der Grunderkrankung, Bindegewebsplatte rechte Axillarlinie (Ausdehung über den gesamten Stamm)

Livedo reticularis gesamte OSCH Rückseite und Gesäß

Auffallende Heiserkeit der Stimme bei bekannter Stimmbandverdickung. Verdickung des Zungenbändchens, Zungenbewegung träge

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffälliges Gangbild, Pat kommt in normaler Strassenkleidung zur Untersuchung, an und auskleiden erfolgt selbständig, erschwert und langsam aufgrund der Einschränkung der Gelenksbeweglichkeit

Status Psychicus:

unauffälliger Ductus, Pat. ist klar und orientiert

1.)

Systemische Sklerose mit digitalen Ulzerationen und Lungenbeteiligung

Pos.Nr.: 02.02.03 GdB 70

Oberer Rahmensatz da unter laufender immunsuppressiver Therapie, progredienter Erkrankungsverlauf, mit wesentlicher Einschränkung der Funktionalität beider Hände (Krallenhand beidseitig), auffallenden Hautveränderungen auch im Gesicht, eingeschränkter Mundöffnung, Heiserkeit der Stimme bei Stimmbandverdickung. Die Lungenbeteiligung sowie die Refluxsymptomatik sind in dieser Positionsnummer mit abgebildet.

2.) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Pos Nr.: 02.01 01 GdB 20

Oberer Rahmensatz da rezidivierende Beschwerden bei eingeschränkter Beweglichkeit, die Osteopenie ist in dieser Positionsnummer mit abgebildet

3) Verlust eines Ovars

Pos. Nr.: 08.03.04 GdB 10

Fixer Richtsatz

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

2.) Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird aufgrund fehlender negativer Erkrankungsbeeinflussung durch das Leiden 2 um keine weitere Stufe erhöht. Leiden 3 erhöht bei zu geringer funktioneller Relevanz ebenfalls nicht weiter.

3.) Stellungnahme zur Beschwerde vom 30.09.2019 und zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Bei der Pat. besteht eine progredient verlaufende systemische Sklerose (Sklerodermie) mit Beteiligung von Haut und Bindegewebe und Beteiligung der Lunge und der Stimmbänder, Schluckstörungen sind im Rahmen der Grunderkrankung zu erklären und ebenso die genannte Refluxsymptomatik.

Bei der Pat. besteht ein vollständiger Verlust der Funktionalität beider Hände bei fixierter Krallenhand mit wiederkehrenden offenen Geschwüren (Ulcerationen) an den Fingerkuppen. Weiters kommt es aufgrund der Bindegewebsveränderungen zu einer Verhärtung der Haut am gesamten Körper. Die Mundöffnung ist eingeschränkt, das Zungenbändchen verdickt, die Schluckfunktion erschwert.

Die Erkrankungsaktivität ist durch die Therapie nur schwer beeinflussbar.

Den Einwendungen der Beschwerdeführerin kann Folge geleistet werden, die dargelegten Befunde ergeben einen Überblick bei genannter Erkrankung.

Aufgrund dieses komplexen Krankheitsbildes mit multiplem Organbefall, der genannten Klinik und in Zusammenschau der Befunde ist eine höhere Einschätzung denn in den vorgenannten Gutachten,

DDr. XXXX vom 17.01.2019 (Abl 5-8) und Dr. XXXX vom 11.07.2019 (Abl 28-30) sowie zum Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 26.11 .2019 (Abl 47-49), angezeigt.

Es wird der Behinderungsgrad bei Pos. Nr. 02.02.03 mit oberem Rahmensatz bei 70% festgesetzt.

Die übrigen Leiden werden idem zu den vorgenannten Gutachten gelistet.

3.) Eine Nachuntersuchung ist nicht angezeigt, da keine Besserung zu erwarten ist bei progredientem Erkrankungsverlauf.

4.) Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen, darüber hinaus ist gutachterlich keine Einschätzung möglich.

Die mitgebrachten Befunde (Medikamenten Liste und schriftliche Zusammenfassung des Erkrankungsverlaufes) wurden paraphiert und dem Akt beigelegt. Es ergeben sich daraus keine neuen Erkenntnisse."

9. Das Bundesverwaltungsgericht hat der BF und der belangten Behörde mit Schreiben vom 06.03.2020 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist seit 29.08.2008 Inhaberin eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 v.H. festgestellt.

Sie beantragte am 16.04.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) einlangend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

Die BF ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:

* Systemische Sklerose mit digitalen Ulzerationen und Lungenbeteiligung (Pos.Nr.: 02.02.03, GdB 70%)

* Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Pos Nr.: 02.01 01, GdB 20%)

* Verlust eines Ovars (Pos. Nr.: 08.03.04, GdB 10%)

Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt ab Antragstellung 70 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass die BF seit 29.08.2008 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ist, sowie das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der BF im Inland ergibt sich aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.

Die Feststellung hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung der BF in der Höhe von 70 v.H. beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 10.02.2020 von Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF.

In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der BF, deren Ausmaß und allfällige wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussungen ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzte sich auf Grundlage der persönlichen Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die im Gutachten angeführt sind, auseinander.

Die Sachverständige setzte den Gesamtgrad der Behinderung mit 70 v.H. fest.

Pos.Nr. 02.02.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:

"Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades"

50%: Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate andauernden Therapie.

70%: Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Gehbehinderung"

Die Sachverständige begründete die Heranziehung mit dem oberen Rahmensatz, "da unter laufender immunsuppressiver Therapie, progredienter Erkrankungsverlauf, mit wesentlicher Einschränkung der Funktionalität beider Hände (Krallenhand beidseitig), auffallenden Hautveränderungen auch im Gesicht, eingeschränkter Mundöffnung, Heiserkeit der Stimme bei Stimmbandverdickung. Die Lungenbeteiligung sowie die Refluxsymptomatik sind in dieser Positionsnummer mit abgebildet."

Schlüssig und nachvollziehbar stellte sie zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten fest, dass bei der BF eine progredient verlaufende systemische Sklerose (Sklerodermie) mit Beteiligung von Haut und Bindegewebe und Beteiligung der Lunge und der Stimmbänder bestehen. Die Schluckstörungen sind im Rahmen der Grunderkrankung zu erklären und ebenso die genannte Refluxsymptomatik. Bei der BF besteht ein vollständiger Verlust der Funktionalität beider Hände bei fixierter Krallenhand mit wiederkehrenden offenen Geschwüren (Ulcerationen) an den Fingerkuppen. Weiters kommt es aufgrund der Bindegewebsveränderungen zu einer Verhärtung der Haut am gesamten Körper. Die Mundöffnung ist eingeschränkt, das Zungenbändchen verdickt, die Schluckfunktion erschwert. Die Erkrankungsaktivität ist durch die Therapie nur schwer beeinflussbar.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. ...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

.....

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 10.02.2020 einer Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, Ärztin für Allgemeinmedizin, zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Grad der Behinderung der BF von 70 v.H.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W217.2226371.1.00

Im RIS seit

07.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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