Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
BBG §42Spruch
W265 2229859-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 24.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 05.06.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt und legte ein Konvolut an Unterlagen vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 22.11.2019 basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 02.01.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Anamnese:
Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses aufgrund kardialer Problematik, Vorliegen von Sprunggelenksarthrosen beidseits.
Schrittmacherimplantation bei Vorhofflimmern 1994, Zustand nach Hüftgelenksersatz links, Wechseloperation 2015.
Stationäre Aufnahme am UK Krems 9.-14.2.2019 wegen Blutdruckentgleisung, instabiler Angina pectoris im Rahmen eines fieberhaften Infektes, währende des Aufenthaltes erfolgten eine Schrittmacherkontrolle und Koronarangiographie.
Lipom im Rückenbereich.
Derzeitige Beschwerden:
Erhebliche Fehlstellung im Bereich beider Sprunggelenke, degenerativ bedingt, rechts mehr als links mit orthopädischen Schuhen versorgt.
Cervikalgie, Dorsalgie werden beklagt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Xarelto, Iterium, Allopurinol, Pantoloc, Magnosolv, Candam, Simvastatin
orthopädische Schuhe
Sozialanamnese:
verwitwet, Lebensgefährtin, zwei erwachsene Kinder
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
XXXX , 3620 Spitz, 25.10.2019, Medikamentenverschreibung: wie oben angeführt...
PVA SKA RZ Saalfelden 25.6.-23.7.2019: Ausschluß einer stenosierenden KHK bei Koronarsklerose, chronisches Vorhofflimmern, PM Implantation 1994, Aggregatwechsel
2010, Adipositas, Hypertonie, Cervikalsyndrom, Coxarthrose links, TEP linke Hüfte,
Wechseloperation 2015, Sprunggelenksarthrose rechts (orthopädische
Schuhversorgung). Coronarangiographie am 13.2.2019 im UK Krems, während des Aufenthaltes durchgehend beschwerdefrei, gering bis mäßige Beinödeme...Probleme machen in erster Linie die Halswirbelsäule und vor allem das rechte Sprunggelenk... es besteht eine deutlich Adipositas (Gewichtsabnahme von 14 kg bereits gelungen).alle Rehaziele wurden erreicht
Stationäre Aufnahme UK Krems, innere Medizin l, von 9.-14.2.2019: Aufnahme wegen AP-beschwerden mit hypertensiver Entgleisung, fieberhaftem Infekt, zunehmender
Belastungsdyspnoe seit ca. 3-4 Wochen.. Ausschluß einer signifikanten KHK am 13.2.2019. SM Abfrage, Monotoring und Umprogrammierung... hypertensive Nephropathie.. pro BNP ausgelenkt, leichte pulmonale Hypertonie auf Basis einer diastolischen Dysfunktion.
anithypertensive Therapie wird bei einem Kreatininwert von 1,5mg/dl (im Verlauf wieder fallend) angepaßt.. Fieber und CRP wert deutlich rückläufig... im Rahmen der CAG am 13.2.
können zwar eine Progression der Sklerose festgestellt, aber eine signifikante Stenose ausgeschlossen werden...
Beckenübersichtsröntgen 26.11.2018: leichter Beckenschiefstand bei 2mm höherstehender Beckenschaufel rechts, mäßige ISGarthrosen beidseits, beginnende Coxarthrose rechts... unauffälliger Befund bei TEP linke Hüfte... keine Änderung zu 2015.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
übergewichtig
Größe: 172,00 cm Gewicht: 96,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
kommt unbegleitet, frei gehend in orthopädischen Schuhen zur Untersuchung, kardiopulmonal stabil, symmetrischer Thorax, Schrittmacher links infraclavikulär, unregelmäßige Herzaktion, keine pathologischen Atemgeräusche, reizfreie Narbe linke Hüfte, arthrotisch verdickte, deformierte Sprunggelenke mit Varusfehlstellung, und deutlich eingeschränktet Beweglichkeit, rechts mehr als links,sonst unauffällige altersentsprechende Gelenksbeweglichkeit, keine Ödeme, kein Hinweis auf maßgebliche Beeinträchtigungen der peripheren Nervenleitung
Gesamtmobilität - Gangbild:
ohne Schuhe auffälliges, wackeliges Gangbild bei schwerer Sprunggelenksarthrose rechts mit Varisierung, Hauptbelastungszone lateraler Fußrand
Status Psychicus:
allseits orientiert, freundlich-kooperativ, Affekt und Antrieb ausgeglichen, Stimmung situationsangepaßt
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
tachykarde Herzrhythmusstörung mit Schrittmacherimplantation 1994, Koronarsklerose, hypertensive Entgleisung und instabile AP- symptomatik im Rahmen eines Infektes 02/2019 Oberer Rahmensatz, da kardiale Funktion nach Therapieanpassung und stationärem Rehabilitationsaufenthalt stabilisiert, aber nach wie vor eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit.
05.02.01
40
2
Generalisierte Erkrankungen des Stütz-und Bewegungsapparates, schwere Sprunggelenksarthrosen rechts mehr als links, Zustand nach Hüftgelenksersatz links Oberer Rahmensatz, da eingeschränkte statische und dynamische Belastbarkeit; Tragen orthopädischer Schuhe erforderlich.
02.02.02
40
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2 erhöht Leiden 1 um eine Stufe, da es schwerwiegend ist.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Vorliegen von Lipomen, da unkompliziert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
x
Dauerzustand
Nachuntersuchung -
Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:
Ja Nein Nicht geprüft Die / Der Untersuchte
x ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen
x ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)
x ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)
x ist gehörlos
x ist schwer hörbehindert
x ist taubblind
x ist Epileptikerin oder Epileptiker
x Bedarf einer Begleitperson
x ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial
x ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger
x ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates
x ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine maßgeblichen, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichenden
Funktionsbeeinträchtigungen vorliegend. Wie bei der Untersuchung festgestellt, sind das Aufstehen und Niedersetzen, sowie das Gehen kurzer Wegstrecken ohne fremde Hilfe möglich; es ist der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen gewährleistet.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:
Ja Nein Nicht geprüft
x Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.
x Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit
x Erkrankungen des Verdauungssystems
Begründung:
Hüftgelenksersatz links
orthopädische Schuhe
..."
Mit Schreiben vom 02.01.2020 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Mit einem Grad der Behinderung von 50 % werde seinem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Vornahme folgender Zusatzeintragungen lägen vor: "Der Inhaber des Passes ist Orthesenträger" und "Der Inhaber des Passes ist Prothesenträger".
Der Beschwerdeführer gab eine Stellungnahme ab, welche am 30.01.2020 bei der belangten Behörde einlangte. Darin brachte er vor, dass er mittlerweile auch im linken Fuß sehr starke Schmerzen habe, vor allem bei Wegstrecken ab ca. 50 Meter sei es sehr beschwerlich für ihn, der Fuß sei stark geschwollen und zudem habe er große Probleme beim Stehen in diversen Situationen. Er habe sehr viel für die Verbesserung seiner Gesundheit getan und werde es auch weiter tun, um nicht eine weitere Verschlechterung herbeizuführen. Der Stellungnahme angeschlossen war ein Röntgenbefund vom 16.01.2020, der - so der Beschwerdeführer - eindeutig die derzeitige Situation aufzeige.
Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers und des neu vorgelegten Befundes ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Sachverständige und Ärztin für Allgemeinmedizin um eine Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 24.02.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Der nachgereichte Röntgen-Kontrollbefund ergebe keine neuen Erkenntnisse und bestätigte die im Gutachten getroffene, ausreichend hohe Beurteilung der fortgeschrittenen, beidseitigen Sprunggelenksleiden mit dem oberen Rahmensatz. Die medizinischen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" liegen auch weiterhin nicht vor."
Mit angefochtenem Bescheid vom 24.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens, welches als schlüssig erachtet werde, wiedergegeben. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Mit dem Bescheid wurden dem Beschwerdeführer die gutachterliche Stellungnahme übermittelt.
Mit am 10.03.2020 eingelangtem Schreiben erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er seine Einwendungen gegen die Nichtzuerkennung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung vor" und kritisierte die kurze Begutachtung sowie die negative Beurteilung ohne Befunde und ohne vorherige Untersuchung durch die Sachverständige.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 23.03.2020 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W265 einlangte.
Das BVwG führte am 24.03.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in der Folge VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."
..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014).
Der Beschwerdeführer ist unbestritten Inhaber eines Behindertenpasses; der Grad der Behinderung wurde mit 50 v.H. festgestellt. Dem gegenständlichen Verfahren liegt nun ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Grunde.
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt als mangelhaft, und zwar aus folgenden Gründen:
Im Beschwerdefall holte die belangte Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 02.01.2020 ein. In dem, dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gutachten vom 02.01.2020 hielt die Sachverständige folgende Funktionsbeeinträchtigungen, die länger als sechs Monate andauern, fest: Unter Leiden 1 subsumierte sie unter der Positionsnummer 05.02.01 eine tachykarde Herzrhythmusstörung mit Schrittmacherimplantation 1994, Koronarsklerose, hypertensive Entgleisung und instabile AP-symptomatik im Rahmen eines Infektes 02/2019. Die Wahl des Grades der Behinderung in der Höhe von 40 % begründete die Sachverständige mit dem oberen Rahmensatz, da kardiale Funktion nach Therapieanpassung und stationärem Rehabilitationsaufenthalt stabilisiert, aber nach wie vor eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit. Unter Leiden 2 führe die Sachverständige "Generalisierte Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, schwere Sprunggelenksarthrosen rechts mehr als links, Zustand nach Hüftgelenksersatz links, aus, welche sie unter der Position 02.02.02 subsumierte. Den Grad der Behinderung in der Höhe von 40 % unter Leiden 2 begründete die Sachverständige mit dem Vorliegen des oberen Rahmensatzes, da eine eingeschränkte statische und dynamische Belastbarkeit gegeben sei; das Tragen orthopädischer Schuhe sei erforderlich. Den Gesamtgrad der Behinderung legte die Sachverständige mit 50 v.H. fest und hielt begründend dazu fest, Leiden 2 erhöhe Leiden 1 um eine Stufe, da es schwerwiegend sei.
Im Klinischen Status - Fachstatus führte die Sachverständige u.a. selbst aus, dass beim Beschwerdeführer arthrotisch verdickte, deformierte Sprunggelenke mit Varusfehlstellung, und deutlich eingeschränkter Beweglichkeit, rechts mehr als links, vorliegen würden. Weiters hielt sie unter Gesamtmobilität - Gangbild fest, dass beim Beschwerdeführer ohne Schuhe ein auffälliges, wackeliges Gangbild bei schwerer Sprunggelenksarthrose rechts mit Varisierung, Hauptbelastungszone lateraler Fußrand, gegeben sei. Weitere Feststellungen, insbesondere zum Schultergürtel und beiden oberen Extremitäten, Becken und beide untere Extremitäten und der Wirbelsäule des Beschwerdeführers finden sich im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten jedoch nicht. Obwohl sich im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten insbesondere keine detaillierten Feststellungen zum Becken und beiden unteren Extremitäten finden, beispielsweise ob dem Beschwerdeführer ein freies Stehen sicher möglich war, ob ein Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar war, ob der Einbeinstand ohne Anhalten möglich war oder die tiefe Hocke, auch finden sich weder konkrete Feststellungen zum Kniegelenk links und zum Kniegelenk rechts, hielt die Sachverständige zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel fest, dass keine maßgeblichen, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichenden Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Wie bei der Untersuchung festgestellt, sei das Aufstehen und Niedersetzen, sowie das Gehen kurzer Wegstrecken ohne fremde Hilfe möglich sei; es sei der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen gewährleistet.
Um eine Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel feststellen zu können, bedarf es der Überprüfung der konkreten und individuellen Fähigkeiten eines Beschwerdeführers auf dem Boden der vom Verwaltungsgerichtshof geprägten Prüfungsmaßstäbe.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist das von der belangten Behörde seiner Beurteilung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten nicht ausreichend begründet. Im Sachverständigengutachten vom 02.01.2020 finden sich lediglich kurze Ausführungen zum Klinischen Status - Fachstatus und zur Gesamtmobilität - Gangbild. Ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten und / oder der unteren Extremitäten vorliegen (unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bänder an, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen) wurde jedoch nicht erhoben, ohne hierfür eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung im Sachverständigengutachten anzuführen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen der Sachverständigen zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht schlüssig und nachvollziehbar, weshalb sich die im Sachverständigengutachten getroffene Schlussfolgerung, wonach keine maßgeblichen, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichenden Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, nicht nachvollziehen lässt. Worauf die Sachverständige ihre Feststellung stützte, dass das Aufstehen und Niedersetzen, sowie das Gehen kurzer Wegstrecken ohne fremde Hilfe möglich sei, lässt sich anhand des im Sachverständigengutachtens wiedergegebenen Klinischen Status - Fachstatus nicht objektivieren.
Auch ist die gutachterliche Antwort "nein" auf die Fragestellung "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?" in Ermangelung einer Begründung nicht nachvollziehbar und zwar aus folgendem Grunde:
Aufgabe der medizinischen Sachverständigen, welche im behördlichen Ermittlungsverfahren heranzuziehen sind, ist es, die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen eines Beschwerdeführers auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel durch Befund zu erheben und diese Auswirkungen der erhobenen Funktionsbeeinträchtigungen im Gutachten in nachvollziehbarer Weise aufzuzeigen.
Die Antwort "nein" ist daher nicht nachvollziehbar aufgezeigt und daher nicht schlüssig, da an dieser Stelle das Gutachten die Schlussfolgerungen der Sachverständigen aus dem Befund - zu deren Gewinnung sie ihre besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen heranzog - vermissen lässt.
In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer in seiner am 30.01.2020 eingelangten Stellungnahme "sehr starke Schmerzen im linken Fuß" bei "Wegstrecken ab ca. 50 Meter" und "große Probleme beim Stehen in diversen Situationen" angab, die Sachverständige aber zu dem Thema Schmerzen weder in der Begründung des Befunds einging, noch zu vom Beschwerdeführer etwaig eingenommenen Schmerzmitteln ausführte, erfolgten im behördlichen Ermittlungsverfahren auch dahingehend keine Erhebungen.
Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel stellt eine Rechtsfrage dar und ist nach den Kriterien der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vorzunehmen. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel hat sich die Behörde Sachverständiger zu bedienen. Es ist daher an der belangten Behörde, bei der Behandlung des am 05.06.2019 eingelangten Antrags anhand der oben zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs im Ermittlungsverfahren konkrete Fragen an die Sachverständige heranzutragen um zu erheben, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Im gegenständlichen Fall mangelt es daher an der Durchführung notwendiger Ermittlungen im behördlichen Ermittlungsverfahren. Die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher in Betracht, weil konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0268, mit Hinweisen auf VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123; VwGH 14.12.2016, Ro 2016/19/0005, jeweils mwN).
Zur Prüfung der konkreten Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, vermag der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der beantragten Zusatzeintragungen als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde auf persönlicher Untersuchung basierende Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Leiden des Beschwerdeführers, wobei auf die Neuerungsbeschränkung des § 46 Abs 1 BBG hinzuweisen ist, - unter Zugrundelegung der bisherigen durch die Judikatur des VwGH entwickelten Beurteilungskriterien - einzuholen haben.
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des VwGH entwickelten Beurteilungskriterien zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind Funktionseinschränkungen relevant, welche die selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Nach der Judikatur des VwGH zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse: 300 m bis 400 m) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt.
Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Therapiefraktion - das heißt, keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes ist nicht ausreichend.
Zur Zumutbarkeit eventueller therapeutischer Maßnahmen ist ausführlich Stellung zu nehmen.
Es wird der / die beizuziehende Sachverständige zu ersuchen sein, auszuführen, in welchem Ausmaß sich die Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken.
Es wird zu prüfen sein, ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten und / oder der unteren Extremitäten vorliegen (unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bänder an, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen).
Es wird zu prüfen sein, ob eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegt.
Es wird zu prüfen sein, ob eine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegt.
Es wird zu prüfen sein, ob die von der Sachverständigen in der Stellungnahme vom 24.02.2020 festgehaltene "hohe Beurteilung des fortgeschrittenen, beidseitigen Sprunggelenkleidens" die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel erschwert.
Es wird zu prüfen sein, ob der Beschwerdeführer an Schmerzen leidet, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch Beeinflussung der Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers oder durch Beeinflussung ihrer cardiopulmonalen Belastbarkeit erheblich erschweren und somit auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Einfluss haben. Es ist hierbei auf die Entscheidung des VwGH vom 20.10.2011, 2009/11/0032, hinzuweisen, wo das Höchstgericht ausgesprochen hat, dass im behördlichen Ermittlungsverfahren Art und Ausmaß von Schmerzen und der Umstand, inwieweit ein Beschwerdeführer dadurch an der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gehindert ist, zu erheben sind, um feststellen zu können, ob einem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tatsächlich zumutbar ist.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen gravierend mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu beachten ist dabei, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht über einen Ärztlichen Dienst - wie bei der belangten Behörde vorhanden - verfügt und / oder über dem Gericht zugeteilte medizinische Sachverständige verfügt, sodass die Befassung von medizinischen Sachverständigen durch die Behörde mit einem geringeren mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwand verbunden ist.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3, 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2229859.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020