TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/15 W265 2229755-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2020
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Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2229755-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 16.10.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.11.2019 basierenden Gutachten vom 06.12.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Zustand nach Glaukom Anfall rechts, Katarakt links

Derzeitige Beschwerden:

Erblindung rechts sowie Sehschwäche links

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Brillenkorrektur, die operative Sanierung der Katarakt sowie der Disposition zu Glaukomanfällen am rechten Auge wurde bisher abgelehnt

Sozialanamnese:

nicht geprüft

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Patientenbrief KH Rudolfstiftung vom 18.9.2019

Aufnahmebefund: Winkelblock Glaukom Anfall bei Engwinkelglaukom o-d- Katarakt beidseits

durchgeführten Maßnahmen: Die geplante Operation des grauen Stars sowie Glaskörperchirurgie am rechten Auge wurde von der Patientin bisher abgelehnt

empfohlene Maßnahme: Druck senkenden Augentropfen

Therapie bei Meinungsänderung jederzeit möglich

Visus: Rechtes Auge: s.c. 0,16, AT 52 mmHG

Untersuchungsbefund:

...

Klinischer Status - Fachstatus:

Visus:

Rechtes Auge: Glbn: Lichtreaktion+

linkes Auge: -1,75 +0/5° = 0,6

vordere Augenabschnitte: Rechtes Auge Bindehaut gereizt, Hornhaut ödematös, Vorderkammer; seicht bis aufgehoben; Pupille mittelweit, lichtstarr, entrundet; dichte kortikonukleäre Katarakt; linkes Auge: Bindehaut reizfrei, Hornhaut klar, Voderkammer seicht; dichte kortikonukleäre Katarakt

hintere Augenabschnitte: Rechts kein Einblick, links: Papille erscheint physiologisch excaviert, jedoch crowded disc; Makula und Gefäße altersentsprechend, Netzhaut zirkulär anliegend

Augendruck: Rechts Bulbus palpatorisch steinhart, links eher normoton

Gesamtmobilität - Gangbild:

Nicht geprüft

Status Psychicus:

Nicht geprüft

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Winkelblockglaukom rechts mit Erblindung des rechten Auges fixer Rahmensatz

11.02.02

30

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

...

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

die am linken Auge bestehende dichte Katarakt ist mittels eines zumutbaren tagesklinischen Eingriffs operativ sanierbar und daher nicht behinderungswirksam.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

kein Vorgutachten

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

-

[x] Dauerzustand

..."

Mit Schreiben vom 13.12.2019 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 20.12.2019 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin führte sie im Wesentlichen aus, die gewählte Positionsnummer 11.02.02 umfasse die "Erblindung oder Verlust eines Auges bei komplikationsloser prothetischer Versorgung". Das erblindete rechte Auge der Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Begutachtung jedoch nicht prothetisch versorgt gewesen. Es sei ständig entzündet, schmerze und weise einen viel zu hohen Augendruck auf. Es sollte daher der Istzustand zum Zeitpunkt der Untersuchung und nicht ein theoretisch optimaler Sollzustand für die Bemessung herangezogen werden. Richtig wäre die Einstufung unter der Positionsnummer 11.02.03 gewesen. Für die Beurteilung des Sehvermögens seien beide Augen gemäß der Tabelle unter der Positionsnummer 11.02.01 zu bewerten. Im Falle der Beschwerdeführerin ergebe sich anhand der Tabelle ein Grad der Behinderung von mindestens 40 v.H. Ob Ausfälle des Gesichts- und des Blickfeldes vorliegen würden, könne dem Gutachten nicht entnommen werden. Falls vorhanden, wären diese jedoch zusätzlich zum beurteilten Sehvermögen zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin werde am 03.01.2020 augenfachärztlich untersucht, danach erfolge eine Zuweisung zur Katarakt-Operation, für die eine Wartezeit bis zu sechs Monaten bestehe. In weiterer Folge werde das rechte Auge nach Empfehlung der Ärzte im AKH behandelt. Ob es im Ergebnis zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des aktuellen Zustandes komme, könne erst danach beurteilt werden.

Mit Schreiben vom 07.01.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin einen augenärztlichen Befundbericht vom 03.01.2020.

Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin und des vorgelegten Befundes ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten Sachverständigen und Facharzt für Augenheilkunde um ein ergänzendes Sachverständigengutachten. In dem auf der Aktenlage basierenden Gutachten vom 20.01.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

beeinspruchtes Gutachten vom 19.11.2019

Leiden 1: Winkelblockglaukom rechts mit Erblindung des rechten Auges fixer Rahmensatz; GdB 30%

die am linken Auge bestehende dichte Katarakt ist mittels eines zumutbaren tagesklinischen Eingriffs oparativ sanierbar und daher nicht behinderungswirksam.

Gesamt GdB 30%

Im Rahmen der Stellungnahme zum Parteiengehör macht die Antragstellerin geltend, dass ihr erblindetes Auge nicht prothetisch versorgt wäre, es schmerzte und entzunden sei, weshalb eine Einschätzung nach Pkt 11.02.03 EVO mit 40% zu erfolgen hätte; ebenso hätten gem Pkt 11.02.01 beide Augen für die Beurteilung des Sehvermögens herangezogen werden müssen. Gesichtsfeldausfälle wären nicht berücksichtigt.

Vorgelegt wird im Rahmen des PG ein Befund XXXX vom 3.1.2020

Visus: rechts: LE; links: -0,5-1,0/95°= 0,4

Spl: rechts massive konjunctivale Reizung, HH Stippung, Cat;

AT 24/20

Fundus: rechts: kein Einblick, links C/D 0,4

Gesichtsfeld nach Goldmann: GM III/4 rechts: nicht durchführbar; links: horizontal 110°

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

geplante Kataraktoperation an beiden Augen(?)

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach Glaukomanfall (Winkelblockglaukom) mit Erblindung des rechten Auges fixer Rahmensatz

11.02.02

30

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

-

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

die am linken Auge bestehende dichte Katarakt ist mittels eines zumutbaren tagesklinischen Eingriffs operativ sanierbar und daher nicht behinderungswirksam

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum beinspruchten Gutachten keine gesundheitlichen Veränderungen.

Eine Einschätzung nach 11.02.03 kommt nur bei prothetischer Versorgung mit chronischen Komplikationen in Frage, was im gegenständlichen Fall nicht zutrifft. Die zentrale Sehschärfe des linken Auges nach Tab 11.02.01 war nicht zu berücksichtigen, da eine Kataraktoperation sinnvoll und zumutbar. Gesichtsfeldausfälle am linken Auge wurden bei der Anamnese am 19.11.2019 nicht angegeben und sind auch nicht ausreichend durch Serien von beweisenden Gesichtsfelduntersuchungen belegt.

Der neu vorgelegte Befund vom 3.1.2020 ( XXXX ) bringt keine neuen Tatsachen. Die dort angegebene Sehschärfe am linken verbleibenden Auge von 0.4 war nicht zu berücksichtigen, da durch eine Kataraktoperation behebbar. Gesichtsfeldeinschränkungen (110° horizontal?) konnten nicht objektiviert werden, sodass insgesamt keine neuen Tatsachen aufscheinen, die eine Änderung des beanstandeten Gutachtens bewirken könnten.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

-

[x] Dauerzustand

..."

Mit Schreiben vom 24.01.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit E-Mail vom 01.02.2020 legte die Beschwerdeführerin weitere Befunde vor.

Aufgrund der vorgelegten Befunde ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten Sachverständigen und Facharzt für Augenheilkunde erneut um ein ergänzendes Sachverständigengutachten. In dem auf der Aktenlage basierenden Gutachten vom 09.02.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Ambulanter Patientenbrief AKH Wien vom 28.1.2020:

Leistungen: Extrakapsuläre Kataraktoperation mit Linsenimplantation am rechten Auge kein Visus, Gf oder Status angegeben

Stationärer Patientenbrief AKH Wien vom 23.1.2020

Leistungen: konservative Therapie bei akutem Winkelblockglaukom

Weitere empfohlene Maßnahmen: Die Patientin wurde für eine Katarakt Operation am

28.1.2020 vorgemerkt

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

neuerliche Begutachtung im Rahmen der Einwendungen zum Parteiengehör beanstandetes Vorgutachten vom 19.11.2019 Leiden 1: Winkelblockglaukom rechts mit Erblindung des rechten Auges GdB 30%

Gesundheitsschädigungen, die keinen Grad der Behinderung erreichen: Katarakt am linken Auge

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach Glaukomanfall (Winkelblockglaukom) mit Erblindung des rechten Auges fixer Rahmensatz

11.02.02

30

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

-

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

die am linken Auge bestehende dichte Katarakt ist mittels eines zumutbaren tagesklinischen Eingriffs operativ sanierbar und daher nicht behinderungswirksam

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum Vorgutachten keine gesundheitlichen Veränderungen. Die nunmehr vorgelegten Patientenbriefe AKH Wien vom 23.1.2020 und 28.1.2020 enthalten keine neuen Befunde zum Status des linken Auges, sodass eine Änderung des Gutachtens nicht bewirkt wird.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

-

[x] Dauerzustand

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand sei nicht geeignet gewesen, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften. Dem Bescheid wurde das Sachverständigengutachten vom 09.02.2020 angeschlossen.

Mit E-Mail vom 18.03.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, der Grad der Behinderung hänge bei Erkrankungen des Auges (Glaukom, Netzhauterkrankungen) vor allem vom Ausmaß der Sehbehinderung (Sehschärfe, Gesichtsfeld) ab. Das Sachverständigengutachten weise jedoch nur Angaben zur Sehschärfe und nicht zum Gesichtsfeld des noch sehenden linken Auges auf, und ist somit unvollständig. Am linken Auge sei nur der Katarakt diagnostisch berücksichtigt worden. Der bestehende Winkelblock samt seiner Auswirkungen auf das Sehvermögen oder Gesichtsfeld sei trotz ergänzender Vorlage des Befundes des AKH nicht berücksichtigt worden. Obwohl der belangten Behörde bekannt gewesen sei, dass beide Augen einer Katarakt-Operation unterzogen worden seien, sei nicht geprüft worden, ob die zuvor vom Sachverständigen getroffenen Annahmen einer verbesserten Sehleistung auch nach der Operation tatsächlich eingetreten seien. Der Beschwerde wurden keine medizinischen Befunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 16.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1. Zustand nach Glaukomanfall (Winkelblockglaukom) mit Erblindung des rechten Auges

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde vom 09.02.2020 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde vom 09.02.2020, basierend auf der Aktenlage.

Darin wird auf die Art des Leidens der Beschwerdeführerin und dessen Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 19.11.2019 erhobenen Befund sowie den vorgelegten medizinischen Befunden, entsprechen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Die Gesundheitsschädigung wurde nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Damit wird auch das auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.11.2019 basierende augenfachärztliche Sachverständigengutachten vom 06.12.2019 sowie das aufgrund der Aktenlage erstellte augenfachärztliche Sachverständigengutachten vom 20.01.2020 bestätigt, welche zum selben Ergebnis kommen.

Der Sachverständige ist auf die in der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen bereits in den Gutachten zuvor eingegangen. Insoweit keine Einschätzung des linken Auges erfolgte, begründete der Gutachter dies nachvollziehbar damit, dass die am linken Auge bestehende Katarakt mittels eines zumutbaren tagesklinischen Eingriffs operativ sanierbar und daher nicht behinderungswirksam ist. Die Operation des Grauen Stars wurde von der Beschwerdeführerin bisher abgelehnt. Aus diesem Grund ist die zentrale Sehschärfe des linken Auges nicht zu berücksichtigen und eine Einstufung nach der Tabelle in Positionsnummer 11.02.01 der Einschätzungsverordnung daher nicht angezeigt. Die Beschwerdeführerin gab im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 19.11.2019 keine Gesichtsfeldausfälle am linken Auge an und sind solche auch nicht ausreichend durch Serien von beweisenden Gesichtsfelduntersuchungen belegt. Die im Befund vom 03.01.2020 genannte Gesichtsfeldeinschränkung des linken Auges von 110° horizontal kann nicht objektiviert werden. Betreffend das rechte Auge kommt eine Einschätzung nach Positionsnummer 11.02.03 der Einschätzungsverordnung nur bei prothetischer Versorgung mit chronischen Komplikationen in Frage, was im gegenständlichen Fall nicht zutrifft.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Die Beschwerdeführerin ist den vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 19.11.2019, 20.01.2020 und 09.02.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde vom 19.11.2019, 20.01.2020 und 09.02.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.11.2019 sowie der Aktenlage zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 30 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die Beschwerdeführerin ist diesen medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2229755.1.00

Im RIS seit

07.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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