Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
BBG §40Spruch
W265 2229640-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte erstmals am 23.09.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet).
Nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens und der Feststellung der Leiden "Depressio, Somatisierungsstörung", "Diabetes mellitus" und "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. wies die belangte Behörde den Antrag mit Bescheid vom 28.12.2016 ab.
Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung holte die belangte ein weiteres allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten ein, in welchem die Leiden "Depressio, Somatisierungsstörung", "Diabetes mellitus", "Asthma bronchiale" und "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. festgestellt wurden. Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidung vom 07.02.2017 in der Folge die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2016 ab.
Am 05.02.2018 beantragte die Beschwerdeführerin erneut die Ausstellung eines Behindertenpasses mit den Zusatzeintragungen "Der Inhaber oder die Inhaberin des Passes kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" und "Der Inhaber oder die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" bei der belangten Behörde und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.08.2018 basierenden Gutachten vom 30.11.2018 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Anamnese:
Auf die Vorgutachten - Letztbeurteilung 2/2017 (aktenmäßig) nach persönlicher Untersuchung 10/2016 -
1) Depressio, Somatisierungsstörung (20%)
2) Diabetes mellitus (20%)
3) Asthma bronchiale (20%)
4) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (10%) -
mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20% - wird eingangs verwiesen.
Keine relevante Zwischenanamnese - Depressionen seit 2012 (seit dem Tod des Gatten) - derzeit bei XXXX in Behandlung.
Derzeitige Beschwerden:
Frau XXXX berichtet über ihre Schmerzen im gesamten Körper, über ihre Depressionen, über ihre Atembeschwerden und über ihre Thoraxschmerzen.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Metformin, Jardiance, Januvia, Antiflat, Legalon, Singulair, Pantoprazol, Ursofalk, Trittico retard, Cal-D-Vita, Atorvastatin, Thyrex, Ferretab, Symbicort, Urosin, Neurobion forte, Seretide, Mexalen.
Hilfsmittel: Lumbalbandage, Halskrause, Rollator.
Sozialanamnese:
Pensionist, verwitwet, 2 Kinder, Pflegegeldstufe 1.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Internistische Befundnachreichung - Dr. XXXX - vom 1.8.2018: NIDDM, Hypothyreose, Hyperlipidämie, Hyperuricämie, Hypovitaminose D, paroxysm. Vertigo, Hepatopathie, Z. n. Hep. B/Epstein-Bar-Zytomegalie, Somatisierungssyndrom, Depressio, Adipositas, Gesamtwirbelsäulensyndrom.
Neurodiagnostischer Befund - Dr. XXXX - vom 24.1.2018: der Befund ist mit dem Vorliegen eines ganz geringfügigen PNP-Syndromes korrelierbar.
Lungenfacharztbefund - Lungenzentrum Liesing - vom 25.10.2017: Asthma bronchiale - Infektexazerbation - mittelgradige Obstruktion, Sauerstoffsättigung 99%. Dauerdiagnose: Adipositas.
Orthopädischer Befund - Dr. XXXX - vom 20.10.2017: Lumbalgie, Cervikalsyndrom, schwere degenerative Skoliose, Osteopenie, spinale Stenose, reduzierte Gehleistung und Mobilität.
Schädel-CT - Diagnosezentrum Liesing - vom 25.7.2017: unauffälliger intrakranieller Befund.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Normal
Ernährungszustand:
Sehr gut
Größe: 174 cm Gewicht: 80 kg Blutdruck: 135/85
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus und Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, Nichtraucherin, keine Atemauffälligkeiten.
Abdomen: über TN, unauffällige Organgrenzen, keine Druckempfindlichkeit.
Extremitäten: ausreichend frei beweglich - trotz etwas reduzierter Mitarbeit bei der Untersuchung des STB, kein Tremor, keine Ödeme, keine Ulzera, keine sensomotorischen
Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, ausreichend frei bewegliche HWS/BWS, LWS - FBA im Stehen: 20 cm. Trägt eine Lumbalbandage, legt sich nach der Untersuchung auch eine Halskrause an.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt mit Rollator ins Untersuchungszimmer, kann frei auf ihren Beinen stehen, kann im Zimmer dann auch frei hin- und hergehen - auffällig (demonstrativ) breitspurig. Es konnten keine Schwindelhinweise beobachtet werden.
Status Psychicus:
voll orientiert, klagsam, demonstrativ auffälliges Gesamtverhalten, ausreichend kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Depressive Störung - Somatisierungsstörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da chronifiziert, fachärztlich bestätigt und unter milder medikamentöser Therapie - keine stationären Aufenthalte an psychiatrischen Fachabteilungen dokumentiert; Therapiereserven vorhanden.
03.06.01
20
2
Asthma bronchiale Oberer Rahmensatz, da medikamentös gut behandelbar, sehr gute Sauerstoffsättigung dokumentiert.
06.05.01
20
3
Diabetes mellitus II - orale Medikation Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da relevante Folgeerkrankungen nicht dokumentiert.
09.02.01
20
4
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden bei geringen Funktionseinschränkungen vorliegen.
02.01.01
10
5
Schilddrüsenfehlfunktion Unterer Rahmensatz, da medikamentös gut kompensierbar.
09.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das klinisch führende Leiden 1 überlagert von den klinischen Beschwerden aus Leiden 2 und 4 - wird durch Leiden 3 und 5 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung von Leiden 1 und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Die orthopädische Diagnoseliste und Empfehlung ist durch keinerlei klinisch-funktionellen Untersuchungsbefund und durch keine radiologischen Zusatzbefund untermauert.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Neuaufnahme von Leiden 5, da dokumentiert.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Es ist keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung eingetreten.
[x] Dauerzustand
...
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine - Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der
Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen (auch zweifelsfrei dokumentiert) vorliegen. Eine kurze Wegstrecke kann unter Berücksichtigung des erhobenen
Untersuchungsbefundes und der vorliegenden Befunde aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels gegebenen Bedingungen aus. Das behinderungsbedingte ständige Erfordernis der Verwendung eines Rollators zur Fortbewegung für kurze Wegstrecken ist durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und unter Berücksichtigung der vorliegenden objektiven Befunde nicht begründbar. Eine Begleitperson ist unter Berücksichtigung des erhobenen körperlichen und neuropsychiatrischen Befundes nicht erforderlich - weder ein Einzelleiden, noch das Zusammenwirken aller Gesundheitsschädigung erfordert aus gutachterlicher Sicht eine Begleitperson.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
..."
Mit Schreiben vom 04.12.2018 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Mit E-Mail vom 13.12.2018 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin führte sie im Wesentlichen aus, die Untersuchung durch den Sachverständigen sei mangelhaft gewesen, der Sachverständige habe ihre Unterlagen nicht gelesen und sein Gutachten sei diskriminierend, gemein und zynisch. Die Beschwerdeführerin benötige tatsächlich eine Begleitung, sie leide unter Schwindel und der Rollator sei ihr beim Gehen und den bestehenden Schmerzen und Schwächen hilfreich und notwendig. Sie befinde sich in Dauertherapie in Form von Injektionen und Infiltrationen sowie medikamentöser Schmerztherapie. Der Diabetes mellitus sei zu gering eingestuft, auch das Asthma-Leiden und die psychische Krankheit seien zu gering bewertet. Die Beschwerdeführerin ersuche um unverzügliche Korrektur und Zustellung eines Behindertenpasses. Sie ersuche weiters, die vorgelegten Dokumente wirklich zu lesen und ihre Krankheiten deren Inhalt entsprechend zu beurteilen. Sie schloss dem Schreiben ein Konvolut an medizinischen Befunden an.
Mit E-Mail vom 21.01.2019 übermittelte die Beschwerdeführerin weitere medizinische Befunde. Weiters beanstandete sie erneut die Untersuchung durch den allgemeinmedizinischen Sachverständigen und die Nichtberücksichtigung ihrer zweimal gebrochenen linken Hand, ihrer urologischen und neurologischen Probleme.
Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin und der vorgelegten Befunde ersuchte die belangte Behörde eine Fachärztin für Innere Medizin um ein weiteres Sachverständigengutachten. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2019 basierenden Gutachten vom 16.09.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Anamnese:
Letzte Begutachtung am 8.8.2018: GdB 20vH wegen Depressio, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale, deg. WS Veränderungen
Derzeitige Beschwerden:
"Habe Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Taubheit in Händen und Füßen. Es fallen mir Objekte aus der Hand, habe Schwindel wie epileptische Anfälle. Fallweise sehe ich schlecht, ich nehme 6 Tabletten Trittico am Tag, habe einen trockenen Mund, bin auch inkontinent."
Es werden Photos vorgelegt von ihrem Mann, dieser wurde im Müllsack begraben, sie ließ ihn exsummieren, das hat alles sehr traurig gemacht. Möchte nicht auf Kur fahren, auch nicht ins Krankenhaus gehen, da der Mann 2013 verstorben ist.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
TASS, Vastarel, Januvia, Jardiance, Pioglitazon, Singulair, Sirdalud, Trittico, Tramal, Neurontin, Unifyl, Lagalon, Sertralin, Zoreda, Ursofalk, Pantoloc, Oleovit, Atorvastatin, Thyrex, Arthrotec, Flixotide, Mg, Berodual,
Sozialanamnese:
verwitwet, 2 Kinder
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
es werden mehrfache Befunde vorgelegt, zusammenfassend die aussagekräftigsten seit 08/2018
Lungenbefund vom 8.8.2019: Asthma bronchiale, O2 Sättigung 98%, Th anders als von AST angegeben
Echobefund vom 31.1.2019: höhergradig reduzierte LVF EF um 25%, Hypokinesie (vermutet wird eine ischämisch bedingte Herzerkrankung, ein Ischämienachweis ist jedoch nicht vorliegend)
Befundbericht XXXX FA Innere Medizin 10.5.2019: HbA1c: 10,9%
orthopädischer Befund XXXX 18.4.2019: Cervikalsyndrom, Skoliose, Lumalgie: BZ Einstellung dringend empfohlen
NLG 18.12.2018: geringgradige PNP
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 156 cm Gewicht: 78 kg Blutdruck: 120/80
Klinischer Status - Fachstatus:
HNAP frei, keine Lippenzyanose
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS
Herztöne: leises Systolikum, rhythmisch, normofrequent
Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen
Gesamtmobilität - Gangbild:
1 Stock, leicht hinkend (anamnestisch wird auf der Straße ein Rollator verwendet), ein freies Gehen ist hierorts durch den Raum möglich
Status Psychicus:
allseits orientiert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
reduzierte Linksventrikelfunktion unklarer Genese unterer Rahmensatz, da kardial durchwegs kompensiert
05.02.01
30
2
Depression/Anpassungsstörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da medikamentös stabilisiert
03.06.01
20
3
Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter oraler Therapie stabilisiert
09.02.01
20
4
Asthma bronchiale Oberer Rahmensatz, da gute Sauerstoffsättigung, mittels Medikation kompensiert
06.05.01
20
5
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen oberer Rahmensatz, da lediglich geringfügige funktionelle Beeinträchtigung
02.01.01
20
6
Schilddrüsenfehlfunktion Unterer Rahmensatz, da medikamentös kompensierbar
09.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird von den Leiden 2-6 nicht weiter erhöht, da kein relevantes, ungünstiges Zusammenwirken besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Harninkontinenz ohne fachärztlichen Befund begründet keinen GdB
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 1.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Siehe oben
[x] Dauerzustand
..."
Mit Schreiben vom 18.09.2019 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Mit E-Mail vom 09.10.2019 teilte die Beschwerdeführerin mit, seit ihrer Untersuchung durch die internistische Sachverständige am 20.08.2019 keine Informationen erhalten zu haben, wie entschieden worden sei. Sie ersuche um Mitteilung des Verfahrensstands.
Mit Schreiben vom 11.10.2019 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG noch einmal zur Kenntnis und verlängerte die Frist für die schriftliche Stellungnahme.
Mit E-Mail vom 24.10.2019 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin führte sie im Wesentlichen aus, sie habe das Schreiben der belangten Behörde erst am 23.10.2019 erhalten und sei enttäuscht, dass der Grad der Behinderung nur 30 v.H. betrage. Sie werde eine Stellungnahme abgeben und noch weitere Unterlagen übermitteln. Sollte das Ergebnis noch immer negativ bleiben, werde sie zu Gericht gehen. Die Beschwerdeführerin schloss ein Konvolut an medizinischen Befunden an.
Mit E-Mail vom 31.10.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 04.11.2019, gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin brachte sie zusammengefasst vor, ihre Leiden seien trotz der vorgelegten Befunde falsch eingestuft worden. Die Sachverständigen dürften die Einschätzungsverordnung nicht ignorieren. Die Beschwerdeführerin könne nicht gehen und fahre mit dem Krankentransport, für kurze Strecken von ein paar Schritten benütze sie einen Rollator. Das Diabetes-Leiden sei zu gering eingestuft, wahrscheinlich müsse sie Insulin spritzen. Die Beschwerdeführerin sei multimorbid, gehunfähig, habe chronische schwere Schmerzen, Herzinsuffizienz und eine Lungenkrankheit. Ihre Funktionseinschränkungen müssten mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 bis 70 v.H. eingestuft werden. Dem Schreiben schloss sie weitere medizinische Befunde an.
Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin und der vorgelegten Befunde ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Fachärztin für Innere Medizin um eine ergänzende Stellungnahme. In der Stellungnahme vom 09.12.2019 führte die Sachverständige Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - aus:
"...
Der Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 22.8.2019 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 4.11.2019 vor, dass sie unter Schmerzen leidet, eine eingeschränkte Gehfähigkeit habe und der Diabetes mellitus deutlich schlechter geworden ist. An neuen Befunden wird vorgelegt:
Befund Orthopädie vom 28.10.2019: Schmerzzunahme
Laborbefund vom 13.8.2019: HbA1c deutlich erhöht
Augenbefund vom 29.8.2019: Brillenanpassung
Befund XXXX , FA Psychiatrie vom 29.10. 2019: depressives Syndrom,
Therapieanpassung, Psychotherapie empfohlen
Antrag auf Pflegegelderhöhung vom 11.10.2019
Befund neurolog Ambulanz vom 7.10.2019: kein faßbares neurolog. Defizit Ambulanzbefund KH Nord vom 27.9.2019: DCMP, Herzkatheter abgelehnt, Diabetesschulung!
Bei der hierorts durchgeführten Begutachtung bestand ein kardiorespiraorisch kompensierter Zustand, welcher auch durch die nachgereichten Befunde nicht entkräftigt wird. Die angeführten Wirbelsäulenbeschwerden und die dadurch entstehende eingeschränkte Gehfähigkeit, sowie die Verwendung eines Rollators sind durch die objektivierbaren Funktionseinschränkungen nicht begründbar. Hierorts bestand ein leicht hinkendes Gangbild, sowie ein freies Gehen durch den Raum. Die Verwendung eines Stockes als leichte Gehhilfe ist aus gutachterlicher Sicht zumutbar. Die belegte Blutzuckerverschlechterung ist bei bestehenden Therapieoptionen ebenfalls nicht geeignet eine Änderung des GdB zu bewirken. Daher wird das Gutachten weiter vertreten."
Mit Bescheid vom 09.12.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Ihr Einspruch zum Parteiengehör habe keine Änderung des Grades der Behinderung bewirken können. Dem Bescheid wurden das internistische Sachverständigengutachten und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme beigelegt.
Mit E-Mail vom 31.01.2020 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie nach ihrer Stellungnahme vom 31.10.2019 keine Stellungnahme oder neue Einstufung der belangten Behörde erhalten habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Ihr Einspruch zum Parteiengehör habe keine Änderung des Grades der Behinderung bewirken können. Dem Bescheid wurden das internistische Sachverständigengutachten und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme beigelegt.
Mit E-Mail vom 13.03.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, die Untersuchung durch die Sachverständige habe in einem schlecht ausgestatteten Gebäude ohne Warteräume oder Bänke stattgefunden, der Untersuchungsraum sei nicht einmal beschriftet gewesen um nachzuweisen, dass es sich dabei um eine ärztliche Ordination handle. Die Beschwerdeführerin habe 40 Minuten im Liegen auf dem kalten Boden warten müssen, da sie aufgrund ihrer Schwäche und Schmerzen nicht sitzen könne. Die Untersuchung habe ihr sehr wehgetan und ihren Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Die Sachverständige sei kalt, routiniert und missachtend gewesen. Die Beschwerdeführerin lege zwei Gutachten des Arbeits- und Sozialgerichtes vor, in welchen ihr Pflegestufe 2 zuerkannt worden sei. Weiters lege sie Anträge auf Kostenübernahme für die Beförderung durch einen Vertragsfahrtendienst der Wiener Gebietskrankenkasse vor. Sie benötige den Transport, da sie nicht mehr als einige Schritte bis zu einem Auto gehen könne. Sie schließe der Beschwerde auch eine Ambulanzbestätigung vor, welche die Sachverständige falsch interpretiert habe, da sie nicht anerkannt habe, dass die Beschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung, chronischen Schmerzen und Synkopen leide. Schließlich lege sie auch noch einen orthopädischen Befund vor, in welchem bestätigt werde, dass die Beschwerdeführerin mit dem Rollator ein paar Schritte gehen könne.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin brachte am 05.02.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Reduzierte Linksventrikelfunktion unklarer Genese
2. Depression/Anpassungsstörung
3. Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus
4. Asthma bronchiale
5. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
6. Schilddrüsenfehlfunktion
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Einschätzung und deren wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 16.09.2019 zu Grunde gelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 16.09.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2019.
Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständige Gutachterin setzt sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Nach Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs und Vorlage eines Konvoluts an aktuellen Befunden ersuchte die belangte Behörde die internistische Sachverständige erneut um eine ergänzende Stellungnahme. In der Stellungnahme vom 09.12.2019 berücksichtigte die Sachverständige sämtliche nachgereichten Befunde und führte schlüssig und ausführlich aus, warum weder die Befunde noch die Einwendungen der Beschwerdeführerin geeignet waren, eine Änderung der Beurteilung herbeizuführen. Weder die vorgebrachten Herz- und Lungenbeschwerden noch die Wirbelsäulenbeschwerden und die dadurch eingeschränkte Gehfähigkeit sowie die Notwendigkeit der Verwendung eines Rollators konnten im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2019 im geschilderten Ausmaß objektiviert werden. Die nachgereichten Befunde waren ebenso nicht geeignet, die Ergebnisse der Statuserhebung durch die internistische Sachverständige zu entkräften. Bei der Beschwerdeführerin besteht ein kardiorespiratorisch kompensierter Zustand. Außerdem war bei der persönlichen Untersuchung ein leicht hinkendes Gangbild mit freiem Gehen durch den Raum festzustellen, für das die Verwendung eines Stockes als leichte Gehhilfe ausreichend ist. Zwar zeigte sich durch den nachgereichten Laborbefund vom 13.08.2019 eine Blutzuckerverschlechterung, im Ambulanzbefund des Krankenhaus Nord vom 27.09.2019 wird bei unzureichend eingestelltem Diabetes mellitus aber eine unbedingt erforderliche gezielte diabetologische Betreuung empfohlen. Es bestehen somit noch nicht ausgeschöpfte Therapieoptionen, weshalb die Sachverständige das Leiden zurecht keiner höheren Einstufung zuführte.
Insoweit die Beschwerdeführerin die Umstände und die Art der Gutachtenserstellung moniert, ist zunächst festzuhalten, dass sich kein Anhaltspunkt im Gutachten bzw. im gesamten Verwaltungsakt findet und die Beschwerdeführerin nicht objektiviert darlegen konnte, dass die Begutachtung unsachlich gewesen sei oder mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen in Widerspruch stehe.
Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Unterlagen zum Verfahren betreffend Pflegegeld vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, insbesondere das in dieser Angelegenheit eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 18.12.2019, ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die in diesem Gutachten festgestellten Leiden auch im internistischen Sachverständigengutachten festgestellt und entsprechend ihrer Funktionseinschränkung korrekt eingestuft sind. Darüber hinaus zielt das nervenfachärztliche Gutachten vom 18.12.2019 jedoch auf die Beurteilung der Pflegegeld-Stufe ab und beinhaltet keine Einschätzung des Grades der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung, weshalb dieses Gutachten dem von der belangten Behörde eingeholten internistischen Gutachten vom 16.09.2019 nicht auf gleicher fachlicher Ebene begegnen und dieses daher auch schon aus diesem Grund nicht entkräften kann. Die Frage der Beurteilung der Notwendigkeit einer Betreuung und das Ausmaß der benötigten Pflege sind nach anderen Kriterien vorzunehmen als die medizinische Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung nach dem Bundebehindertengesetz unter Anwendung der Einschätzungsverordnung.
Bei den ebenfalls der Beschwerde angeschlossenen Anträgen auf Kostenübernahme für die Beförderung durch einen Vertragsfahrtendienst handelt es sich um keine medizinischen Befunde und sind diese demnach ebenso wenig geeignet, eine Änderung der getroffenen Beurteilung zu bewirken.
Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Sachverständigengutachten und der ergänzenden Stellungnahme im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 16.09.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 16.09.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 30 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkungen wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Die Beschwerdeführerin ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2229640.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020