TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/15 W265 2229091-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2020
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Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2229091-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 17.01.2020, betreffend die Entfernung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" aus dem Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin war seit 23.02.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und den Zusatzeintragungen "Die Inhaberin des Passes ist Trägerin von Osteosynthesematerial", "Die Inhaberin des Passes ist Trägerin einer Prothese" und "Die Inhaberin des Passes ist Trägerin einer Orthese". Seit 21.09.2016 war darüber hinaus auch die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass eingetragen und am 24.10.2016 wurde der Beschwerdeführerin ein Ausweis gemäß § 29b StVO (Parkausweis) ausgestellt.

An 20.09.2019 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Dabei gab sie an, sie habe sich im Jahr 2016 einer Spinalkanalserweiterung an der Wirbelsäule unterzogen. Außerdem habe sie im Jahr 2019 wegen einer nekrotisierenden Fibrolyse der Bauchdenke bei septischem Zustandsbild vier Wochen in der Intensivstation verbracht, es sei auch eine ausgedehnte plastische Deckung der Bauchdenke durchgeführt worden. Sie führte weiters aus, eine Begutachtung sei erst ab 01.12.2019 möglich, da im Oktober eine operative Korrektur ihrer ausgedehnten Vernarbungen der Bauchdecke geplant sei. Dem Antrag schloss sie ein Konvolut an medizinischen Befunden an.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12.12.2019 basierenden Gutachten vom 16.12.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Ansuchen um Neubewertung des Prozentsatzes bei Behinderung im Behindertenpass.

"Da ich 2016 im LKH Graz an der Wirbelsäule einer Spinalkanalserweiterung unterzogen wurde, sowie 2019 ebenfalls im LKH Graz wegen einer nekrotisierenden Fibrolyse der Bauchdecken bei septischen Zustandsbild mit anschließend an einen vierwöchigen Aufenthalt an der Intensivstation einer ausgedehnten plastischen Deckung der Bauchdecken unterzogen wurde, ersuche ich nun um Begutachtung zur Neufestsetzung des Prozentsatzes meiner Behinderung."

Siehe auch VGA vom 08.09.2016

Diagnosen: 1) Vertebrostenosen Ligamentäre Hypetrophien, facettengelenksarthrosen,

Anschlußdegeneration L3/4 und L5/S1, OP-Indikaktion, Zustand nach PLIF L4/5 2003

Sturz mit Kniegelensdostorsion rechts, Seitenbandläsion, Orthesenversorgung 01/2016, Bluthochdruck, Verlust der Gallenblase, Verlust der Gebärmutter, DZ

Die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel liegt vor

Derzeitige Beschwerden:

"Im Jahr 2003 bin ich das erste Mal wegen Spinalkanalstenose operiert worden. Unmittelbar nach der letzten Begutachtung wurde ich nun ein zweites Mal operiert, das war 2016. Angeblich ist die zweite Operation von medizinischer Seite her sehr gut verlaufen, allerdings habe ich keinerlei Besserung bemerkt. Dazu ist jetzt im Frühling gekommen, dass ich eine Sepsis im Brauchraum hatte, wo ich insgesamt 3,5 Monate im Spital gewesen bin und es mir dadurch insgesamt nicht sehr gut geht. Im Oktober wurde ich erneut operiert, weil da der Bauch wieder gedeckt worden ist. Das Ganze ist im Rahmen der Setzung eines Blasenbandes gekommen, wo ich gedacht habe, nach zwei Tagen wieder nach Hause zu kommen, ich allerdings mich nachher auf der Intensivstation wiedergefunden habe. Anschließend an die letzte Operation habe ich ein Hämatom entwickelt. Derzeit ist es so, dass ich wieder ein Serom entwickelt habe, wo ich alle vier Tage ins Landeskrankenhaus Graz gehe, um abpunktiert zu werden. "

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Blopress, Parkemed, Pantoloc

Sozialanamnese:

Verwitwet, 1 Kind, in Pension

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

LHK Graz vom 20.05.2019

Z.n. septischem Zustandsbild bei nekrotisierender Fasciitis mit Beteiligung

der Bauchwand sowie der Flanken beidseits, des Mons pubis und der Labia majora beidseits nach TVT {Tensionfree Vaginal Tape) - Blasenbandimplantation am 26.03.2019 alio loco.

LHK Graz vom 22.11.2016

Spinalkanalstenose L3/4 und L5/S1 (Anschluss-Stenose bei Zust. n. Spondylodese L4/5

18.11.2016: Flavektomie L3/4 sowie L5/S1 links,

mikrochirurgische Dekompression mit Undercutting und Neurolyse

Nebendiagnosen:

Zust. n. Spondylodese L4/5 2003,

Zust. n. Cholezystektomie,

Zust. n. Knie-TEP links,

Zust. n. Hysterektomie,

arterielle Hypertonie,

Zum Zeitpunkt der Entlassung war die Patientin hinsichtlich ihrer Claudicatio spinalis Symptomatik deutlich beschwerde gebessert und subjektiv sehr zufrieden

Mitgebrachter Befund Landeskrankenhaus Universitätsklinik Graz, vom 28.10.2019:

Diagnose: Narben,- bzw. Narbenplatten mit Spalthauttransplantat gedeckt, bei Zustand nach nekrotisierender Fasziitis mit Beteiligung der Bauchwand sowie der Flanken beidseits

des Mons pubis und der Labia majoria beidseits, Zustand nach Blasenband Implantation am 26.03.2019;

OP am 16.10.2019, Narbenkorrektur, Entfernung der Spalthautgedeckten Areale mit Direktverschluss im Sinne einer Abdominalplastik

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 160 cm Gewicht: 63 kg Blutdruck: 120/60

Klinischer Status - Fachstatus:

76 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput:, Visus: mit Brille korrigiert Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten: nicht palpabel Thorax. Symmetrisch, elastisch,

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei. Reaktionslose Narbe zirklulär um das gesamte Abdomen, Narbe links noch im Pflasterverband, Serom suprapubis

Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,

Untere Extremität: Spalthautentnahmestellen an beiden Oberschenkel, Zehenspitzenstand nicht möglich und Fersenstand möglich Einbeinstand bds. mit Abstützen durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken und rechten Kniegelenken, linkes Kniegelenk: endlagig eingeschränkt bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im sitzen: 0cm, im stehen nicht prüfbar reaktionslose Narbe im Bereich der LWS

Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen eingeschränkt

Gesamtmobilität - Gangbild:

Hat 2 Nordic walking Stöcke dabei

Leicht hinkendes Gangbild

Status Psychicus:

Klar, orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach nekrotisierender Fasziitis mit Beteiligung der Bauchwand sowie der Flanken beidseits des Mons pubis und der Labia majoria beidseits oberer Rahmensatz, da großflächige Ausbreitung mit Narbenplatten mit Spalthauttransplantatdeckungen und noch nicht abgeschlossenen Heilungsverfahren

07.04.11

40

2

Spinalkanalstenose L3/4 und L5/S1 (Anschluss-Stenose bei Zust. n. Spondylodese L4/5) oberer Rahmensatz, da Flavektomie L3/4 sowie L5/S1 links, mikrochirurgische Dekompression mit Undercutting und Neurolyse

02.01.02

40

3

Kniegelenksprothese links Oberer Rahmensatz, da eine endlagige Bewegungseinschränkung vorliegt

02.05.18

20

4

Hypertonie Fixer Richtsatz

05.01.01

10

5

Entfernung der Gebärmutter

08.03.02

10

6

Verlust der Gallenblase Unterer Rahmensatz, da ein guter Ernährungszustand vorliegt

07.06.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht wird, da schwerwiegendes Zusatzleiden. Die weiteren Leiden erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

-

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Besserung von Leiden 1 des VGA, da nach erfolgreich durchgeführter Operation deutliche Besserung der Beschwerdesymptomatik dokumentiert. Hinzukommen von Leiden 1. Bei Leiden 3 erstmalige Einstufung mit GdB. Keine Änderung der übrigen Leiden

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine Änderung des Gesamt-GdB

[x] Nachuntersuchung 12/2020 - Besserung von Leiden 1 zu erwarten

...

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Ja

Nein

Nicht geprüft

Die / Der Untersuchte

 

x

 

ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

 

x

 

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

 

x

 

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

 

x

 

ist gehörlos

 

x

 

ist schwer hörbehindert

 

x

 

ist taubblind

 

x

 

ist Epileptikerin oder Epileptiker

 

x

 

Bedarf einer Begleitperson

 

x

 

ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

 

x

 

ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger

 

x

 

ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

x

 

 

ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Trotz mäßiggradiger Funktionsstörungen der Wirbelsäule, ist bei Zustand nach erfolgreich durchgeführter Operation, das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Der Zustand nach nekrotisierender Fasciitis begründet bei gutem Allgemeinzustand nicht die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

..."

Mit Schreiben vom 17.12.2019 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom 17.01.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ab. Es würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" vorliegen. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf das durchgeführte medizinische Beweisverfahren, wonach der ermittelte Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin weiterhin 50 v.H. betrage. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das allgemeinmedizinische Gutachten übermittelt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.01.2020 stellte die belangte Behörde fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial" nicht mehr vorliegen und daher aus dem Behindertenpass der Beschwerdeführerin zu entfernen seien. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf das durchgeführte medizinische Beweisverfahren, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen nicht vorlägen. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das allgemeinmedizinische Gutachten übermittelt.

Die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführerin am 21.01.2020 den neuen Behindertenpass aus.

Mit Schreiben, eingelangt am 13.02.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid, mit welchem der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen wurde, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führte sie aus, ihr sei völlig unverständlich, dass ihr Antrag abgewiesen worden und der neu zugesendete Behindertenpass bis 31.12.2020 befristet ausgestellt worden sei. Ihr Ansuchen auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sei damit begründet, dass ihre Wirbelsäulenbeschwerden nach der Operation 2016 nicht besser geworden, sondern sich verschlechtert hätten. Sie leide nun an Gefühllosigkeit der dritten bis fünften Zehe in beiden Füßen. Es bestehe auch mit der Knie-Totalendoprothese keine Beschwerdefreiheit. Weiters liege ein Zustand nach Blasenband-Operation mit nachfolgender Sepsis und nekrotisierender Fibrolyse der Bauchdecke mit 40-tägigem Aufenthalt auf der Intensivstation, plastischer Versorgung der Bauchdeckenwunde und Korrektur der Bauchdeckenplastik im Oktober 2019 vor. Es habe keine so gründliche Untersuchung stattgefunden, wie im Sachverständigengutachten festgehalten worden sei. Auch die im Gutachten enthaltenen Angaben seien nicht alle richtig, zum Beispiel betrage der Fingerbodenabstand im Sitzen nicht 0 cm. Die ihr in den Mund gelegte Anamnese stamme auch nicht von der Beschwerdeführerin, der Wortlaut entspreche nicht ihrer normalen Ausdrucksweise. Die Beschwerdeführerin ersuche um neuerliche Begutachtung und Korrektur des Prozentsatzes des Behindertengrades sowie die Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses.

Mit Schreiben, eingelangt am 13.02.2020, erhob die Beschwerdeführerin auch gegen den Bescheid, mit welchem die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" aus dem Behindertenpass gestrichen wurde, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, seit Ausstellung ihres Ausweises gemäß § 29b StVO habe sich ihr gesundheitlicher Zustand eher verschlechtert, von Verbesserung könne keine Rede sein. Durch die lange Liegedauer nach 40 Tagen auf der Intensivstation seien ihre Beweglichkeit und Muskelkraft weiter stark eingeschränkt worden. Außerdem hätten sich ihre Beschwerden nach der zweiten Operation an der Wirbelsäule eher verschlechtert. Sie ersuche daher, ihr die Weiterverwendung des Parkausweises zu genehmigen, insbesondere, da Möglichkeiten öffentlichen Transports in ihrer Wohngemeinde sehr beschränkt seien und Wege über 50 Meter eine Unmöglichkeit darstellen würden. Eine normale Lebensführung (z.B. Einkaufen) sei nicht möglich.

Die Beschwerdeführerin schloss den beiden Beschwerden keine medizinischen Befunde an.

Über die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 17.01.2020, mit welchem der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen wurde, ergeht ein gesondertes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, Zl. W265 2229090-1.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. Seit 21.09.2016 verfügte sie zudem über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Die Beschwerdeführerin brachte am 20.09.2019 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Sozialministeriumservice ein. Auf Grundlage dieses Verfahrens, das zu einer Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung führte, wurde in weiterer Folge mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.01.2020 von Amts wegen auch festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial" in den Behindertenpass nicht mehr vorliegen.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Zustand nach nekrotisierender Fasziitis mit Beteiligung der Bauchwand sowie der Flanken beidseits des Mons pubis und der Labia majoria beidseits

2. Spinalkanalstenose L3/4 und L5/S1 (Anschluss-Stenose bei Zust. N. Spondylodese L4/5)

3. Kniegelenksprothese links

4. Hypertonie

5. Entfernung der Gebärmutter

6. Verlust der Gallenblase

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 16.12.2019 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur seit 21.09.2016 bestandenen Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Das Datum der Einbringung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie der Umstand, dass mit Bescheid vom 17.01.2020 von Amts wegen festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial" nicht mehr vorliegen, gründet sich ebenfalls auf den Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Streichung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 16.12.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12.12.2019.

Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 hat sich das Wirbelsäulenleiden, welches Grund für die damals festgestellte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel war, nach der operativen Spinalkanalserweiterung gebessert. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sich die Beschwerden nach der Operation im Gegenteil sogar verschlechtert hätten, ist weder durch die vorgelegten Befunde noch das Ergebnis der Statuserhebung objektivierbar.

Trotz der bei der Beschwerdeführerin weiterhin bestehenden, wenn auch gebesserten Spinalkanalstenose und der Kniegelenksprothese links, ist die Gesamtmobilität ausreichend, um eine kurze Wegstrecke von etwa 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Kraft, Beweglichkeit und Sensibilität der Hände und Arme sind unauffällig, Grob- und Spitzgriff sowie Faustschluss sind uneingeschränkt durchführbar. Die Beschwerdeführerin kann somit Haltegriffe und Aufstiegshilfen erreichen und sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel festhalten; der sichere Transport im Verkehrsmittel ist damit gewährleistet.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ihre Beweglichkeit und Muskelkraft seien durch die lange Liegedauer nach 40 Tagen Intensivstation stark eingeschränkt, so ist auf das Ergebnis der Statuserhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung zu verweisen, in welcher sich die Kraft sowohl der oberen als auch der unteren Extremitäten beidseits nicht vermindert zeigte. Bis auf eine endlagig eingeschränkte Beweglichkeit im linken Kniegelenk sind auch sämtliche Gelenke der oberen und unteren Extremitäten altersentsprechend frei beweglich. Die Beschwerdeführerin hat ein leicht hinkendes Gangbild und brachte zur Untersuchung zwei Nordic Walking Stöcke mit. Eine allfällige Verwendung einer Gehhilfe stellt aber grundsätzlich keine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar, sondern ist zweckmäßig und steigert dadurch die vermehrte Sicherheit der Gehleistung. Die Rotation und Seitwärtsneigung der Wirbelsäule ist zwar in allen Ebenen eingeschränkt, erreichen jedoch kein Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.

Der Zustand nach nekrotisierender Fasciitis sowie die übrigen Leiden begründen ebenfalls keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Betreffend das Beschwerdevorbringen, in ihrer Wohngemeinde sei die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr beschränkt, wodurch eine normale Lebensführung wie zum Beispiel das Einkaufen, nicht möglich sei, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Insoweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde auf die "Parkkarte" Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde über den Ausweis gemäß § 29b StVO nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, weshalb diese Frage nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist. Ohne bestehende Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" besteht jedoch auch kein Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die mit Bescheid vom 17.01.2020 von Amts wegen getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial" nicht mehr vorliegen, keine Beschwerde. Die Entfernung dieser Zusatzeintragung aus dem Behindertenpass ist somit nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 16.12.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

- Kleinwuchs,

- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."

..."

Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.01.2020 von Amts wegen festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 100/2018 (in der Folge kurz BBG) nicht mehr vorliegen. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Entfernung der genannten Zusatzeintragung aus dem Behindertenpass.

Über die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 17.01.2020, mit welchem der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen wurde, ergeht ein gesondertes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, Zl. W265 2229090-1.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 16.12.2019 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden körperlichen Defizite - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert. Auch unter Berücksichtigung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden dauerhaften Einschränkungen und deren Zusammenwirken vermag die Beschwerdeführerin noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits erwähnt, keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.

Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei für sie auch deshalb nicht möglich, weil die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in ihrer Wohngemeinde sehr beschränkt sei und ihr eine normale Lebensführung, wie zum Einkaufen, so nicht möglich sei, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechtigung der Zusatzeintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wie bereits zuvor ausgeführt entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258). Im vorliegenden Fall beruhen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber in Bezug auf diesen Teil des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin zu Folge nicht in der Art und Schwere der Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, sondern entscheidend darin, dass die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in ihrer Wohngemeinde unzureichend sei.

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass erforderlichen Voraussetzungen einer erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten oder einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a A

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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