TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/16 W266 2222601-1

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W266 2222601-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, bakk. phil, als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid (Behindertenpass) des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.7.2019, OB: XXXX , betreffend Festsetzung des Grades der Behinderung, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Behindertenpass unbefristet auszustellen ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Aufgrund eines Antrags der Beschwerdeführerin vom 14.6.2019 stellte das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge: belangte Behörde), nach Durchführung eines ärztlichen Begutachtungsverfahrens, einen bis 31.8.2024 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50% aus.

In der gegen diesen (als Bescheid zu qualifizierenden) Behindertenpass fristgerecht erhobenen Beschwerde führt die unvertretene Beschwerdeführerin - ohne Vorlage weiterer Befunde - im Wesentlichen aus, es sei nur ein Arzt für Allgemeinmedizin als Gutachter herangezogen worden und dieser habe lediglich Krebs als Behinderung festgestellt. Der Beschwerdeführerin fehle ein großer Teil der Lunge, weshalb ersucht werde, einen Lungenfacharzt als Gutachter heranzuziehen.

Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.8.2019 vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.5.2019 wurde der Beschwerdeführerin mittels Mängelbehebungsauftrags die inhaltliche Verbesserung der Beschwerde aufgetragen. Die Beschwerdeführerin wurde darauf hingewiesen, welchen Kriterien die Beschwerde nach § 9 Abs. 1 VwGVG genügen müsse und, dass nach fruchtlosem Ablauf der zweiwöchigen Frist die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG zurückgewiesen werde.

Mit Schreiben vom 23.9.2019 kam die Beschwerdeführerin dem Mängelbehebungsauftrag nach, verbesserte ihre Beschwerde und legte einen neuen Befund vor.

In der Folge wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Pulmologie und Allgemeinmedizin eingeholt und der Beschwerdeführerin sowie der belangten Behörde mit Schreiben vom 17.1.2020 zur allfälligen Stellungahme binnen zweier Wochen übermittelt.

Mit Schreiben vom 4.2.2020 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab, die belangten Behörde hat sich innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt und den Gerichtsakt, insbesondere in die Gutachten aus den Bereichen Pulmologie (Lungenheilkunde) und Allgemeinmedizin, welche im erstinstanzlichen Verfahren bzw. im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholt wurden und auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin basieren, in die vorgelegten Befunde sowie Einholung eines aktuellen Auszugs aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren, Staatsangehörige von Serbien und wohnhaft in 1170 Wien, XXXX .

Sie stellte den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 14.6.2019. Dem Antrag wurde stattgegeben und am 29.7.2019 ein bis 31.8.2024 befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50% ausgestellt, gegen welchen Beschwerde erhoben wurde.

Hinsichtlich des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin wird folgendes festgestellt:

48 jährige Frau im altersentsprechenden normalen Allgemein- und Ernährungszustand keine Ruhedyspnoe, keine Lippenzyanose, keine mobile Sauerstoffversorgung, zeitlich- und örtlich orientiert, keine fassbaren kognitiven Defizite, ausgeglichene, freundliche Stimmungslage, altersentsprechende unauffällige Gesamtmobilität, unauffälliges Gangbild, es wird keine Gehhilfe verwendet, freier Stand und freies Sitzen problemlos möglich, Bücken zu den Schuhen selbsttätig und flüssig möglich, Sauerstoffsättigung bei Raumluftatmung mit 96% im Normbereich.

Herz: reine rhythmische Herztöne, Frequenz: ca. 102 pro Minute, Blutdruck: 120/80.

Brustkorb: symmetrisch: rechts seitlich etwa 8 cm lange Narbe nach zweimaliger Thorakotomie, die rechte Brustkorbhälfte bei Einatmung leicht zurückbleibend.

Lunge: sonorer Klopfschall, freie Vesikuläratmung ohne spastische Nebengeräusche, klinisch Normalbefund an den Lungen.

Gliedmaßen: keine Krampfadern, keine Beinödeme, die großen Gelenke frei beweglich, die Handkraft seitengleich, die Fingergelenke unauffällig.

Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin entsprechen den folgenden Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Folgenlos abgeheilter Zustand nach Entfernung des Mittellappens am 3.3.2016 wegen Rippenfelleiterung und chronischer Entzündung (gutartige Grunderkrankung) Unterer Rahmensatz, da nahezu folgenlos abgeheilter Zustand nach Entfernung eines kleinen Lappens bei gutartiger Grunderkrankung und nur leichtgradiger pulmonaler Funktionsstörung.

06.02.02

30

2

Zustand nach Entfernung des rechten Lungenoberlappens am 7.5.2019 wegen Adenokarzinom rechts zentral. Unterer Rahmensatz, da komplikationsloser postoperativer Verlauf ohne Bestrahlung- oder Chemotherapie, mäßiggradigerEinschränkung des Lungenvolumens, wiederkehrender postoperativer Schmerzsymptomatik und Art und Prognose der Grunderkrankung. Die 5-Jahres-Heilungsbewährung wurde noch nicht erreicht.

13.01.03

50

und beträgt der Grad der Behinderung 50%.

Das im Gutachten als Leiden 2 geführte führende Leiden wird durch das als Leiden 1 geführte Leiden nicht weiter erhöht, da keine ausgedehnten Vernarbungen vorliegen, Leiden 1 durch eine gutartige Grunderkrankung ausgelöst wurde und die gesamtheitliche Funktionsstörung nach Verlust zweier Lappen im Zusammenwirken dennoch nur als mittelgradig zu bezeichnen ist.

Es handelt sich um einen Dauerzustand.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse beruhen auf den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin am Antragsformular, den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Hinsichtlich des Gesundheitszustands und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten Pulmologie (Lungenheilkunde) und Allgemeinmedizin. Aufgrund einer Änderung der Einschätzung im vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten wird zur gegenständlichen Beurteilung nur dieses herangezogen. Das Sachverständigengutachten basiert auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin. Es ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Leidenszustände und Einwendungen unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

Der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Sachverständige ordnet das Leiden 1 (folgenlos abgeheilter Zustand nach Entfernung des Mittellappens wegen Rippenfelleiterung und chronischer Entzündung), welches er neu einstufte, als gutartige Grunderkrankung der Positionsnummer 06.02.02 (Folgezustände nach operativen Eingriffen in die Lunge mit mittelgradigen Funktionseinschränkungen sowie Schwielenbildung bzw. Segmentresektion) der EVO mit dem unteren Rahmensatz zu, da ein nahezu folgenlos abgeheilter Zustand nach Entfernung eines kleinen Lappens bei gutartiger Grunderkrankung und nur leichtgradiger pulmonaler Funktionsstörung vorliegt. Dies entspricht den in der EVO für diese Position und diesen Rahmensatz festgelegten Kriterien (Ausgedehnte diagnostische wie therapeutische Klemmenresektionen auch mit Rippenteilresektionen, Folgenlos abgeheilter Zustand nach Lobektomie bei gutartiger Grunderkrankung oder rezidivfreiem Verlauf; Mit leicht- bis mäßiggradiger pulmonaler Funktionsstörung, 30 - 40%).

Leiden 2 der Beschwerdeführerin (Zustand nach Entfernung des rechten Lungenoberlappens wegen Adenokarzinom rechts zentral), eigentlich das führende Leiden, ordnet der Sachverständige schlüssig der Positionsnummer 13.01.03 (Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung, je nach Funktionsstörung) mit dem unteren Rahmensatz zu, da ein komplikationsloser postoperativer Verlauf ohne Bestrahlungs- oder Chemotherapie vorliegt sowie eine mäßiggradige Einschränkung des Lungenvolumens und eine wiederkehrende postoperative Schmerzsymptomatik gegeben ist. Weiters stützt sich der Sachverständige bei dieser Beurteilung auf die Art und Prognose der Grunderkrankung und darauf, dass die fünfjährige Heilungsbewährung noch nicht erreicht wurde. Dies entspricht den in der EVO für diese Position und diesen Rahmensatz festgelegten Kriterien (Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung).

Den Gesamtgrad der Behinderung begründet der Sachverständige schlüssig damit, dass das führende Leiden durch das separat neu eingestufte weitere Leiden nicht weiter erhöht wird, da keine ausgedehnten Vernarbungen vorliegen, eine gutartige Grunderkrankung dieses Leiden auslöste und die gesamtheitliche Funktionsstörung nach Verlust zweier Lappen im Zusammenwirken dennoch nur als mittelgradig zu bezeichnen ist. Weiters hielt der Sachverständige fest, dass es der Beschwerdeführerin im Rahmen des Rehabilitationsaufenthalts insbesondere möglich war, an Konditions- und Krafttraining, weiters am Ergometer, am Fahrrad und in einer Wandergruppe am Training teilzunehmen. Dies bestätigt, nach Ansicht des Sachverständigen, im Zusammenwirken mit der klinischen und lungenfunktionellen Untersuchung die Höhe der Funktionsstörung.

Die im vorliegenden Gutachten vorgenommenen Änderungen im Vergleich zum Erstgutachten wurden vom Sachverständigen nachvollziehbar damit begründet, dass die Entfernung des Mittellappens getrennt von der Karzinomerkrankung eingestuft werden muss, da diese eine gutartige Ursache und eine nur geringe Funktionsstörung als Folge hatte. Demgegenüber handelt es sich beim weiteren Leiden der Beschwerdeführerin um eine Tumorerkrankung mit derzeit nicht eindeutiger Prognose für die Zukunft.

Dass, entgegen den Ausführungen im Erstgutachten, ein Dauerzustand vorliegt, begründet der Sachverständige schlüssig damit, dass auch nach Erreichen der fünfjährigen Heilungsbewährung, wo dann nur noch rein funktionelle Kriterien und nicht die Tumorerkrankung selbst als Grundlage heranzuziehen sind und der untere Rahmensatz erhalten bleibt, eine Nachuntersuchung entbehrlich erscheint. Der eingeschätzte Grad der Behinderung von 50% wird, nach Ansicht des Sachverständigen, als Dauerzustand aufgrund der Entfernung von zwei Lungenlappen erhalten bleiben.

Wie aufgezeigt, hat sich der vom Bundesverwaltungsgericht befasste Sachverständige somit mit allen Leiden, Vorbringen und Befunden der Beschwerdeführerin ausführlich, nachvollziehbar und schlüssig auseinandergesetzt und diese ebenso den entsprechenden Positionen und Rahmensätzen der EVO zugeordnet und wird das gegenständliche Gutachten, das von beiden Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs im Wesentlichen unwidersprochen geblieben ist, daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

"06.02. Folgezustände nach operativen Eingriffen an der Lunge

...

06.02.02 Mittelgradige Funktionseinschränkungen sowie Schwielenbildung; Segmentresektion, 30 - 40 %

Ausgedehnte diagnostische wie therapeutische Klemmenresektionen, auch mit Rippenteilresektionen. Folgenlos abgeheilter Zustand nach Lobektomie bei gutartiger Grunderkrankung oder rezidivfreiem Verlauf. Mit leicht-bis mäßiggradiger pulmonaler Funktionsstörung.

13. Malignome

...

13.01.03 Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung 50 - 100 %

Nach Entfernung eines Malignoms innerhalb der Heilungsbewährung (5 Jahre)

..."

Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heranzuziehen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Daraus folgt:

Das gegenständliche, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, Gutachten aus den Fachbereichen Pulmologie (Lungenheilkunde) und Allgemeinmedizin entspricht den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und wird, aus den unter Punkt 2 näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.

Die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin betragen, wie festgestellt, 50% da sie, wie bereits oben unter Punkt 2 ausgeführt, von dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den Positionen 06.02.02, und 12.01.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden. Auch die sonstigen Formalen Voraussetzungen eines Behindertenpasses liegen vor.

Da jedoch aufgrund der Beschwerde kein höherer Grad der Behinderung festgestellt wurde, war die Beschwerde abzuweisen. Die im Spruch ersichtliche Maßgabe ergibt sich daraus, dass im diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Sachverständigengutachten, abweichend vom Erstgutachten, ein Dauerzustand festgestellt wurde. Die belangte Behörde wird daher in weiterer Folge der Beschwerdeführerin einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50% auszustellen haben.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs-)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten und vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten, Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, das die Verfahrensparteien letztlich im Wesentlichen unwidersprochen zur Kenntnis genommen haben. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich einem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W266.2222601.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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