TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/16 W264 2225617-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W264 2225617-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 22.8.2019, in der Form der Ausstellung eines Behindertenpasses, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 4.11.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden auch "BF") war im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. Diesem lag das Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.3.2017 zugrunde, welche darin die Funktionseinschränkungen Leiden 1 Posttraumatische Belastungsstörung, somatoforme Schmerzstörung, Leiden 2 Rezidivierende Harnwegsinfekte und Leiden 3 Chronische Vulvovaginitis und Vulvodynie festhielt und als Nachuntersuchung 03/2019 wegen der Besserungsmöglichkeit durch eine Stabilisierung der Funktionseinschränkungen empfahl.

2. Am 28.3.2019 stellte die BF den gegenständlichen Antrag auf "die Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder der Ungültigkeit" mit folgenden Zusatzeintragungen "Assistenzhund" und "Fahrpreisermäßigung" unter Verwendung des Formularblattes 07/2018 beim Sozialministeriumservice (in weiterer Folge: belangte Behörde).

3. In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.7.2019 wird von Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag, und unter Berücksichtigung der vorgelegten aktuellen Befunde als "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung" festgehalten, wie folgt:

"Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Störung, Somatisierungsstörung Unterer Rahmensatz, da trotz Therapie instabil. St.p. mehrere stationäre Aufenthalte. Dieser Rahmensatz inkludiert auch Angst- und Panikstörung.

03.05.02

50

2

Chronische Vulvovaginitis 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da St.p. operativer Eingriff erforderlich.

08.03.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H."

Als "Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung" gab die Sachverständige an, dass das Leiden 1 durch das Leiden 2 nicht erhöht werde, da keine maßgebliche ungünstige, wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege.

Unter "Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung" führte die Sachverständige aus:

"Konjuktivitis abgeheilt.

Rezidivierende Harnwegsinfekte konnten durch entsprechende fachärztliche Befunde nicht mehr nachgewiesen werden."

Als Nachuntersuchung vermerkte die Sachverständige Juli 2021, da eine Besserung möglich sei.

4. In dem Schreiben vom 16.7.2019, mit welchem Parteiengehör eingeräumt wurde, wurde der BF erläutert, unter welchen Voraussetzungen die Zusatzeintragung einer Fahrpreisermäßigung gewährt wird. Nämlich erstens für Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder die selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen, sofern bei ihnen ein Grad der Behinderung von mindestens 70% oder die voraussichtliche dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit festgestellt wird oder zweitens für Personen, welche Bezieher von Pflegegeld sowie anderen vergleichbaren Leistungen auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften sind.

Eine Stellungnahme langte bei der belangten Behörde ein.

5. Unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie stellte die belangte Behörde der BF mit Schreiben vom 22.8.2019 einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes besitzt einen geprüften Assistenzhund (Signalhund)" aus. Diesem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) Bescheidcharakter zu.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die BF, vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, dass der Grad der Behinderung aufgrund der massiven psychischen Beeinträchtigung der BF mit zumindest 60 v.H. festzusetzen wäre. Sie leide unter einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung einer dissoziativen Störung, dependeten Persönlichkeitsstörung und einer generalisierten Angststörung. Trotz langjähriger und intensiver psychotherapeutischer (inklusive der Absolvierung mehrfacher stationärer und teilstationärer Aufenthalte) sowie medikamentöser Behandlung habe bis dato keine maßgebliche Besserung erzielt werden und sei die Symptomatik weiterhin stark ausgeprägt. Die psychischen Einschränkungen würden mit einer stark verminderten Belastbarkeit und Antriebsminderung sowie einem sozialen Rückzug einhergehen. Sie sei nicht arbeitsfähig und stehe im Bezug von Rehabilitationsgeld. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde beantragt.

7. Zur Überprüfung der Einwendungen holte die belangte Behörde eine ergänzende Äußerung der bereits befassten Fachärztin für Psychiatrie Dr. XXXX vom 4.10.2019 ein, welche sich zu den erhobenen Einwendungen äußerte wie folgt:

"Es werden neue Befunde vorgelegt: Dr. XXXX /FÄ für Psychiatrie 08/2019: "Nach Durchsicht des Gutachtens von Frau Dr. XXXX vom 16.7.2019 fällt mir auf, dass das Gutachten sich zwar inhaltlich mit meiner Einschätzung deckt, allerdings scheint im Vergleich mit der Anlage zur Einschätzungsverordnung vom 21.5.2010 die Einschätzung nicht korrekt. Im Abgleich mit dem Inhalt des Gutachtens und auch mit dem Zustandsbild meiner Patientin erscheint mir ein Behinderungsgrad von ca. 70% gegeben, bitte um nochmalige Prüfung der Unterlagen." Weiters Entlassungsbriefe psychiatr. Abt. AKH Wien 08/2015, 10/2015, Rehabaufenthalt Zentr. für seelische Gesundheit XXXX 03/2016, klinisch-psychologische Testung 11/2016, PSZW XXXX 02/2019

Bei Frau XXXX besteht eine posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Symptomen und flash-backs sowie eine Somatisierungsstörung. Weiters treten Angst- und Panikzustände auf. Die Antragstellerin benötigt regelmäßige fachärztlich psychiatrische sowie psychotherapeutische Behandlungen, wobei das psychopathologische Zustandsbild weiterhin instabil ist. Bei st.p. mehreren stationären Aufenthalten ist der GdB somit mit 50% festzusetzen. Eine höhere Einstufung ist nicht gerechtfertigt, da Frau XXXX in alltäglichen Tätigkeiten unabhängig ist und sich selbst versorgen kann.

Nach nochmaliger Durchsicht aller Befunde wird somit an der vorgenommenen Einschätzung festgehalten, eine Erhöhung des GdB ist leider nicht möglich."

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 4.11.2019 wies die belangte Behörde die Beschwerde vom 27.9.2019 ab und stellte fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 50 % keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei. In der Begründung stützte sich die Behörde auf die eingeholte Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie vom 4.10.2019.

9. Mit Schreiben vom 19.11.2019 brachte die BF fristgerecht einen Vorlageantrag ein und wurde darin ausgeführt, dass sich die eingeholte ärztliche Stellungnahme in der (unzutreffenden) Feststellung, dass die Einschätzung korrekt erfolgt sei, erschöpfe und damit nicht den in der Judikatur festgelegten Kriterien entspreche. Es sei keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen und den vorgelegten Befunden erfolgt. Die bisherigen Einwendungen würden daher aufrecht bleiben. Es sei zudem keine selbständige Bewältigung des Alltages möglich, zumal die Antragstellerin auf die Begleitung durch einen Therapiehund angewiesen sei. Es bestehe keine Arbeitsfähigkeit und ein sozialer Rückzug.

Die BF beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

10. Der Vorlageantrag samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 21.11.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit der Höhe des Grades der Behinderung im ausgestellten Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war die Beschwerde zu prüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin war im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. Diesem lagen aufgrund des Sachverständigengutachtens vom 29.3.2017 folgende Funktionseinschränkungen zugrunde: 1. Posttraumatische Belastungsstörung, somatoforme Schmerzstörung, 2. Rezidivierende Harnwegsinfekte und 3. Chronische Vulvovaginitis und Vulvodynie.

Aufgrund einer Besserungsmöglichkeit durch Stabilisierung der Funktionseinschränkungen wurde als Nachuntersuchung März 2019 vorgemerkt.

1.2. Die Beschwerdeführerin stellte am 28.3.2019 den gegenständlichen Antrag auf "die Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder der Ungültigkeit" mit folgenden Zusatzeintragungen "Assistenzhund" und "Fahrpreisermäßigung" bei der belangten Behörde.

1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen aktuell folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:

1. Posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Störung, Somatisierungsstörung

2. Chronische Vulvovaginitis

Das führende Leiden (1.) wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da keine maßgebliche ungünstige, wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Bei der BF liegt zum aktuellen Zeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vor. Es ist weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung des Grades der Behinderung gegenüber dem Zeitpunkt des Vorgutachtens vom 29.3.2017 eingetreten. Einzig die vormals als Leiden 2. geführte Funktionseinschränkung "Rezidivierende Harnwegsinfekte" konnte durch entsprechende fachärztliche Befunde nicht mehr belegt werden und bedingte diese den Wegfall des Leidens. Am Gesamtgrad der Behinderung änderte sich dadurch nichts.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die unter Punkt 1.1. getroffenen Feststellungen zum Besitz eines Behindertenpasses, dem diesem zugrundeliegenden Sachverständigengutachten sowie zu den damals festgestellten Gesundheitsschädigungen basieren auf dem Fremdakt, welchem das Sachverständigengutachten vom 29.3.2017 einliegt und konnten diesem sämtliche Informationen entnommen werden.

2.2. Es ist demnach auch schlüssig, wenn die BF am 28.3.2019, sohin im März 2019 einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses bei der belangten Behörde stellt. Dieser Antrag ist dem dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt ebenfalls einliegend. Demzufolge konnten auch die unter Punkt 1.2. getroffenen Feststellungen getätigt werden.

2.3. Die unter Punkt 1.3. festgestellten aktuellen Leiden der BF und der Umstand, dass ein Grad der Behinderung von 50 v.H. vorliegt, basieren auf dem im Auftrag der belangten Behörde erstellten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 15.7.2019, welche ihr Gutachten basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF sowie der von ihr vorgelegten Befunde - dies waren ein Kurzbefund von ihrer Fachärztin für Psychiatrie Dr. XXXX vom 21.3.2019 sowie der ärztliche Entlassungsbrief des psychosomatischen Zentrums XXXX vom 12.2.2019 - erstellte.

Die fachärztliche Sachverständige geht darin jeweils auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ein.

Die Sachverständige nimmt auch Bezug zu dem im Fall der BF vorliegenden Vorgutachten vom 29.3.2017, in welchem die damals befasste Allgemeinmedizinerin zu dem Ergebnis eines bei der BF vorliegenden Gesamtgrades der Behinderung von 50 v.H. kam.

Die von der allgemeinmedizinischen Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 15.7.2019 herangezogenen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung und die gewählten Rahmensätze stimmen mit den diesbezüglichen Kriterien der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie mit dem basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag erstellten Untersuchungsbefund überein und sind schlüssig und nachvollziehbar. Dabei berücksichtigte die Sachverständige auch insbesondere die von der BF in Vorlage gebrachten (fach)ärztlichen Befunde.

Die Funktionseinschränkung "Posttraumtische Belastungsstörung, dissoziative Störung, Somatisierungsstörung" wurde von der Sachverständigen der Position 03.05.02 (Psychische Störungen; Neurotische Belastungsstörungen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörung PTSD; Störungen mittleren Grades) der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet und mit dem unteren Rahmensatz von 50 v.H. bewertet. Dazu berücksichtigte die Sachverständige die Umstände, dass die BF trotz Therapie instabil sei und bereits mehrere stationäre Aufenthalte hatte. Des Weiteren berücksichtigte sie bei der Einschätzung, dass die BF an einer Angst- und Panikstörung leidet.

Die in der Beschwerde erhobenen Einwendungen vermochten das Ergebnis der erfolgten fachärztlichen Einschätzung nicht zu ändern. Die fachärztliche Sachverständige nahm in ihrer Stellungahme vom 4.10.2019 Bezug auf die Einwendungen sowie auf den ergänzend vorgelegten fachärztlichen Befund Dris. XXXX vom 9.8.2019, worin die Fachärztin ausführte, dass aus ihrer Sicht ein Behinderungsgrad von 70% gerechtfertigt erscheine. Die Fachärztin Dr. XXXX nahm dabei zwar insofern einen Bezug zur Einschätzungsverordnung, indem sie ausführte "...im Vergleich mit der Anlage zur Einschätzungsverordnung vom 21.5.2010...", begründete jedoch eine - nach ihrer Ansicht vorzunehmende - Wahl des oberen Rahmensatzes, der bereits von der Sachverständigen in ihrem Gutachten gewählten Positionsnummer, nicht.

Die zu der gewählten Positionsnummer 03.05.02 in der Anlage zur Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten:

"50%: affektive, somatische und kognitive Störungen sowie ernsthafte Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche; phasenweise Einschränkungen der Leistungsfähigkeit; Behandlung führt zu intermittierenden Stabilisierung, wiederholter Leistungsknick, zunehmende Chronifizierung; beginnende soziale Desintegration;

70%: therapieresistente Stimmungsveränderung, somatische und kognitive Symptome, krisenhafte Verschlechterungen mit passagerer wahnhafter Symptomatik; dauerhafte Einschränkung der Leistungsfähigkeit; soziale/familiäre Desintegration" und ist damit die Einschätzung der Sachverständigen vor dem Hintergrund der aufgenommenen Anamnese, der vorgelegten medizinischen Unterlagen und des erhobenen Untersuchungsbefundes schlüssig und nachvollziehbar, denn dazu führte die fachärztliche Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 4.10.2019 begründend aus, dass bei der BF eine posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Symptomen und flash-backs sowie eine Somatisierungsstörung bestehen würden, weiters würden Angst- und Panikzustände auftreten. Sie benötige regelmäßige fachärztliche psychiatrische sowie psychotherapeutische Behandlungen und sei das psychopathologische Zustandsbild instabil. Bei mehreren stationären Aufenthalten sei der Grad der Behinderung gerechtfertigt mit 50% festzusetzen. Eine höhere Einstufung sei jedoch nicht gerechtfertigt, da die BF in alltäglichen Tätigkeiten unabhängig sei und sich selbst versorgen könne.

Dass die BF mit der Bewältigung des normalen Alltags zurechtkomme, ergibt sich auch aus dem vorgelegten Kurzbefund ihrer Fachärztin vom 21.3.2019.

Die im Vorlageantrag wie auch in der Beschwerde erhobenen Einwendungen, die BF sei nicht arbeitsfähig, beziehe daher Rehabilitationsgeld und ziehe sich sozial zurück, vermögen keine Höherbewertung nach der Position 03.05.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu rechtfertigen. Der Bezug von Rehabilitationsgeld hat eine vorübergehende Berufsunfähigkeit zur Voraussetzung und kann damit im Fall der BF nicht von einer dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit gesprochen werden. Eine beginnende soziale Desintegration ist gemäß den Parametern zu 03.05.02 hingegen auch vom unteren Rahmensatz miterfasst.

Dass die BF auf die Begleitung eines Therapiehundes angewiesen sei, vermag ebenfalls zu keiner höheren Einschätzung des Grades der Behinderung führen.

Diebsbetreffend ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass im ausgestellten Behindertenpass die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes besitzt einen geprüften Assistenzhund (Signalhund)" vorgenommen wurde.

Die Funktionseinschränkung "Chronische Vulvovaginitis" wurde von der Sachverständigen der Position 08.03.01 (Weibliche Geschlechtsorgane; Fehlbildungen, Teilresektionen, Resektionen der Brust oder der a¿ußeren Genitale) der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet und mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz von 20 v.H. bewertet. Als Begründung für die Wahl des Rahmensatzes hielt die fachärztliche Sachverständige fest, dass ein operativer Eingriff erforderlich sei. Die zu der gewählten Positionsnummer 08.03.01 in der Anlage zur Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten: "Funktionseinschra¿nkung in den Armgelenken sind nach Abschnitt 01, Armschwellung (Lympho¿dem) nach Abschnitt 05, psychiatrische Funktionseinschra¿nkungen nach Abschnitt 03 einzuscha¿tzen; Bei beidseitigen Funktionseinschra¿nkungen ist die ungu¿nstige Wechselwirkung bei der Erstellung des Gesamtgrades zu beachten. 10 - 20 %: Segment- und Quadrantenresektion, je nach Ausmaß und kosmetischem Resultat; 30 %: Resektion mit plastischem Aufbau; 40 %: Resektion ohne plastischem Aufbau" und ist damit die Einschätzung der Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar.

Das Wegfallen der vormals als Leiden 2 geführten Funktionseinschränkung "Rezidivierende Harnwegsinfekte" begründete die Sachverständige ebenfalls schlüssig und nachvollziehbar damit, dass keine entsprechenden fachärztlichen Befunde vorgelegt wurden.

Auch ist die Beurteilung, dass das führende Leiden 1. (Posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Störung, Somatisierungsstörung) durch das Leiden 2. (Chronische Vulvovaginitis) mangels eines maßgeblichen ungünstigen, wechselseitigen Zusammenwirkens nicht erhöht werde, als schlüssig anzusehen.

Die BF vermochte weder mit ihren Argumenten im Beschwerdeschriftsatz oder im Vorlageantrag, noch mit den von ihr vorgelegten Beweismitteln aus der Feder von sie behandelnde Krankenanstalten und von ihr aufgesuchten niedergelassenen Ärzten den Gesamtgrad von 50 v.H. zu entkräften.

Es steht einem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Verfahren eingeholte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.6.2000, 2000/11/0093) und ist dazu darauf hinzuweisen, dass die BF mit dem im Rahmen der Beschwerde vorgelegten fachärztlichen Kurzbefund vom 9.8.2019 dem verwaltungsbehördlich eingeholten Sachverständigengutachten der Dr. XXXX nicht ausreichend substantiell entgegenzutreten vermochte.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens der psychiatrischen Fachärztin Dr. XXXX , welches auf persönlicher Untersuchung der BF beruht und die von ihr vorgelegten Beweismittel sowie ihr Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz und ihre subjektiven Angaben über die Wahrnehmung ihrer Beschwerden am Tag der Untersuchung berücksichtigt.

Der Sachverständigenbeweis aus der Feder der Dr. XXXX erhebt durch persönliche Untersuchung der BF in Zusammenschau mit den von der BF zur Verfügung gestellten Beweismitteln den Sachverhalt und weist keine Widersprüche auf und wird daher im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung verwertet. Dieses Sachverständigengutachten erfüllt auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen: es enthält nach Untersuchung der BF einen Befund, nämlich die unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden vorgenommene Tatsachenfeststellung. Zur Gewinnung der Schlussfolgerungen aus dem Befund griff Dr. XXXX auf ihre besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen zurück.

Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX enthält das eigentliche Gutachten im engeren Sinn (sachverständige Äußerung im Sinne von der Abgabe eines Urteiles) und lässt dieses Gutachten sowohl die Tatsachen, auf die sich die sachverständige Äußerung gründet als auch die Art und wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen. Die gerichtlich beigezogene Sachverständige legt in dem Gutachten auch dar, auf welchem Weg es zu den Schlussfolgerungen in ihrem Gutachten vom 15.7.2019 gekommen war und führt in ihrer Stellungnahme vom 14.10.2019 aus, weshalb aus sachverständiger Sicht dem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz in Zusammenschau mit den von der BF über das gesamte Verfahren vorgelegten Beweismitteln nicht gefolgt wird.

Der Sachverständigenbeweis Sachverständigengutachten Dris. XXXX wird daher zusammen mit ihrer Stellungnahme vom 4.10.2019 in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach stRsp des VwGH nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist.

Der Sachverständigenbeweis und der vorgelegte Fremdakt der belangten Behörde - in welchem das Vorgutachten aus der Feder von Dr. XXXX einliegt - sowie die von der BF vorgelegten Beweismittel, ermöglichen dem erkennenden Gericht, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.9.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Die Würdigung der Beweise ist zufolge § 45 Abs. 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 17.2.2004, GZ 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - ist das oben zitierte Sachverständigengutachten der Dr. XXXX vom 15.7.2019 schlüssig, nachvollziehbar und ohne Widersprüche und erfüllt dieses - die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung bildende eingeholte Gutachten - die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt das Sachverständigengutachten der Dr. XXXX somit die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die auf das gegenständliche Verfahren anzuwendenden formellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) und des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) und lauten diese auszugsweise wie folgt:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Behinderteneinstellungsgesetz normiert § 19b Abs 1, dass über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs 2 leg.cit. das Bundesverwaltungsgericht durch Senat entscheidet. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor und war entsprechend dem § 19b Abs 6 ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte - mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes - ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind - soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Entscheidung in der Sache

Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetzes (BBG) und werden dessen Bestimmungen auszugsweise nachstehend wiedergegeben.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter "Behinderung" iSd BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, welche geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, welche nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sieht vor, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen sind. Eine solche zuständige Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl 376.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Der Behindertenpass ist gemäß § 42 Abs. 2 BBG unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs. 1 BBG).

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im gegenständlichen Fall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einzuschätzen war und blieb dies in der Beschwerde auch unbestritten.

Betreffend das bei der BF sachverständig festgestellte Leiden 1 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

03.05 Neurotische Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörung PTSD (post traumatic stress disorder)

03.05.02 Störungen mittleren Grades 50 - 70%

50%: affektive, somatische und kognitive Störungen sowie ernsthafte Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche; phasenweise Einschränkungen der Leistungsfähigkeit; Behandlung führt zu intermittierenden Stabilisierung, wiederholter Leistungsknick, zunehmende Chronifizierung; beginnende soziale Desintegration;

70%: therapieresistente Stimmungsveränderung, somatische und kognitive Symptome, krisenhafte Verschlechterungen mit passagerer wahnhafter Symptomatik; dauerhafte Einschränkung der Leistungsfähigkeit; soziale/familiäre Desintegration

Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 50% bis 70% vor. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer mit 50% unter Begründung nach § 2 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung aus.

Betreffend das bei der BF sachverständig festgestellte Leiden 2 ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 Folgendes zu entnehmen:

08.03 Weibliche Geschlechtsorgane

08.03.01 Fehlbildungen, Teilresektionen, Resektionen der Brust oder der a¿ußeren Genitale 10 - 40 %

Funktionseinschra¿nkung in den Armgelenken sind nach Abschnitt 01, Armschwellung (Lympho¿dem) nach Abschnitt 05 psychiatrische Funktionseinschra¿nkungen nach Abschnitt 03 einzuscha¿tzen

Bei beidseitigen Funktionseinschra¿nkungen ist die ungu¿nstige Wechselwirkung bei der Erstellung des Gesamtgrades zu beachten.

10 - 20 %: Segment- und Quadrantenresektion, je nach Ausmaß und kosmetischem Resultat 30 %: Resektion mit plastischem Aufbau

40 %: Resektion ohne plastischem Aufbau

Für die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung sieht die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 10% bis 40% vor. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grads der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer mit 20% unter Begründung nach § 2 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung aus.

Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023).

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in der Höhe von 50 v.H. festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der BF entspräche. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargetan, wurde die BF am 15.7.2019 von einer Fachärztin für Psychiatrie untersucht und ist dieser Untersuchungsbefund, neben den von der BF vorgelegten medizinischen Befunden in das erstellte Gutachten eingeflossen. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 15.7.2019 erfüllt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung und bildet die Grundlage der Einschätzung des Grades der Behinderung der BF.

Das medizinische Sachverständigengutachten vom 15.7.2019 befundet die Funktionsbeeinträchtigungen der BF und beurteilt des Weiteren entsprechend dem § 2 Abs 1 der Einschätzungsverordnung deren Auswirkungen als Grad der Behinderung. Das medizinische Sachverständigengutachten nimmt die Einschätzung des Grades der Behinderung iSd § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung vor.

Die Sachverständige nimmt auch Bezug zu dem im Fall der BF vorliegenden Vorgutachten vom 29.3.2017, in welchem die damals befasste Allgemeinmedizinerin zu dem Ergebnis eines bei der BF vorliegenden Gesamtgrades der Behinderung von 50 v.H. kam und nimmt eine dahingehende Korrektur vor, als dass das vormals als 2. geführte Leiden "Rezidivierende Harnwegsinfekte" nicht mehr vorliegend ist.

Das führende Leiden ist die Funktionseinschränkung "Posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Störung, Somatisierungsstörung", welche im fachärztlichen Sachverständigengutachten als "Leiden 1" bezeichnet ist. Entsprechend dem § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung nahm die allgemeinmedizinische Sachverständige eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung vor, da bei der BF mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Entsprechend dem § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung wurden von der medizinischen Sachverständigen bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht addiert. Da gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend sind, begründete der medizinische Sachverständige für den Gesamtgrad der Behinderung, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 "Chronische Vulvovaginitis" nicht weiter erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Unter Beachtung der oben zitierten Positionen aus der Einschätzungsverordnung samt deren Rahmensätzen und den Vorgaben der Einschätzungsverordnung in den §§ 2 und 3 wurde somit der Gesamtgrad der Behinderung der BF im medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.7.2019 unter Zugrundelegung der Einschätzungsverordnung mit 50 v.H. korrekt eingeschätzt.

Ein höherer Grad der Behinderung als der dieser Entscheidung zu Grunde liegende liegt bei der BF zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

Im Übrigen ist aber darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen

(§ 24 Abs. 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist, die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist oder die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird (§ 24 Abs. 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Laut Verwaltungsgerichtshof ist bei der Einschätzung des Grades der Behinderung auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens "wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers" grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (VwGH 21.6.2017,

Ra 2017/11/0040-5 mit dem Hinweis VwGH 8.7.2015, 2015/11/0036, 21.4.2016,

Ra 2016/11/0018, 25.5.2016, Ra 2016/11/0057, und 16.8.2016, Ra 2016/11/0013).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG lautet aber auch, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.

Das Gesetz (kann-Bestimmung im § 24 Abs. 4 VwGVG) überlässt die Beurteilung der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung dem Einzelrichter bzw dem Senat, sodass es dem Gericht obliegt zu beurteilen, ob die Aktenlage für die Entscheidung ausreicht oder es zur weiteren Klärung der Rechtssache einer mündlichen Erörterung bedarf.

Expressis verbis des § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung durchzuführen, wenn eine solche beantragt wird.

Soweit nicht in einem Bundes- oder einem Landesgesetz anderes bestimmt ist, kann gemäß

§ 24 Abs. 4 VwGVG die Verhandlung entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389 entgegenstehen

(§ 24 Abs 4 VwGVG).

Es muss einem Senat des Bundesverwaltungsgerichts zugebilligt werden, dass sich dieser darüber ein Urteil zu bilden vermag, ob die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Siehe dazu VfGH 9.6.2017, 1162/2017, wonach der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein absoluter ist: "Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und - ihm folgend - des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg. 18.994/2010, 19.632/2012). Angesichts der vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen ist es vertretbar, wenn es im Einklang mit dieser Rechtsprechung von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen hat."

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der BF vorliegenden Gesundheitsschädigungen. Da mit der Beschwerde ein weiterer Befund vorgelegt wurde, wurde bereits von der Verwaltungsbehörde zur Klärung des Sachverhaltes eine ergänzende Stellungnahme der bereits befassten fachärztlichen Sachverständigen eingeholt und nahm diese nachvollziehbar Stellung zu den erhobenen Einwendungen. Mit der Beschwerdevorentscheidung wurde der BF die ergänzende ärztliche Stellungnahme vom 4.10.2019 übermittelt und trat diese den vorliegenden Sachverständigenbeweisen nicht substantiiert entgegen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie - wie oben ausgeführt - als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig. Es konnte daher im gegenständlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den dauernden Gesundheitsschädigungen der BF durch Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen im Sachverständigengutachten es keiner weiteren Klärung der Rechtssache bedurfte.

Nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens sowie des Vorlageantrages ergaben sich für das Gericht keine ergänzenden Fragen an die BF und die im Verfahren befasste Sachverständige. Auch ist nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens/Vorlageantrages für das Gericht nicht zu Tage gekommen, dass zum Zwecke der Entscheidungsfindung zusätzlich zu den vorliegenden Beweismitteln es überdies auf die Gewinnung des persönlichen Eindrucks der BF ankäme.

Daher wurde von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Und auch sei darauf verwiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der entscheidungswesentlichen Frage der Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände an der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes festgehalten hat.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W264.2225617.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten