TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/11 I407 2225906-1

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Veröffentlicht am 11.05.2020
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Entscheidungsdatum

11.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I407 2225906-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als vorsitzenden Richter und Dr. Martin ATTLMAYR als beisitzenden Richter und Dr. Elisabeth RIEDER als beisitzende fachkundige Laienrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol, vom 08.10.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nach nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit formularmäßigem Vordruck, beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge: belangte Behörde), eingelangt am 20.05.2019, beantragte XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. In der Folge wurde von der belangten Behörde ein Gutachten von Dr. R K W, einem Facharzt für Orthopädie, vom 07.08.2019 eingeholt, in welchem folgende Funktionseinschränkungen festgestellt wurden:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen fehlender wechselseitiger Beeinflussung nicht weiter erhöht. Leiden 3 erhöht wegen fehlender wechselseitiger Beeinflussung nicht weiter. Leiden 4 erhöht wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Hüftschmerzen beidseits ohne wesentliche Abnützung im Röntgen und ohne wesentliche Bewegungseinschränkung. Schulterschmerzen beidseits ohne klinisches Engpasszeichen und ohne wesentliche Bewegungseinschränkung bei beschriebenen gering ausgeprägten Abnützungen.

3. Mit Schreiben vom 04.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde im Rahmen eines Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt binnen zwei Wochen zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

4. Mit Bescheid vom 08.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 40 %. Da eine Stellungnahme des Beschwerdeführers innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe man vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens auch nicht abgehen können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass er 1990 bereits mit einer Invalidität von 30 % eingestuft worden sei und nicht ganz nachvollziehen könne, dass der Grad seiner Behinderung 29 Jahre später lediglich 40 % betragen solle. Körperlich fühle er sich aktuell nämlich deutlich mehr eingeschränkt.

6. Mit Schreiben vom 28.11.2019 legte die belangte die Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Am 20.05.2019 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

1.2. Der Beschwerdeführer leidet an einer Knorpelaufbrauchserkrankung der Kniegelenke beidseits, immer wieder auftretenden Kreuzschmerzen ohne wesentliche Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule sowie immer wieder auftretenden Nackenschmerzen mit geringer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne Hinweis auf neurologische Ausfälle bei bestehendem andauernden analgetischen Therapiebedarf, einer dupuytrainischen Kontraktur der Ringfinger beidseits und des Mittelfingers links mit Streckdefizit und einer Hypertonie, anamnestisch gut eingestellt, daher mit einem Grad der Behinderung von 40 % laut Pos. Nr. 02.05.21, 02.01.02, 02.06.26 und 05.01.01.

1.3. Beim Beschwerdeführer liegt daher ein Grad der Behinderung von 40 % vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen bezüglich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen sowie der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung basieren auf dem Sachverständigengutachten von Dr. R K W vom 07.08.2019.

Ein Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Im vorliegenden Verfahren wurde das Sachverständigengutachten vom 07.08.2019 als vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen beurteilt.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung.

Hinsichtlich des Leidens 1 führt der Gutachter in seinem Gutachten begründend zur gewählten Positionsnummer 02.05.21 aus, dass sich aus der Knorpelaufbrauchserkrankung an beiden Kniegelenken ein Streckdefizit von 10° ergebe.

Bezüglich den immer wieder auftretende Kreuzschmerzen ohne wesentliche Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule sowie den immer wieder auftretende Nackenschmerzen mit geringer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne Hinweis für neurologische Ausfälle (Leiden 2, Positionsnummer 02.01.02) legt der Gutachter insbesondere dar, dass der untere Rahmensatz bei fehlenden radikulären Ausfallserscheinungen bei bestehendem andauernden analgetischen Therapiebedarf gegeben sei.

Hinischtlich des Leidens 3, Positionsnummer 02.06.26 führt der Gutachter nachvollziebar und schlüssig aus, dass die Dupuytrainsche Kontraktur des Ringfinger beidseits und des Mittelfingers links wegen des Streckdefizites der Fingermittelgelenke und insbesondere des Fingergrundgelenkes des Mittelfingers links zu einer Einstufung nach diesem Rahmensatz geführt habe.

Betreffend die Hypertonie (Leiden 4, Positionsnummer 05.01.01) weist der Gutachter daraufhin, dass diese gut eingestellt sei.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gutachter auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen ist, und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden.

Hinsichtlich des Gesamtgrades führt der Gutachter schlüssig aus, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 und durch das Leiden 3 wegen fehlender wechselseitiger Beeinflussung nicht weiter erhöht wird. Auch das Leiden 4 erhöht wegen seiner Geringfügigkeit den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er bereits 1990 eine 30 % Invalidität aufgezeigt habe und sich aktuell deutlich mehr als 40 % eingeschränkt fühle, ist anzumerken, dass die Entscheidung der belangten Behörde auf dem objektiven und schlüssigen Sachverständigengutachten beruht. Dieses wurde dem Beschwerdeführer auch zur Stellungnahme übermittelt, allerdings trat dieser den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nicht entgegen, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen auch ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Ausstellung eines Behindertenpasses sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. R K W herangezogen. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang und ihm wurde nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Der Beschwerde wurden keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen bzw. nicht bereits im Sachverständigengutachten von Dr. R K W umfassend und nachvollziehbar berücksichtigt wurden. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

§§ 6 und 7 Abs. 1 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) lauten wie folgt:

Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senat

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG) lautet wie folgt:

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 14 Abs. 1, 15 Abs. 1, 17, 28 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Die maßgeblichen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten wie folgt:

Kniegelenk

Funktionseinschränkungen im Kniegelenk als Folge von Knorpel-, Band- und Menis-kusläsionen.

Ausprägungen von Knorpelschäden geringeren, mittleren und schwereren Grades werden in der Einschätzung mitberücksichtigt.

Bei Versorgung mit Endoprothesen (einseitig oder beidseitig) wird der Einschät-zungswert um 10 % erhöht.

...

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...

Wirbelsäule

Tabelle kann nicht abgebildet werden

...

Funktionsbehinderung einzelner Finger

Versteifung eines Daumengelenkes in günstiger Stellung: 10 %.

Versteifung beider Daumengelenke in günstiger Stellung: 20 %.

Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung: 10 %.

Tabelle kann nicht abgebildet werden

...

Hypertonie

Liegt eine schwerere (über mäßig hinausgehende) Hypertonie vor, stehen die Folge-erkrankungen weit im Vordergrund. Es sind folglich diese Funktionseinschränkungen einzuschätzen.

Die ursächliche Hypertonie ist bei dieser Einschätzung dann mit umfasst.

Tabelle kann nicht abgebildet werden

3.2.2. Dem vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewerteten Sachverständigengutachten vom Dr. R K W folgend, beträgt der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nunmehr 40 %.

Wie oben unter Punkt II. 2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das vollständige, schlüssige und widerspruchsfreie allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 07.08.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 40 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, war das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine geänderte Beurteilung zu begründen. Da das Sachverständigengutachten eines Arztes für Orthopädie vom 07.08.2019 einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von vierzig (40) v. H. festgestellt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.3 Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe insbesondere die zur Zuweisungsfähigkeit und Vereitelungshandlung zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I407.2225906.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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