Entscheidungsdatum
26.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W217 2229721-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER L.L.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.01.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge: BF) beantragte mit am 25.10.2019 eingelangten Antrag beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) unter Vorlage eines Konvolutes an medizinischen Befunden die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie die Ausstellung eines Parkausweises.
2. Im von der belangten Behörde hierzu eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.01.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, wurde von DDr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Anamnese:
TE, 1989/90 Arthroskopie rechtes Knie, 1997 Umstellungsoperation rechtes Knie, Arthroskopie, Arthroskopie linkes Knie
2001 Hüfttotalendoprothese rechts
2003 Kompressionsfraktur L1, Ballonkyphoplastie
2005 Prostatahyperplasie
2007 Luxation linke Schulter
2013 Knietotalendoprothese rechts, 2014 Revision
Kompressionsfraktur L 2, Ballonkyphoplastie, Punktion der Wirbelsäule,
Spondylitis und Spondylodiscitis L1 und L2 nach LWK2-Fraktur-OP; dorsale Stabilisierung Th11-L4 am 16.11.2015 wobei sich Schrauben in BWK 11 und 12 sowie in LWK 3 und 4 finden. LWK 1 und 2 sind überbrückt, WK-Resektion L1/L2, Diskusextraktion Th12/L1, L1/L2, L2/L3 am 01.12.2015
05/2018 Knietotalendoprothese links
2018 Kataraktoperation beidseits
Arterielle Hypertonie
Trigeminusneuralgie
Derzeitige Beschwerden:
?Beschwerden habe ich seit 3 Jahren von Seiten des Ischias rechts, die Schmerzen strahlen in das rechte Bein aus, kann nicht schlafen, immer wieder Beschwerden, mit Medikamenten habe ich keine Schmerzen. Mit Medikamenten kann ich 100 m ohne Schmerzen gehen, ohne Medikamente kann ich nicht weit gehen. Eine Gehhilfe verwende ich nicht. Teilweise habe ich Schwindel. Von Seiten der Trigeminusneuralgie seit 8 Jahren bin ich medikamentös gut eingestellt, diesbezüglich mit Medikamenten keine Beschwerden.
Vor 2 Wochen hatte ich einen Sturz mit Verletzung im Bereich des rechten Handgelenks, Schiene.
Gehe 2 bis 3x in der Woche in ein Fitnesscenter seit 20 Jahren, das tut mir gut.
Hergekommen bin ich mit dem Taxi.'
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Pantoloc, Efectin, Diovan, Amlodipin, Neurobion, Neurotop, Atorvalan, Nebivolol, Deflamat dreimal täglich derzeit, Oleovit D3
Allergie:0
Nikotin:0
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , XXXX
Sozialanamnese:
verheiratet, 3 Kinder, 7 Enkel, 1 Urenkel, lebt in Einfamilienhaus, 2 Etagen
Berufsanamnese: Pensionist, Kaufmann, selbstständig
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund Ultraschall 12. 6. 2019 (Die Beschwerden in erster Linie durch die Neuroforamenstenose L5/S1 mit Tangierung der absteigenden Nervenwurzel Sl. soweit Anmerkung)
Befund XXXX Krankenhaus 30. 5. 2018 (Knietotalendoprothese links,
Arterielle Hypertonie Hyperlipidämie Trigeminusneuralgie St.p. H-TEP rechts (2001) St.p. KTEP rechts (2013)
Röntgen thoracolumbaler Übergang und LWS 11. 5. 2016 (dorsale Fusion von BWK 11LWK4 wobei sich Schrauben in BWK 11 und 12 sowie in LWK 3 und 4 finden. LWK 1 und 2 sind überbrückt, Wirbelkorper sind deutlich aufgelockert und nur schlecht abgrenzbar. Die vorbekannten Wirbelkörperdeformationen aber unverändert gegenüber einer Voruntersuchung _ Osteochondrosen L4-S1.)
Röntgen HWS und Funktionsaufnahmen 11. 5. 2016 (Die Wirbelkörper sind normhoch. Osteochondrosen von C4-C7 und Spondylosen, Unkovertebralarthrosen und multisegmentale Spondylarthrosen. Geringe Anterolisthesen bei C2 und C3 von knapp 2 mm, diese sind ausgeglichen in Reklination (diese ist deutlich eingeschränkt) und bleiben unverändert in Inklination.)
Befund RZ XXXX 25. 4. 2016 (Spondylitis und Spondylodiscitis L1 und L2 nach LWK2-Fraktur-OP; dorsale Stabilisierung Th11-L4 am 16.11.2015 ( XXXX KH). WK-Resektion L1/L2, Diskusextraktion Th12/L1, L1/L2, L2/L3 am 01.12.2015
Z.n. Kyphoplastik LWK 2 (21.08.2015) Z.n. Vertebroplastik LWK 1 (2012)
Trigeminusneuralgie links Z.n. Hyponatriämie Depressio Gonarthrose links Art. Hypertonie HLP K-TEP rechts 06/2013 H-TEP rechts 01/2001 Vit. D-Mangel)
Entlassungsbericht XXXX Krankenhaus 15. 1. 2016 (Spondylitis und Spondylodiszitis LI und L2 Instabilität Dorsale Stabilisierung Thl 1 - L4 Wirbelkörperresektion LI/ L2 sowie Bandscheibenresektion Thl2/Ll, L1/L2 und L2/L3)
MRT des linken Kniegelenkes 15.10.2015 (Mehrfragment/Trümmerimpressionsfraktur am lateralen Tibiakopf mit Einsenkung der Gelenkfläche und einem Fragment an der lateralen Kontur. Begleitender Bone Bruise bis in die Interkondylarregion, wobei die Eminentia keinen Frakturspalt aufweist. Zusätzlicher Bone Bruise am lateralen Femurkondyl. Zeichen einer Distorsion des vorderen Kreuzbandes proximal und des lateralen Seitenbandapparates. Horizontalruptur im lateralen Meniskus in Höhe der Intermediärzone. Mittelgradige Chondropathie lateral. Mäßige Chondropathie femorotibial medial mit subchondralen reaktiven Zystchen an den Gelenkskonstituenten. Z. n. medialer TME. Zwei Knorpelulcera an der lateralen Facette der Patella. Mittelgradiger Erguss und große Bakerzyste)
Entlassungsbericht XXXX Krankenhaus 01.09.2015 (Therapieresistente Schmerzen paravertebral bei St.p. Kvphoplastik LWK II am 21.08.2015)
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut, 81a
Ernährungszustand:
gut
Größe: 172,00 cm Gewicht: 86,00 kg Blutdruck: 160/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Handgelenk rechts: endlagige Bewegungsschmerzen
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zur Hälfte möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Hüftgelenk rechts: Narben nach Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz
Kniegelenk beidseits: Narbe nach Knietotalendoprothese, keine Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, stabil.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/120, IR/AR 15/0/40, Knie beidseits 0/5/125, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 80° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, Streckhaltung der LWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann. Narbe LWS median. Klopfschmerz über der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 40cm, Rotation und Seitneigen der BWS jeweils 20°, der LWS 5° bei Zustand nach Fusion BWK 11 bis LWK 4
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild hinkfrei und unauffällig.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach dorsaler Fusion BWK 11-LWK4 Oberer Rahmensatz, da längerstreckige Versteifung der Lendenwirbelsäule und anhaltende Beschwerden ohne motorisches Defizit.
02.01.02
40
2
Knietotalendoprothese beidseits Oberer Rahmensatz, da geringgradige Einschränkung der Streck- und Beugefähigkeit
02.05.19
30
3
Trigeminusneuralgie Oberer Rahmensatz, da zwar kein motorisches Defizit, jedoch höherdosierte Dauermedikation erforderlich, unter Medikation stabilisierbar
04.04.02
20
4
Hüfttotalendoprothese rechts Unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit in allen Ebenen.
02.05.07
10
5
Bluthochdruck
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da ein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt. Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit führendem Leiden 1 besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
kein Vorgutachten vorliegend
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
X Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Auch konnten geringgradige Funktionseinschränkungen Bereich von rechtem Hüftgelenk und beiden Kniegelenken festgestellt werden. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein"
3. Im Rahmen des hierzu eingeräumten Parteiengehörs führte der BF in seiner Stellungnahme vom 22.01.2020 aus, er habe bei der Begutachtung angegeben, er könne aufgrund seiner Anamnese trotz Einnahme von Medikamenten nicht mehr als 100m gehen. Seine Gesamtmobilität sei aufgrund von Schmerzen und Schwindel bei Weitem nicht ausreichend, um 300 - 400m zurückzulegen sowie Niveauunterschiede in Bus oder U-Bahn zu überwinden. Die seinem Wohnort nächstgelegene Busstation befinde sich in 425m Entfernung. Die Benutzung eines PKW's sei für ihn absolut notwendig.
4. Mit Schreiben vom 03.02.2020 wurde dem BF der Behindertenpass in Scheckkartenform übermittelt.
Mit Bescheid vom 30.01.2020 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung in den Behindertenpass abgewiesen.
Beweiswürdigend wurde auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten hingewiesen, nach welchem die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 19.03.2020 von der belangten Behörde vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 25.10.2019 langte bei der belangten Behörde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.
Dem BF wurde mit Schreiben vom 03.02.2020 der Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 % übermittelt.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.
Hinsichtlich der beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird die diesbezügliche Beurteilung im oben wiedergegebenen medizinischen Gutachten DDris. XXXX der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führen, gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie. Unter Berücksichtigung der vom BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des BF wurde von der medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF zumutbar ist.
Die Fachärztin für Orthopädie gelangte unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung des BF am 12.12.2019 zu dem Schluss, dass im Fall des BF öffentliche Verkehrsmittel zumutbar sind, da beim BF keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vorliegen, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Auch konnten geringgradige Funktionseinschränkungen Bereich von rechtem Hüftgelenk und beiden Kniegelenken festgestellt werden. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
Diese Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden insbesondere Bestätigung in den Aufzeichnungen der Sachverständigengutachterin bei der persönlichen Untersuchung am 12.12.2019 im Rahmen des oben wiedergegebenen Untersuchungsbefundes zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zum Gangbild (vgl. "Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar. Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zur Hälfte möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Hüftgelenk rechts: Narben nach Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz. Kniegelenk beidseits: Narbe nach Knietotalendoprothese, keine Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, stabil. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/120, IR/AR 15/0/40, Knie beidseits 0/5/125, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 80° bei KG 5 möglich. Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild hinkfrei und unauffällig.") aus denen sich - auch unter Berücksichtigung der beim BF tatsächlich vorliegenden Funktionseinschränkungen - ergibt, dass die vom BF subjektiv empfundenen Leidenszustände nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten bzw. erhebliche Einschränkungen psychischer Funktionen nach dem Maßstab des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und vom Parkausweisen - objektiviert werden konnten. Aus diesen Befundungen ergibt sich aber auch, dass der BF in der Lage ist, sich beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei der Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt festzuhalten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des gegenständlichen medizinischen Sachverständigengutachtens.
Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde seitens des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des BF basierenden Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Orthopädie vom 28.01.2020 nachvollziehbar dargelegt, dass im Fall des BF - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen. Beim BF sind, wie bereits in den beweiswürdigenden Ausführungen ausgeführt wurde, ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren sowie der oberen Extremitäten und keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert; im Rahmen der persönlichen Begutachtung haben sich auch keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass der BF nicht in der Lage wäre, 300-400 m ohne Pause und ohne Auftreten starker Schmerzen, ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Auch unter Berücksichtigung der beim BF bestehenden Einschränkungen vermag der BF noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Der BF ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, er hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine Sachverständigenaussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Soweit der der BF vorbringt, die seinem Wohnort nächstgelegene Busstation befinde sich in 425m Entfernung, ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 22.10.2001, Zl. 2001/11/0258, zu verweisen, wonach es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernden Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren.
Im gegenständlichen Fall beruhen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in der Art und Schwere der Gesundheitsschädigung, sondern entscheidend in der Entfernung der nächstgelegenen Haltestelle zum Wohnort des BF.
Es bleibt dem BF unbenommen, mit neuen Befunden, sollte er daraus ein anderes Verfahrensergebnis ableiten wollen - dies im Wege eines neuen Antrages bei der belangten Behörde geltend zu machen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall bilden die Grundlage für die Beurteilung, ob dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, zwei Gutachten von medizinischen Sachverständigen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W217.2229721.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020