Entscheidungsdatum
26.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W217 2223527-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 08.08.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätsbeschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge: BF) begehrte am 07.05.2019 einlangend die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Eintragung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätsbeschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960.
Im hierzu vom Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.07.2019 hält Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 27.06.2019 wie folgt fest:
"Anamnese:
Hüft-TEP rechts, degenerative Veränderungen im Bereich der LWS
Derzeitige Beschwerden:
nach der Hüftprothese könne er nicht gut gehen, auch im Bereich der WS habe er immer wieder Beschwerden, er sei deshalb nun bei einem Facharzt für Orthopädie in Therapie
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Agopton, Tramabene, Novalgin
Sozialanamnese:
Verfahren bezüglich I-Pension wurde eingeleitet, Beruf: Maurer, lebt alleine
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
im Akt
Röntgen, 03/2019:
LWS: Anterolisthese L5 Grad II nach Meyerding bei vermutlich Spondylolysis vera, Osteochondrose am lumbosacralen Übergang, Spondylarthrosen an der caudalen LWS, Osteoarthrosis interspinalis Baastrup
Beckenübersicht: Z.n. Hüf-TEP rechts, entlang der Prothese keine Aufhellung und keine Lockerungszeichen, zentrierte Stellung des Prothesenkopfes im etwas flach stehenden Schraubencup, auf der linken Seite ist der femoroacetabulare Gelenkspalt mäßig verschmälert mit subchondralen Sklerosierungen und osteophytären Randanbauten am Acetabulum aber auch kleinen Osteophyten am Caput Collum-Übergang des Femurs, unauffällige Darstellung der Sl-Gelenke und Symphyse
Ergebnis: Zustand nach Hüft-TEP rechts, keine Lockerungszeichen, mäßige bis mittelgradige Coxarthrose links
MRT - LWS, 01/2019:
geringe Protrusion L1/L2, geringes Bulging L2-L4, geringer rechtsbetonter Prolaps L4/L5, Antelisthese L5 gegenüber S1 im Rahmen einer Spondylolysis vera, breitbasige Pseudoprotrusion L5/S1, deutliche Foramenstenosen beidseits in diesem Segment
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
guter AZ
Ernährungszustand:
guter EZ
Größe: 184,00 cm Gewicht: 89,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
HNA: frei
Cor: rein, rhythmisch
Pulmo: VA, SKS
Abdomen: weich, indolent
WS: KS über LWS, FBA im Stehen 40 cm, Zehen/Fersenstand bds. erschwert möglich
OE: frei, Nacken/Schürzengriff bds. endlagig, Faustschluss bds. vollständig, grobe Kraft seitengleich
UE: blande Narbe im Bereich der rechten Hüfte bei Hüft-TEP, Muskelhypotrophie rechte UE, deutliche Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Hüftgelenkes, endlagige Funktionseinschränkung im Bereich im Bereich des linken Hüftgelenkes, Zehen/Fersenstand bzw. Einbeinstand bds. erschwert möglich, keine Ödeme, keine Varizen
Gesamtmobilität - Gangbild:
hinkend, mit einer Unterarmstützkrücke ausreichend sicher
Zehen/Fersenstand bzw. Einbeinstand bds. möglich
ausreichend sicherer Gang und Stand, gute körperliche Belastbarkeit
eine Unterarmstützkrücke zur Unterstützung ist als einfaches Hilfsmittel zumutbar
Status Psychicus:
grob unauffällig, keine wesentliche Einschränkung der Kognition oder Mnestik, in allen Qualitäten gut orientiert, euthym
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
degenerative Veränderungen im Bereich beider Hüftgelenke, Hüfttotalendoprothese rechts Oberer Rahmensatz, da Hüfttotalendoprothese rechts mit Muskelatrophie rechte untere Extremität.
02.05.08
40
2
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Wahl dieser Position mit unterem Rahmensatz, da Foramenstenosen beschrieben
02.01.02
30
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine relevante wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
---------------
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
-----------------
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
-------------
X Dauerzustand
Herr XXXX kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:
X JA
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Trotz der Funktionseinschränkung im Bereich der Hüften, insbesondere der rechten Hüfte bei Zustand nach Hüfttotalendoprothese und der Wirbelsäule, insbesondere der Lendenwirbelsäule sind das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Eine kurze Wegstrecke kann ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Der Transport kann ausreichend sicher erfolgen. Das Anhalten kann ausreichend sicher erfolgen. Ausreichend sicherer Stand und Gang. Gute körperliche Belastbarkeit. Eine Unterarmstützkrücke als einfaches Hilfsmittel ist zumutbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein"
2. Im Rahmen des hierzu dem BF eingeräumten Parteiengehörs wies dieser darauf hin, dass er ca. einen halben Kilometer zu den Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel gehen müsse. Er wohne nicht in XXXX , wo öffentliche Verkehrsmittel leichter zu erreichen seien. Es sei ihm unmöglich, mit Bus oder Bahn zu fahren. Auch mit der Unterarmstützkrücke könne er keine 100 Schritte gehen ohne starke Schmerzen in der rechten Hüfte und im Bein zu haben. 15-20 Minuten stehen gehe gar nicht, da er die rechte Seite entlasten müsse, andernfalls seien die Schmerzen unerträglich und die Schmerzmittel würden nur zeitbegrenzt wirken. Er sei alleinstehend, einfache Dinge im Haushalt wie z.B. schwere Sachen tragen oder Stiegen steigen, würden ohne längere Pausen überhaupt nicht funktionieren. Wie die Sachverständige seine Arbeitsfähigkeit diagnostizieren könne, obwohl die Untersuchungen noch gar nicht abgeschlossen seien und er womöglich noch einmal operiert werden müsse, verstehe er nicht. Er ersuchte um nochmalige Untersuchung.
2.1. Die bereits befasste sachverständige Ärztin für Allgemeinmedizin führte dazu in ihrer Stellungnahme vom 07.08.2019 aus:
"Antwort(en):
Im SVG 06/19 wurden alle Leiden aufgrund der vorgelegten Befunde und der klinischen Untersuchung berücksichtigt und korrekt nach EVO beurteilt.
Die Frage, ob eine Erwerbstätigkeit in einem integrativen Betrieb oder geschützten Arbeitsplatz, allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen möglich ist war mit ja zu beantworten, da kein Bescheid bezüglich Erwerbsunfähigkeit vorgelegt wurde - das Verfahren wurde eingeleitet, ist aber noch nicht abgeschlossen.
Die individuelle Infrastruktur und Schwierigkeiten beim Tragen von Lasten haben keinen Einfluss auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Trotz der Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates sind das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ohne Pause, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet.
Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden.
Das Anhalten kann ausreichend sicher erfolgen.
Der sichere Transport ist gewährleistet.
Eine Unterarmstützkrücke als einfaches Hilfsmittel ist zumutbar.
Keine Änderung des SVG 06/19"
3. Mit Schreiben vom 09.08.2019 wurde dem BF ein Behindertenpass im Scheckkartenformat zugestellt.
Mit Bescheid vom 08.08.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ab. Begründend wurde auf die Stellungnahme vom 07.08.2019 verwiesen.
4. Mit Schreiben vom 13.09.2019 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.08.2019 und brachte darin vor, dass er maximal 100 m mit Hilfsmitteln gehen könne, ohne eine Erholungspause wegen starker Schmerzen einlegen zu müssen. Er könne auch nicht lange stehen, sitzen oder liegen. Da ihm immer wieder der rechte Fuß wegkippe und er dann keine Kontrolle mehr über sein Bein habe, habe er Panik, beim Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel zu stürzen und sich abermals zu verletzen. Außerdem habe er Platzangst und sei mittlerweile auch in psychologischer Behandlung, da ihn seine Gebrechen psychisch und physisch sehr belasten würden und er mittlerweile erhebliche Schlafprobleme hätte. Es seien ihm Schlaftabletten verschrieben worden. Auch hätten ihn - entgegen den Ausführungen im Gutachten - zwei Personen bis ins Wartezimmer der Ordination gebracht und dort auf ihn gewartet. Unter Einem legte der BF einen fachärztlich orthopädischen Befund vom 29.08.2019 sowie einen MRT-Befund der Hüftgelenke vom 01.08.2019 vor.
5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 18.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. In der Folge holte dieses ein ergänzendes Sachverständigengutachten ein.
DDr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie, führt in ihrem Sachverständigengutachten vom 20.02.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 24.10.2019, Folgendes aus:
"SACHVERHALT:
Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 1818 2019, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass abgewiesen wird, wird Beschwerde vorgebracht.
Im Beschwerdevorbringen des BF vom 13.9.2019, Abl. 36, wird eingewendet, dass er maximal 100 m mit Hilfsmitteln gehe und Pausen wegen starker Schmerzen einlegen müsse. Er könne nicht lange stehen, sitzen oder liegen. Er habe keine Kontrolle über den rechten Fuß und das rechte Bein, habe Panik, beim Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel zu stürzen und sich abermals zu verletzen. Er habe Platzangst und sei in psychologischer Behandlung, er habe Schlafprobleme und habe Schlaftabletten verschrieben bekommen. Bei der letzten Begutachtung habe er 2 Begleitpersonen dabei gehabt, die im Wartezimmer gewesen sein. Er könne nicht einmal 200 m ohne Krücken gehen oder stehen bleiben zu müssen und lege weitere Befunde vor.
Vorgeschichte:
06/2018 Hüfttotalendoprothese rechts: nach Arbeitsunfall mit Sturz vom Stapler
Oberschenkelhalsfraktur und anschließende Implantation einer Hüfttotalendoprothese
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, 2002 stationärer Aufenthalt bei Discusprolaps, Lumboischialgie rechts L5, regelmäßige orthopädische Behandlungen,
Spondylolisthese vera Il nach Meyerding L5/S1
09 bis 10/2018 Rehabilitation RZ XXXX
Zwischenanamnese seit 06/2019:
Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.
regelmäßige orthopädische Behandlungen, keine Physiotherapie
Befunde:
Abl. 5 Röntgen-LWS mit Funktionsaufnahmen, Beckenübersicht und Sonografie rechte Hüfte 8.3.2019 (Anterolisthese L5 Grad Il bei Spondylolysis vera, Osteochondrose am lumbosacralen Übergang. Hüfttotalendoprothese rechts, keine Lockerungszeichen, mäßige bis mittelgradige Coxarthrose links. Sonografie rechte Hüfte unauffällig)
Abl. 6 MRT der LWS vom 30.1.2019 (geringe degenerative Veränderungen und Discusprotrusionen, Spondylolysis vera Grad I L5, deutliche Foramenstenosen L5/S1)
Abl. 34 MRT der Hüftgelenke 1.8.2019 (Artefakte durch TEP, kein Hinweis auf Lockerung, linkes Hüftgelenk keine Auffälligkeit)
Abl. 35 Befund Dr. XXXX Facharzt für Orthopädie vom 29.8.2019 (schwere Lumbalgie und Lumboischialgie rechts, Spondylolisthesis vera L5/S1 Grad II, Totalendoprothese rechts, Dorsalgie)
Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichte Befunde:
keine neuen Befunde.
Sozialanamnese: ledig, ein erwachsener Sohn, kein Kontakt, lebt alleine in Wohnung in Einfamilienhaus, 3 Etagen.
Berufsanamnese: Maurer bis 06/2018, Reha Geld
Medikamente: Tramabene, Novalgin, Easysleep, lbuprofen, Agopton
Allergien: 0
Nikotin: 50-60
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , XXXX
Derzeitige Beschwerden:
?Beschwerden habe ich vor allem in der rechten Hüfte, wenn ich länger sitze, und in der Lendenwirbelsäule, wenn ich länger gehe. Ich kann nur etwa 100 m gehen, habe dann Schmerzen vor allem im Kreuz. Ab und zu sackt das rechte Bein ein.'
STATUS:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Größe 183 cm, Gewicht 88 kg, Alter: 53 Jahre
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten.
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse: Oberschenkel beidseits 47 cm, Unterschenkel beidseits 37 cm.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Hüftgelenk rechts: Narbe bei Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften rechts S 0/100, links 0/110, IR/AR bds 10/0/40, Knie,
Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, Klopfschmerz über der LWS L4/L5.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 30 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einer Unterarmstützkrücke, das Gangbild ist angedeutet rechts hinkend, Trendelenburg negativ. Gesamtmobilität beim Aufstehen, Hinlegen, Schuhe anziehen unauffällig.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig;
Stimmungslage ausgeglichen.
STELLUNGNAHME:
ad 1) Liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor?
Nein.
Bei der fachärztlich-orthopädischen Untersuchung finden sich an beiden oberen Extremitäten keine behinderungsrelevanten funktionsbeeinträchtigenden Einschränkungen der Beweglichkeit, Motorik oder Sensibilität, wodurch ein festes Anhalten und ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist.
Trotz der geringgradigen Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Hüftgelenks bei Zustand nach Prothesenimplantation, ohne Nachweis einer muskulären Schwäche, ist eine Gehstrecke von 300-400 m, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe bewältigbar und zuzumuten. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden oder Hindernissen, die Sitzplatzsuche und die notwendige Fortbewegung innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels sind wegen des ausreichenden Bewegungsumfanges aller großen Gelenke der unteren Extremitäten, wenn erforderlich im Nachstellschritt, nicht erheblich erschwert. Kraft und Koordination sind ausreichend, ein neurologisches Defizit liegt nicht vor, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar.
Eine maßgebliche Behinderung beim Zurücklegen der oben genannten kurzen Wegstrecke und bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist somit nicht ausreichend begründbar.
Eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden ist nicht gegeben, da mit multomodaler Therapie eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten wäre.
ad 2) Diagnosenliste
1 Hüfttotalendoprothese rechts, beginnende Abnützungserscheinungen linkes Hüftgelenk
2 degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie bei Wirbelgleiten L5/S1 Grad Il
ad 3) Stellungnahme zu den Einwendungen, Beschwerdevorbringen Abl. 36:
Im Beschwerdevorbringen des BF vom 13.9.2019, Abl. 36, wird eingewendet, dass er maximal 100 m mit Hilfsmitteln gehe und Pausen wegen starker Schmerzen einlegen müsse. Er könne nicht lange stehen, sitzen oder liegen. Er habe keine Kontrolle über den rechten Fuß und das rechte Bein, habe Panik, beim Ein- und Aussteigen ein öffentliches Verkehrsmittel zu stürzen und sich abermals zu verletzen. Er habe Platzangst und sei in psychologischer Behandlung, er habe Schlafprobleme und habe Schlaftabletten verschrieben bekommen. Bei der letzten Begutachtung habe er 2 Begleitpersonen dabei gehabt, die im Wartezimmer gewesen sein. Er könne nicht einmal 200 m ohne Krücken gehen oder stehen bleiben zu müssen und lege weitere Befunde vor.
Dem wird entgegengehalten, dass weder im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten, vor allem der Hüftgelenke, noch im Bereich der Wirbelsäule eine höhergradige Funktionseinschränkung festgestellt werden konnte. Es liegt kein neurologisches Defizit vor, eine muskuläre Schwäche konnte nicht festgestellt werden. Insbesondere wird auf die seitengleiche Bemuskelung hingewiesen. Das Gangbild zeigte keinen Hinweis auf ein Insuffizienzhinken: Trendelenburg negativ. Eine Gangunsicherheit konnte nicht festgestellt werden.
Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, können nur indirekt erfasst werden.
Anhand des beobachteten Gangbilds mit angedeutet rechts hinkendem Gehen und sicherer Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der derzeitigen Therapieerfordernis (Analgetika WHO Stufenschema 1 und 2) ergibt sich kein Hinweis auf hochgradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten.
Ein neurologisch/psychiatrisches Leiden, welches das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnte, ist nicht anhand fachärztlicher Befund- und Behandlungsdokumentationen belegt.
Die behinderungsbedingte Erfordernis einer Begleitperson ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht begründbar.
ad 4) Keine abweichende Beurteilung zu Abl. 7-9, 12
ad 5) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."
7. Mit Schreiben vom 20.03.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF und der belangten Behörde das Sachverständigengutachten von DDr. XXXX zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme binnen zweier Wochen. Diese Frist verstrich ungenützt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Der BF brachte am 07.05.2019 bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.
Der BF ist österreichischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet.
Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:
- degenerative Veränderungen im Bereich beider Hüftgelenke, Hüfttotalendoprothese rechts
- degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem BF zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur gegenständlichen Antragstellung gründet sich auf den Akteninhalt.
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit beruht auf dem Eintrag im zentralen Melderegister. Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der BF im Inland ergibt sich ebenfalls aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 20.02.2020 einer Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 24.10.2019.
Bereits die von der belangten Behörde befasste Ärztin für Allgemeinmedizin stellte in ihrem Gutachten vom 06.07.2019 fest, dass trotz der Funktionseinschränkung im Bereich der Hüften, insbesondere der rechten Hüfte bei Zustand nach Hüfttotalendoprothese und der Wirbelsäule, insbesondere der Lendenwirbelsäule, das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet sind, Niveauunterschiede ausreichend sicher überwunden werden können und eine kurze Wegstrecke ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden kann. Der Transport kann ausreichend sicher erfolgen, da sowohl das Anhalten ausreichend sicher erfolgen kann und ein ausreichend sicherer Stand und Gang besteht. Der BF verfügt über eine gute körperliche Belastbarkeit. Eine Unterarmstützkrücke als einfaches Hilfsmittel ist zumutbar.
Auch die in der Folge befasste sachverständige Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin bestätigt diese Ausführungen und stellt in ihrem Gutachten vom 20.02.2020 fest, dass sich bei der fachärztlich-orthopädischen Untersuchung an beiden oberen Extremitäten keine behinderungsrelevanten funktionsbeeinträchtigenden Einschränkungen der Beweglichkeit, Motorik oder Sensibilität gefunden haben, wodurch ein festes Anhalten und ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist. Trotz der geringgradigen Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Hüftgelenks bei Zustand nach Prothesenimplantation, ohne Nachweis einer muskulären Schwäche, ist eine Gehstrecke von 300-400 m, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe bewältigbar und zuzumuten. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden oder Hindernissen, die Sitzplatzsuche und die notwendige Fortbewegung innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels sind wegen des ausreichenden Bewegungsumfanges aller großen Gelenke der unteren Extremitäten, wenn erforderlich im Nachstellschritt, nicht erheblich erschwert. Kraft und Koordination sind ausreichend, ein neurologisches Defizit liegt nicht vor, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar. Abschließend stellte sie fest, dass eine maßgebliche Behinderung beim Zurücklegen der oben genannten kurzen Wegstrecke und bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel somit nicht ausreichend begründbar ist. Unter einem wies sie darauf hin, dass eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden nicht gegeben ist, da mit multomodaler Therapie eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten ist.
Diese Ausführungen der medizinischen Sachverständigen sind nicht zu beanstanden. Die Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des BF am 24.10.2019 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung, insbesondere zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zur Gesamtmobilität und zum Gangbild ("...Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar. Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse: Oberschenkel beidseits 47 cm, Unterschenkel beidseits 37 cm. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Hüftgelenk rechts: Narbe bei Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften rechts S 0/100, links 0/110, IR/AR bds 10/0/40, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, Klopfschmerz über der LWS L4/L5. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 30 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einer Unterarmstützkrücke, das Gangbild ist angedeutet rechts hinkend, Trendelenburg negativ. Gesamtmobilität beim Aufstehen, Hinlegen, Schuhe anziehen unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.").
Weder im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten, vor allem der Hüftgelenke, noch im Bereich der Wirbelsäule konnte von der Sachverständigen eine höhergradige Funktionseinschränkung festgestellt werden. Es liegt kein neurologisches Defizit vor, eine muskuläre Schwäche konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Insbesondere wies die Sachverständige auf die seitengleiche Bemuskelung hin. Das Gangbild zeigte keinen Hinweis auf ein Insuffizienzhinken: Trendelenburg negativ. Eine Gangunsicherheit konnte von der Sachverständigen nicht festgestellt werden. Anhand des beobachteten Gangbildes mit angedeutet rechts hinkendem Gehen und sicherer Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der derzeitigen Therapieerfordernis konnte die Sachverständige keine Hinweise auf hochgradige Schmerzzustände feststellen, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten. Ebenso ist ein neurologisch/psychiatrisches Leiden, welches das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnte, nicht anhand fachärztlicher Befund- und Behandlungsdokumentationen belegt.
Daraus ergibt sich, auch bestätigt durch die vom BF im Laufe des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass bei ihm zwar durchaus nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen vorliegen, dass aber die vom BF subjektiv empfundenen Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - objektiviert werden konnten.
Der BF ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens. Es wurde darin auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 55. ...
(4) Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.
(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBL. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt."
Gemäß § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, ist der Behindertenpass mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:
1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;
2. die Versicherungsnummer;
3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;
4. eine allfällige Befristung.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 1 bis 3 des Bundespflegegesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten jedoch dieselben Voraussetzungen ab dem vollendeten 36. Lebensmonat.
b) blind oder hochgradig sehbehindert ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 oder 5 BPGG vorliegen.
c) gehörlos oder schwer hörbehindert ist;
die Eintragung gehörlos ist bei einem Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, bzw. einem Grad der Behinderung von 70% aufgrund der Position 643 nach der Richtsatzverordnung BGBl. Nr. 150/1965, vorzunehmen.
Die Eintragung schwer hörbehindert ist ab einem Grad der Behinderung von 50% auf der Grundlage der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Position 643 nach der Richtsatzverordnung, vorzunehmen.
Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 10. Lebensjahr muss ein Grad der Behinderung von 90%, vom 11. Lebensjahr bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ein Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung vorliegen.
d) taubblind ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 6 BPGG vorliegen.
e) TrägerIn eines Cochlear-Implantates ist;
f) Epileptiker/Epileptikerin ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Diagnose entsprechend Abschnitt 04.10.02 oder 04.10.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Positionsnummer 573 oder 574 nach der Richtsatzverordnung vorliegt.
g) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, aufweist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. Der Zöliakie sind die Phenylketonurie (PKU) und ähnliche Stoffwechselerkrankungen im Sinne des Abschnittes 09.03. der Anlage zur Einschätzungsverordnung gleichzuhalten.
h) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.
i) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.
j) TrägerIn von Osteosynthesematerial ist;
k) TrägerIn einer Orthese ist;
l) TrägerIn einer Prothese ist.
2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) einer Begleitperson bedarf;
diese Eintragung ist vorzunehmen bei
- Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. a verfügen;
- Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d verfügen;
- Bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;
- Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlichen Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensänderungen;
- Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und
- schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z.B. Aspirationsgefahr).
b) die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann;
diese Eintragung ist bei Menschen mit Behinderung, die dem Personenkreis des § 48 des Bundesbehindertengesetzes angehören, bei Vorliegen eines festgestellten Grades der Behinderung/ einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70% bzw. bei Bezug von Pflegegeld oder anderen vergleichbaren Leistungen nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften anzunehmen.
c) einen Assistenzhund benötigt;
in einem Klammerausdruck ist beizufügen, ob es sich dabei um einen Blindenführ-, einen Service- oder einen Signalhund handelt.
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d. vorliegen.
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport in öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von einer Entfernung von rund 300 bis 400 m anzunehmen (VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013).
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit LVEF unter 30%
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen