Entscheidungsdatum
27.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2230398-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.03.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 05.12.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt und legte ein Konvolut an Unterlagen vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.11.2019 basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 07.01.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Anamnese:
XXXX kommt in Begleitung ihres Mannes zur Untersuchung. Ein Anamnesegespräch ist mit der Antragwerberin leider nicht möglich, da sie nicht Deutsch spricht. Das Gespräch erfolgt daher mit Hilfe des Mannes, der für sie übersetzt.
Es bestünden Wirbelsäulenschmerzen. Die Schmerzen reichten bis zu den Zehen. Es werden keine Stuhl-und Harnfunktionsstörungen angegeben. Die Sensibilität sei intakt. Sie könne nur sehr eingeschränkt gehen. In Begleitung und mit Hilfe einer Unterarmstützkrücke könne sie 1 Stunde im Wald spazieren gehen. Sie brauche aber bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfestellungen.
Der Blutdruck sei medikamentös nicht ausreichend eingestellt. Es würden Werte bis 220/100 gemessen.
Es besteht eininsulinpflichtiger DM. Der Mann richte die Insulindosis her, seine Frau verabreiche sich die Insulindosis dann selbständig. Die Insulintherapie erfolge nach fixem Schema. Die Kontrollen erfolgen beim Hausarzt.
Derzeitige Beschwerden:
somatoforme Schmerzstörung, unbehandeltes depressives Zustandsbild, Adipositas permagna, Gonarthrose re(deutlich), beginnende Gonarthrose li, Acromioclaviculargelenksarthrosen bds, Osteopenie, DM2-insulinpflichtig, diab.Polyneuropathie, Periarthropathia humeroscapularis li
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Restex, Exforge HTC, Daflon, Novo Mix 32-24-18 IE; Doxazosin
Sozialanamnese:
keine Schulbildung, kein erlernter Beruf, Hausfrau
verheiratet, 6 Kinder
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Wirkl. Hofrat XXXX (FA f. Psychiatrie, Neurologie, Allgemeinmedizin), fachärztl. Gutachten, 9.12.17: Grund: Zuerkennung des Pflegegeldes: Diagnosen: somatoforme Schmerzstörung, unbehandeltes depressives Zustandsbild, Adipositas permagna, Gonarthrose re(deutlich), beginnende Gonarthrose li, Acromioclaviculargelenksarthrosen bds, Osteopenie, DM2-insulinpflichtig, diab. Polyneuropathie, Periarthropathia humeroscapularis li;
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
unauffällig
Ernährungszustand:
stark übergewichtig
Größe: 155,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck: 190/100
Klinischer Status - Fachstatus:
Atmung: reguläre Atemfreqenz in Ruhe, Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar; Schädel: Augen: Pupillen isokor, mittelweit, Zähne:OK- und UK- Vollprothese; Halsorgane: Arterien: bds. tastbar; Venen: nicht gestaut; Schilddrüse: unauff.
Tastbefund; Thorax: symmetrisch, Lunge: vesikuläre Atmung, Basen atemverschieblich; Herz: Herztöne rein, rhythmisch; Abdomen: über Thoraxniveau, Bauchdecken: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen; Leber: nicht tastbar Nierenlager: frei ; Wirbelsäule: LWS nicht klopfempfindlich, Druckschmerz ISG bds, HWS: Rotation 30-0-30°, Anteversion und Reklination 1/2 eingeschränkt, Seitneigen Rumpf:symmetrisch 1/2 eingeschränkt, FingerBoden-Versuch: Unterrand der Patella, Zehenspitzen-, Fersen- und Einbeinstand bds. mit Anhalten durchführbar;
Extremitäten: Obere Extremitäten: Grobe Kraft: seitengleich, Faustschluß: beidseits komplett Spitzgriff und Fingerspreizen bds frei, Gelenke äußerlich unauffällig, Schultergelenke: Anteversion und Abduktion 100° bds, weitere Gelenke frei beweglich, Sensibilität: beidseits gleich, Schürzengriff bds endlagig eingeschränkt,
Nackengriff beidseits bis hinter die Ohren durchführbar, Keine signifikante Umfangdifferenz, Narbenbildungen: keine
Untere Extremitäten: Aktives Heben bds. 10°; Hüftgelenke: Beugen beidseits 90°, Rotation 1/2 eingeschränkt; Kniegelenke: bds Beugen 90°, kein Streckdefizit; Sprunggelenke: beidseits ohne Einschränkung; Knie anheben beidseits über 20cm möglich; Kraft: grobe
Kraft beidseits vorhanden; grob neurologisch unauffällig, keine trophischen Störungen, Beschwielung: seitengleich typisch, Fußpulse bds tastbar
Gesamtmobilität - Gangbild:
Trägt Konfektionsschuhe, 1 UASTK, selbständiges An-/Ausziehen nicht möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einer Wohnung im 1. Stockwerk mit Aufzug, im
Alltag wenig selbständig, der Mann muss alles für sie machen, Körperpflege je nach Tagesverfassung auch selbständig möglich, WC selbständig; Gangbild im Raum ohne Krücke unsicher, mit Krücke sicher, sehr behäbiges verlangsamtes Gangbild
Status Psychicus:
sehr leidend, wenig kooperativ, aufgrund der Sprachbarriere kann keine Aussage zu den intellektuellen Funktionen gemacht werden
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus II Wahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition bei 3 mal täglicher Insulingabe, jedoch ohne Auftreten von schweren Entgleisungen; starkes Übergewicht und diabetische Polyneuropathie werden mitberücksichtigt
09.02.04
50
2
Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates Oberer Rahmensatz bei Veränderungen an Wirbelsäule, Schulter- und Kniegelenken mit mäßigen Funktionseinschränkungen; Osteopenie, somatoforme Schmerzstörung und unbehandelte Depressio werden mitberücksichtigt
02.02.02
40
3
Hypertonie fixer Rahmensatz
05.01.02
20
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da eine wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
[x] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine kurze Wegstrecke erscheint mit Hilfe einer Unterarmstützukrücke bewältigbar. Ein- und Aussteigen erscheint nach Anamnese (siehe Gesamtmobilität-geht laut Anamnese 1 Stunde mit Unterarmstützkrücke im Wald spazieren) möglich. Der sichere Transport ist aufgrund der ausreichenden Beweglichkeit, Greiffunktion und Kraft in den oberen Extremitäten gegeben. Es liegen keine schwerwiegenden cardiopulmonalen Funktionseinschränkungen vor. Der Ernährungszustand ist konstant. Es liegt keine durchgehende körperliche Schwäche in einem Ausmaß vor, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als unzumutbar beurteilt werden kann. Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel erscheint zumutbar
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
..."
Mit Schreiben vom 09.01.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Mit einem Grad der Behinderung von 60 % werde ihrem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätsbeschränkung aufgrund einer Behinderung" lägen nicht vor.
Die Beschwerdeführerin gab eine Stellungnahme ab, welche am 03.02.2020 bei der belangten Behörde einlangte. Darin brachte sie vor, sie sei sehr behindert und könne nicht einmal 500 Meter gehen. Ihr Blutdruck sei sehr hoch, ebenso ihre Diabetes. Sie sei ein sehr kranker Mensch und ersuche um Ausstellung des Behindertenpasses. Sie werde von ihrem Mann gepflegt und sie bräuchten das Auto zum Einkaufen fahren. Dem Schreiben angeschlossen wurden eine Verständigung der PVA, Jänner 2020, Pflegegeld der Stufe 1 ab 01.01.2020, ein Röntgenbefund der Halswirbelsäule vom 30.05.2002 sowie ein MRT des rechten Knies vom 30.10.2003.
Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin und der neu vorgelegten Befunde ersuchte die belangte Behörde die bereits befassten Sachverständige und Ärztin für Allgemeinmedizin um eine Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 28.03.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
" XXXX wurde am 11.11.2019 in der Landesstelle des Sozialministeriumservice untersucht und mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60% eingestuft.
Die AW ist mit dem Ergebnis der Einstufung nicht einverstanden, der Grad der Behinderung
sei zu gering, die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde nicht gewährt.
Es werden neue Befunde vorgelegt
-PVA, Verständigung, Jänner 2020: Pflegegeld der Stufe 1 ab 1.1.20
-RÖ HWS, 30.5.05: deformierende Spondylose
-MRT re. Knie: 30.10.03: Im wesentl. Stat. Bef. Vergleich zur Voruntersuchung vom 14.5.98.
Grad II - Läsion (mucoide Degeneration) im Hinterhorn des lateralen Meniskus sowie deutl. deg. Signalalterationen im med. Meniskushinterhorn mit Verd.a. zarten, oberflächlichen Einriss
-Wirkl.Hofrat XXXX (FA f. Psychiatrie, Neurologie, Allgemeinmedizin), fachärztl.
Gutachten, 9.12.17: wurde bereits im Gutachten berücksichtigt
Es wird festgehalten, dass aus allgemeinmedizinischer Sicht nach neuerlicher Durchsicht des Akteninhaltes und Berücksichtigung der neu vorgelegten Befunde keine Änderung der getroffenen Gesamteinschätzung vorgeschlagen wird, da die relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen in der Beurteilung entsprechend berücksichtigt und bewertet wurden."
Mit angefochtenem Bescheid vom 30.03.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens, welches als schlüssig erachtet werde, wiedergegeben. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Ihre Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, eine Änderung des Gutachtens zu bewirken. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin die gutachterliche Stellungnahme übermittelt.
Mit am 14.04.2020 eingelangtem Schreiben erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie vor, sie habe zwar den Behindertenpass bekommen, aber dieser sei nutzlos, wenn sie keinen Behindertenparkplatz habe. Wofür habe sie den Behindertenpass überhaupt bekommen? Wenn sie keinen Behindertenparkplatz bekommen, wie solle sie sich den Parkplatz mit Gebühr leisten? Ihre Diabetes steige bis zu fast 400 und ihr Blutdruck steige bis zu 226. Ihre Knie würden schmerzen, weil sie Kalk in den Knien haben. Sie werde von ihrem Ehemann gepflegt. Ohne das Auto könne sie jedoch nirgendwo hingehen. Sie bitte um einen Behindertenparkplatzschein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H.
Sie stellte am 05.12.2018 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Insulinpflichtiger Diabetes mellitus II
- Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates
- Hypertonie
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 07.01.2020 und der ergänzenden Stellungnahme vom 28.03.2020 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.11.2019.
Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, erreichen sowohl die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit als auch die Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Die Sachverständige stellte in der persönlichen Untersuchung am 11.11.2019 fest, eine kurze Wegstrecke erscheint mit Hilfe einer Unterarmstützkrücke bewältigbar. Ein- und Aussteigen erscheint nach Anamnese (siehe Gesamtmobilität - geht laut Anamnese 1 Stunde Unterarmstützkrücke im Wald spazieren) möglich. Der sichere Transport ist aufgrund der ausreichenden Beweglichkeit, Greiffunktion und Kraft in den oberen Extremitäten gegeben. Es liegen keine schwerwiegenden cardiopulmonalen Funktionseinschränkungen vor. Der Ernährungszustand ist konstant. Es liegt keine durchgehende körperliche Schwäche in einem Ausmaß vor, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als unzumutbar beurteilt werden kann. Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel erscheint zumutbar.
Was das Vorbringen n der Beschwerde betrifft, wonach sowohl ihr Diabetes als auch ihr Blutdruck sehr hoch seien, ist auszuführen, dass der insulinpflichtige Diabetes mellitus II als führendes Leiden im Sachverständigengutachten unter der Positionsnummer 09.02.04. mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. richtig eingestuft wurde. Es wurden sowohl die tägliche Insulingabe, ohne Auftreten von schweren Entgleisungen, das starke Übergewicht und die diabetische Polyneuropathie mitberücksichtigt. Auch der Bluthochdruck wurde im Sachverständigengutachten unter der Positionsnummer 05.01.02. mit einem fixen Rahmensatz in der Höhe von 20 v.H. berücksichtigt.
Dem Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe Schmerzen in den Knien, ist entgegenzuhalten, dass die degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates unter der Positionsnummer 02.02.04. mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingestuft wurden. Unter Heranziehung dieser Positionsnummer fanden sowohl die mäßigen Funktionseinschränkungen an Wirbelsäule, Schulter und Kniegelenken als auch die Osteopenie, somatoforme Schmerzstörung und unbehandelte Depressio Berücksichtigung. Dass der Beschwerdeführer aufgrund dieses Einwandes, wonach sie Schmerzen in den Knien habe, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich wäre, ist anhand des Sachverständigengutachtens und der ergänzenden Stellungnahme nicht objektivierbar. Die Sachverständige kam im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin zu dem Ergebnis, dass der sichere Transport aufgrund der ausreichenden Beweglichkeit, Greiffunktion und Kraft in den oberen Extremitäten gegeben ist. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke erscheint mit Hilfe einer Unterarmstützkrücke bewältigbar, was auch von der Beschwerdeführerin selbst im Rahmen der Anamnese angegeben wurde. Bei der Beschwerdeführerin bestehen zwar mäßige Funktionseinschränkungen an Wirbelsäule, Schulter und Kniegelenken, die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstecken, allenfalls unter Verwendung einer Unterarmstützkrücke zurücklegen zu können.
Betreffend das Beschwerdevorbringen, sie könne sich die Gebühr für den Parkplatz nicht leisten, weshalb sie einen Behindertenparkplatz benötige, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Die Beschwerdeführerin legte in der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Damit ist sie dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 07.01.2020 und der ergänzenden Stellungnahme vom 28.03.2020. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."
..."
Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.03.2020 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 100/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.01.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden körperlichen Defizite - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesen Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert. Auch unter Berücksichtigung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden dauerhaften Einschränkungen und deren Zusammenwirken vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits erwähnt, keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinischen Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.
Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei für sie auch deshalb nicht möglich, weil sie sich ohne Behindertenparkplatz die Gebühr für einen Parkplatz nicht leisten könne, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechtigung der Zusatzeintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wie bereits zuvor ausgeführt entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258). Im vorliegenden Fall beruhen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber in Bezug auf diesen Teil des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin zu Folge nicht in der Art und Schwere der Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, sondern entscheidend darin, dass sie sich die Gebühr für den Parkplatz nicht leisten könne.
Die für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass erforderlichen Voraussetzungen einer erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten oder einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages - nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2230398.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020