TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 W265 2230272-1

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2230272-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von Helmut XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX Rechtsanwälte GesbR, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 25.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 12.02.2018 Inhaber eines bis 28.02.2021 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Am 03.12.2019 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt und legte ein Konvolut an Unterlagen vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.01.2020 basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 27.01.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Ein SVGA aus 2/2018 liegt vor. Ein GdB 50 v.H. wurde befristet anerkannt. Zwischenzeitlich wurde eine koronare 3-Gefäßerkrankung diagnostiziert, ein ACBP ist indiziert. Außerdem wurde aufgrund eines PSA-Rezidivs die Prostataloge 2/2019 bestrahlt. Des weiteren werden Knieschmerzen links beklagt.

Vorerkrankungen:

St.p. RM-Ruptur links

St.p. Subacromiale Dekompression rechts mit Infekt und 3xiger Revision

St.p. Fract. Mall. Lat. Sin. Fixat. Mit Subluxationsstellung

Art. Hypertonie

St.p. Prostatacarcinom operat. Mit Chemotherapie 2007, Inkontinenz mit Einlagen versorgt

St.p. HWK Fraktur ohne Probleme, St.p. Densfraktur

Derzeitige Beschwerden:

Eine Bypassoperation sei für 31.1.2020 geplant, mit der "Luft" hätte er keine Beschwerden. Nach einer Gehstrecke von ca. 200 m würden die Oberschenkelmuskeln "übersäuern", außerdem werden Schmerzen im linken Kniegelenk beklagt.

Aufgrund eines PSA-Anstiegs wurde die Prostataloge bestrahlt, es bestehe eine Harninkontinenz, 1-2 Vorlagen pro Tag werden verwendet. Die bekannte Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk sei unverändert.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente (lt. Arztbrief Wiener Neustadt): Fosinopril/HCT, TASS, Concor, Sortis.

Sozialanamnese:

KFZ-Techniker in Pension, bewohnt alleine Haus mit Garten, im Alltag selbständig.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2/2018 SVGA: GdB 50 v.H. (befristet)

1/2020 Kardiologie KH Wiener Neustadt: Coronarangiografie am 8.1.2020: KHK III, ACBP indiziert, Termin in St. Pölten vereinbart, Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie, paVK IIb, persistierender chronischer Nikotinabusus (20/d)

10/2019 FA für Innere Medizin XXXX , XXXX : Belastungsdyspnoe, Echo: gute globale Pumpfunktion, keine Rechtsbelastung.

10/2019 Myokardszintigrafie: Hinweis für pharmakologisch induzierbare Ischämie der Hinterwand vom Apex bis Herzbasis, EH in Ruhe 62%, nach Stimulation 56%

10/2019 FÄ für Lungenkrankheiten XXXX , XXXX : V.a. RH re UF, FEV1: 84%, nach Provokation 94%, VA seitengleich, SpO2 98%, Brimica Genuair 340/12mcg 1-0-1.

12/2018 FA für Urologie Dr. Fink: PSA-Rezidiv, Radiotherapie empfohlen.

6/2018 und 1/2020 FA für Orthopädie XXXX , XXXX : Gonarthrose links, Hyaluronsäurebehandlung empfohlen, S 0-0-130°

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 167 cm Gewicht: 66 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig, Kopfdrehung nicht eingeschränkt, cor: HAT rein und rhythmisch, normofrequent. Pulmo: bds. belüftet, VA, keine RG, Basen verschieblich, OE: Schultergelenk rechts Abduktion bis mx. 80°, restliche große Gelenke frei beweglich, Nackengriff bds. möglich, DMS peripher unauffällig, WS: im Lot, verstärkte BWS-Kyphose, keine Klopfdolenz, DMS peripher o.B., Abdomen: im Thoraxniveau, BD weich, keine Abwehrspannung, BP geschlossen, Nierenlager frei, UE: Varusstellung, große Gelenke frei beweglich und ohne akute Entzündungszeichen, Lasegue bds. neg., Fußpulse bds. gut tastbar, Vorfüße warm, DMS peripher unauffällig, keine Varikositas, keine Ödeme, Integument intakt, Einbein-, Fersen- und Zehenballenstand problemlos, Romberg sicher.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt frei von Gehbehelfen, linksseitig etwas hinkend, linkes Knie wird nicht ganz durchgestreckt, etwas verlangsamtes, aber insgesamt sicheres Gangbild, freies Stehen sicher.

Status Psychicus:

Wach, allseits orientiert, gut kontaktfähig, Ductus leicht abschweifend, Logorrhoe, im Positiven affizierbar, Sprache unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Prostatakarzinom, Zustand nach Bestrahlung 2-4/2019 bei PSA-Anstieg, anhaltende Belastungsinkontinenz

2

Koronare 3-Gefäßerkrankung bei erhaltender Linksventrikelfunktion, Bypassoperation indiziert

3

Zustand nach Schulterengedekompression rechts mit postoperativem Infekt und Revision, sowie Schultersteife und Narkosemobilisation mit anhaltender Bewegungseinschränkung

4

Zustand nach Außenknöchelfraktur links mit Verheilung in Subluxationsstellung, sowie vorhandener Abnützung

5

Abnützungserscheinungen der Halswirbelsäule, Zustand nach Wirbelkörper- und Densfraktur

6

Bluthochdruck

7

Aufbrauchzeichen linkes Kniegelenk, Zustand nach Arthroskopie

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Das Leiden 2 aus dem Vorgutachten wird aufgrund eines PSA-Rezidivs mit der Notwendigkeit einer Bestrahlung aktuell zum führenden Leiden 1. Das aktuelle Leiden 2 wird aufgrund der neu vorgelegten Befunde erstmalig berücksichtigt, ebenso wie das aktuelle Leiden 7. Die übrigen Leiden werden im Wesentlichen unverändert zum Vorgutachten bewertet. Eine dokumentierte paVK kann aufgrund fehlender Befunde und diesbezüglich unauffälligem Status nicht objektiviert werden.

[x] Dauerzustand

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Trotz der vorliegenden Beschwerdesymptomatik ist die Gehfähigkeit oder die Gangsicherheit nicht in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt. Die kardiopulmonale Leistungsbreite reicht aus, um kurze Wegstrecken von 300 bis 400m aus eigener Kraft in einer adäquaten Zeit zurückzulegen, wobei die Verwendung von Gehbehelfen bei Bedarf zulässig wäre. Geringe Niveauunterschiede in Form einiger Stufen werden problemlos bewältigt. Ein sicheres Ein- und Aussteigen in ein ÖVM ist daher möglich. Haltegriffe oder -stangen können verwendet werden, Kraft und Standsicherheit reichen aus, um einen sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu gewährleisten. Eine Harninkontinenz kann mit handelsüblichen Inkontinenzprodukten versorgt werden. Des weiteren liegen keine psychiatrischen oder intellektuellen Beeinträchtigungen vor, welche die Benützung ÖVM erheblich beeinträchtigen würden.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nicht zutreffend.

Gutachterliche Stellungnahme:

Eine beklagte paVK kann aufgrund fehlender Befunde nicht eingeschätzt werden. Ansonsten liegt trotz der erstmalig berücksichtigten Leiden keine erhebliche Mobilitätseinschränkung vor. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar.

..."

Mit Schreiben vom 27.01.2020 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Der Beschwerdeführer, rechtsfreundlich vertreten durch XXXX , gab eine Stellungnahme ab, welche am 13.02.2020 bei der belangten Behörde einlangte. Darin brachte er vor, ihm sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel alleine schon deshalb unzumutbar, da es in seinem Wohnort im Wesentlichen keine öffentlichen Verkehrsmittel gebe. Die nächste Haltestelle sei zwei Kilometer entfernt und sei es ihm aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht zumutbar, diese Anbindung zu nutzen, um Einkäufe oder Arztbesuche mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erledigen. Darüber hinaus sei beim Beschwerdeführer Anfang Februar eine dreifache Myocardrevaskulkarisation durchgeführt worden. Durch die eingefügten Venenbypässe und die damit verbundene Medikation bzw. die damit einhergehende körperliche Belastung sei zwar das Allgemeinbefinden des Beschwerdeführers erhöht, eine körperliche Belastung, die durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würde, sei ihm jedoch nicht zuzumuten. Im Wohnort des Beschwerdeführers gebe es kein Lebensmittelgeschäft, sodass er genötigt sei, auch kleinste Einkäufe mit dem Auto oder eben mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Auch die durch seine zahlreichen Erkrankungen erforderlichen Arztbesuche würden das Zurücklegen großer Wegstrecken erforderlich machen. Dem Schreiben wurde ein Ärztlicher Entlassungsbrief des Universitätsklinikum St. Pölten vom 10.02.2020 angeschlossen.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers und des neu vorgelegten Befundes ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten Sachverständigen und Arzt für Allgemeinmedizin um eine Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 19.02.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Die infrastrukturelle Situation am Heimatort des Antragwerbers stellt kein Beurteilungskriterium hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung ÖVM dar. Im neu vorgelegten Dokument (Entlassungsbrief Universitätsklinik St. Pölten 2/2020) ist eine 3-fach-Bypass-Operation dokumentiert. Es wird ein komplikationsloser operativer und postoperativer Verlauf, sowie eine normale kardiale Pumpfunktion beschrieben. Durch den Eingriff kann eine Besserung der Gesamtsituation erwartet werden. Des weiteren werden keine neuen Befunde vorgelegt. Das SVGA wird daher nicht verändert. Bei Vorlage neuer relevanter Befunde kann eine Neubewertung vorgenommen werden."

Mit angefochtenem Bescheid vom 25.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens, welches als schlüssig erachtet werde, wiedergegeben. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Seine Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, eine Änderung des Gutachtens zu bewirken. Mit dem Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten und die gutachterliche Stellungnahme übermittelt. Anmerkend wurde festgehalten, dass der beantragte Ausweis gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) nicht ausgestellt werden könne, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

Mit am 08.04.2020 eingelangtem Schreiben erhob der nunmehr durch XXXX Rechtsanwälte GesbR vertretene Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er vor, er leide unter zahlreichen Erkrankungen, die einen generell schlechten Allgemein- und Gesundheitszustand zur Folge hätten. Seit der Bypassoperation am 02.02.2020 - der Beschwerdeführer habe dem Sachverständigen bereits bei der Untersuchung am 14.01.2020 mitgeteilt, dass eine solche bevorstehen würde - habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Außerdem habe er bei der persönlichen Untersuchung darüber geklagt, dass ihm schon nach wenigen Metern Gehen die Luft ausgehe, der Sachverständige habe jedoch festgestellt, dass Wegstrecken von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft in einer adäquaten Zeit zurückgelegt werden könnten. Der Beschwerdeführer sei normalerweise auch auf Gehhilfen angewiesen, was im Gutachten gänzlich außer Acht gelassen worden sei. Insbesondere aufgrund der Einschränkungen im Bereich der Schultern sei es ihm mit der Gehhilfe nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, zumal die Verwendung einer Krücke die Benützung erheblich erschwere. Er könne aufgrund der in Mitleidenschaft gezogenen Schulter nicht die Krücke in der einen Hand halten, während er sich mit der anderen Hand an den vorgesehenen Haltegriffen festhalte. Aufgrund der schwachen Sauerstoffversorgung der Beinmuskulatur sei es ihm auch keinesfalls möglich, in ein öffentliches Verkehrsmittel einzusteigen, geschweige denn sich im bewegenden Fahrzeug auf den Beinen zu halten. Da bereits der Weg von seinem Haus bis zur nächsten Haltestelle ca. zwei Kilometer betrage und diese Strecke nicht in einer adäquaten Zeit zurückgelegt werden könne, sei ihm die begehrte Zusatzeintragung keinesfalls zu verwehren. Hinzu komme eine Inkontinenz, welche für alle anderen Benützer öffentlicher Verkehrsmittel eine Geruchsbelästigung darstelle und sich der Beschwerdeführer dadurch psychisch belastet fühle. Darüber hinaus sollte es in Zeiten des Coronavirus für den Beschwerdeführer, der wohl unbestreitbar zur Risikogruppe gehöre, selbstverständlich sein, dass ihm nicht die Notwendigkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgezwungen werde, bei welcher die Ansteckungsgefahr um ein Vielfaches steige. Aus diesem Grund sei die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer 400 Meter zu Fuß gehen könne oder nicht im gegenständlichen Fall ohnehin irrelevant. Er könne jedoch nicht einmal die geforderten 400 Meter ohne unverhältnismäßig große Umstände zurücklegen und sei ihm aufgrund der Coronapandemie die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gerade aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes keinesfalls zuzumuten. Es sei ihm ebenfalls nicht zumutbar, Einkäufe zwei Kilometer lang von der nächsten Haltestelle nach Hause zu tragen, zumal er auch auf Gehhilfen angewiesen sei. Der Beschwerde wurden keine medizinischen Befunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Er stellte am 03.12.2019 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

- Prostatakarzinom, Zustand nach Bestrahlung 2-4/2019 bei PSA-Anstieg, anhaltende Belastungsinkontinenz

- Koronare 3-Gefäßerkrankung bei erhaltender Linksventrikelfunktion, Bypassoperation indiziert

- Zustand nach Schulterengedekompression rechts mit postoperativem Infekt und Revision, sowie Schultersteife und Narkosemobilisation mit anhaltender Bewegungseinschränkung

- Zustand nach Außenknöchelfraktur links mit Verheilung in Subluxationsstellung, sowie vorhandener Abnützung

- Abnützungserscheinungen der Halswirbelsäule, Zustand nach Wirbelkörper- und Densfraktur

- Bluthochdruck

- Aufbrauchzeichen linkes Kniegelenk, Zustand nach Arthroskopie

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 27.01.2020 und der ergänzenden Stellungnahme vom 19.02.2020 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.01.2020.

Trotz der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, erreichen sowohl die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit als auch die Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Der Sachverständige stellte in der persönlichen Untersuchung am 14.01.2020 fest, dass die kardiopulmonale Leistungsbreite ausreicht, um kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft in einer adäquaten Zeit zurückzulegen. Inzwischen wurde beim Beschwerdeführer eine Bypassoperation durchgeführt, die komplikationslos verlaufen ist und nach der sich sein Zustand laut Entlassungsbrief des Universitätsklinikums St. Pölten gebessert hat. Der Beschwerdeführer kam ohne Gehhilfen zur persönlichen Untersuchung. Sein Gangbild zeigte sich linksseitig etwas hinkend und etwas verlangsamt, das linke Knie wurde dabei nicht ganz durchgestreckt. Insgesamt war jedoch ein sicheres Gangbild und sicheres freies Stehen festzustellen. Geringe Niveauunterschiede in Form einiger Stufen können problemlos bewältigt werden, ein sicheres Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist daher möglich.

Der Beschwerdeführer wandte in der Beschwerde ein, es sei gänzlich außer Acht gelassen worden, dass er auf Gehhilfen angewiesen sei und es ihm aufgrund seiner Einschränkungen in der Schulter mit einer Krücke nicht möglich sei, sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel festzuhalten. Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, wie zuvor bereits ausgeführt, ohne Gehhilfe zur Untersuchung durch den Sachverständigen erschien. Jedoch stellt aber auch die allfällige Verwendung einer Gehhilfe grundsätzlich keine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar, sondern ist zweckmäßig und steigert dadurch die vermehrte Sicherheit der Gehleistung. Zwar ist das rechte Schultergelenk in der Beweglichkeit eingeschränkt, die Kraft reicht jedoch aus, Haltegriffe zu verwenden und damit einen sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln zu gewährleisten. Die übrigen Gelenke der oberen Extremitäten sind frei beweglich.

Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nach der Operation am 02.02.2020 verschlechtert habe, ist erneut auf den Entlassungsbrief vom 10.02.2020 zu verweisen, der einen komplikationslosen operativen und postoperativen Verlauf und eine normale kardiale Pumpfunktion beschreibt. Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 13.02.2020 selbst an, dass sich durch die Operation sein Allgemeinbefinden gesteigert habe. Der allgemeinmedizinische Sachverständige wies in seiner ergänzenden Stellungnahme am 19.02.2020 ebenfalls darauf hin, dass mit einem derartigen Eingriff üblicherweise eine Besserung der Gesamtsituation erwartet werden kann. Weitere medizinische Befunde, die eine allfällige Verschlechterung des Zustandes belegen würden, legte der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde nicht vor. Das diesbezügliche Vorbringen eines verschlechterten Zustandes seit der Operation ist somit nicht objektivierbar.

Betreffend die Harninkontinenz ist - anders als dies allenfalls im Falle eines erwiesenen Vorliegens einer Stuhlinkontinenz gesehen werden mag - darauf hinzuweisen, dass selbst bei einer permanenten und schweren Harninkontinenz die Verwendung entsprechender Inkontinenzprodukte, die in der Lage sind, die unerwünschten Auswirkungen (Nässe, Geruch) ausreichend zu kompensieren, eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darstellt. Bezüglich des Verwendens von Hygieneprodukten für die Harninkontinenz ist daher festzuhalten, dass die Verwendung dieser Produkte im Fall des Beschwerdeführers die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglicht.

Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer in der aktuellen Corona-Pandemie als Angehöriger der Risikogruppe durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zusätzlich gefährdet wäre, ist festzuhalten, dass ein Aufenthalt im öffentlichen Raum mit näherem Kontakt zu anderen Menschen in dieser Situation insgesamt eine potenzielle Infektionsgefahr darstellt. Dass diese Gefahr in einem öffentlichen Verkehrsmittel höher sei als beispielsweise in einem Supermarkt, den der Beschwerdeführer weiterhin besucht, kann daraus nicht geschlossen werden und ist dieses Vorbringen damit nicht geeignet, die Voraussetzungen der beantragten Zusatzeintragung zu erfüllen.

Betreffend das Beschwerdevorbringen, die nächste Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels sei etwa zwei Kilometer von seiner Wohnadresse entfernt, wodurch dem Beschwerdeführer das Erledigen von Einkäufen und Arztbesuchen ohne Auto nicht möglich und zumutbar sei, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Damit ist er dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 27.01.2020 und der ergänzenden Stellungnahme vom 19.02.2020. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

- Kleinwuchs,

- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."

..."

Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25.02.2020 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 100/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.01.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden körperlichen Defizite - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Beim Beschwerdeführer liegen ausgehend von diesen Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert. Auch unter Berücksichtigung der beim Beschwerdeführer bestehenden dauerhaften Einschränkungen und deren Zusammenwirken vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits erwähnt, keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen.

Was das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei für ihn auch deshalb nicht möglich, weil die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in seiner Wohngemeinde sehr beschränkt sei und ihm eine normale Lebensführung, wie zum Einkaufen oder für Arztbesuche, so nicht möglich sei, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechtigung der Zusatzeintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wie bereits zuvor ausgeführt entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258). Im vorliegenden Fall beruhen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber in Bezug auf diesen Teil des Beschwerdevorbringens des Beschwerdeführers zu Folge nicht in der Art und Schwere der Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, sondern entscheidend darin, dass die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in seiner Wohngemeinde unzureichend sei.

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass erforderlichen Voraussetzungen einer erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten oder einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages - nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2230272.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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